Glockenhaus
Ein Glockenhaus oder Glockenhäusl (tschech. Zvonička) ist ein separater, meist turmartiger Bau, der dazu dient, eine Glocke aufzuhängen, aber im Gegensatz zum Glockenturm (tschech. Zvonice) nicht mit einer Kirche verbunden ist oder neben einer Kirche steht. Glockenhäuser können auch in Form von kleinen Kapellen errichtet sein und befinden sich meist nur in Dörfern, in denen keine Kirche existiert. Ihr Verbreitungsgebiet beschränkt sich im Wesentlichen auf Tschechien, Österreich, Schlesien und Deutschland, wobei die meisten in Böhmen zu finden sind. Glockenhäusl stehen dort meist auf dem Dorfplatz (tschech. náves), viele von ihnen stehen unter Denkmalschutz.
Ausgangspunkt für das Errichten von kleinen Glockengestellen (Glockenstühlen) für die sogenannten Feuerglocken oder Alarmglocken war das Feuerpatent von Kaiserin Maria Theresia, das am 21. August 1751 für die österreichischen Länder erteilt wurde.[1] Es enthielt insgesamt 30 Artikel, in denen u. a. das Pflanzen von Bäumen zwischen den Häusern, die Anlegung von Teichen und das Errichten einer Feuerglocke in jedem Dorf angeordnet wurde. Wegen der schleppenden Befolgung dieser Anordnungen wurde das Patent von Kaiser Joseph II. im Jahre 1787 nochmals erneuert.
Bauformen
In der einfachsten Ausführung wurde die Glocke in einer Baumkrone oder in gegabelten Bäumen aufgehängt und war meist nicht einmal überdacht. Danach errichtete man hölzerne Gebäude, die um eine hölzerne Stütze, die als Glockengestell für die Aufhängung der Glocke im Freien diente, angeordnet waren. Der nächste Entwicklungsschritt beim Bau der Glockengestelle war die Errichtung von steinernen Gebäuden. Dadurch war die Glocke nicht mehr Wind und Wetter ausgesetzt. Die weitere architektonische Gestaltung führte zu repräsentativeren und langlebigen Bauten, die meist in Form kleiner Kapellen oder Andachtsstätten ausgeführt wurden. Dabei wurden die Glockenhäusl – wenn möglich – an erhöhten Punkten im Gelände errichtet. Auf Grund der zusätzlichen religiösen Funktion der Glockenhäusl gibt es genaue Läuteordnungen, so wird z. B. stets mittags um 12 Uhr das Mittagsläuten durchgeführt, aber auch bei Todesfällen geläutet.
- Glockenhaus auf einem Baum in Božtěšice (Ústí nad Labem)
- Glockenhaus unterhalb der Burg Střekov
Beispiele für Glockenhäuser
- Hölzernes Glockenhäusl in Dlouhá Třebová (Langentriebe), Okres Ústí nad Orlicí, genutzt von 1753 bis 1906, geläutet wurde dreimal am Tag sowie bei Tod und Beerdigung, bei freudigen Ereignissen, bei religiösen Festen und bei Gefahren, wie Feuer, Sturm oder Hagel
- Glockenhäusl in Klutschkau, Kutterschin und Litschkau im Okres Louny in Nordböhmen
- Glockenturm in Josefsthal bei Litschau in Niederösterreich
- Glockenhaus in Elsenau, OT von Schäffern in der Steiermark
- Glockenturm, auch „Glöckelturm“ in Konatsried bei Oberviechtach in Niederbayern[2][3]
- Glockenhaus in Garsitz (Thüringen)[4]
- Glockenstuhl in Ziegelroda (Sachsen-Anhalt)[5]
- Glockenhaus Wolferschwenda im Kyffhäuserkreis
- Glockenhaus Wallmenroth im Westerwald[6]
- Glockenhaus in Jakobswalde (Kotlarnia) in der Woiwodschaft Oppeln (1815)
- Glockenhaus in Bierkowice in der Woiwodschaft Oppeln
- Glockenhaus in Sól im Powiat Żywiecki (Saybusch) in Schlesien (1837)
- Glockenhaus in Kúty, Bobrovec und Obeckov in der Slowakei
Hölzerne Glockenhäusl
- Hölzernes Glockenhäusl am Malerwinkel unterhalb des Schreckenstein
- Hölzernes Glockenhäusl in Litice nad Orlicí (Litititz an der Adler)
- Hölzerner Glockenturm in Konatsried in der Oberpfalz
- Hölzerner Glockenturm in Mikulůvka in der Mährischen Walachei
- Hölzerner Glockenturm in Josefsthal, OT von Litschau in Niederösterreich
- Glockenhaus in Sól in Schlesien (1837)
Steinerne Glockenhäusl
- Glockenhäusl in Klutschkau (Kluček) bei Liebeschitz (Liběšice u Žatce), jetzt Norbertkapelle
- Glockenhäusl in Litschkau (Ličkov) bei Liebeschitz
- Glockenhäusl in Kutterschin (Chudeřín) bei Žatec (Saaz)
- Fachwerk-Glockenhäusl in Kublov, Okres Beroun
- Glockenhäusl in Elsenau (Steiermark)
- Glockenkapelle in Bierkowice in der Woiwodschaft Oppeln
Kombiniertes Schulhaus und Glockenhaus
Es existieren auch Bauten, wo das Glockenhaus mit dem Schulhaus kombiniert ist. Oft ist dabei die Glocke in einem Dachreiter untergebracht:
- Schul- und Glockenhaus in Horní Podluží (Obergrund) in Nordböhmen,
- Schul- und Glockenhaus in Hattgenstein in Rheinland-Pfalz,[7]
- Glockenhaus in Spardorf in Mittelfranken
- „Schulstubn-Glockenhäusl“ in Kasten, OT von St. Peter am Wimberg bei Haslach an der Mühl in Oberösterreich.[8]
- Schul- und Glockenhäusl in Obergrund (Horní Podluží)
- Schul- und Glockenhaus in Hattgenstein
- Schulstubn und Glockenhäusl in Kasten
Siehe auch
Literatur
- Bernhard Grueber: Die Kunst des Mittelalters in Böhmen, IV. Teil, Wien 1879, S. 106 ff.
- Anton Podlaha: Topographie der historischen und Kunst-Denkmale im Königreiche Böhmen. Band IX. Der politische Bezirk Rokytzan. Prag, 1901, S. 70
- Hana Hlušičková: Technické památky v Čechách, na Moravě a ve Slezsku IV. Praha: Libri, 2004, ISBN 80-7277-160-4, 488 S. (tschech.)
- Kuča, Karel: České, moravské a slezské zvonice. Praha: Libri, 2001, ISBN 80-7277-018-7, S. 9. (tschech.)
- Josef Kšír: Dřevěné zvoničky na Hané, Vlastenecký spolek musejní, Olomouc 1947 (tschech.)
Weblinks
Einzelnachweise
- Religiöse Traditionen und Feuerglockenhäuschen in der Mährischen Walachei (abgerufen am 2. Oktober 2017)
- Georg Lang: Glockentürme im Oberviechtacher Raum (abgerufen am 2. Oktober 2017)
- Glockenhäusl Konatsried (abgerufen am 2. Oktober 2017)
- Königsee-Rottenbach: Glockenhaus Garsitz (abgerufen am 2. Oktober 2017)
- Glockenhaus Ziegelroda (Memento vom 3. Oktober 2017 im Internet Archive) (abgerufen am 2. Oktober 2017)
- Glockenhaus Wallmenroth (abgerufen am 2. Oktober 2017)
- Glockenhaus Hattgenstein (abgerufen am 2. Oktober 2017)
- Schulstub’n im Glockenhäusl in Kasten (abgerufen am 2. Oktober 2017)