Gartenstadt (Bayreuth)
Die Gartenstadt ist ein Stadtteil von Bayreuth an der Westflanke des Grünen Hügels. Die Bezeichnung „Gartenstadt“ ist insofern irreführend, als die Anlage dem Konzept der garden city nicht entspricht.
Lage
Zur Innenstadt hin grenzt der Stadtteil in Höhe der Feustelstraße an den früher als „Neuer Weg“ bezeichneten Bereich. Zur Linken liegt das weiträumige Gelände des Bezirkskrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie. Die nördliche Grenze ist zugleich Bebauungsgrenze des Innenstadtgebiets am Fuß des Höhenzugs Hohe Warte. Im Osten liegt der Festspielpark mit dem Straßenzug Bürgerreuther Straße/Siegfried-Wagner-Allee.
Geschichte
Der Stadtteil wurde ab 1936 mit dem Namen Hans-Schemm-Gartenstadt errichtet; er entstand weitgehend auf den vormals landwirtschaftlich genutzten Flächen des Strangshofs an der Cottenbacher Straße in Wendelhöfen.[1] Der damals bereits verstorbene Namenspatron war bayerischer Kultusminister und Gauleiter der NSDAP.[2] Gebaut wurden Einzelhäuser mit Gärten auf 600 bis 900 Quadratmeter Grundfläche. Das Quartier wurde für wohlhabendere Schichten, insbesondere loyale Parteigenossen, konzipiert. Architektonisch entstand es – unter der Leitung von Ludwig Ruckdeschel – einheitlich gemäß den Vorgaben des Bauträgers Ostmark-Selbsthilfe GmbH, eines gemeinnützigen Unternehmens des Gaus Bayerische Ostmark mit Verwaltungssitz in Bayreuth.
Für den südlichen Abschnitt des Stadtteils galten dieselben baulichen Vorgaben und Fluchtlinienpläne. Daher unterscheidet er sich, obwohl durch private Initiativen errichtet, nur unwesentlich von der Kernsiedlung. Bei den Bombenangriffen im April 1945 wurde er erheblich zerstört.
Gebäude und erste Bewohner
Das Standardgebäude ist zweistöckig und besitzt ein Walmdach. Reinhold P. Kuhnert vermutet, dass der Gebäudetyp an Goethes Weimarer Gartenhaus orientiert war.[3] Beim Bau musste ein Luftschutzkeller angelegt werden, standardmäßig wurde eine Garage hinzugefügt. Der Garten hatte überwiegend Zierfunktion, Kleinviehhaltung war nicht vorgesehen. Die Wohnfläche betrug etwa das Dreifache der Häuser anderer Kleinsiedlungsanlagen wie zum Beispiel der Siedlung Laineck. Der Preis für ein Haus mit Grundstück übertraf mit 15.000–20.000 Reichsmark den für Kleinsiedlungsstellen in anderen Stadtteilen deutlich. Bewohner des Kernbereichs waren überwiegend Funktionäre der SA, der SS und des NS-Lehrerbundes, der in der Innenstadt im Haus der Deutschen Erziehung seinen Sitz hatte. In der Öffentlichkeit wurde die Hans-Schemm-Gartenstadt daher als Parteisiedlung wahrgenommen.
Wächtlervilla
Die exklusive Lage am Grünen Hügel, unweit des Richard-Wagner-Festspielhauses, sorgte für eine „gehobene“ Bebauung. Auffälligstes Beispiel war das Haus Parsifalstraße 2. Der damalige Leiter der Bayreuther Festspiele, Richard Wagners Sohn Siegfried, hatte das Grundstück 1921 in einer finanziellen Zwangslage verkaufen müssen. An der Stelle wurde eine prächtige Villa errichtet, die der Architekt Karl Kummer entwarf und der NS-Lehrerbund 1936 für Fritz Wächtler erwarb. Als Nachfolger des verunglückten Hans Schemm war der in der Stadt verhasste Wächtler,[4] der das Gebäude bis 1938 repräsentativ herrichten ließ,[5] 1935 zum Gauleiter der Bayerischen Ostmark ernannt worden. In der Nacht nach dem letzten großen Bombenangriff am 11. April 1945 soll Wächtler, angesichts der brennenden Stadt, auf seinem Balkon ausgerufen haben: „Ich komme mir vor wie Nero vor dem brennenden Rom“.[4]
Nach der Einnahme der Stadt wurde die Wächtlervilla[4] von den US-Truppen beschlagnahmt und diente ab 1947 dem amerikanischen Gouverneur als Amtssitz. Später residierte dort jahrzehntelang der Officer Club. 1999 wurde das Gebäude abgerissen.[6]
Auch viele andere Häuser in der Gartenstadt waren für die Familien von US-Militärangehörigen beschlagnahmt worden. So herrschte in Teilen des Viertels, bis weit in die 1980er Jahre hinein, eine „amerikanische Atmosphäre“.
Aktuelle Situation
Die „durchgrünte“ Gartenstadt am Fuß des Festspielhügels gilt heute als Prominentensiedlung und hat den Ruf einer „gewissen Exklusivität“ behalten.[7]
Literatur
- Herbert Popp: Bayreuth - neu entdeckt. Ellwanger, Bayreuth 2007, ISBN 978-3-925361-60-9.
- Reinhold P. Kuhnert: Geschichte der Hans-Schemm-Gartenstadt seit 1935. Archiv für Geschichte von Oberfranken, Band 80, 2000.
- Kurt Herterich: Vom Bayreuther Schlossturm zum Festspielhügel. Ellwanger, Bayreuth 2003, ISBN 3-925361-47-2.
Einzelnachweise
- Herbert Popp: Bayreuth - neu entdeckt, S. 214.
- Herbert Popp: Bayreuth - neu entdeckt, S. 208.
- Herbert Popp: Bayreuth - neu entdeckt, S. 209.
- Bernd Mayer: Heimatbote - Monatsbeilage des Nordbayerischen Kurier, Nr. 8/1992
- Vor 25 Jahren: Freistaat verkauft Wächtlervilla in: Nordbayerischer Kurier vom 28. Juli 2020, S. 8.
- Archiv Bernd Mayer
- Kurt Herterich: Vom Bayreuther Schlossturm zum Festspielhügel, S. 159.