Eugénie (Beaumarchais)
Eugénie ist ein Drama in fünf Akten in Prosa von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais (1732–1799).
Daten | |
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Originaltitel: | Eugénie |
Gattung: | Drama |
Originalsprache: | Französisch |
Autor: | Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais |
Literarische Vorlage: | Alain-René Lesage: Le diable boiteux |
Uraufführung: | 29. Januar 1767 |
Ort der Uraufführung: | Comédie-Française |
Ort und Zeit der Handlung: | London, 18. Jahrhundert |
Personen | |
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In dem Werk wird ein junger Lebemann aus der englischen High Society durch die Liebe zur Tochter eines walisischen Landadligen, die er durch eine Scheinheirat hinters Licht geführt hat, zur bürgerlichen Moral bekehrt.
Nachdem Beaumarchais zuvor nur Gesellschaftstheater geschrieben hatte[8], schuf er mit Eugénie sein erstes für die öffentliche Aufführung bestimmtes Werk.
Entstehung
Beaumarchais gibt an, das Stück 1759 in Angriff genommen zu haben, als er im Dienst der unverheirateten Töchter Ludwigs XV.[9] stand. Den Anstoß zur Fertigstellung habe Diderots bürgerliches Trauerspiel Le père de famille (Der Hausvater) gegeben, das in Paris 1761 aufgeführt wurde und selbst den nicht eben sittenstrengen König zu Tränen rührte[10]. Als literarische Vorlage nennt Beaumarchais die Geschichte von Graf Belflor und Léonor de Cespèdes aus Le diable boiteux (Der hinkende Teufel) von Alain-René Lesage[11], einer 1707 erschienenen Adaption des Romans El diablo cojuelo von Luis Vélez de Guevara (1641).[12] Der blaublütige Libertin erinnert auch an die Figur des Lovelace in Samuel Richardsons Roman Clarissa (1748).[13]
Gattung
Wie dem Père de famille[14] ist dem Stück eine theoretische Abhandlung beigegeben. In diesem Essai sur le drame sérieux (Versuch über das ernsthafte Drama) bezeichnet Beaumarchais das drame sérieux, das auch tragi-comédie (Tragikomödie), tragédie bourgeoise (bürgerliches Trauerspiel) oder comédie larmoyante (Rührstück) genannt werde, als Gattung zwischen tragédie héroïque (Heldentragödie) und comédie plaisante (Lustspiel).[15] Beaumarchais sollte noch zwei weitere drames sérieux schreiben, nämlich Les deux amis ou Le négociant de Lyon (Die beiden Freunde oder Der Kaufmann von L.) und L’autre Tartuffe ou La mère coupable (Der andere T. oder Die schuldige Mutter). Seine beiden bekanntesten Stücke hingegen – Le barbier de Séville ou La précaution inutile (Der Barbier von Sevilla oder Die unnötige Vorsicht) und La folle journée ou Le mariage de Figaro (Der tolle Tag oder Die Hochzeit des F.) – sind Komödien.
Schauplatz
Ursprünglich spielte Eugénie in Paris; die Titelheldin war Bretonin, ihr Verführer hieß Marquis de Rosempré. Kurz vor der Premiere verlegte Beaumarchais die Handlung dann aber auf Anraten des französischen Botschafters in London, des Herzogs von Nivernais, nach Großbritannien, wo die Ehe nicht mehr wie im damaligen Frankreich als Sakrament galt.[16] Schauplatz ist der elegante Salon der petite maison[17], wo der Graf von Clarendon Eugénie und Madame Murer einquartiert hat.
Handlung
Konzentriert nacherzählt und zugleich eingeordnet findet sich die Handlung beim österreichischen Beaumarchais-Forscher Anton Bettelheim: „Die Fabel des Stückes hält sich im wesentlichen an die Novelle des Lesage, nur hat Beaumarchais alle feineren Züge und Übergänge des Comte de Belflor vergröbert, den Ort der Handlung schlankweg nach Frankreich verlegt und aus dem spanischen Kavalier einen jener verruchten Alcibiades der Regentschaft, einen Doppelgänger des Herzogs von Richelieu gemacht, der inzwischen auch bei Lovelace in die Schule gegangen.
Der hochgeborene Wüstling hat die Tochter eines kleinen Landedelmannes, Eugenie, dank dem Zureden ihrer adelsstolzen Tante Murer dazu vermocht, sich ohne Vorwissen ihres Vaters, eines gutmütigen Polterers, mit ihm trauen zu lassen. Da sich Eugenie Mutter fühlt, reist sie ihrem vermeintlichen Gatten in die Hauptstadt nach. Dort aber stellt sich heraus, daß die ganze Trauung Komödie und der Priester nur der Haushofmeister des gewissenlosen Galans gewesen, der eben im Begriff steht, eine der reichsten und vornehmsten Erbinnen des Landes zu heiraten.
Madame Murer, ebenso unbedacht in ihrem Zorn, wie vordem in ihrem Vertrauen, will den Treulosen nun in einen Hinterhalt locken: sie gebietet Eugenie, den Verräter nochmals zu sich zu bescheiden. Als sich dieser nächtens einstellt, bringt er als Geleitsmann einen jungen Mann mit, dem er eben bei einem meuchlerischen Überfall das Leben gerettet hat, – Eugeniens Bruder. Der letztere beschämt, genau so wie Pedro[18] den Grafen Belflor, den Verführer seiner Schwester durch edelmütige Selbstverleugnung, indem er ihn selbst gegen seinen und Eugeniens Vater beschützt.
Die Ritterlichkeit des (…) Bruders rüttelt den verhärteten Frevler (…) auf; schon zuvor hatte ihn die Verzweiflung Eugeniens zu nicht eben tiefgehender Selbsteinkehr gemahnt. Nach einem Zweikampf, in welchem er Eugeniens Bruder entwaffnet, erfleht und erlangt der Sünder zu den Füßen Eugeniens volle Vergebung; ihr Sträuben weicht seiner Berufung auf die Stimme der Natur: sie verzeiht ihm, dem Kinde zuliebe, das sie unter dem Herzen trägt.“[19]
Uraufführung
An der Uraufführung wurde Eugénie von der 20-jährigen Mademoiselle Doligny (Louise-Adélaïde Berton-Maisonneuve), ihr Vater von Préville (Pierre-Louis Dubus)[20], ihr Verführer von Bellecour (Jean-Claude Gilles Colson) gespielt – denselben Schauspielern, die später Rosine, Figaro und Graf Almaviva im Barbier de Séville verkörperten. Der 4. und 5. Akt missfielen, was Beaumarchais anschließend durch Kürzungen und Änderungen auszubügeln versuchte. Die Druckfassung[21] erschien im September. Neu war, dass Beaumarchais genaue Vorschriften für Bühnenbild und Kostüme sowie zwischen die Aufzüge eingefügte Pantomimen machte.[22]
Erfolg
Obwohl sich die Kritiker (Collé, Grimm, Fréron) auf Beaumarchais einschossen, der nicht in ihren Kreisen verkehrte und zugegebenermaßen noch einiges zu lernen hatte[23], erlebte das Stück an der Comédie-Française im 18. Jahrhundert 104 und im 19. Jahrhundert 88 Vorstellungen, die letzte 1863. 1775 wurde es in Fontainebleau, 1778 in Versailles vor dem Hof gespielt und auch nach der Revolution am Théâtre du Marais (1791/92).[24] Schwedens künftiger König Gustav III. begeisterte sich für das Stück, worauf es noch im Erscheinungsjahr zu einer Aufführung vor dem Hof in Svartsjö kam. Man übertrug es mehrfach ins Italienische[25] und ins Deutsche[26]. Garrick ließ es durch Elizabeth Griffith als The School for Rakes (Die Schule der Wüstlinge)[27] adaptieren – ein Titel, der an Hogarths Bilderzyklus A Rake’s Progress (1733–1735) erinnert – und hatte damit am Drury Lane Theater Erfolg.[28] Eugénie hieß nun Harriet, der Graf Lord Eustace. Goethe, der sein Trauerspiel Clavigo aus dem Bericht von Beaumarchais über dessen Spanienreise (1764/65)[29] schöpfte, nennt Eugénie in Dichtung und Wahrheit in einem Atemzug mit dem Père de famille, Sedaines Le philosophe sans le savoir (Der Philosoph ohne es zu wissen), Fenouillet de Falbaires L’honnête criminel (Der ehrliche Verbrecher) und Merciers La brouette du vinaigrier (Der Karren des Essighändlers).[30]
Opernfassung
- Sebastiano Nasolini (Libretto: Giuseppe Maria Foppa): Eugenia, Venedig 1792.[31]
Literatur
- Eugénie, Drame en cinq actes en prose, enrichi en figures en taille-douce; avec un essai sur le drame sérieux, Par M. de Beaumarchais, Merlin, Paris 1767 (Digitalisat ).
- Anton Bettelheim: Beaumarchais, Eine Biographie, 2., neubearbeitete Auflage, C. H. Beck, München 1911, S. 91–99.
- Pierre Larthomas, unter Mitwirkung v. Jacqueline Larthomas (Hrsg.): Beaumarchais, Œuvres, Gallimard (Bibliothèque de la Pléiade), Paris 1988, ISBN 2-07-011137-7, S. 117–187, 1237–1267.
- Maurice Lever: Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, 1. Band, Fayard, Paris 1999, ISBN 2-213-59561-5, S. 267–289.
Einzelnachweise und Anmerkungen
- Aus Wales.
- Junger Höfling, nach französischer Mode reich und elegant gekleidet. Der Titel Earl of Clarendon war 1753 vorübergehend erloschen.
- Reiche Witwe aus Wales, trägt Kleid von ernster Farbe.
- Εὐγενία = die Wohlgeborene. Trägt Kleid von heiterer Farbe und Strohhut.
- Offizier in Zivil.
- Trägt Galauniform.
- Junges Mädchen aus Wales.
- Vgl. Pierre Larthomas, unter Mitwirkung von Jacqueline Larthomas (Hrsg.): Beaumarchais, Œuvres, Gallimard (Bibliothèque de la Pléiade), Paris 1988, S. 1–116, 1193–1236.
- Mesdames Adélaïde (1732–1800), Victoire (1733–1799), Sophie (1734–1782) und Louise (1737–1787).
- Anton Bettelheim: Beaumarchais, Eine Biographie, 2., neubearbeitete Auflage, Verlag C. H. Beck, München 1911, S. 91.
- (Alain-René Lesage:) Le diable boiteux, Veuve Barbin, Paris 1707, S. 32–108 (Digitalisat ).
- Essai sur le genre dramatique sérieux, in: Eugénie …, avec un essai sur le drame sérieux, Par M. de Beaumarchais, Merlin, Paris 1767, S. I–III (Digitalisat ).
- Vgl. Anton Bettelheim: Beaumarchais, Eine Biographie, 2., neubearbeitete Auflage, C. H. Beck, München 1911, S. 87 f., 91 f. Zu weiteren möglichen Inspirationsquellen vgl. Maurice Lever: Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, 1. Band, Fayard, Paris 1999, S. 269, Anm. 7.
- (Denis Diderot:) De la poésie dramatique, À Monsieur Grimm, Anhang zu: Le père de famille, Comédie en cinq actes et en prose, Avec un discours sur la poésie dramatique, Amsterdam 1758 (Digitalisat ).
- Essai sur le genre dramatique sérieux, in: Eugénie …, avec un essai sur le drame sérieux, Par M. de Beaumarchais, Merlin, Paris 1767, S. I–XLIV, hier: S. I, V (Digitalisat ).
- Maurice Lever: Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, 1. Band, Fayard, Paris 1999, S. 275.
- Verstecktes Haus für private Feste und galante Treffen.
- Bei Lesage Dom Pedre, Bruder von Léonor. Vgl. (Alain-René Lesage:) Le diable boiteux, Veuve Barbin, Paris 1707, S. 85 ff.(Digitalisat ).
- Anton Bettelheim: Beaumarchais, Eine Biographie, 2., neubearbeitete Auflage, C. H. Beck, München 1911, S. 91 f. (im Original keine Alineas).
- Laut Maurice Lever: Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, 1. Band, Fayard, Paris 1999, S. 18, ein Freund der Familie Caron.
- 2. Ausg. mit Errata: Eugénie, Drame en cinq actes en prose, enrichi en figures en taille-douce; avec un essai sur le drame sérieux, Par M. de Beaumarchais, Merlin, Paris 1767 (Digitalisat ).
- Maurice Lever: Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, 1. Band, Fayard, Paris 1999, S. 277–280, 282, 285. Die Pantomimen waren den Schauspielern zu gewagt erschienen.
- Anton Bettelheim: Beaumarchais, Eine Biographie, 2., neubearbeitete Auflage, C. H. Beck, München 1911, S. 93 ff.; Maurice Lever: Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, 1. Band, Fayard, Paris 1999, S. 280–284.
- Pierre Larthomas, unter Mitwirkung von Jacqueline Larthomas (Hrsg.): Beaumarchais, Œuvres, Gallimard (Bibliothèque de la Pléiade), Paris 1988, S. 1241 f.
- (Anonym erschienen:) Eugenia, Dramma in cinque atti in prosa del Sig. di Beaumarchais, con un discorso sopra il dramma serio, tradotto dal francese, Cosmopoli (fiktiv) 1768; Eugenia, Commedia in cinque atti in prosa di Monsieur de Beaumarchais, tradotta in italiano dall’abate Luigi Pieroni (Pseudonym), Giovanni Battista Vendramini Mosca, Vicenza 1769 (Digitalisat ).
- (Georg Conrad Walther:) Eugenie, ein Drama in fünf Aufzügen, nebst einem Versuch über das ernsthafte Drama vom Herrn von Beaumarchais, Siegfried Lebrecht Crusius, Leipzig 1768 (Digitalisat ); (Anonym erschienen:) Eugenie, ein Schauspiel in fünf Aufzügen, Aus dem Französischen des Herrn von Beaumarchais, Churfürstliche Hof-Buchhandlung, Mannheim 1768 (Digitalisat ).
- (Elizabeth Griffith:) The School for Rakes, A Comedy, As it is Performed at the Theatre-Royal in Drury-Lane, 2. Ausg., T. Becket, P. A. De Hondt, London 1769 (Digitalisat ).
- Maurice Lever: Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, 1. Band, Fayard, Paris 1999, S. 284–287, 289.
- Fragment de mon voyage en Espagne, in: Quatrième mémoire à consulter pour Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais … contre M. Goëzman …, (Jacques-Gabriel Clousier, Paris 1774,) S. 64–99 (Digitalisat ).
- Ernst Beutler (Hrsg.): Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche, Band 10, Artemis-Verlag, Zürich 1948, S. 621.
- Ein zweisprachiges Textbuch erschien 1794 in Dresden (Digitalisat ).