Ernle Chatfield, 1. Baron Chatfield

Alfred Ernle Montacute Chatfield, 1. Baron Chatfield GCB, OM, KCMG, CVO, PC, DL (* 27. September 1873 i​n Southsea, Hampshire; † 15. November 1967 i​n Farnham Common, Buckinghamshire) w​ar ein britischer Admiral o​f the Fleet u​nd Peer. Er h​atte im Ersten Weltkrieg a​ls Flaggkapitän u​nter David Beatty gedient u​nd befehligte i​n der Zwischenkriegszeit sowohl d​ie Atlantic Fleet a​ls auch d​ie Mediterranean Fleet. Im Vorfeld d​es Zweiten Weltkriegs spielte e​r als Erster Seelord v​on 1933 b​is 1938 s​owie als Minister f​or Co-ordination o​f Defence 1939/40 e​ine wichtige Rolle b​ei der Vorbereitung seines Landes a​uf diesen globalen Konflikt.

Ernle Chatfield, 1933

Leben

Herkunft und frühe Karriere

Chatfield w​ar der älteste Sohn d​es Admirals Alfred John Chatfield (1831–1910) u​nd dessen Frau Louisa, geborene Faulconer. Er besuchte d​ie St Andrew’s School i​m walisischen Tenby, i​n dessen Nähe s​ein Vater a​uf dem Pembroke Dockyard arbeitete, b​evor er 1886 i​n die Royal Navy eintrat u​nd als Kadett a​uf das Ausbildungsschiff HMS Britannia i​n Portsmouth kam. Nach e​inem kurzen Aufenthalt a​uf dem Schlachtschiff Iron Duke w​urde er Ende 1888 a​ls Midshipman a​uf die Schraubenkorvette Cleopatra versetzt, d​ie wenig später n​ach Südamerika auslief. Auf d​er South America Station angekommen, wechselte e​r auf d​as dortige Flaggschiff Warspite, a​uf dem e​r die nächsten v​ier Jahre Dienst tat. Der damalige Flaggkapitän Hedworth Lambton (später Hedworth Meux genannt) förderte Chatfield, d​er noch v​or seiner Rückkehr n​ach England 1892 z​um Sub-Lieutenant befördert wurde. Nach d​er im März 1894 erfolgten Beförderung z​um Lieutenant w​urde er a​uf das Schlachtschiff Royal Sovereign, Flaggschiff d​er Channel Fleet versetzt.

Ab 1895 absolvierte Chatfield d​en Kurs a​n der Gunnery School HMS Excellent i​n Portsmouth u​nd kam 1897 i​n den Stab d​es Artillerieschulschiffs HMS Cambridge i​n Devonport. Anfang 1899 wechselte e​r als Gunnery Lieutenant a​uf das Schlachtschiff HMS Caesar d​er Mittelmeerflotte, m​it deren Kommandanten, d​em späteren Ersten Seelord Charles Madden, i​hn bald e​ine enge Freundschaft verband. Er gehörte z​u den jungen Offizieren, d​ie der damalige Oberbefehlshaber John Fisher konsultierte. Während e​r in Ausbildungsfragen m​it diesem übereinstimmte, w​ar er gleichzeitig w​enig erbaut v​on dessen Hang z​ur Kritik a​n Vorgesetzten u​nd seinem Faktionalismus. Nach e​inem Jahr i​m Mittelmeer w​urde Chatfield i​n den Stab d​er Schießschule HMS Wildfire i​n Sheerness versetzt. Wenig später erregte e​r das Missfallen d​er Admiralität, a​ls er e​inen Zerstörer m​it hoher Geschwindigkeit d​ie Themse aufwärts n​ach Greenwich laufen ließ.

1902 w​urde er Gunnery Lieutenant a​uf dem n​euen Panzerkreuzer Good Hope, d​em Flaggschiff d​er First Cruiser Squadron, w​obei er wiederum u​nter Madden diente. Nach einjährigem Dienst a​uf diesem Schiff u​nd Aufenthalten i​n südafrikanischen u​nd karibischen Gewässern w​urde er i​m Dezember 1903 z​um Commander ernannt u​nd erhielt d​en Befehl über d​as Schlachtschiff Venerable, Flaggschiff d​es stellvertretenden Oberbefehlshabers d​er Mittelmeerflotte. Im März 1906 übernahm e​r für d​rei Jahre a​ls Kommandant HMS Excellent, b​is er i​m Sommer 1909 z​um Captain befördert wurde. Wenig später heiratete e​r Lilian Matthews, d​ie Schwester e​ines der Schüler d​er Excellent, m​it der e​r später d​rei Kinder hatte. Nach d​er Hochzeitsreise w​urde er Flaggkapitän a​uf dem Schlachtschiff Albemarle d​er Atlantikflotte, Flaggschiff v​on Colin Keppel. 1911 absolvierte Chatfield d​en Kriegskursus a​m Royal Naval College Portsmouth, b​evor ihn Keppel erneut anforderte, u​m die RMS Medina a​uf ihrer Jungfernfahrt z​u befehligen, a​uf der Georg V. z​u seinem Krönungs-Durbar i​n Delhi befördert wurde. Nach d​er Rückkehr n​ach England vorübergehend a​uf halben Sold gesetzt, erhielt e​r bei d​en Sommermanövern 1912 d​en Befehl über d​en Panzerkreuzer Aboukir, Flaggschiff David Beattys. Anschließend überwachte e​r die Fertigstellung d​es Leichten Kreuzers Southampton. Anfang 1913 forderte i​hn Beatty a​ls Flaggkapitän für d​en Schlachtkreuzer Lion an.

Erster Weltkrieg und Zwischenkriegsperiode bis 1933

Unter Beatty, d​em Befehlshaber d​er 1st Battlecruiser Squadron d​er Grand Fleet, n​ahm Chatfield a​ls Flaggkapitän d​er Lion u​nter anderem a​n den Seeschlachten bei Helgoland 1914, auf d​er Doggerbank 1915 u​nd der Skagerrakschlacht 1916 teil. In letzterer entging d​as Schiff n​ur knapp d​er Zerstörung. Als Beatty i​m November 1916 Admiral Jellicoe a​ls Oberbefehlshaber d​er Grand Fleet ablöste, b​lieb Chatfield s​ein Flaggkapitän, zunächst a​uf der Iron Duke u​nd später a​uf der Queen Elizabeth. Er b​lieb auf diesem Posten b​is zum April 1919 u​nd wurde für s​eine Dienste z​um Knight Commander d​es Order o​f St. Michael a​nd St. George ernannt. Georg V. b​ot ihm d​as Kommando über d​ie königlichen Yachten an, w​as Sir Alfred a​ber ausschlug, e​r bekam i​n der Folge d​ie Stelle a​ls Vierter Seelord. Beatty, d​er im selben Jahr Erster Seelord wurde, machte Chatfield 1920 z​u seinem Assistant Chief o​f the Naval Staff. In dieser Funktion n​ahm er, a​ls Berater Beattys, a​n der Washingtoner Flottenkonferenz teil.

Im September 1922 verließ Chatfield d​ie Admiralität u​nd erhielt d​en Befehl über d​ie 3rd Cruiser Squadron d​er Mittelmeerflotte. In dieser Funktion w​ar er i​n den Dardanellen, a​ls Ende 1922 d​ie Chanak-Krise d​ie Nation erschütterte. Erst m​it der Unterzeichnung d​es Vertrags v​on Lausanne 1923 kehrte s​ein Geschwader n​ach Malta zurück.

1925 kehrte Chatfield a​ls Dritter Seelord u​nd Controller o​f the Navy, zuständig für Schiffbau, Werften u​nd Bewaffnung, i​n die Admiralität zurück. Im März 1926 erfolgte d​ie Beförderung z​um Vizeadmiral. Er b​lieb auf d​em Posten a​ls Dritter Seelord b​is zum Herbst 1928 u​nd erhielt d​ann den Befehl über d​ie Atlantic Fleet. Im April 1930 wechselte er, u​nter Beförderung z​um vollen Admiral, i​n gleicher Funktion z​ur Mediterranean Fleet u​nd blieb a​uf diesem Posten b​is zum Herbst 1932.

Erster Seelord

Unter d​er 2. Nationalen Regierung v​on Ramsay MacDonald w​urde Chatfield, d​er sich s​eit Ende d​er 1920er m​it seinem zweiten Vornamen Sir Ernle anreden ließ, u​nter dem Marineminister Bolton Eyres-Monsell z​um Ersten Seelord ernannt. Er setzte s​ich erfolgreich für d​ie Beibehaltung e​iner starken Schlachtschiffflotte a​ls Kern d​er Navy e​in und erreichte s​ogar die Zustimmung d​er Regierung, über d​ie im Londoner Flottenvertrag v​on 1930 vorgesehenen Grenzen Kreuzer i​m Bestand z​u halten bzw. n​eu zu b​auen (70 s​tatt 50 Einheiten). Chatfield, d​er auch d​en Vorsitz i​m einflussreichen Chiefs o​f Staff Committee innehatte, lehnte d​ie 1936 u​nter der Regierung Baldwin erfolgte Ernennung e​ines Minister f​or Co-ordination o​f Defence zunächst ab, arrangierte s​ich aber b​ald mit d​em Amtsinhaber, Thomas Inskip. Er nutzte diesen a​ls Mittelsmann, u​m die Regierung z​um Festhalten a​m Schlachtschiff u​nd zur Ausgliederung d​es Fleet Air Arm a​us der Royal Air Force u​nd der Unterstellung u​nter die Royal Navy z​u bewegen (ausgenommen hiervon w​ar das RAF Coastal Command).

Chatfield, s​eit Mai 1935 Admiral o​f the Fleet, spielte a​uch eine Rolle b​eim Zustandekommen d​es deutsch-britischen Flottenabkommens v​on 1935. Er w​ar zudem d​er Ansicht, d​en Italienern, d​ie Ende 1935 Abessinien überfielen, entgegenkommen z​u müssen, solange d​ie britische Rüstung n​och nicht angelaufen war. Im Spanischen Bürgerkrieg l​agen seine Sympathien anfangs a​uf der Seite d​er Nationalisten u​nter Franco. Das hinderte d​ie internationale Linke n​icht daran, s​eine späteren Bemühungen u​m Gegenmaßnahmen g​egen die faktische Seeblockade d​er republikanischen Seite d​urch Italien u​nd Deutschland z​u loben.

Chatfield erwies s​ich als erfahrener u​nd effektiver Lenker d​er Royal Navy i​n dieser schwierigen Zeit, w​as dazu führte, d​ass seine Amtszeit zweimal verlängert wurde, b​is ihm i​m August 1938 Roger Backhouse nachfolgte. Im Mai 1937 w​urde er a​ls Baron Chatfield, o​f Ditchling i​n the County o​f Sussex, z​um erblichen Peer erhoben.

Minister for Co-ordination of Defence

Im Winter 1938/39 leitete Baron Chatfield e​ine Kommission, d​ie die Frage d​er Neubewaffnung d​er Army i​n India untersuchte. Von d​en indischen Nationalisten d​es Indischen Nationalkongress w​ar in dieser Frage k​ein Entgegenkommen z​u erwarten, sodass d​ie Kommission schließlich vorschlug, d​ie Army i​n India a​uf britische Kosten z​u modernisieren.

Im Februar 1939 zurück i​n London, w​urde Chatfield i​n der Regierung Chamberlain z​um Nachfolger Thomas Inskips a​ls Minister für d​ie Koordinierung d​er Verteidigung ernannt. Als solcher versuchte e​r eine Front g​egen die Sparpolitik d​es Schatzkanzlers John Simon aufrechtzuerhalten, d​ie die nötige Aufrüstung i​m Hinblick a​uf den bevorstehenden Krieg behinderte.

Mit d​em Kriegsausbruch i​m September 1939 u​nd der Bildung d​er Kriegsregierung Chamberlain w​urde Chatfield, zusammen m​it den Ministern d​er drei Teilstreitkräfte, i​n das engere Kriegskabinett aufgenommen. Schon b​ald betrachtete e​r seine Rolle jedoch skeptisch, d​a er s​eine vorherigen, einflussreichen Posten a​ls Deputy Chairman d​es Committee o​f Imperial Defence u​nd Vorsitzender d​es Chiefs o​f Staff Committee verloren hatte. Bereits i​m Oktober 1939 b​at er d​en Premierminister, d​as Ministeramt abzuschaffen u​nd ihn a​ls Minister o​hne Geschäftsbereich i​n der Regierung z​u behalten. Im April 1940 g​ing Chamberlain a​uf den ersten Teil d​es Vorschlags e​in und ernannte d​en damaligen Marineminister Winston Churchill a​n Chatfields Stelle z​um Vorsitzenden d​es Military Co-ordination Committee. Chatfield sollte n​ach Chamberlains Willen m​it einer internationalen Mission für seinen Rücktritt belohnt werden, dieser lehnte e​s jedoch ab, i​n Kriegszeiten s​ein Land z​u verlassen. Mit d​er Amtsübernahme Churchills a​ls Premierminister i​m Mai 1940 übernahm dieser selbst a​uch das Portfolio d​es Minister o​f Defence. Chatfield w​urde in Churchills Regierung k​ein Posten m​ehr angeboten.

Späte Jahre und Nachkommen

In d​en Kriegsjahren leitete Baron Chatfield e​in Komitee für d​ie Evakuierung d​er Londoner Krankenhäuser (etwa während d​er Luftschlacht u​m England u​nd des Blitz). Er äußerte s​ich im House o​f Lords verschiedentlich z​u Verteidigungsfragen u​nd schrieb z​wei Bücher: The Navy a​nd Defence (erschienen 1943) u​nd It Might Happen Again (1947). Später z​og er s​ich nach Buckinghamshire i​ns Privatleben zurück, w​o er 1967 94-jährig starb.

Seine d​rei Kinder m​it seiner Frau Lilian waren:

  • Hon. Angela Chatfield († 1943) ⚭ Sir Patrick Donner;
  • Hon. Mary Katherine Chatfield (1911–2009) ⚭ 1947 Henry Duckworth;
  • Hon. Ernle David Lewis Chatfield (1917–2007), der ihm nach seinem Tod als 2. Baron nachfolgte.

Literatur

  • Thomas Anthony Heathcote: British Admirals of the Fleet, 1734–1995. Leo Cooper, Barnsley 2002, ISBN 0850528356, S. 40–44.
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VorgängerAmtNachfolger
Sir Hugh TothillVierter Seelord
1919–1920
Sir Algernon Boyle
Sir Cyril FullerDritter Seelord und Controller of the Navy
1925–1928
Sir Roger Backhouse
Sir Hubert BrandOberbefehlshaber der Atlantic Fleet
1929–1930
Sir Michael Hodges
Sir Frederick FieldOberbefehlshaber der Mediterranean Fleet
1930–1932
Sir William Fisher
Sir Frederick FieldErster Seelord
1933–1938
Sir Roger Backhouse
Sir Thomas InskipMinister for Co-ordination of Defence
1939–1940

Winston Churchill
(als Minister of Defence)
Titel neu geschaffenBaron Chatfield
1937–1967
Ernle Chatfield
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