Eintopf
Ein Eintopf ist eine der Gemüsesuppe ähnliche Mahlzeit, oft bäuerlichen Ursprungs, die eine vollwertige Mahlzeit darstellt und gemischte Kost in einem Topf gekocht bietet.[1]
Typische Hauptzutaten sind Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen oder Linsen, Gemüse wie Kohl, Steckrüben, Möhren oder Kartoffeln, auch Getreideprodukte wie Graupen, Brot oder Nudeln, in Wasser oder Brühe gegart. Hinzu kommen je nach Rezept zum Beispiel Lauch, Sellerie und Zwiebeln, Fleisch, Wurst oder Speck (diese häufig gepökelt oder geräuchert).
Gerichte, die in einem Topf zubereitet werden, sind schon sehr alt und weltweit verbreitet. Bekannte Eintopfgerichte sind zum Beispiel Linseneintopf, Pichelsteiner, Gaisburger Marsch, Steckrübeneintopf, Tscholent.
Begriffsgeschichte
Die Kochtechnik, eine komplette Mahlzeit aus verschiedenen Zutaten in einem einzigen Topf zuzubereiten, war früher vor allem in Norddeutschland bis hin nach Ostpreußen verbreitet, bedingt durch die Tatsache, dass das dort übliche niederdeutsche Hallenhaus lange Zeit eine offene Feuerstelle besaß und keinen geschlossenen Herd. Über das offene Feuer konnte nur ein Kochkessel gehängt werden. Gerichte aus gemeinsam gekochtem Gemüse, Kartoffeln und Fleisch wurde früher regional auch als „Durcheinander“ bezeichnet, da es noch keinen anderen Ausdruck dafür gab.[2] „Obwohl also bis weit ins 19. und 20. Jahrhundert das Zusammengekochte zum Ernährungsalltag auf dem Lande und in der Stadt gehörte, so fehlt der zusammenfassende Begriff Eintopf.“[3]
Die Erfindung der Erbswurst als Verpflegung für die deutsche Armee im Deutsch-Französischen Krieg war die Einführung des Eintopfs beim Militär. Die sogenannte Gulaschkanone ersetzte seit 1910 und im Ersten Weltkrieg bei der deutschen Armee die vorher üblichen größeren Feldküchen. Doch während einschlägige Wörterbücher zur Soldatensprache dieser Zeit den Ausdruck Gulaschkanone und ein Synonym Erbsendroschke aufführen, kommt das Wort Eintopf darin noch nicht vor. Auch bei der Rumfordsuppe handelte es sich um ein Eintopfgericht, sie wurde aber nicht als solches bezeichnet.[2]
Sowohl „Eintopf“ als auch der deutlich häufiger benutzte Begriff „Eintopfgerichte“ wurden im Ersten Weltkrieg neu geschaffen. Hauswirtschaftslehrerinnen und Verwaltungsbeamte propagierten seit 1915 diese Gerichte im Rahmen der Massenspeisungen in Kriegsküchen. Eintöpfe benötigten weniger Kochgeschirr und ermöglichten eine umfassende Nutzung aller Nahrungsressourcen. Die Akzeptanz der „Eintöpfe“ war allerdings unterschiedlich. In Nord-, Mittel- und Südwestdeutschland wurden sie klaglos verzehrt, doch sie stießen in Berlin, vor allem aber in Bayern auf beträchtliche Vorbehalte. Die seit 1917 höchst schwankende Qualität führte dazu, dass der Begriff „Eintopf“ nach Kriegsende kaum in die kulinarische Literatur eindrang. Die Belege konzentrieren sich auf Armen- und Notstandsspeisungen, zumal während der Inflationszeit, auf Eintöpfe in studentischen Mensen, und in die Erziehungsbemühungen der Hauswirtschaftslehre. Der Begriff gewinnt seit Beginn der Weltwirtschaftskrise neuerlich an Bedeutung – und wird dann von den Nationalsozialisten ideologisch neu aufgeladen.[4]
In den 1920er Jahren wurde in der Jugendbewegung agrar-romantisches Gedankengut populär. „Auch in Literatur und der bürgerlichen Heimatkunstbewegung wird das Essen aus einer Schüssel zum Gemeinschaftstopos. […] Die Individualisierung, die sich im eigenen Teller für jeden kulturell objektiviert, wird damit zum Sündenfall des Zivilisationsprozesses. Durch den einen Topf, in dem für alle das gleiche gekocht wird, soll mit dem Symptom die Sache revidiert werden.“[5]
Das deutsche Wort Eintopf für in einem Topf zubereitete, als Hauptmahlzeit dienende Suppen wurde den Quellen zufolge erst im frühen 20. Jahrhundert geprägt. Ältere Kochbücher kennen den Begriff nicht.[2] Im Duden ist der erste Eintrag für Eintopfgericht in der Ausgabe von 1934 enthalten, in älteren Ausgaben kommt er noch nicht vor.[6][2] Die Verwendung ist aber vereinzelt schon für die Zeit vor 1933 belegt.[7][8]
Der Begriff Eintopf wurde von den Nationalsozialisten popularisiert und ideologisch besetzt.[2] Die Nationalsozialisten verliehen dem Alltagsgericht eine symbolisch-überhöhte Bedeutung und brachten es in Zusammenhang mit dem Begriff der Volksgemeinschaft. 1933 wurde der Eintopfsonntag eingeführt. Alle Bürger waren aufgefordert, an einem Sonntag pro Monat das übliche Fleischgericht durch einen Eintopf zu ersetzen und das so eingesparte Geld dem Winterhilfswerk (WHW) zur Verfügung zu stellen.
Die Popularisierung des Begriffs in der NS-Zeit baute laut dem Volkskundler Konrad Köstlin jedoch auf bestimmten bürgerlichen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts auf, die den Begriff Hausmannskost als Gegensatz zur angeblich überfeinerten Französischen Küche ansah und diese einfache Kost in einen positiven Zusammenhang mit dem deutschen „Volkscharakter“ brachte.[2] „In der durchaus demokratischen Volksfesttheorie des beginnenden 19. Jahrhunderts wird mehrfach die Vorstellung von einem gemeinsamen und gleichen Essen formuliert, durch das soziale Unterschiede zugunsten der nationalen Gemeinsamkeit aufgehoben werden sollen.“[9]
Kulturgeschichte
Das gemeinsame Kochen verschiedener Zutaten und die Kombination von Fleisch und Gemüse in einem Topf gehört vermutlich zu den ältesten bekannten Kochtechniken und ist somit jahrtausendealt. Diese Kochtechnik ist in allen Kulturen bekannt. Außerhalb Deutschlands spielt die Konsistenz für die begriffliche Einordnung als „Eintopf“ (one-pot-dish) keine Rolle, im Deutschen bezeichnet man diese Gerichte teilweise anders.
Beispiele für historische Eintopfgerichte sind der Getreidebrei der römischen Gladiatoren, der außer Gerstenschleim noch dicke Bohnen enthielt, ein Mischgericht aus Getreide, Gemüse und Fleisch der Germanen und das Hominy nordamerikanischer Indianer und später der frühen Siedler, das aus zerstoßenem Mais, Bohnen und Fleisch oder Fisch bestand.[10]
Ein spezieller Topf für das Kochen ohne Kessel über offenem Feuer ist der dreibeinige Dutch oven. Solche Töpfe sind in verschiedenen Kulturen bekannt. Im arabischen Raum bestand früher teilweise die gesamte Küchenausstattung nur aus einer Feuerstelle mit einem dreibeinigen Kochgefäß darüber, die sich im Haus oder auch im Hof befand. Ähnliches traf auf die Küchen der unteren Schichten im antiken Rom und in Griechenland zu.[10] Weitere Beispiele sind die nordafrikanische Tajine oder in einigen Balkanländern der Sač.
Eine Abwandlung des Kochens in einem Kochgefäß ist die Entwicklung mehrstöckiger Töpfe mit Einsätzen wie sie in der Arabischen Küche und in der Chinesischen Küche häufig verwendet werden. Im unteren Teil des Topfes wird Gemüse geschmort, während im durchlöcherten Aufsatz darüber Reis oder Couscous durch den Dampf zeitgleich gegart wird. In China wird der so hergestellte Eintopf als Keng bezeichnet.[10] Die Japanische Küche hat den Oberbegriff Nabemono für Gerichte, die komplett in einem Topf oder einer Pfanne zubereitet werden. Einer der populärsten Eintöpfe dieser Art ist Shabu shabu.[11] Die typischen Currygerichte der indischen Küche kann man ebenfalls als Eintopfgerichte oder auch als Ragout beschreiben. Auch Pilaw ist ein eintopfartiges Gericht.
Abgrenzung
Suppen und Eintopf unterscheiden sich durch ihre Konsistenz. Während die Suppe einen höheren Anteil an Flüssigkeit besitzt (etwa Linsensuppe), ist er bei Eintopf wesentlich geringer (Linseneintopf), so dass bei letzterem eine leicht breiige Konsistenz besteht.
Literatur
- Herings Lexikon der Küche. Fachbuchverlag Pfannenberg, Haan-Gruiten, 23. Auflage 2001, ISBN 3-8057-0470-4.
- Duden, Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter. Bibliographisches Institut, Leipzig, 11. Auflage 1934.
- Konrad Köstlin: Der Eintopf der Deutschen. Das Zusammengekochte als Kult-Essen, in: Utz Jeggle (Hrsg.): Tübinger Beiträge zur Volkskultur. (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen; Bd. 69). Tübinger Vereinigung für Volkskunde, Tübingen 1986, ISBN 3-925340-51-3, S. 220–241.
- Uwe Spiekermann: Ist Eintopf ein Nazi-Wort?, https://uwe-spiekermann.com/2018/05/14/ist-eintopf-ein-nazi-wort/ (2018).
Weblinks
Einzelnachweise
- Herrmann, F. Jürgen: Lehrbuch für Köche. Handwerk und Technik, Hamburg 1999, ISBN 3-582-40055-7, S. 158, 169.
- Konrad Köstlin: Der Eintopf der Deutschen. Das Zusammengekochte als Kult-Essen, in: Utz Jeggle (Hrsg.): Tübinger Beiträge zur Volkskultur, Tübingen 1986, S. 220–241.
- Konrad Köstlin Der Eintopf der Deutschen. Das Zusammengekochte als Kult-Essen, in: Utz Jeggle (Hrsg.): Tübinger Beiträge zur Volkskultur. (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen; Bd. 69). Tübinger Vereinigung für Volkskunde, Tübingen 1986, ISBN 3-925340-51-3, S. 223.
- Uwe Spiekermann: Ist Eintopf ein Nazi-Wort?, https://uwe-spiekermann.com/2018/05/14/ist-eintopf-ein-nazi-wort/
- Konrad Köstlin: Der Eintopf der Deutschen. Das Zusammengekochte als Kult-Essen, in: Utz Jeggle (Hrsg.): Tübinger Beiträge zur Volkskultur. (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen; Bd. 69). Tübinger Vereinigung für Volkskunde, Tübingen 1986, ISBN 3-925340-51-3, S. 229 f.
- Offizielle Auskunft der Duden-Redaktion im März 2009.
- Handwörterbuch der Wohlfahrtspflege, 1929
- Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit, 1927.
- Konrad Köstlin: Der Eintopf der Deutschen. Das Zusammengekochte als Kult-Essen, in: Utz Jeggle (Hrsg.): Tübinger Beiträge zur Volkskultur. (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen; Bd. 69). Tübinger Vereinigung für Volkskunde, Tübingen 1986, ISBN 3-925340-51-3, S. 224.
- Gert von Paczensky/Anna Dünnebier, Volle Töpfe, leere Töpfe. Die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens, München 1994, S. 35 ff.
- Alan Davidson, The Oxford Companion to Food, New York 1999, Artikel One-pot-cookery.