Dienstgrade des Deutschen Heeres (Deutsches Kaiserreich)
Das deutsche Kaiserreich verfügte über kein einheitliches Landheer. Vielmehr existierten die Armeen der vier größten Bundesstaaten (Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg) fort. Ausrüstung und Heeresorganisation orientierten sich jedoch am Beispiel Preußens bis auf gewisse Abweichungen bei Abzeichen und Ausrüstung, in den bayerischen Einheiten auch bei der Tuchfarbe. Die Heereskontingente der kleineren Fürstentümer und der Hansestädte waren ohnehin schon vor 1870, diejenigen Badens und Hessens im Zuge der Reichsgründung 1871 in die preußische Armee eingegliedert worden. Diese Truppen trugen preußische Uniformen und führten an Helm und Mütze neben der Reichskokarde (schwarz-weiß-rot) die eigene Landeskokarde als einziges Unterscheidungsmerkmal. Die oberste Kommandogewalt lag beim Kaiser, der in Realunion König von Preußen war. Das bayerische Heer trat allerdings erst im Kriegsfall unter kaiserlichen Oberbefehl.
Nach der Gründung des Kaiserreichs folgten die Dienstgradbenennungen der anderen Kontingente allmählich dem hier aufgeführten preußischen Beispiel.
Mannschaften
- Schützen, Füsiliere, Grenadiere, Musketiere, Infanteristen (Bayern), Soldaten (Sachsen), Jäger, Dragoner, Husaren, Kürassiere, Ulanen, Kanoniere, Fahrer usw. (Soldaten der Gardetruppenteile hatten den Dienstgrad Garde-Füsilier, Garde-Grenadier usw.) trugen keine besonderen Abzeichen.
- Gefreite trugen seit 1853 auf beiden Kragenseiten einen Wappenknopf, der dem des Sergeanten ähnelte, aber kleiner war.
- Obergefreite, die es nur bei der Fußartillerie gab, trugen den Sergeantenknopf und die Unteroffiziertroddel bzw. den -faustriemen am Seitengewehr (Bajonett oder Reitersäbel).
Zusätzliche Abzeichen:
- Einjährig-Freiwillige trugen eine gedrehte Wollschnur in den Landesfarben entlang des Rands der Schulterklappen.
- Kapitulanten trugen eine schmale Wollborte in den Landesfarben quer über den unteren Rand der Schulterklappen, eine Bajonetttroddel oder einen Säbelfaustriemen in den Landesfarben (ähnlich dem Unteroffiziersabzeichen).
Anmerkung: Der Einjährig-Freiwillige und der Kapitulant waren keine Dienstgrade, sondern freiwillig dienende Militärpflichtige. Die besonderen Abzeichen wurden im Falle eventueller Beförderungen nicht abgelegt.
Unteroffiziere
Unteroffiziere ohne Portepee
- Unteroffiziere und Oberjäger (Jägertruppe) trugen eine Tresse aus Silber- oder Goldmetall um den Kragenrand und die Ärmelaufschläge, eine Bajonetttroddel oder einen Reitersäbel-Faustriemen in den Landesfarben (z. B. schwarz-weiß für Preußen, weiß-blau für Bayern) am Seitengewehr und seit 1875 die Schirmmütze.
- Sergeanten trugen die Abzeichen der Unteroffiziere und zusätzlich den Sergeantenknopf mit aufgeprägtem Landeswappen (z. B. dem preußischen Adler oder dem bayerischen Löwen).
- Fähnriche, (seit 1. Januar 1899, vorher: Portepee-Fähnriche) trugen die Abzeichen der Unteroffiziere und zusätzlich das Portepee am Seitengewehr sowie die Offizierskokarde an der Kopfbedeckung.
Anmerkung: Der (Portepee-)Fähnrich war Anwärter zum Berufsoffizier (Avantageur, seit 1. Januar 1899: Fahnenjunker). Vor der Beförderung zum (Portepee-)Fähnrich trug der Avantageur/Fahnenjunker die Mannschaftsuniform. Nach bestandener Fähnrichsprüfung und mindestens sechs Dienstmonaten erfolgte die Beförderung des Avantageurs/Fahnenjunkers zum (Portepee-)Fähnrich. Nun legte er die Unteroffiziersuniform an, mit den oben genannten zusätzlichen Abzeichen. Nach dem Bestehen der Offiziersprüfung erlangte der (Portepee-)Fähnrich die Berechtigung zum Tragen der Offiziersseitenwaffe (Degen, Säbel, Pistole); gleichzeitig rückte er zu den Unteroffizieren mit Portepee auf (umgspr. „Degen-Fähnrich“).
Unteroffiziere mit Portepee
- Vizefeldwebel und Vizewachtmeister trugen die Abzeichen der Sergeanten und zusätzlich die Offiziersseitenwaffe mit Portepee am Mannschaftskoppel, die Offiziersknöpfe sowie die Offizierskokarde an der Kopfbedeckung.
- (Portepee-)Fähnriche („Degen-Fähnriche“) trugen die Abzeichen der Vizefeldwebel, jedoch ohne Tressen und Sergeantenknopf am Kragen. Ferner führten sie die Offiziersseitenwaffe und trugen den Offiziersüberrock mit Mannschaftsschulterklappen (dann Seitenwaffe bei Fußtruppen durch den linken Rockschoß gesteckt, bei berittenen Truppen untergeschnallt) sowie die Offizierskokarden an der Kopfbedeckung.
- Feldwebel und Wachtmeister trugen die Abzeichen der Vizefeldwebel. Seit 1889 trugen die Kompaniefeldwebel (Etatmäßige Feldwebel) eine zweite, schmale Tresse aus Metallgespinst über den Ärmelaufschlägen, wofür in der Reichswehr der Ausdruck „Kolbenringe“ aufkam.
- Offizierstellvertreter trugen die Abzeichen der Vizefeldwebel, hatten aber eine Metalltresse um die Schulterklappen und trugen die Offizierskopfbedeckung.
Anmerkung: Ab 1893 kam bei der neu eingeführten blusenartigen Litewka der Gebrauch von Winkeltressen in Gebrauch. Statt der üblichen Dienstgradabzeichen wurden auf dem linken Oberarm die nach oben offenen Winkel von Gefreiten und Unteroffiziersdienstgraden wie folgt getragen:
- Gefreiter: ein Tuchwinkel;
- Unteroffizier: ein Metalltressenwinkel;
- Sergeant: zwei Winkeltressen, wobei die äußere ein Metalltressenwinkel, die innere ein Tuchwinkel war;
- Vizefeldwebel: zwei Metallwinkeltressen;
- Feldwebel: drei Metallwinkeltressen.
Ab 1915 wurde das Kennzeichen wieder auf der Feldbluse M 15 getragen.
Winkeltressen wurden auch von den Schutztruppen in den deutschen Kolonien angelegt, allerdings in leichter Abwandlung zur Tragweise in Deutschland. Auf dem linken Oberarm wurden die nach oben offenen Winkel wie folgt getragen:
- Gefreiter: kein Winkel;
- Unteroffizier: ein Metalltressenwinkel;
- Sergeant: zwei Metallwinkeltressen;
- Vizefeldwebel: drei Metallwinkeltressen;
- Feldwebel: vier Metallwinkeltressen.
Offiziere
Die Offiziere hatten je nach Anzug verschiedene Schulterabzeichen. Es wurden Epauletten und Achselstücke unterschieden.
Subalternoffiziere
- Feldwebelleutnante trugen die Abzeichen der Vizefeldwebel und zusätzlich die Achselstücke der Leutnante.
- Leutnante (seit 1. Januar 1899, vorher: Second-Lieutenant) trugen Achselstücke aus acht nebeneinanderliegenden silbernen Plattschnüren oder Epauletten ohne Fransen und Stern.
- Oberleutnante (vorher: Premier-Lieutenant) trugen die Abzeichen der Leutnante und zusätzlich einen quadratischen, auf die Spitze gestellten goldenen Stern.
Hauptleute und Rittmeister
- Hauptleute und (bei der Kavallerie und sonstigen berittenen Einheiten, z. B. Train) Rittmeister trugen die Abzeichen der Leutnante, aber mit zwei goldenen Sternen.
Stabsoffiziere
Die Epauletten der Stabsoffiziere hatten am Rand schmale Fransen, die Schnüre der Achselstücke lagen nicht nebeneinander, sondern waren aus silbernen Plattschnüren geflochten.
- Major: ohne Stern.
- Oberstleutnant: ein goldener Stern.
- Oberst/Marschall: zwei goldene Sterne.
Generale
Die Epauletten der Generale hatten breite Fransen (sogenannte Kantillen), die Schulterstücke waren aus goldenen und silbernen Plattschnüren geflochten.
- Generalmajor: kein Stern.
- Generalleutnant: ein Stern.
- General der Infanterie, Kavallerie oder Artillerie: zwei Sterne (als charakterisierter Generalfeldmarschall zusätzlich zwei gekreuzte Marschallstäbe).
- Generaloberst: wie Generalmajor, aber drei zu einer Dreieckspyramide angeordnete Sterne (als charakterisierter Generalfeldmarschall zusätzlich zwei gekreuzte Marschallstäbe).
- Generaloberst mit dem Rang eines Generalfeldmarschalls (Dienstgrad eingeführt zum 23. Januar 1911): vier Sterne (im Viereck angeordnet).
- Generalfeldmarschall: zwei gekreuzte Marschallstäbe.
Anmerkung: Generaloberst mit dem Rang eines Generalfeldmarschalls war ein persönlicher Ehrentitel. Ihm entsprach der bis dahin verliehene Ehrendienstgrad charakterisierter Generalfeldmarschall.
Literatur
- Herbert Knötel: Uniformenkunde – Das Deutsche Heer – Friedensuniformen bei Ausbruch des Weltkrieges. I. Textbd. II. und III. Tafelbde. 2. Aufl. Stuttgart 1982.
- Georg Ortenburg, Ingo Prömper: Preussisch-deutsche Uniformen von 1640-1918, (Orbis Verlag), München 1991.
- Paul Pietsch: Die Formations- und Uniformierungs-Geschichte des preußischen Heeres. Berlin 1912, bzw. 2. Auflage Hamburg 1963.
Weblinks
Einzelnachweise
- Moritz Ruhl: Uniformen. Leipzig Verlag von Moritz Ruhl, abgerufen am 1. Januar 2020.