Feldwebelleutnant
Der Dienstgrad Feldwebelleutnant (auch Feldwebel-Leutnant) war seit 1877 im deutschen Heer der unterste Offiziersdienstgrad. In der Kaiserlichen Marine entsprach ihm seit 1916 der Deckoffizierleutnant.
Feldwebelleutnant bezeichnete keinen „aktiven“ Dienstgrad, sondern einen des „Beurlaubtenstandes“ (Reserve). Zu Feldwebelleutnants wurden in Friedenszeiten bevorzugt langgediente Unteroffiziere „des Beurlaubtenstandes“ (Reserve) befördert, im Ersten Weltkrieg auch Berufsunteroffiziere. Eine Weiterbeförderung zum Leutnant war nicht vorgesehen, kam im Ersten Weltkrieg jedoch in einigen seltenen Fällen vor.
Offizieranwärter der aktiven Laufbahn (Portepee-Fähnriche) und der Reservelaufbahn (Einjährig-Freiwillige) durchliefen diesen Dienstgrad nicht, sie rückten bei Eignung direkt zum Leutnant auf.
Die Bezeichnung Feldwebelleutnant war auch in der Kavallerie und in der Berittenen Artillerie üblich – entgegen deren Tradition, Feldwebeldienstgrade als „Wachtmeister“ (z. B. Vizewachtmeister) zu führen.
Der Feldwebelleutnant besaß zwar den Rang eines Leutnants, rangierte jedoch stets hinter einem Leutnant, da er kein Offizierspatent besaß. Ebenso wenig unterlag er der Ehrengerichtsbarkeit des Offizierskorps. In der Zwitterstellung zwischen Unteroffizier und Offizier ähnelte der Feldwebelleutnant dem Warrant Officer in den Streitkräften der USA und Großbritanniens bzw. dem Fähnrich der Armeen der späteren sozialistischen Staaten im Warschauer Pakt, so der Sowjetarmee und der NVA.
Der Dienstgrad wurde im Frühjahr 1920 in der Reichswehr abgeschafft.[1] Die Inhaber waren zuvor vor die Wahl gestellt worden, die Offiziersprüfung ablegen, um als aktive Leutnante weiterverwendet zu werden. Die überwiegende Anzahl wurde jedoch als „Leutnant der Landwehr a.D.“ in den Ruhestand versetzt, da der Reichswehr aufgrund des Versailler Vertrags die Einrichtung von Reservelaufbahnen untersagt war.
Verwendung in den Reservetruppen und beim Seebataillon
Der Dienstgrad Feldwebelleutnant wurde 1877 bei den Ersatztruppen, dem Seebataillon, der Landwehr-Fußartillerie, den Depot-Eskadronen und dem Landsturm eingeführt. Als Reservisten-Dienstgrad fand er in Friedenszeiten in der aktiven Truppe keine Verwendung. Zum Feldwebelleutnant konnten diensterfahrene inaktive und nicht mehr dienstpflichtige Unteroffiziere unter besonderen Bedingungen ernannt werden. Im Kriegs- oder Mobilmachungsfall sollten die Feldwebelleutnante im Innendienst oder als Zugführer verwendet werden. Letztere Aufgabe teilten sie sich im Ersten Weltkrieg mit den Offizierstellvertretern.
Verwendung im Kadettenkorps und in der Schlossgarde-Kompanie
Im Kadettenkorps hatte jede Kompanie einen Feldwebelleutnant, der aus dem Kreis der versorgungsberechtigten Armee-Feldwebel (siehe Zivilversorgung) ausgewählt wurde. Dieser besorgte den Schriftverkehr, die Bekleidungsverwaltung und die Beaufsichtigung des Aufwärterpersonals. Auch die Hausverwalter der Kadettenanstalten konnten zu Feldwebelleutnants ernannt werden, insofern sie ehemalige Unteroffiziere waren.
Zum Personal der nur aus Unteroffizieren bestehenden preußischen Schloßgarde-Kompanie zählte zeitweilig ebenfalls ein Feldwebelleutnant.
Uniform
Der Feldwebelleutnant trug die Offiziersuniform mit Tressen und Kragenknöpfen des Vizefeldwebels (spöttisch: „Kainszeichen“); hinzu kamen die Leutnantschulterstücke, nicht aber die silberne Schärpe (Feldbinde). Das Seitengewehr (Offiziersdegen) wurde am Mannschaftskoppel oder am Bandelier getragen.
Der Kadett-Feldwebelleutnant legte die komplette Leutnantsuniform an (ohne die „Kainszeichen“ der ungeliebten Unteroffiziersdistinktionen).
Der historische Vorläufer: Der Wachtmeister-Leutnant
Indirekter historischer Vorläufer des Feldwebelleutnants war der Wachtmeister-Leutnant. Dieser fungierte als Adjutant in militärischen Einheiten, Festungen und größeren Städten.
In Österreich ist der Wachtmeister-Leutnant seit 1648 nachzuweisen, zunächst als Regiments-, seit 1769 auch als Bataillonsadjudant. Uniformiert wie ein berittener Offizier, rangierte er gleichwohl nur als ranghöchster Feldwebel. Bis 1752 stand er „unter dem Stocke“, d. h., er unterlag dem gleichen Strafsystem wie die übrigen Unteroffiziere. Ab 1759 legte er in der Schlacht eine Schärpe an, die über der rechte Schulter zu tragen war. 1769 wechselte die Bezeichnung in Regiments-Adjutant. 1803 erhielt er Fähnrichsrang, seit 1861 hatte er Anrecht auf ein staatlich bezahltes (ärarisches) Dienstpferd.
In Preußen war die Einrichtung des Wachtmeister-Leutnants ebenfalls bekannt. Seine Aufgaben scheinen aber im 18. Jahrhundert vielfach von den dienstältesten Feldwebeln und von Offizieren übernommen worden zu sein.
In vielen deutschen Städten und Festungen des 17. und 18. Jahrhunderts war der Wachtmeister-Leutnant für das Wachwesen zuständig und somit Vorgesetzter aller Wachsoldaten. Das Amt war ortsgebunden, d. h. der Wachtmeister-Leutnant blieb zurück, wenn die Garnisonstruppe die Stadt verließ und einen neuen Standort bezog.
Literatur
- Curt Jany: Geschichte der Preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914. 2. ergänzte Auflage, Nachdruck. Biblio-Verlag, Osnabrück 1967.
- Jürgen Kloosterhuis: Legendäre „lange Kerls“. Quellen zur Regimentskultur der Königsgrenadiere Friedrich Wilhelms I., 1713–1740. Geheimes Staatsarchiv Preussischer Kulturbesitz, Berlin 2003, ISBN 3-923579-03-9.
- Ralf Pröve: Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Göttingen und seine Militärbevölkerung 1713–1756 (= Beiträge zur Militärgeschichte. Bd. 47). Oldenbourg, München 1995. ISBN 3-486-56060-3 (Zugleich: Göttingen, Univ., Diss., 1992).
Weblinks
- Feldwebelleutnant. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 6, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 120.
Einzelnachweise
- Erlass vom 28. April 1920, veröffentlicht im Heeres-Verordnungsblatt, 2. Jahrgang, Nr. 31 (30. April 1920), Berlin 1921, S. 411