Detlev-Rohwedder-Haus
Das Detlev-Rohwedder-Haus ist ein monumentales Bürogebäude in Berlin, Wilhelmstraße 97 / Leipziger Straße 5–7. Das Gebäude wurde 1935 zur Zeit des Nationalsozialismus als Sitz des Reichsluftfahrtministeriums errichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es in der DDR als Haus der Ministerien in Gebrauch. Hier wurde am 7. Oktober 1949 die DDR gegründet. In den 1990er Jahren war es der Sitz der Zentrale der Treuhandanstalt, seit 1999 ist es Sitz des Bundesministeriums der Finanzen. Seit 1992 trägt das Gebäude den heutigen Namen nach Detlev Rohwedder, dem 1991 von der RAF ermordeten zweiten Präsidenten der Treuhandanstalt.
Geschichte
Vornutzung
Im Jahr 1819 siedelte sich auf dem Grundstück des heutigen Detlev-Rohwedder-Hauses das Preußische Kriegsministerium an. 1919 wurde das Kriegsministerium mit dem Ende der Monarchie aufgelöst. Der Gebäudekomplex wurde in der Folgezeit vom Reichswehrministerium und dem Berliner Arbeitsgericht genutzt. Nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ ging das Grundstück im Mai 1933 an das neu gegründete Reichsluftfahrtministerium (RLM) über. Reichsminister der Luftfahrt war Hermann Göring.
Reichsluftfahrtministerium (1935–1945)
Der alte Gebäudekomplex des Kriegsministeriums entsprach in Größe und Aussehen nicht dem Repräsentationsbedürfnis der Nationalsozialisten. In den Jahren 1935/1936 wurde in der Wilhelmstraße daher auf Veranlassung Görings und nach Plänen des Architekten Ernst Sagebiel ein Neubau mit über 2000 Büroräumen und ca. 112.000 m² Bürogeschossfläche errichtet. Es entstand das damals größte Bürogebäude Berlins, ausgeführt als ein vier- bis siebengeschossiger Stahlbetonskelettbau mit Flachdach, ein herausragendes Beispiel für die monumentale Architektur im Nationalsozialismus.
Nutzung in der SBZ und DDR (1945–1989)
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das nur geringfügig beschädigte Gebäude des RLM anfangs von der sowjetischen Militäradministration (SMAD) in der SBZ genutzt. Später bezogen die Deutsche Wirtschaftskommission (DWK) und danach die Staatliche Plankommission und der Volkswirtschaftsrat der DDR Teile des Gebäudes.
Das Gebäude wurde auch Tagungsort des Deutschen Volksrats, der am 7. Oktober 1949 durch Inkraftsetzung der Verfassung im großen Festsaal die DDR gründete und sich als provisorische Volkskammer konstituierte.
Nach Gründung der DDR wurden verschiedene Fachministerien der Wirtschaft in dem Komplex untergebracht. Der Bau wurde nun offiziell als Haus der Ministerien bezeichnet.
Zwischen den Jahren 1950 und 1953 wurde anstelle des vorherigen großformatigen Steinreliefs marschierender Wehrmachtssoldaten mit wehenden Hakenkreuzfahnen des Bildhauers Arnold Waldschmidt (Ausführung 1937–1941)[1] durch den Porträt- und Landschaftsmaler Max Lingner in der nordöstlichen Pfeilervorhalle das monumentale, 24 m × 3 m große Wandgemälde Aufbau der Republik in Fliesen aus Meißner Porzellan geschaffen. Das von dem Künstler ursprünglich konzipierte Bild eines verhaltenen Neuanfangs nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus wurde auf Wunsch des Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht und des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl mehrfach überarbeitet, um am Ende einen euphorischen Aufbruch der deutschen Arbeiterklasse darzustellen, der es gelingt, sich mit dem Bauernstand und der Intelligenz Deutschlands im Sinne des Sozialismus zu vereinen.[2]
- Demonstrierende
- Singende, Klatschende und Musizierende
- Frohe Kinderschar
- Handwerker und Bauer
- Industriearbeiter
- Planende und Familie
Während des Aufstands am 17. Juni 1953 fand eine Demonstration vor dem Gebäude statt. Heute erinnert daran das von Wolfgang Rüppel gestaltete „Denkmal für die Ereignisse des siebzehnten Juni Neunzehnhundertdreiundfünfzig“.[3]
Das Haus verfügt über einen 1982 (Baujahr gemäß Typenschild) in Betrieb genommenen Paternosteraufzug, der nach DDR-Baurecht erlaubt war. In Westdeutschland war hingegen seit 1974 die Inbetriebnahme neuer Paternoster verboten.
Anfang der 1970er Jahre wurde in dem ehemaligen Büro des NS-Widerstandskämpfers und Offiziers Harro Schulze-Boysen, der dort am 31. August 1942 verhaftet worden war, eine kleine Gedenkstätte für die 1969 von der Sowjetunion geehrten Widerstandskämpfer der Roten Kapelle Berlin eingerichtet.
Nutzung seit der Wiedervereinigung Deutschlands (seit 1990)
Nach der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 bezog das Bundesministerium der Finanzen das Gebäude – zunächst jedoch noch als Außenstelle. Damals hatte dort auch die Außenstelle des Bundesrechnungshofs ihren Sitz.
Von 1991 bis 1994 befand sich die Zentrale der Treuhandanstalt im Gebäudekomplex an der Wilhelmstraße 97. 1992 wurde das Gebäude in Detlev-Rohwedder-Haus umbenannt – nach dem von der RAF ermordeten Präsidenten der Treuhandanstalt Detlev Rohwedder. Zwischen 1994 und 1999 wurde das Gebäude umgebaut und renoviert.
Seit 1999 befindet sich hier an der Wilhelmstraße 97 der erste Dienstsitz des Bundesministeriums der Finanzen. Im sogenannten 1A-Flügel an der Leipziger Straße 5–7 sind Teile der Verwaltung des Bundesrates untergebracht. Der gesamte Gebäudekomplex, einschließlich der Wandgemälde und Werke der Schmiedekunst, steht unter Denkmalschutz.
Literatur
- Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.): Das Detlev-Rohwedder-Haus – Architektur und Nutzung. Berlin 1999, 48 Seiten.
- Volker Wagner: Regierungsbauten in Berlin. Geschichte, Politik, Architektur. S. 66–69, be.bra-Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-930863-94-4.
Filme
Weblinks
- Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste
- Virtueller Besuch im BMF (360-Grad-Tour)
Einzelnachweise
- Artikel Das Soldatenrelief von Arnold Waldschmidt, in: Die Kunst im Deutschen Reich, Heft Januar 1941, hrsg. vom Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP, München 1941, S. 28–29.
- Die Außenkunst am Detlev-Rohwedder-Haus: Aufbruch und Zorn. (Memento des Originals vom 2. Januar 2010 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Abgerufen 13. Mai 2014
- Denkmal für die Ereignisse des 17. Juni 1953, Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart
- Top of the Docs. Dokumentationen in der ARD 2015/16. In: daserste.de. S. 35, abgerufen am 2. Juli 2017 (PDF; 8,6 MB).