Cueva de Villa Luz
Die Cueva de Villa Luz[2] (dt. Höhle des erleuchteten Hauses) ist eine Karsthöhle in der Nähe des Ortes Tapijulapa im mexikanischen Bundesstaat Tabasco. Sie ist auch unter den Namen Cueva del Azufre (dt. Schwefelhöhle), Cueva de la Sardina, Cueva de las Sardinas[1] oder Grutas de Sardina[3] (dt. Sardinenhöhle) und Cueva de las Sardinas Ciegas[4] (dt. Höhle der blinden Sardinen) bekannt.
Cueva de Villa Luz | ||
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Schild am Eingang der Cueva de Villa Luz unter dem von Einheimischen gebräuchlichen Namen Cueva de la Sardina | ||
Lage: | Tabasco, Mexiko | |
Geographische Lage: | 17° 26′ 46″ N, 92° 46′ 41,9″ W | |
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Typ: | Karsthöhle | |
Entdeckung: | 1962 (Erstbeschreibung) | |
Beleuchtung: | natürliche Lichtschächte an mehreren Stellen sowie elektrische Beleuchtung | |
Gesamtlänge: | 1900 m | |
Niveaudifferenz: | 25 m | |
Besonderheiten: | Bach mit giftigem Schwefelwasserstoff durchfließt die Höhle in ganzer Länge; für Höhlenbiotope hohe Biomasseproduktion[1] |
Die Höhle bietet aufgrund ihrer schwefelwasserstoffhaltigen Quellen und Bakterien, die diese Schwefelverbindung als Energiequelle nutzen können, eine für Höhlen große Artenvielfalt, da diese Bakterien die Nahrungsgrundlage verschiedener Tiere bilden.
In der präspanischen Zeit wurde die Cueva de Villa Luz vom indigenen Volk der Zoque als religiöse Stätte genutzt. Auf Basis des dort durchgeführten historischen Rituals wird heute am Palmsonntag ein Fest abgehalten, das auch von Touristen besucht wird.
Lage
Die Cueva de Villa Luz liegt etwas mehr als drei Kilometer[Anm. 1] südlich vom Ort Tapijulapa im Süden des mexikanischen Bundesstaats Tabasco und anderthalb Kilometer[Anm. 2] westlich vom Rio Oxolotán. Sie befindet sich in einem Tal, dem Arroyo del Solpho, an einem niedrigen Bergkamm aus Kalkstein.[5] Das Gebiet liegt im Naturschutzgebiet Parque estatal Sierra de Tabasco.[6]
Die Region ist ein steil ansteigendes Vorland des Gebirgszugs Sierra von Chiapas.[5] Das Gebirge hat sich hauptsächlich aus Sedimenten der Kreidezeit gebildet, teilweise finden sich aber auch Gesteinsschichten mit Ursprung im Jura und in der Trias.[7] Aufgrund eines niederschlagsreichen und warmen Klimas wächst auf den Berghängen eine dichte Vegetation. In der Gegend liegen viele Höhlen.[5] Ca. 50 Kilometer westlich befindet sich der aktive Vulkan El Chichón, der zuletzt 1982 ausgebrochen ist, außerdem wird nördlich der Höhle, in ungefähr 65 Kilometern Entfernung, bei Villahermosa, Erdöl gefördert. Möglicherweise gelangt Schwefelwasserstoff von den Ölfeldern oder aus dem vulkanischen Gebiet zu den Quellen in die Cueva de Villa Luz.[8]
Geologie
Entstehung
Die Cueva de Villa Luz ist hypogene Höhle.[9] Sie wurde hauptsächlich durch schwefelreiches Wasser gebildet, während Witterung nur einen kleinen Anteil an der Höhlenbildung hatte. Das Grundgestein wurde durch das Quellwasser umflossen und durch chemische Prozesse und Erosion abgetragen, so dass ein Hohlraum entstand. Vermutlich waren an den Positionen der Lichtschächte, welche sich in der Höhle befinden, jeweils Quellen, die an die Oberfläche führten. Diese These wird durch die Vielzahl der Quellen in der Höhle gestützt. Da der Fluss in der Nähe der Höhle durch Erosion sein Flussbett vertiefte, sank der Grundwasserspiegel und Teile der Höhle wurden trockengelegt, so dass das Quellwasser durch den luftgefüllten Raum der Höhle als Bach floss. Da das Quellwasser in der Höhle leicht sauer ist und gleichzeitig stark saure Tropfen aus Kondenswasser unter Kontakt mit den atmosphärischen Gasen entstehen, entwickelten sich zudem Vertiefungen am Höhlengrund.[8]
In der Höhle laufen verschiedene chemische Reaktionen ab, wodurch sich Schwefelsäure und anschließend Gips bilden. Im ersten Schritt reagiert Schwefelwasserstoff mit atmosphärischem Sauerstoff zu elementarem Schwefel und Wasser.
- 2 H2S + O2 → 2 S0 + 2 H2O
Der Schwefel kann sowohl abiotisch als auch biotisch durch Mikroorganismen oxidiert werden, wodurch Schwefelsäure entsteht.
- 2 S0 + 3 O2 + 2 H2O → 2 SO42- + 4 H+
oder
- H2S + 2 O2 → SO42- + 2 H+
Die gebildete Schwefelsäure reagiert mit Kalk aus dem Kalksandstein, der hierdurch dissolviert, da die Calciumionen in Wasser löslich sind und zudem Kohlenstoffdioxid freigesetzt wird.
- CaCO3 + 2 H+ → Ca2+ + H2O + CO2
Die gelösten Calciumionen verbinden sich anschließend mit den Sulfationen der Schwefelsäure zu wasserunlöslichem Gips.
- Ca2+ + SO42- + 2 H2O → CaSO4 · 2 H2O
Möglicherweise führten auch andere biotische und abiotische Reaktionen zu denselben Ergebnissen bei der Höhlenbildung.[8]
Gipskristalle kommen so einerseits als Überzug an den Felswänden vor. Andererseits hängen sie auch als Gipsstalaktiten von der Decke der Höhle, wenn Kalk aus dem Deckenbereich dissolvierte.[5]
Neben diesen Vorgängen auf der Grundlage von Schwefel spielt Kohlensäure, die sich aus Wasser und aus den Quellen austretendem Kohlenstoffdioxid bildet, ebenfalls eine Rolle bei der Auslösung des Kalksteins.[8] Das entstandene Calciumhydrogencarbonat ist im Vergleich zum Kalkstein wesentlich wasserlöslicher.[10]
- H2O + CO2 → H2CO3
- CaCO3 + H2CO3 → Ca2+ + 2 HCO3-
Beschreibung
Die Cueva de Villa Luz ist eine 500 Meter lange Karsthöhle, wenn man alle parallelen Gänge und Seitengänge misst, kommt man auf eine Länge von ca. 1900 Metern.[5][8] In der Höhle befinden sich mehrere Kammern, die durch niedrige Passagen miteinander verbunden sind. Die Hauptkammer hat eine Höhe von ca. 12 Metern[Anm. 3].[5] Insgesamt sind in der Decke 24 Öffnungen, wodurch in manche Bereiche Frischluft und Licht gelangen können. Wegen der Lichtschächte hat die Höhle den Namen Cueva de Villa Luz erhalten, was Höhle des erleuchteten Hauses bedeutet.[11] Die meisten Öffnungen befinden sich jedoch in Spalten, so dass das Licht oft nicht den Innenraum der Höhle erreicht.[5] Vereinzelt ist die Decke eingebrochen. Das Relief der Höhle zeigt Höhenunterschiede von nur 25 Metern. Von den Einwohnern Tapijulapas wurde eine Treppe als Zugang zur Höhle erbaut.[8]
Die Wände, die Decke und die Bereiche des Grundes, die nicht vom Bachlauf erreicht werden, sind größtenteils von mikrokristallinem Gips bedeckt. Am Boden sammelt sich heruntergefallener Gips teilweise bis auf eine Höhe von mehreren Metern an. An der Decke und an überhängenden Wänden hängen zudem bis zu 10 Zentimeter lange, blattartige Gipsstrukturen, die in den Raum hineinzeigen.[9] Der Gips liegt zum Teil auch als Marienglas vor.[8] Elementarer Schwefel lagert sich teilweise auf dem Gips oder auf unlöslichem Gestein ab. Vor allem in der Nähe der schwefelwasserstoffhaltigen Quellen sind größere Mengen an Schwefelablagerungen zu erkennen. In einer Passage formt der elementare Schwefel mehrere Zentimeter lange, lamellenartige Strukturen, die sich einen halben bis einen Meter über der Wasseroberfläche befinden.[9] Vereinzelt ist Calcit in Form von Mondmilch abgelagert. In einzelnen Kammern sind Stalagmiten und Stalaktiten vorhanden.[2] Im Sediment des Bachlaufs befinden sich verschiedene Minerale, wie Ton, Quarz und Minerale metamorphen und magmatischen Ursprungs, z. B. Labradorit, Hornblende, Chloritminerale, Zirkon und Muskovit. Auch Schiefer wurde in diesem Sediment gefunden.[9]
An manchen Stellen hängen viele Bakterienkolonien als schleimige Fäden von der Decke, an denen Schwefelsäure heruntertropft. Die Schwefelsäure hat teilweise einen pH-Wert von 1 oder niedriger, weshalb sie in der Lage ist, Löcher in Kleidung zu ätzen.[2]
Die mittlere Temperatur in der Höhle ist mit 28 °C etwas höher als außerhalb der Höhle, wo die Durchschnittstemperatur bei 27 °C liegt.[7] Die Höhle wird von mindestens 26 Thermalquellen gespeist, aus denen Wasser mit einer Temperatur um 28 °C tritt, während das Grundwasser in der Region eine Temperatur von 22 bis 24 °C aufweist.[9]
Höhlenatmosphäre
Wenn man die Höhle betritt, ist ein Geruch von faulen Eiern wahrnehmbar, der von dem Schwefelwasserstoff herrührt.[2] Dieses Gas tritt aus mehr als einem Dutzend Schwefelquellen aus und hat einen Anteil von 1 bis 40 ppm in der Höhlenatmosphäre, vereinzelt steigt der Anteil innerhalb weniger Minuten auf bis zu 240 ppm an.[7][8] Schwefelwasserstoff ist ein giftiges Gas, das eine Maximale Arbeitsplatz-Konzentration (MAK) von 5 ppm hat.[12] Auch in der Zusammensetzung anderer Gase unterscheidet sich die Atmosphäre innerhalb von der außerhalb der Höhle. Der Sauerstoffanteil liegt teilweise unter 10 %, während Kohlenstoffmonoxid einen Anteil von 85 ppm (MAK von Kohlenstoffmonoxid bei 35 ppm) hat.[8][13] Der Kohlenstoffdioxidanteil liegt bei 420 bis 900 ppm, der von Methan bei 1,88 bis 3,67 ppm. In der Nähe der Quellen sind die Werte für Schwefelwasserstoff, Kohlenstoffdioxid und Methan höher.[7] Wegen dieser Höhlenatmosphäre fühlen sich Höhlengänger während und nach dem Besuch oft krank.[2] Aus diesem Grund sollten die hinteren Höhlenbereiche nur betreten werden, wenn entsprechende Atemausrüstung getragen wird, wozu beispielsweise eine Sauerstoffmaske gehört.[8][11]
Bachlauf in der Höhle
Ein zweiarmiger Bach fließt über die gesamte Länge der Höhle und wird durch viele Quellen gespeist. Das Wasser einiger Quellen enthält den giftigen Schwefelwasserstoff. Die Schwefelwasserstoffkonzentration im Wasser ist im hinteren, durch einen Wasserfall abgegrenzten Bereich geringer, weil hier weniger Schwefelwasserstoff durch die Quellen eingetragen wird.[1] Zum Teil ist das Quellwasser klar, zum Teil entspringt milchig blaues, getrübtes Wasser, für dessen Färbung vermutlich Calciumsulfat oder elementarer Schwefel verantwortlich ist.[5][9]
Der Bachlauf hat durchschnittlich eine Tiefe von 30 bis 60 Zentimetern und ein geringes Gefälle. In Bereichen geringer Strömung befindet sich am Grund des Bachbettes grauer bis schwarzer Schlamm, ansonsten besteht das Bett aus nacktem Fels. Im Bach befinden sich auch tiefere Becken mit einer Tiefe von bis zu anderthalb Metern.[5]
El Azufre
El Azufre ist ein Bachlauf, der in den Hügeln südwestlich der Höhle entspringt.[14] Nach dem Ausfluss vereinigt sich der Höhlenbach mit dem El Azufre. Er fließt weitere anderthalb Kilometer, bis er über einen Wasserfall in den zum Río-Grijalva-Flusssystem gehörenden Río Oxolotán mündet.[1] El Azufre wird auch von einer weiteren Höhle gespeist, der Cueva Luna Azufre, in der sich jedoch entgegen ihrer Namensgebung keine Schwefelquellen befinden.[14]
Auf der Strecke zwischen der Cueva de Villa Luz und der Mündung hat das Wasser wegen der Schwefel- bzw. Sulfatverbindungen eine milchige bis hellblaue Färbung. Im El Azufre konnten zwei Fischarten nachgewiesen werden, die trotz der toxischen Schwefelwasserstoffkonzentration überleben können: Atlantikkärpflinge (Poecilia mexicana) und Salvins Buntbarsche (Trichromis salvini).[1]
Höhlenökologie
Aufgrund des Mangels an Licht können keine Pflanzen oder Algen in der Cueva de Villa Luz überleben. Diese bilden mithilfe ihrer Fotosyntheseaktivität oft den Grundstock, der Leben in einem Lebensraum ermöglicht. Viele Höhlenlebewesen überleben auch, weil Nährstoffe von außen in die Höhlen eingetragen werden. In der Cueva de Villa Luz spielt durch Fledermäuse eingebrachtes Guano eine untergeordnete Rolle.[1][15] Neben der Höhle von Movile ist die Cueva de Villa Luz die einzige bekannte Höhle, in der Schwefelwasserstoff die Grundlage für das Ökosystem bildet.[11] Der Unterschied liegt jedoch darin, dass die Cueva de Villa Luz neben dem Schwefelwasserstoff auch Energieeinträge durch Guano von Fledermäusen und durch die Oberflachenschächte und den Eingang eingetragene Pflanzenreste hat, weil es sich im Gegensatz zu Movile um ein offenes Höhlensystem handelt.[16]
Die Basis, die vielen Lebewesen das Überleben in dieser Höhle ermöglicht, sind schwefeloxidierende Bakterien, auch Schwefelbakterien genannt. Diese Bakterien aus der Gattung Beggiatoa gewinnen aus der chemoautotrophen Oxidation von Schwefelwasserstoff Energie, die sie zur eigenen Lebenserhaltung benötigen.[1][15] Im Verhältnis zu vielen anderen Höhlen, in denen diese Art der Energiegewinnung nicht möglich ist, wird in der Cueva de Villa Luz eine große Biomasse produziert. Die Bakterien sind der Hauptproduzent, der von anderen Organismen wie Atlantikkärpflingen und Larven der Art Tendipes fulvipilus aus der Familie der Zuckmücken gefressen wird, und bilden somit die Grundlage verschiedener Nahrungsgemeinschaften. Im Wasser des Bachs leben außerdem eine Krabbenart aus der Gattung Hyphoboluocera, Fadenwürmer und Milben, die mitunter auch von Atlantikkärpflingen gefressen werden.[1][15] Zudem leben im Wasser Raubwanzen der Gattung Belostoma, die ihren Saugrüssel in die Körper der Atlantikkärpflinge bohren und deren Blut saugen.[1][17]
Die Höhlenmollys, wie die Höhlenpopulation der Atlantikkärpflinge auch genannt wird, unterscheiden sich von ihren Artgenossen, die an der Oberfläche leben, in verschiedenen Merkmalen. Sie haben reduzierte, aber funktionstüchtige, erkennbare Augen. Bei manchen Individuen sind die Augen von einer feinen Haut überwachsen. Die meisten Höhlenmollys haben eine blasse Rosafärbung und farblose Flossen, einzelne Individuen weisen eine goldene Grundfärbung auf. Um die Geschlechtsöffnung haben Weibchen oftmals eine kissenartige Wucherung. Im Verhalten zeigen die Tiere der Höhlenpopulation ein geringeres Sexual- und Aggressionsverhalten als die Oberflächenpopulationen. Sie wurden auch häufiger als ihre oberirdischen Artgenossen bei der Luftatmung beobachtet, vermutlich, da im Höhlenwasser giftiger Schwefelwasserstoff gelöst ist.[1] Es konnte außerdem nachgewiesen werden, dass zwischen der Höhlenpopulation und der Oberflächenpopulation im El Azufre keine gemeinsamen Nachkommen vorkommen, obwohl es keine räumliche Barriere am Eingang der Höhle gibt.[17] Der Grund liegt darin, dass der gemeinsame Nachwuchs nicht überlebt, weil die Elterntiere an den jeweiligen Lebensraum angepasst sind; die gemeinsamen Nachkommen haben gegenüber den beiden Populationen einen Fitnessnachteil.[18] Eine Untersuchung von der Forschungsgruppe um Michi Tobler von der Oklahoma State University zeigte, dass ein Ritual der ansässigen Zoque, bei dem Fische mit einem Barbasco-Gift gefangen werden, ebenfalls einen evolutiven Einfluss auf den Atlantikkärpfling hat. Es wurden Fische aus dem vorderen Bereich, in dem das Ritual stattfindet, und aus dem hinteren Bereich der Höhle hinsichtlich ihrer Resistenz gegen das Gift verglichen. Es zeigte sich, dass Individuen aus der Nähe des Eingangs eine längere Resistenz gegen das Toxin aufwiesen als die Population, die vorher keinen Kontakt zu dem Gift hatte.[19]
Auch außerhalb des Baches finden sich Bakterienkolonien, die von der Decke herunterhängen und schleimigen Stalaktiten oder Rotzfäden ähneln.[8][11] Diese Kolonien werden in wissenschaftlichen Veröffentlichungen Snottites genannt. Sie gelten als Minibiotope der extremen Umweltbedingungen, da von ihnen produzierte hochkonzentrierte Schwefelsäure an ihnen herunterläuft, ohne dass sie dadurch geschädigt werden.[11][18] In der Nähe solcher Rotzfäden wurden Asseln gefunden.[15] Zudem findet man in den Snotties Mesorhabditis acidophila, eine auf die saure Umgebung angepasste Fadenwurmart, die unter anderem von Milben gejagt wird.[20]
Neben den permanenten Bewohnern des Bachs in der Cueva del Azufre gibt es auch Tiere, die nur zeitweise in der Höhle leben, troglophile Tiere. So nutzen beispielsweise Geißel- und Vogelspinnen sowie Fledermäuse die Höhle tagsüber als Rückzugsort. Auch Mückenschwärme lassen sich zur Eiablage in der Höhle nieder.[1]
Bei einer Studie wurden im Jahr 2011 mikroskopische Gliederfüßer in der Höhle bestimmt. Hierbei wurden die Individuen in vier verschiedenen Höhlenbiotopen gesammelt: auf Guano, in der Bodenstreu von Oberflächenpflanzen, am Boden unter Schwefelbakterienkolonien und am Grund ohne einen der drei Faktoren. Die Forscher fanden insgesamt 169 verschiedene Arten, darunter waren Milben und Springschwänze die häufigsten Vertreter.[16]
Erschließung und Nutzung der Höhle
Obwohl die Höhle im Jahr 1962 wissenschaftlich erstbeschrieben wurde, war sie Einheimischen bereits vorher bekannt und wurde über Jahrhunderte als religiöse Stätte genutzt.[5][8]
Ritual der Zoque
In der Cueva de Villa Luz findet eine der ältesten, religiösen Traditionen Tabascos statt, El Ritual de la Pesca de la Sardina Ciega (dt. Das Fischfangritual der blinden Sardine), das auch unter den Namen La Pesca de la Sardina (dt. Der Fischfang der Sardine) und La Ceremonia de la Pesca (dt. Die Zeremonie des Fischfangs) bekannt ist.[2][6][8] Dieses Fest indigenen Ursprungs ist eine jahrhundertealte Tradition, bei der das Volk der Zoque verschiedene Naturgottheiten des Regens, des Wassers, der Erde und des Mondes anriefen, um für ein fruchtbares Jahr mit reichen Ernten, Fischfang und Regen zu bitten.[6][21][22] Das Ritual wurde am Ende der Trockenzeit im Frühjahr durchgeführt.[8] Nach der katholischen Missionierung entwickelte sich eine Mischkultur aus christlichem und ursprünglichem Glauben.[2] In den 1940er Jahren beendeten die Einwohner Tapijulapas diese Tradition, da die indigene Religion und Sprache in der Region an die europäische Kultur verloren ging. Ab 1987 wurde das Ritual auf Bestreben eines Einheimischen wiederbelebt bzw. nachgespielt.[8] Die Neuauflage der Tradition findet in der Semana Santa, genauer am Palmsonntag, statt.[2]
Für die ursprüngliche Zeremonie kleideten sich die Teilnehmer in traditionelle Trachten und trafen sich morgens in der Nähe der Höhle. Dort pulverisierten Frauen Barbascowurzeln, indem sie diese auf dem Karstgestein abschabten.[2] Für Barbasco wurden Pflanzen der Art Serjania mexicana aus der Familie der Seifenbaumgewächse genutzt, die in der Nähe wachsen und das Gift Rotenon enthalten.[6] Das zerriebene Barbasco wurde mit Limette und Kalk gemischt und als Paket in ein Bananenblatt eingewickelt.[2] Anschließend pilgerte die Gruppe unter Trommel- und Flötenspiel zum Eingang der Cueva de Villa Luz. Neben den Barbascopaketen nahmen sie geflochtene Weidenkörbe mit Kerzen und Wildblumen als Opfergabe für den Gott Chaac mit.[22] Der Anführer der Prozession trug dabei ein Gefäß mit Copal, das als Weihrauch diente.[2]
Vor dem Eintritt in die Höhle fand ein traditioneller Tanz statt, der zunächst vom Anführer begonnen wurde. Die anderen Teilnehmer sahen zunächst zu, später tanzten sie im Kreis um ihn herum. Nach dem Tanz erhob der Anführer den Korb mit Blumen, Kerzen und Weihrauch als Gruß an die Götter. Sobald die Musik beendet war, sprach der Anführer ein Gebet, um von den Göttern Erlaubnis für das Eintreten in die Höhle zu erhalten.[6]
In der Höhle gingen die Teilnehmer so tief in die Höhle, wie es die Lichtverhältnisse zuließen. Dort entleerten sie die Barbascopakete in das Wasser. Die Nutzung von Barbasco ist in Mittelamerika eine traditionelle Fischfangtechnik.[8] Durch das Rotenon wird die Atmung der Fische gehemmt, so dass die Fische träge werden und sich an der Oberfläche sammeln. So konnten die Zoque die betäubten Fische mit den Körben von der Oberfläche abschöpfen.[2]
Die Kärpflinge bildeten so eine Nahrungsquelle für Zoque, wenn am Ende der Trockenzeit wegen der ausfallenden Ernte eine Nahrungsknappheit bestand.[8] Obwohl die Fische vergiftet wurden, war für die Menschen der Verzehr der Fische ungefährlich.[21] Die gefangenen Fische wurden getrocknet und mit Eiern als Tamale zubereitet. Wenn die Trockenzeit bis zum Mai nicht endete, wurde das Ritual wiederholt.[2]
Das Ritual in der heutigen Zeit
Zwischen dem ursprünglichen und dem wiederbelebten Ritual gibt es einige Unterschiede. Früher nahmen außer Personen, denen der Weg zu anstrengend war, beispielsweise Schwangere, alle Einheimischen teil.[6] Heute lehnen viele Menschen aus der Region die Zeremonie ab, weil sie darin Blasphemie sehen.[2]
Während früher große Mengen an Fisch gefangen wurden, werden heute die Mengen an Barbasco beschränkt.[6] Deshalb kommt es nur zu einer symbolischen Ernte, bei der nur eine geringe Menge an Atlantikkärpflingen gefangen wird.[8]
Das Ritual ist heute sehr touristisch angelegt. Ungefähr 5000 Touristen kommen zu dem jährlich stattfindenden Ritual. Neben dem eigentlichen Ritual werden in Tapijulapa Alkohol ausgeschenkt und Volkstänze präsentiert.[2]
Gebet bei dem Ritual
Deutsche Übersetzung:
Guten Morgen Opa
Guten Morgen Opa
Guten Morgen Opa
Empfange unseren Gruß
Und höre, was wir dich fragen:
Unsere Familien haben Hunger,
Unsere Kinder haben Hunger,
Und im Namen des Gottes und des Wassers,
Und im Namen der Sonne und des Mondes,
Und im Namen unserer Mutter Erde,
Gib uns unsere Fische.
Lass uns in dein Haus,
um den Kochtopf in deinen Bach zu werfen.
Vielen Dank Opa
Vielen Dank Opa!
In deinem Namen bringen wir unsere Opfergaben
Von unserem ganzen Herzen[6]
Gefährdung
1988 wurde das Gebiet der Cueva de Villa Luz vom Kongress von Tabasco zu einem Naturschutzgebiet erklärt.[23] Massentourismus, eine veränderte Landnutzung und die Entwaldung des Gebietes können eine Gefahr für die Höhle darstellen, da beispielsweise die Erosion vorangetrieben werden kann. Der Tourismus könnte zudem das Ökosystem in der Cueva de Villa Luz insofern gefährden, als dass es sich um ein recht kleines, empfindliches Ökosystem handelt. Aus diesem Grund wird die Menge des eingesetzten Gifts bei der Zeremonie der Zoque beschränkt, wodurch sich die Fangmenge der Atlantikkärpflinge verringert.[21]
Obwohl sich die Höhle in einem Naturschutzgebiet befindet, hat eine Privatinvestorin im Jahr 2021 ein Landstück erworben, das teilweise oberhalb der Höhle liegt, um dort Mais anzupflanzen. Eine landwirtschaftliche Nutzung könnte durch Einträge von Düngemitteln oder Pestiziden das Ökosystem der Höhle schädigen.[23] Folkloristen sprachen sich gegen die potentielle Nutzung des Gebiets aus, da durch die Gefährdung des Ökosystems ebenfalls das Ritual des Fischfangs, das als kulturelles und touristisches Erbe der Region um Tapijulapa gelte, gefährdet wäre. Aus diesem Grund forderten sie mit einer zusätzlichen Unterschriftensammlung, den Verkauf von drei Hektar Land gründlich zu untersuchen.[24][25] Nach Verhandlungen gab die Investorin zunächst den Eingang und anschließend das gesamte Gebiet der Höhle zurück.[26]
Weblinks
- Fotogalerie mit weiteren Bildern der Cueva de Villa Luz auf der Onlinepräsenz von Geo
Anmerkungen
- In der Quelle als 2 Meilen angegeben.
- In der Quelle als eine Meile angegeben.
- In der Quelle als 40 Fuß angegeben.
Einzelnachweise
- Michi Tobler, Martin Plath: Wenn das Licht ausgeht: Mollys in Extremhabitaten. In: Die Aquarien- und Terrarienzeitschrift. Band 60, Nr. 10, 2007, S. 76–79.
- Jim Pisarowicz: The Acid Test: Cueva de Villa Luz. In: AMCS Activities Newsletter. Band 24, 2001, S. 48–54.
- Jim Pisarowicz: The Revenge of Chac – 1988 in Tabasco. In: AMCS Activities Newsletter. Band 17, 1988, S. 129–138.
- Secretaría de Turismo: Tapijulapa, Tabasco. In: gob.mx. Gobierno de México, 20. Juli 2019, abgerufen am 13. September 2021.
- Malcolm S. Gordon & Donn Eric Rosen: A Cavernicolous Form of the Poeciliid Fish Poecilia sphenops from Tabasco, Mexico. In: Copeia. Band 2, 1962, S. 360–368.
- Rito de la Pesca de la Sardina Ciega. In: cartademexico.com. Carta De Mexico, 30. November 2011, abgerufen am 13. September 2021.
- Kevin D. Webster, Laura Rosales Lagarde, Peter E. Sauer, Arndt Schimmelmann, Jay T. Lennon & Penelope J. Boston: Isotopic evidence for the migration of thermogenic methane into a sulfidic cave, Cueva de Villa Luz, Tabasco, Mexico. In: Journal of Cave and Karst Studies. Band 79, Nr. 1, 2017, S. 24–34, doi:10.4311/2016ES0125.
- Louise D. Hose & James A. Pisarowicz: Cueva de Villa Luz, Tabasco, Mexico: Reconnaissance Study of an Active Sulfur Spring Cave and Ecosystem. In: Journal of Cave and Karst Studies. Band 61, Nr. 1, 1999, S. 13–21.
- Louise D. Hose, Arthur N. Palmer, Margaret V. Palmer, Diana E. Northup, Penelope J. Boston & Harvey R. DuChenee: Microbiology and geochemistry in a hydrogen-sulphide-rich karst environment. In: Chemical Geology. Band 169, Nr. 3–4, 2000, S. 399–423, doi:10.1016/S0009-2541(00)00217-5.
- Eintrag zu Calciumcarbonat. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 28. September 2021.
- Cueva de Villa Luz. In: showcaves.com. Abgerufen am 12. August 2021.
- Eintrag zu Schwefelwasserstoff in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 24. September 2021. (JavaScript erforderlich)
- Eintrag zu Kohlenstoffmonoxid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 25. September 2021. (JavaScript erforderlich)
- Martin Plath & Michael Tobler: Subterranean fishes of Mexico (Poecilia mexicana, Poeciliidae). In: Eleonora Trajano, Maria Elina Bichuette & B.G. Kapoor (Hrsg.): Biology of Subterranean Fishes. Science Publishers, Enfield, NH 2010, ISBN 978-1-4398-4048-1, S. 283–332.
- Thomas G. Langecker, Horst Wilkens & Jakob Parzefall: Studies on the trophic structure of an energy-rich Mexican cave (Cueva de las Sardinas) containing sulfurous water. In: Memoires de Biospeologie. Band 23, 1996, S. 121–125.
- José G. Palacios-Vargas, Gabriela Castaño-Meneses & Daniel A. Estrada: Diversity and dynamics of microarthropods from different biotopes of Las Sardinas cave (Mexico). In: Subterranean Biology. Band 9, 2011, S. 113–126, doi:10.3897/subtbiol.9.2514.
- Jan Osterkamp: Blindfischbau mit Wanze. spektrum.de, 13. Mai 2009, abgerufen am 18. Oktober 2020.
- Philipp Kohlhöfer: In der Giftküche der Evolution. In: geo.de. Abgerufen am 12. August 2021.
- Miriam Frankel: Religious rite gives evolution a helping hand. In: NewScientist.com. New Scientist Limited, 14. September 2010, abgerufen am 8. August 2021.
- Gaëtan Borgonie, Manuel Dierick, Wouter Houthoofd, Maxime Willems, Patric Jacobs & Wim Bert: Refuge From Predation, the Benefit of Living in an Extreme Acidic Environment? In: The Biological Bulletin. Band 219, Nr. 3, 2010, doi:10.1086/BBLv219n3p268.
- Manuel López: Las restricciones consumen el ritual indígena de la sardina ciega en México. In: efe.com. Agencia EFE, 15. April 2019, abgerufen am 8. August 2021.
- La pesca de la sardina, una tradición que persiste. In: elmanana.com. El Manana, 21. April 2019, abgerufen am 8. August 2021.
- Andrés Olmos: Alerta comité de pueblos mágicos que un particular quiere convertir "Cueva de la sardina" en sembradío de maíz. In: xevt.com. XEVT, 20. Juli 2021, abgerufen am 8. August 2021.
- Casimiro Sánchez: Con firmas rescatarán el Santuario de la Sardina en Tapijulapa. In: elheraldodetabasco.com.mx. El Heraldo de Tabasco, 7. August 2021, abgerufen am 12. August 2021.
- José Maurilio Castro: Ejidatarios que cerraron el acceso a la cueva de la sardina, ahora se apoderan del Parque Natural de Villa Luz. In: diariopresente.mx. Acerca de Grupo Presente Multimedios, 6. September 2021, abgerufen am 18. September 2021.
- Jesús Domínguez: Resuelto el conflicto por entrada a la cueva de la sardina. In: elheraldodetabasco.com.mx. El Heraldo De Tabasco, 3. Dezember 2021, abgerufen am 18. September 2021.