Charles Vögele Holding
Die Charles Vögele Holding AG (auch Charles Vögele Gruppe) war ein Schweizer Mode-Einzelhandelsunternehmen mit Sitz in Pfäffikon SZ der Gemeinde Freienbach. Die Charles Vögele Gruppe war nach dem Börsengang 1999 einer der größten Bekleidungs-Einzelhändler in Europa und verfügte zuletzt über 759 Filialen mit Standorten u. a. in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Belgien, den Niederlanden, Slowenien und Ungarn. Die Aktivitäten der Gruppe waren auf den stationären Bekleidungs-Einzelhandel in Europa für das Segment der qualitäts- und preisbewussten Familienhaushalte fokussiert. Das Sortiment von Vögele umfasste Oberbekleidung für Damen, Herren und Kinder. Über die Hälfte des Umsatzes wurde mit Damenmode erzielt. Das Kernsortiment wurde länderübergreifend in allen Filialen angeboten. Je nach Standort und Grösse einer Filiale wurde das Basissortiment durch zusätzliche Produktemodule ergänzt.[2]
Charles Vögele Holding AG | |
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Rechtsform | Aktiengesellschaft |
ISIN | CH0006937772 |
Gründung | 1955 |
Auflösung | 2017 |
Auflösungsgrund | Fusion mit Charles Vögele Mode AG und Umfirmierung in Sempione Fashion AG |
Sitz | Freienbach, Schweiz |
Leitung | Markus Voegeli (Vorsitzender der Geschäftsleitung) Stefano Beraldo (VR-Präsident) |
Mitarbeiterzahl | 6'443 (31. Dezember 2015)[1] |
Umsatz | 955 Mio. CHF (2015)[1] |
Branche | Einzelhandel |
Website | www.charles-voegele.com |
Geschichte
Das Unternehmen wurde 1955 als Charles Vögele GmbH von Charles Vögele und seiner Ehefrau Agnes gegründet und verkaufte zunächst Spezialkleidung für Rollerfahrer. Ab den 1960er Jahren wurde ein umfangreiches Filialnetz in der Schweiz aufgebaut. 1979 expandierte Vögele durch Zukäufe nach Deutschland, 1994 nach Österreich, 2000 in die Niederlande und nach Belgien, 2005 nach Slowenien, 2006 nach Ungarn, Polen und Tschechien sowie 2011 nach Liechtenstein.[3] Im Jahr 1997 verkaufte Charles Vögele sein Unternehmen für eine Milliarde Schweizer Franken an die Schroders Group, die es 1999 als Charles Vögele Holding AG an die Schweizer Börse SIX Swiss Exchange brachte.[4] Mit der Ablösung von Carlo Vögele als Verwaltungsrats-Präsident wurde 2005 der Wandel von der Familien- zur Publikumsgesellschaft auch im Verwaltungsrat vollzogen.
Unternehmensgründer Charles Vögele verstarb am 21. April 2002 im Alter von 79 Jahren. Er war Sohn von Karl Vögele und Bruder von Max Vögele, der das Schuhgeschäft Karl Vögele AG vom Vater übernommen hat. Charles Vögele war von 1953 bis 1968 einer der erfolgreichsten Schweizer Autorennfahrer. 1974 hat er das Einkaufszentrum Seedamm-Center in Pfäffikon eröffnet, 1976 das Seedamm Kulturzentrum[5] (heute Vögele Kultur Zentrum[6]) gegründet. 1988 ist er mit Vögele Reisen AG[7] ins Reisegeschäft eingestiegen[8] und hat bis 1996 für den Modebereich einen Versandhandel betrieben.[9]
Im Jahr 2006 hat Charles Vögele mit fünf weiteren Schweizer Unternehmen (Coop, Denner, Manor, Migros und Valora) die Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz (IG DHS) gegründet.[10] Im Jahr 2015 ist Charles Vögele aus der IG DHS ausgetreten.[11]
2008 stieg der Migros-Genossenschafts-Bund zusammen mit der Migros-Pensionskasse als reine Finanzbeteiligung bei der Charles Vögele Holding AG ein und steigerte seinen Anteil bis Dezember 2011 auf 25 %. Am 27. April 2014 gab Migros bekannt, ihren Anteil von knapp 25 % an Charles Vögele auf 19,7 % zu reduzieren.[12] Anfang 2016 besassen der Migros-Genossenschafts-Bund und die Migros-Pensionskasse zusammen nur noch einen Anteil von ca. 10 %.[13] Die Beteiligung an Charles Vögele soll Migros am Ende einen Verlust von nahezu 100 Millionen Franken gekostet haben.[14]
Vögele schrieb 2010 einen letzten operativen Gewinn und dann folgten jahrelange Umsatzverluste.[15] Als wesentlicher Grund für den Umsatzschwund wurde das selbstdiagnostizierte «biedere Image» der Marke Charles Vögele und die fehlende Strategie genannt.[16][17] So habe Vögele zwar als seriös gegolten, Kompetenz in Sachen Mode habe es jedoch nicht ausgestrahlt.[18] Einzig bei der Kindermode habe Vögele zuletzt die Wende geschafft.[19] Mehreren Unternehmenschefs war es nicht gelungen, die anhaltenden Verluste der Charles Vögele-Gruppe zu stoppen und das Unternehmen auf eine jüngere Zielgruppe auszurichten. Daher wurde eine Zusammenarbeit mit der Vermarktungsagentur IMG etabliert. Die 2010 vom neuen CEO André Maeder gestartete Werbekampagne, mit den beiden als Testimonial eingesetzten spanischen Schauspielerinnen Penélope und Mónica Cruz und dem deutschen Schauspieler Til Schweiger wurde nach zwei Jahren wieder beendet. Langjährige ältere Verkäuferinnen und Filialleiterinnen, mit denen sich die meisten Kundinnen identifiziert hatten, waren zu diesem Zeitpunkt bereits entlassen, junges Personal in Deutschland angeworben worden.[20] Überdimensionierte Fashion-Shows kosteten viel Geld und erwiesen sich als wenig kundennah. Die überwiegend ältere und ländliche Stammkundschaft wurde mit der versuchten Verjüngung verprellt.[21] In der Folge wurde André Maeder im September 2011 entlassen. Eine neue Werbekampagne, die diesmal die ländliche Kundschaft ansprach, sollte retten, was noch zu retten war. Dies spiegelte sich auch im Aktienkurs wider, lag dieser 2011 noch bei 70 Franken, waren es im September 2016 nur noch 6 Franken.[22] Der 2015 mit 15 % eingestiegene Investor Teleios hat seinen Anteil bereits ein Jahr später mit Verlust wieder verkauft, nachdem sich das Vögele-Management tiefgreifenden Veränderungen verwehrt hatte.[13]
Am 19. September 2016 empfahl der Verwaltungsrat des Unternehmens den Aktionären einstimmig, das öffentliche Kaufangebot von 6,38 Franken je Aktie bzw. insgesamt ca. 56 Millionen Franken[23] einer Investorengruppe um den zur Coin-Gruppe gehörenden italienischen Kleiderkonzern OVS anzunehmen.[24] Nach Ende der Angebotsfrist besass die Investorengruppe über die Sempione Retail AG 95,24 % der Charles Vögele-Aktien.[25][26]
Transformation vom vertikalen Retailer in die Verkaufsorganisation OVS
Charles Vögele wurde daraufhin von OVS vom vertikal integrierten Händler in eine reine Verkaufsorganisation transformiert.[27]
Im Januar 2017 kündigte Charles Vögele an, 88 der 320 Mitarbeiter am Firmensitz in Pfäffikon SZ in den Abteilungen Einkauf, Design und Budgetierung zu entlassen, da diese aufgrund der Übernahme durch OVS und damit wegfallender eigener Kollektion nicht mehr benötigt werden.[28][29] Zudem soll das Schweizer Filialnetz von 163 Läden um 10 bis 15 % ausgedünnt werden. Zuvor waren bereits die Filialen in Polen, Tschechien und Belgien geschlossen worden.[28] Bei den Filialen in Österreich, Ungarn und Slowenien, an den OVS neben den Filialen in der Schweiz maßgeblich interessiert ist, soll es dagegen keine Einschnitte geben.[30]
Ende Januar 2017 wurde gemeldet, dass KiK 60 und Woolworth 44 der 284 Filialen von Charles Vögele in Deutschland übernehmen werden. Eine weitere, nicht genauer genannte Anzahl von Filialen wurde an Tedi verkauft. Nachdem ein zunächst angedachter Komplettverkauf[31] der deutschen Filialen gescheitert war, entschloss sich OVS im Februar 2017, 84 Filialen selbst zu behalten und auf die eigene Marke Upim umzuflaggen.[32][33][34] Erst Mitte 2017 wurden konkrete Zahlen zu den Filialverkäufen bekannt. KiK übernahm 32[35], Tedi 15 und Woolworth 10 Filialen[36], nachdem man bei Woolworth anfangs 2017 noch von 44 Filialen ausgegangen war.
Für die niederländische Niederlassung mit 95 Filialen und 700 Mitarbeitern wurde kurz danach Insolvenz angemeldet.[37] Im März 2017 übernahm das eigens gegründete Handelsunternehmen Vidrea Retail die insolvente niederländische Tochter des schweizerischen Bekleidungsherstellers Charles Vögele. Aus einem Bericht des Konkursverwalters geht hervor, dass rund 80 Filialen übernommen werden sollen und dass 90 Prozent der bisher Beschäftigten neue Vertragsangebote gemacht wurden.[38]
Kurz nach dem chinesischen Neujahrsfest Anfang Februar 2017 wurden auch die Vögele-eigenen Einkaufsbüros in Fernost geschlossen, was hierzulande unbemerkt blieb. 125 Mitarbeitende[39] in Shanghai, Bangladesch und Indien verloren dabei ihre Stelle.
Mitte Mai 2017 wurde nach Januar 2017 das zweite Konsultationsverfahren[40] in der Schweiz angekündigt. Das Logistikmodell soll auf die Prozesse von OVS/UPIM umgestellt werden und wird von der Firma XPO übernommen. In der zweiten Massenentlassung wurden 148 Arbeitsplätze in Freienbach und Pfäffikon/Hurdnerwäldli abgebaut. Die Lieferungen aus Asien erfolgen ab Sommer 2017 direkt nach Pontenure (Italien) und werden von dort in die Filialen von Charles Vögele verteilt. Die Kosten können dadurch massiv gesenkt werden sagt OVS CEO Beraldo[41]: „Sie lieferten die Kleider direkt an der Stange in die Läden. Wir können viel mehr liefern, weil wir die Kleider abgepackt ausfahren. Die Lieferung kostete bei Vögele 1.60 Franken pro Stück, bei uns nur 60 Rappen.“[42]
Entgegen der ersten Ankündigung wird im ersten Halbjahr 2018 nun auch in Österreich das Filialnetz umgebaut. Ende Januar 2018 hat OVS angekündigt, dass 30 der 125 bisherigen Vögele-Geschäfte geschlossen werden sollen, nachdem das Filialnetz bereits im 2017 um 4 Filialen bereinigt worden war. Wie viele der rund 950 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Österreich dadurch ihre Stelle verlieren, steht noch nicht fest.[43]
Am 31. Juli 2018 kündigt die Charles Vögele (Austria) GmbH die gerichtliche Anmeldung von Insolvenz an. Laut Sanierungsantrag hatte die Modekette bis zuletzt 102 Filialen, davon 89 Filialen unter der Marke „Charles Vögele“ und 13 unter der Marke „OVS“. Die Firmenwebsite listet am 31. Juli 2018 nur noch 83 Filialen. 711 Mitarbeiter sind betroffen. Die Geschäftsführung beabsichtigt eine Fortführung des Betriebs. Die Vögele-Schwesterfirma in Slowenien hat 11, jene in Ungarn hat 26 Filialen.[44]
Ende Februar 2018 kommt es am Hauptsitz in Pfäffikon SZ zum dritten Konsultationsverfahren[40] seit anfangs 2017 und zur dritten Massenentlassung von voraussichtlich 50 Mitarbeitenden. Betroffen sind hauptsächlich die Abteilungen Marketing und IT, welche erwartungsgemäß in Italien zentralisiert werden.[45]
Am 15. März 2018 war klar, dass die niederländische Victory and Dreams Holding, die Muttergesellschaft von Witteveen Mode und Miller & Monroe, die Charles-Vögele Deutschland GmbH, Sigmaringen, am 1. April 2018 übernehmen wird.[46] Sie wird mit ihrer Einzelhandelskette Miller & Monroe durch die Übernahme von 200 Filialen von Charles Vögele nach Deutschland expandieren.[47] Anfang 2017 hatte die Gesellschaft bereits die 72 Niederlassungen von Charles Vögele in den Niederlanden aus der Konkursmasse aufgekauft.[48] Das bedeutete den vollständigen Rückzug aus dem Deutschlandgeschäft für Vögele. Dieses machte 2015 noch rund einen Drittel am Gesamtumsatz von 803 Mio. Franken aus. In Deutschland war Charles Vögele als Discounter positioniert und damit strategisch anders ausgerichtet als in der Schweiz.[49] Im Juni 2019 gab Vidrea Retal seine Insolvenz bekannt.[50]
Unmittelbar nach der Übernahme wurden anfangs 2017 am Hauptsitz in Pfäffikon SZ noch rund 480 Mitarbeitende beschäftigt (320 am Hauptsitz und 160 Logistiker im Hurdnerwäldli/Pfäffikon und Freienbach). Nach der dritten Massenentlassung und weiteren Abgängen soll der Mitarbeiterbestand bis Mitte 2018 auf ca. 120 reduziert werden, was noch einem Viertel der ursprünglichen Stellen entspricht. Geplant ist, dass Bereiche wie Finance, Human Resources sowie Teile des Marketings weiterhin in Pfäffikon SZ verbleiben.
Bis spätestens Ende 2018 sollen sämtliche verbleibenden Filialen von Charles Vögele entweder zu OVS oder Upim umgeflaggt werden. Dies bedeutet das komplette Ende der Marke Charles Vögele.[51][52]
Rund ein Jahr nach dem Kaufangebot wurde die Aktie (Valor 693777; VCH) der Charles Vögele Holding per 21. September 2017 von der SIX Swiss Exchange dekotiert.[53] Der letzte Handelstag der Charles Vögele Aktie war der 20. September 2017. Die Besitzer der noch nicht angedienten Aktien erhalten eine Barabfindung von CHF 6,38 je Aktie, entsprechend dem öffentlichen Kaufangebot von Sempione Retail.[54]
Im Mai 2019 wurde bekannt, dass Charles Vögele auch in Österreich Konkurs angemeldet hat. Zuletzt hatte das Unternehmen dort 57 Filialen und 394 Angestellte.[55]
Finanzielle Aspekte der Übernahme
Im Nachhinein wirft die Übernahme[56][57] von Charles Vögele durch die Sempione Retail AG bei Finanzanalysten Fragen auf. Der Verwaltungsrat hat aufgrund eines unabhängigen Bewertungsgutachtens[58] eines Prüfungs- und Beratungsunternehmens die finanzielle Angemessenheit des Angebots überprüft und den Entscheid gefällt, das öffentliche Kaufangebot[59] anzunehmen.[60]
Die Fairness Opinion Charles Vögele wurde am 17. Oktober 2016 fertiggestellt und sie geht u. a. davon aus, dass „Charles Vögele plant, in den kommenden Jahren aus dem bestehenden Liegenschaftsportfolio einige nicht strategische Liegenschaften mit einem Marktwert von ca. CHF 100 Millionen zu veräußern“.[58]
Im öffentlichen Kaufangebot[59] wird jedoch festgehalten, dass Charles Vögele Mode AG bereits am 16. September 2016 mit einer unabhängigen Drittpartei einen Vermögensübertragungsvertrag abgeschlossen hat und gemäß diesem ihr Immobilienportfolio – mit Ausnahme der Grundstücke in Galgenen und Sigmaringen – für CHF 169 Millionen veräußern wird. Das 28 500 Quadratmeter große Grundstück in Galgenen wird praktisch gleichzeitig an den Kosmetikkonzern Estée Lauder verkauft.[61]
Die Fairness Opinion Charles Vögele beruht weitgehend auf den Angaben der Geschäftsleitung von Charles Vögele und deshalb ist die Unabhängigkeit begrenzt. "Des Weiteren wurde uns von Charles Vögele bestätigt, dass sich Charles Vögele keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, gemäß welchen die zur Verfügung gestellten Informationen irreführend, unrichtig oder unvollständig wären" schreiben die Autoren des Gutachtens auf Seite 5.[58]
Verkauft wird u. a. auch der an bester Lage liegende Vorzeigeladen an der Ecke Sihl-/Bahnhofstrasse in Zürich an das Family Office Loreda von Hansjörg Wyss.[62] Vögele besitzt dieses Gebäude im Baurecht. Das erklärt, dass das Immobilienportfolio nicht höher bewertet wurde. Im Frühjahr 2016 wurde bereits über eine Weitervermietung der grössten Vögele-Filiale mit 2200 m² an die Drogeriekette Müller spekuliert.[63] Mitten in der Ferienzeit im Juli 2016 verkündete Vögele dann den Verkauf an die Migros, welche mit SportXX einziehen wollte.[64] Doch der Verkauf an die Migros scheiterte. Die Immobile wurde Ende 2016 innerhalb des Portfolios an Wyss verkauft und dient der eingemieteten OVS weiterhin als Vorzeigeladen.
Der Liegenschaftsverkauf wurde im Bewertungsgutachten[58] nicht speziell berücksichtigt, ist jedoch zentral. Kurz nach der definitiven Übernahme vom 16. Dezember 2016 wird das Immobilienportfolio wie vorangekündigt verkauft. Gemäß Handelsregisterauszug vom 21. Dezember 2016[65] werden Aktiva im Wert von 82 Millionen Franken übertragen. Gegenwert 172 Millionen Franken. Die Immobilien waren zum Anschaffungswert bilanziert und mit dem Verkauf wurden somit knapp 90 Millionen stille Reserven aufgelöst. Nicht bekannt sind Verkaufspreis und Buchwert für das Grundstück in Galgenen. Alle Grundstücke waren in der Anlagebuchhaltung des Geschäftsberichts 2015[66] mit CHF 9,8 Millionen aufgeführt.
Stille Reserven (auch: stille Rücklagen oder Bewertungsreserven) sind im Rechnungswesen die nicht aus der Bilanz ersichtlichen Rücklagen oder Bewertungsreserven, wodurch das Eigenkapital niedriger als tatsächlich dargestellt wird. Somit wird die Firma im Rahmen der Erfolgsrechnung (reduzierte Ertragskraft) und der Bilanz (geringeres Eigenkapital) schlechter dargestellt.
Die Konzernbilanz im Halbjahresbericht 2016 Anhang 9[67] weist keine Hypotheken auf den Immobilien aus. Beim langfristigen Fremdkapital in der Höhe von knapp 200 Mio. Franken handelt es sich um den sogenannten Syndikatskredit von UBS, Credit Suisse und Deutsche Bank.[68] Die Immobilien dienten den Banken als Sicherheit.[69]
Die stillen Reserven im Umfang von 90 Millionen Franken wurden weder vom Verwaltungsrat noch im Bewertungsgutachten oder in einem Geschäftsbericht thematisiert. Gemäß Geschäftsbericht 2015[66] hatte Charles Vögele zudem anrechenbare steuerliche Verlustvorträge in der Schweiz von 47,9 Millionen Franken. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Gewinn aus dem Verkauf der Liegenschaften deshalb weitgehend steuerfrei abgeschöpft werden konnte.
Am 12. September 2017 fusionierte die Betriebsgesellschaft Charles Vögele Mode AG mit der Vögele Holding und wurde in Sempione Fashion AG umfirmiert (umbenannt). Gemäß Handelsregisterauszug vom 14. November 2017[70] und gemäß Fusionsvertrag vom 12. September 2017 und Bilanz per 31. Juli 2017 gingen Aktiva von CHF 212 Millionen, unter denen sich sämtliche Aktien der übernehmenden Gesellschaft befinden, und Fremdkapital von CHF 104 Millionen auf die übernehmende Gesellschaft über. Das Eigenkapital betrug demzufolge nach der Fusion wieder 108 Millionen Franken.
Der Verkauf des Immobilienportfolios Ende 2016 für 172 Millionen Franken, der Verkauf des Grundstücks in Galgenen und der Verkauf eines Teils der Filialen in Deutschland anfangs 2017, ermöglichte die Rückzahlung der hohen Bankschulden. [Nachdem anfangs 2017 noch vermeldet wurde, dass das Deutschland Geschäft für voraussichtlich 30 Millionen Franken verkauft werden konnte,[71][14] waren es später nur noch insgesamt 56 Filialen, die von KiK, Woolworth und Tedi übernommen wurden. Der definitive Verkaufspreis wurde nicht mehr bestätigt.]
Auch die Eigenkapitalbasis konnte erstmals wieder gestärkt werden, nachdem diese von 484 Millionen Franken im Jahr 2009 auf zuletzt 50 Millionen Franken gefallen war.[72] Soviel betrug das Eigenkapital zuletzt gemäß unabhängigem Bewertungsgutachten kurz vor Veröffentlichung des Übernahmeangebotes vom 19. September 2016.
Per 31. Juli 2017 hat sich das Eigenkapital aufgrund des Immobilienverkaufs und der damit verbundenen automatischen Auflösung der stillen Reserven auf 108 Millionen Franken mehr als verdoppelt. Die nicht mehr publik gemachte Bilanz 2016 bzw. Halbjahresbilanz 2017 dürfte jedoch aufgrund der erfolgten Transaktionen einen massiven Gesundungsprozess erfahren haben. Umso mehr, weil die zentralen Kosten in Pfäffikon SZ annualisiert bereits im ersten Jahr nach der Übernahme um 40 Millionen Franken reduziert werden konnten[73] und das über Jahre tiefrote Benelux (Belgien und Holland) frühzeitig in Konkurs geschickt wurde (dieses generierte seit 2009 und dem Beginn der Turbulenzen bei Charles Vögele alleine insgesamt einen negativen EBIT von über 150 Mio. Franken). Weitere Kostensenkungsmassnahmen dürften folgen, denn insgesamt ist vorgesehen in Logistik, Produktentwicklung und Verwaltung fünf bis sechs Millionen Franken pro Monat einzusparen.[74]
Unter dem Aspekt, dass die Aktionäre und wohl auch die Analysten keine Kenntnisse vom Ausmass der stillen Reserven auf den Immobilien hatten, bezweifelt manch einer, dass der Preis pro Aktie von CHF 6,38 bzw. der Kaufpreis für Charles Vögele von insgesamt 56 Millionen Franken fair und angemessen war. Immerhin konnte alleine durch die Immobilientransaktion innerhalb einer Woche die Bankschulden weitgehend getilgt und das Eigenkapital mehr als verdoppelt werden. Zweifellos hätten bei Vögele die gewählten Bewertungsmethoden (DCF, VWAP-60 [volumengewichteter durchschnittlicher Aktienkurs der letzten 60 Tage]) mit einem Substanzwertverfahren ergänzt werden müssen.
Möglicherweise hat der langjährige CEO/CFO Voegeli in Doppelfunktion, der nicht mit der Gründerfamilie Vögele verwandt ist, aufgrund dieser Erkenntnisse nach Annahme des Kaufangebotes am 24. Oktober 2016 die Aussage gemacht: „Charles Vögele könnte alleine überleben.“[75]
Sozialverantwortung
Die Nichtregierungsorganisation Erklärung von Bern verglich 2010 mittels Umfragen und Internetrecherchen bei 77 Modelabels die Standards der Arbeitsbedingungen in Produktionsländern. Charles Vögele wurde dabei in die mittlere Kategorie «Einsteiger» von fünf Kategorien eingestuft.[76]
Im Jahr 2000 wurde Charles Vögele beschuldigt, in Kinderarbeit in Indien involviert gewesen zu sein. 2013 kam erneut Kritik an dem Unternehmen auf, da es Kleidung bei dem Zwischenhändler Rayontex in Bangladesh bestellte, bei dessen Zulieferern Kinderarbeit entdeckt wurde. An die Öffentlichkeit gelangten die Fälle nur, da eine andere Schweizer Firma die Zulieferer von der Fair Wear Foundation kontrollieren ließ. Bei drei Firmen mit rund 2800 Mitarbeitern wurden 49 Kinder unter 16 Jahren entdeckt.[77]
Einzelnachweise
- charles-voegele.com: Geschäftsbericht 2015
- CHARLES VÖGELE Unternehmensprofil | Informationen über CHARLES VÖGELE | finanzen.net. In: finanzen.net. (finanzen.net [abgerufen am 13. März 2018]).
- Geschichte (Memento vom 28. September 2017 im Internet Archive) Charles Vögele-Gruppe
- Aktienkurs im freien Fall: Charles Vögele – Niedergang einer Legende Blick, 21. Februar 2016
- Stiftung Seedamm Kulturzentrum. In: Vögele Kultur Zentrum. Abgerufen am 17. April 2018.
- Vögele Kultur Zentrum. Abgerufen am 18. April 2018.
- Vögele Reisen AG. Abgerufen am 17. April 2018.
- Karl Lüönd: Charles Vögele gestorben. NZZ, 24. April 2002, abgerufen am 17. April 2018.
- Kilian Oberholzer: Unternehmer, Sportler und Kunstfreund. Zürichsee Zeitung, 10. November 2016, abgerufen am 18. April 2018.
- Die Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz (IG DHS) stellt sich vor. 10. Mai 2006, abgerufen am 11. September 2021.
- Benita Vogel: Charles Vögele und Valora kehren Migros und Coop den Rücken. In: bernerzeitung.ch. 16. März 2015, abgerufen am 11. September 2021.
- Migros reduziert Beteiligung an Charles Vögele (Memento vom 27. April 2014 im Internet Archive), abgerufen am 27. April 2014.
- Grossaktionär macht bei Vögele den Abflug Tagesanzeiger, 16. Februar 2016
- Dirk Ruschmann: Migros: Plötzlich war der Vögele-Einkauf strategisch. Abgerufen am 18. April 2018.
- CHARLES VÖGELE Bilanz GuV | Kennzahlen | Umsatz | Gewinn | finanzen.net. In: finanzen.net. (finanzen.net [abgerufen am 13. März 2018]).
- Patrice SiegristRedaktor Zürich@pasiegrist: Wie lange überlebt Charles Vögele noch? In: Der Bund. 26. April 2016 (derbund.ch [abgerufen am 13. März 2018]).
- Christoph G. Schmutz: Charles Vögele kapituliert | NZZ. In: Neue Zürcher Zeitung. 19. September 2016, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 13. März 2018]).
- Charles Vögele arbeitet am Image - mit Penélope und Monica Cruz Tagesanzeiger, 30. April 2010
- Das Versagen der Manager. In: Schweiz am Wochenende. (schweizamwochenende.ch [abgerufen am 16. April 2018]).
- Bettina Weber: Doch kein Schwan – Die Kleiderfirma Charles Vögele träumte von der grossen, weiten Modewelt und vergraulte dabei ihre treue Kundschaft. In: Neue Zürcher Zeitung (Folio): Der Kunde. Nr. 262. Zürich Mai 2013, S. 30, 32.
- Charles Vögele sieht Licht am Ende des Tunnels 20 Minuten, 19. August 2014
- Bekleidungskette wird italienisch - Name «Charles Vögele» verschwindet Neue Zürcher Zeitung, 19. September 2016
- Italiener wollen Modehändler Charles Vögele kaufen Swissinfo, 19. September 2016
- Charles Vögele kapituliert Neue Zürcher Zeitung, 19. September 2016
- Charles Vögele verabschiedet sich von der Börse Die Presse, 12. Dezember 2016
- Charles Vögele wird verkauft Südwest Presse, 20. Dezember 2016
- Charles Vögele streicht weitere 160 Stellen | NZZ. In: Neue Zürcher Zeitung. 17. Mai 2017, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 13. März 2018]).
- Charles Vögele streicht am Hauptsitz jede dritte Stelle Neue Zürcher Zeitung, 18. Januar 2017
- Neue Besitzer von «Charles Vögele» benehmen sich unterirdisch. (Memento vom 12. April 2017 im Internet Archive) Workzeitung, 16. März 2017
- Vögele Mode wird nach Verkauf italienisch ORF Kärnten, 16. Februar 2017
- Charles Vögele soll verkauft werden. In: Schwäbische. (schwaebische.de [abgerufen am 19. März 2018]).
- Vögele-Filialen vor Verkauf Wirtschaft Regional, 13. Februar 2017
- Charles Vögele verschwindet auch in Deutschland Handelszeitung, 23. Januar 2017
- Textildiscounter OVS plant eigene Läden in Deutschland Fashion United, 30. Januar 2017
- Pressemitteilung: KiK übernimmt Charles Vögele-Filialen. 3. Juli 2017, abgerufen am 10. März 2018.
- Pressemitteilung: Woolworth übernimmt zehn Charles Vögele Standorte. 10. Juli 2017, abgerufen am 10. Juli 2017.
- Charles Vögele meldet in Niederlanden Konkurs an Die Presse, 27. Januar 2017
- Jan Schroder: Vidrea: Übernahme von Charles Vögele Niederlande kostete 4,4 Millionen Euro. (fashionunited.de [abgerufen am 16. März 2018]).
- Charles Vögele (Hrsg.): Geschäftsbericht Charles Vögele 2015. S. 12.
- Brigitte Kraus-Meier: Konsultationsverfahren: Die Chance für Arbeitgeber. KMU-Magazin Nr. 12, Dezember 2015, S. 54, abgerufen am 14. März 2018.
- Stefano Beraldo: CV. Abgerufen am 14. März 2018 (italienisch).
- Bastian Heiniger: Das will der neue Vögele-Besitzer ändern: «Die Schweiz kann von Italien lernen». (blick.ch [abgerufen am 13. März 2018]).
- OVS will 30 Charles-Vögele-Filialen in Österreich schliessen. 26. Januar 2018 (cash.ch [abgerufen am 13. März 2018]).
- Modekette Vögele meldet Insolvenz an orf.at, 31. Juli 2018, abgerufen 31. Juli 2018.
- Luzerner Zeitung AG 6006 Luzern: Weitere Entlassungen am ehemaligen Vögele-Hauptsitz. (luzernerzeitung.ch [abgerufen am 13. März 2018]).
- Stoffels + Barck GbR, Germany: DGAP-News: Vidrea Retail BV: Miller & Monroe expandiert nach Deutschland | www.4investors.de. In: 4investors.de. (4investors.de [abgerufen am 19. März 2018]).
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- Caitlyn Terra: Niederländische Miller & Monroe Läden sind insolvent. 26. Juni 2019, abgerufen am 1. Juli 2019 (deutsch).
- Charles Vögele: Die Marke fliegt aus dem Regal Handelszeitung, 19. September 2016
- Vögele-Chef: «Wir könnten alleine überleben» Cash, 24. Oktober 2016
- Kraftloserklärung der im Umlauf verbleibenden Charles Vögele Aktien und Dekotierung von der SIX Swiss Exchange per 21. September 2017 | 13.09.17 | finanzen.ch. In: finanzen.ch. (finanzen.ch [abgerufen am 13. März 2018]).
- Charles Vögele kurz vor Dekotierung. In: Finanz und Wirtschaft. (fuw.ch [abgerufen am 13. März 2018]).
- Wegen Überschuldung - Charles Vögele meldet in Österreich Konkurs an. In: srf.ch. 3. Mai 2019, abgerufen am 3. Mai 2019.
- Morrow Sodali Transactions: Transaction Documents. Abgerufen am 14. März 2018.
- Sempione Retail | Charles Vögele: Angebotsdokumente und Transaktionen. Übernahmekommission, abgerufen am 14. März 2018.
- Ernst & Young: Fairness Opinion Charles Vögele. EY, abgerufen am 17. Oktober 2016.
- Sempione Retail: Öffentliches Kaufangebot von Sempione Retail AG. 19. Oktober 2016, abgerufen am 19. Oktober 2016.
- Christoph G. Schmutz: Charles Vögele kapituliert | NZZ. In: Neue Zürcher Zeitung. 19. September 2016, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 18. März 2018]).
- Luzerner Zeitung AG 6006 Luzern: Kosmetik-Riese setzt auf Kanton Schwyz. (luzernerzeitung.ch [abgerufen am 19. März 2018]).
- Hansjörg Wyss kauft Charles-Vögele-Filialen. In: IMMOBILIEN Business. 20. Januar 2017 (immobilienbusiness.ch [abgerufen am 13. März 2018]).
- Charles Vögele: Abschied von der Renommiermeile. Abgerufen am 13. März 2018.
- Blick: Migros übernimmt Zürcher Flagship-Store: Charles Vögele stutzt sich selbst die Flügel. (blick.ch [abgerufen am 13. März 2018]).
- Handelsregisteramt: Charles Vögele Mode AG: Vermögensübertragung. In: Handelsregister. 21. Dezember 2016, abgerufen am 21. Dezember 2016.
- Charles Vögele: Geschäftsbericht 2015. (PDF; 4,0 MB) Abgerufen am 14. März 2018.
- Charles Vögele: Halbjahresbericht 2016. (PDF; 5,1 MB) Abgerufen am 14. März 2018.
- Vögele bleibt ein Trauerspiel. In: Finanz und Wirtschaft. (fuw.ch [abgerufen am 13. März 2018]).
- Patrice SiegristRedaktor Zürich@pasiegrist: Wie lange überlebt Charles Vögele noch? In: Der Bund. 26. April 2016 (derbund.ch [abgerufen am 13. März 2018]).
- Handelsregisteramt: Charles Vögele Mode AG: Fusion und Umfirmierung. In: Handelsregister. 14. November 2017, abgerufen am 14. November 2017.
- Augsburger Allgemeine: Wie geht es bei Charles Vögele weiter? In: Augsburger Allgemeine. (augsburger-allgemeine.de [abgerufen am 13. März 2018]).
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- Hippe Label – unfaire Produktion Tages-Anzeiger, Artikel vom 14. November 2010
- Schweiz - Kinderarbeit für Schweizer Ladenketten. 4. September 2013, abgerufen am 11. Juli 2019.