Bremische Bürgerschaft von 1854 bis 1933: Wahlergebnisse und Mitglieder

Die Bremische Bürgerschaft ist seit 1849 das Landesparlament der Freien Hansestadt Bremen. Die Mitgliederliste (MdBB) stellt lediglich eine Auswahl bekannter Abgeordneter da.



Geschichte vor 1854

Bis 1848 versuchte die Gemeinde den aus der Ratsherrschaft der mittelalterlichen Ständegesellschaft hervorgegangenen vordemokratischen Senat durch den Bremer Bürgerconvent und die Elterleute in Bremen (Vorsteher der Kaufleute) zu kontrollieren. Nach der Revolution von 1848/49 wurde 1849 eine neue Bremer Verfassung erlassen und am 29. März 1849 die erste Bremische Bürgerschaft gewählt.

Zur Niederschlagung der demokratischen Bewegung von 1848 bis 1850 hatte der Senat alle Machtmittel angewandt. Es gelang dem Senat jedoch nicht, alle alten Privilegien wieder einzuführen. Es folgte 1852 ein restauratives Senatswahlgesetz mit dem bremischen Achtklassenwahlrecht. Eine neue Verfassung wurde 1854 verabschiedet, die bis zur Novemberrevolution von 1918 gültig blieb. 1854 wurde durch die neue Bremer Verfassung dieses konservative Wahlrecht manifestiert. Seit 1852/54 bestimmten danach der Senat als oberstes Exekutivorgan und die Bürgerschaft gemeinsam über die Auswahl der Bremer Senatoren.

Bürgerschaft von 1854 bis 1918

1854 konnte das allgemeine und gleiche Wahlrecht nicht durchgesetzt werden. Von den 150 Mitgliedern der Bürgerschaft (MdBB) musste die Hälfte alle drei Jahre ausscheiden; eine Wiederwahl war aber möglich. Wahlberechtigt waren nur alle männlichen Bürger, die den Bremer Bürgereid abgelegt hatten (die Geschworenen). Gewählt wurde nach dem Achtklassenwahlrecht. Die Wahlberechtigten konnten ab 1852/1854 bzw. ab 1894 je nach Klasse unterschiedlich viele Bürgerschaftsmitglieder wählen:

KlasseWahlberechtigteSitze 1854Sitze 1894
1. KlasseWähler mit akademischer Vorbildung1614
2. KlasseKaufleute mit Handelskammerwahlrecht4840
3. KlasseGewerbetreibende mit Gewerbekammerwahlrecht2420
4. KlasseÜbrige Wähler; bis 1894 gestaffelt nach Einkommen:
über 500 Taler, 250 Taler bis 500 und unter 250 Taler je 10 Abgeordnete
3048
5. KlasseWähler in Vegesack wohnhaft64
6. KlasseWähler in Bremerhaven wohnhaft68
7. KlasseWähler mit Landwirtschaftskammerwahlrecht108
8. KlasseWähler im übrigen Landgebiet wohnhaft108

Die Stimmen von 17 Wählern der 1. bis 3. Klasse hatten gemessen am Bevölkerungsanteil dieselbe Bedeutung, wie die Stimmen von 297 Wählern der 4. Klasse.[1] Da die 4. Klasse in ihrem Wahlrecht so drastisch eingeschränkt war, blieb die Herrschaft der Oberschicht gesichert. Die Senatoren wurden weiterhin auf Lebenszeit gewählt. In der Praxis konnten zudem viele ärmere Einwohner wegen der Registraturgebühr das Bürgerrecht nicht erwerben und hatten somit auch kein Wahlrecht. Damit waren breite Bevölkerungsschichten in Bremen bis 1918 nicht am parlamentarischen Prozess der politischen Mitgestaltung beteiligt – noch 1911 war nicht einmal ein Drittel der Reichstagswähler bei den Bürgerschaftswahlen stimmberechtigt.[2] Die Gruppierung und politische Arbeit der Abgeordneten innerhalb der Bürgerschaft über die politischen Parteien war, bis auf einen gewissen Einfluss der SPD, bis 1918 weitgehend unbekannt.[3]

Mitglieder der Bürgerschaft von 1848/49 bis 1918

Diese Liste ist eine zeitlich geordnete unvollständige Auswahl. Im 19. Jahrhundert waren viele zumeist bürgerliche Abgeordnete zumeist parteilos. Das Achtklassenwahlrecht wurde 1854 eingeführt

NameBerufZeitKlasseParteiBemerkungen
Johann Georg ClaussenKaufmann1848–?6.Bremerhaven
Johann Hinrich EitzBauunternehmer1849–?6.
Christian Friedrich FeldmannPädagoge1849liberalPräsident der Bürgerschaft, 1849–1878 Senator
Johann HöpkenKaufmann1849–?2.
Gustav KulenkampffKaufmann1849–18542.Mitgründer des Norddeutschen Lloyds
Hermann Henrich MeierKaufmann1849–?2.Mitgründung des Norddeutschen Lloyds
Johannes RösingKaufmann1848–1862†2.liberal
Nikolaus OrdemannSchriftsteller, Zeitungsverlegerum ab 1849–?liberal
Henrich Levin RoggeKaufmann1849–18522.Mann von Marie Rogge
Melchior SchwoonUnternehmer1849–?
Johann Heinrich ThätjenhorstKartograf1849–1851zuvor im Bürgerconvent
Johann WetzelBaumeister1849 –
Cord WischmannTischlermeister1849–1852liberalVizepräsidenten der Bürgerschaft, 1855–1857 Vizepräsident der Gewerbekammer Bremen
Johann Hermann HollerKaufmann1852–18612.Bürgerparkmitgründer
Franz TecklenborgKaufmann1853–18862.
Carsten WaltjenKaufmann1853–18732.Mitgründer der Werft AG Weser
Jeremias Theodor BoisselierJurist1854–18606.
Arthur BreusingGeographnach 1854
Johann Christoph DubbersKaufmann1854–18?2.
Alfred Dominicus PauliJurist1854–18721.ab 1872 Senator, später Bürgermeister
Johann Heinrich VolkmannLehrer1854–18651.
Henrich Levin RoggeKaufmann1844–1858 †2.
Johann Eberhard Ludewig PavenstedtJurist1856–1889†1.
Wilhelm Dethard MotzLehrer1859–1865
Johann Heinrich von LengerkeJuristum ab 18601.ab 1870 Mitglied der Lippischen Stände
Alexander Georg MosleKaufmann1864–18782.NLPab 1874 Reichstagsabgeordneter
Hermann Albert SchumacherJurist1865–18721.ab 1872 Ministerresident in Kolumbien
Wilhelm HertzbergLehrerum 1865–?
Christoffer Wessel DebbeLehrerum 1866–1827 Jahre lang MdBB
Jeremias Theodor BoisselierJurist1866–18641.ab 1864 Staatsanwalt
Albert GröningJurist1867–18711.ab 1871 Senator, später Bürgermeister
Johann DepkenLandwirt1867–7.NLPab 1898 Reichstagsabgeordneter
Philipp HeinekenKaufmannab um 1867–?2.ab 1909 NDL – Generaldirektor
Christoph Hellwig PapendieckKaufmann1868–1891†2.1882 Präses der Handelskammer Bremen
Johannes C. AchelisKaufmann1872–18912.ab 1891 Senator
Alfred FeldmannUnternehmer1872–18?3.Ab 1881 auch Gewerbekammerpräsident
Carl Jasper OelrichsJurist1872–18781.ab 1878 Senator
Constantin BulleLehrer1872–1887DFPab 1887 Reichstagsabgeordneter
Johannes RippeArchitektum 1872–?
Daniel Georg VolkmannBankier1873–1892†2.
Carl Georg BarkhausenJurist1875–18791.ab 1879 Senator, später Bürgermeister
Karl F. H. StadtländerJurist1877–18901.NLPab 1890 Senator, später Bürgermeister
Emil FitgerKaufmann, Chefredakteur1879–1817 †2.
Hermann HildebrandJurist1879–18851.ab 1885 Senator, später Bürgermeister
Wilhelm Müller-ErzbachLehrer1880–1884
Johann MeyerBäcker1881–?4.SAPerster gewählter Sozialdemokrat
Wilhelm HurmArztnach 1880–?
Friedrich AchelisKaufmann1882–2.ab 1900 Präses der Handelskammer Bremen
Hermann GebhardJurist, Stadtdirektor1884–18?6.1884–1891 auch Reichstagsabgeordneter
fünf SAP-Vertreterab 18844.SAP
Adolf BosseKapitän1884–1890, 1895–18964.SAP
Friedrich KollraZigarrenmacher1884–1896SAP/SPD
Friedrich RohrDruckereibesitzer1884–1888, 1901–1908, 1912/13†5.1888–1900 Stadtdirektor von Vegesack
Christian GottliebRedakteur1887–18934.SPD
Heinrich HashagenGastwirt1887–18904.SAP
Johann MeierBäcker1887–18904.SAP
Erich SandersMaurer1887–18934.SPD
Johann SmidtKaufmann1889–19?2.
Martin DonandtJurist1891–18981.ab 1898 Senator, später Bürgermeister
Bernhard LooseBankierum 18902.
Friedrich NebelthauJurist1891–18982.ab 1900 Senator
Clemens Carl BuffJurist1892–18951.ab 1895 Senator, später Bürgermeister
Hermann JungeTabakarbeiter1893–1896, 1902–19184.SPD
Lambert LeisewitzKaufmann1893–18992.1897 Präsidenten der Handelskammer
Theodor LürmanJurist1896–19031.ab 1903 Senator
Christian BlomeTabakarbeiter1896–19184.SPD
Heinrich Hartmannk. A.1896–19084.SPD
Heinrich BömersKaufmann1897–19092.NLP/DVPab 1909 Senator
Hinrich HormannLehrer1897–19074.ab 1907 Reichstagsabdeordneter (FVP)
Heinrich Johann BarthelTischler1899–19054.SPD
August Behrensk. A.1899–19054.SPD
Friedrich EbertSattler und Gastwirt1899–19054.SPD1900–1905 Fraktionsvorsitzender, 1919 Reichspräsident
Johann ImwoldeSchumacher1899–1915 †4.SPD
Johann KruseSchlosser1899–19184.SPD
Gustav RassowKaufmann1899–19072.ab 1907 Senator, später Bürgermeister
Hermann RheinSchriftsetzer1899–19184.SPD1905–1918 Fraktionsvorsitzender, später Senator
Josef UlmerSchneider1899–19054.SPD
Johann VoigtHolzarbeiter1899–19184.SPD
Gerhard WegenerMaurermeister1899–19054.SPD
Georg KunothKomponist, Journalist1900–1918
Adolf VinnenReeder1900–19182.
Ernst EngelandKupferschmied1902–19084.SPD
Carl Louis KlawitterBuchhändler1902–19184.SPD/USPD
Hermann MährZimmerer1902–19044.SPD
Heinrich MeyerJurist1902–19071.ab 1907 Senator
Friedrich RoseBuchdrucker1902–19184.SPD
Aloys RosenlehnerBuchdrucker1902–19084.SPD
Rudolph QuiddeJurist1902–19181.1911 bis 1918 Präsident der Bürgerschaft
Carl StichnathSchornsteinfegermeister1902–19184.ab 1920 Senator (DDP)
Ludwig WaigandSchriftsetzer1902–19184.SPDab 1920 Reichstagsabgeordneter
Heinrich StruckmannZigarrensortierer1902–1906 (†)4.SPD
Johann DonathBuchdrucker1904–1905, 1908–19184.
Wilhelm PieckTischler1905–19104.SPDab 1910 in Berlin, 1949 Präsident der DDR
Rudolph FeußLehrer1905–19104. ?ab 1910 Senator
Emil RauchTabakarbeiter1905–19114.SPD
Theodor SpittaJurist1905–19111.ab 1911 Senator, ab 1920 Bürgermeister
Heinrich TiedermannTabakarbeiter1905–19184.SPD
Alfred HenkeZigarrenarbeiter1907–19184.SPD
Hermann ApeltJurist1908–19171.liberalab 1917 Senator
Wilhelm SchröderMaler1908–19184.SPD
Friedrich StöxenGraveur1908–19184.SPD
Johann WellmannSchmied1908–19184.SPD
Friedrich Karl BiermannKaufmann1909–19112. ?ab 1911 Senator
Carl DietzLehrer1909–1918NLPnach 1918 auch MdBB
Erich Koch-WeserJurist1909–19131.ab 1913 im Preußischen Herrenhauses, später Reichsminister
Wilhelm KoenenkampSeidenkaufmann1910–19182.
Wilhelm HolzmeierLehrer1911–1917 †4.SPD
Karl BehleDrehe1912–19184.SPD
Wilhelm BöhmertJurist1912–19181.FVP
Richard DunkelKaufmann1912–19182.liberal1918 DDP
Bernhard RiekeSchiffszimmerer1915–19184.SPD
Carl GrunerKaufmann1916–19182.Von 1919 bis 1924 Senator
Ludwig SchlüterTischler1917–19184.SPD
Friedrich KlenkeTransportarbeiter19184.SPD

Bremer Nationalversammlung 1919/1920

In die Bremer Nationalversammlung, verfassunggebende Versammlung für das Land Bremen gemäß Wahlen vom 10. Februar 1919, wurden 200 Abgeordnete, die 20 Jahre alt seien mussten, in den vier Wahlkreisen Stadt (166 Abg.), Land (17 Abg.), Vegesack (3 Abg.) und Bremerhaven (14 Abg.). Zum ersten Mal konnten für Bremen Frauen ihr Wahlrecht ausüben. Es wurden 18 Frauen gewählt. 15 Abgeordnete kamen aus Bremerhaven (mit Bh gekennzeichnet).[4]

Mitglieder nach Parteien geordnet

Liste (Auswahl):

  • CVP (Christliche Volkspartei): 3 Mandate
  • Liste Gewerbetreibende: 9 Mandate
  • Liste Angestellte: 2 Mandate

Bürgerschaft von 1920 bis 1933

Am 18. Mai 1920 trat eine parlamentarische Verfassung in Kraft, die bis 1933 galt. Wählbar waren alle Frauen und Männern über 20 Lebensjahre in unmittelbarer, direkter, gleicher und geheimer Wahl. Es fanden 1920, 1921, 1923, 1924, 1927 und 1930 Wahlen statt. Die Wahlbeteiligung schwankte zwischen 77,8 bis 84,5 %. Die Abgeordneten erhielten nur Aufwandsentschädigungen.

Anzahl der Mitglieder nach Parteien geordnet

Von 1920 bis 1930 zählte die Bürgerschaft 120 Abgeordnete (MdBB), 1933 waren es 96:

Mitglieder nach Parteien geordnet

Die Liste (Auswahl) ist noch unvollständig; die 26 Abgeordneten aus Bremerhaven sind mit (Bh) gekennzeichnet:

Linksparteien

Liberale Parteien

Rechtsparteien

  • KVP: 1930 ein Mandat: ?
  • Nationale Einheitsliste: Gerjet Poppinga (Bh) 1930–1933
  • Kampffront Schwarz-Weiß-Rot: Gerjet Poppinga 1933.
  • DNVP: Cecilie Brickenstein 1930–1933; Clemens Carl Buff 1920–1927, vorher Bürgermeister; Otto Flohr 1931–1933, danach Senator; Friedrich Carl Marwede 1923/24, nach 1953 CDU-Abg.; Mathilde Plate 1920–1933; Franz Schlunk 1920–1925, danach Senator; Erich Vagts 1928–1933, ab 1931 Fraktionsvorsitzender, nur 1933 Senator, nur 1945 Regierender Bürgermeister
  • NSDAP: Emanuel Backhaus 1930–1932, 1931/32, Präsident der Bürgerschaft; Otto Bernhard 1930–1933, 1931 Präsident der Bürgerschaft, 1932/33 Fraktionsvorsitzender; Georg Block (Bh) 1930–1933; Christian Brandau (Bh) 1933; Hans Haltermann 1930–1933, danach Senator; Julius Lorenzen (Bh) 1933, Oberbürgermeister von Bremerhaven ab 1933; Gustav Retzlaff (Bh) 1930–1933; Walter Vaupel (Bh) 1933.

Parteizugehörigkeit noch unbekannt: Christian Albers 1919–1923, Otto Hillebrecht 1922–1932, Hermann Lange 1928–1930, Johannes Rösing, Kurt Schönfeld (1920–1922 (Kaufmann); wohl über den DHV = Dt. Handlungsgehilfenverein)

Parteien

Siehe auch

Quellen

Einzelnachweise

  1. Erika Thies: Die Geschichte der Bürgerschaft. In: Weser-Kurier vom 30. April 2011, S. 11.
  2. Peter Kuckuk: Kein roter Stern über Bremen: Ursachen, Entwicklung und Folgen einer Revolution. In: Karin Kuckuk: Im Schatten der Revolution. Lotte Kornfeld - Biografie einer Vergessenen (1896 - 1974). Mit einem Geleitwort von Hermann Weber, einem Beitrag von Peter Kuckuk und einem Briefroman Lotte Kornfelds, Donat, Bremen 2009, ISBN 978-3-938275-48-1, S. 110.
  3. Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon. Band 1: A–K. 2. aktualisierte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Edition Temmen, Bremen 2003, ISBN 3-86108-693-X, S. 156.
  4. Seestadt Bremerhaven: Bremerhavener Abgeordnete in der Bremischen Bürgerschaft 1919-1933. Webseite: Bremerhaven.de.
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