Bayerische Volkserhebung
Bayerische Volkserhebung ist die Bezeichnung eines Aufstandes gegen die österreichische Besatzung in den Jahren 1705 und 1706, während des Spanischen Erbfolgekrieges (1701–1713/14). Nach der Vertreibung von Kurfürst Max Emanuel im Spanischen Erbfolgekrieg wurde Bayern von Truppen Josephs I., des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches, besetzt. Das bairische Volk erhob sich gegen die kaiserliche Besatzung; Henric L. Wuermeling spricht von der „ersten Revolution der Neueren Geschichte“. Sie dauerte von Anfang November 1705 bis zum 18. Januar 1706 rund 75 Tage.
Das Ereignis mit der größten Nachwirkung in der kollektiven Erinnerung war die Sendlinger Mordweihnacht.
Vorgeschichte
Während des Spanischen Erbfolgekrieges (1701–1713/14) unterlagen 1704 die französischen und bayerischen Truppen in der Schlacht von Höchstädt den Alliierten. Für Frankreich bedeutete die Schlacht einen Einschnitt, für den kleineren Partner Bayern das militärische Aus. Max Emanuel wurde mit Reichsacht belegt und begab sich unter französischer Protektion nach Brüssel, wo er bereits in den 1690er Jahren als Statthalter der Spanischen Niederlande residiert hatte. Die Regentschaft der Wittelsbacher ging vorübergehend in die Hände der bayerischen Kurfürstin Therese Kunigunde. Im Frühjahr 1705 verstarb jedoch Kaiser Leopold I. Sein Sohn und Nachfolger Joseph I. ließ das bayerische Oberland und die Residenzstadt München besetzen und ließ außerdem die Steuern drastisch erhöhen. Im Herbst 1705 wurde eine Zwangsaushebung im ganzen Kurfürstentum angeordnet.
Erste Aufstände
Als Konsequenz kam es zu ersten Aufständen[1] und Gewalttätigkeiten der von der Zwangsaushebung betroffenen Männer in der Oberpfalz, in Niederbayern und in der Gegend um Tölz, die bereits die Losung für die folgenden Revolten prägten: „Liaba bairisch steam [sterben], als kaiserlich verdeam [verderben]“. Mit der Ausbreitung der Revolten übernahmen verstärkt Offiziere, Adlige, Beamte und Handwerker die Führung der Aufständischen und gaben den Umsturzbestrebungen das Ziel, die Rentämter Bayerns zu übernehmen. Zunächst wurde Burghausen belagert, das sich am 16. Dezember 1705 den Aufständischen ergab, genauso wie kurz darauf Braunau. Diese beiden Städte wurden damit zu den militärischen und politischen Zentren der Aufstandsbewegung. Das ganze Gebiet zwischen Donau und Inn wurde erobert und der Aufstand griff auf den Bayerischen Wald sowie Kelheim an der Donau über. In Braunau entstand auch das erste demokratische Gebilde des neuzeitlichen Europa, die sogenannte Gmein der Bürger und Bauern bzw. das „Braunauer Parlament“.
Sendlinger Mordweihnacht
Höhe- und zugleich Wendepunkt ist wohl die Sendlinger Mordweihnacht, bei der in der Nacht zum 25. Dezember 1705 in Sendling die Aufständischen aus dem bayerischen Oberland von Truppen Kaiser Josephs I. besiegt und völlig aufgerieben wurden. Die Zahl der in dieser Schlacht auf bayerischer Seite Getöteten wird auf etwa 1.100 Mann beziffert, auf der Gegenseite wird sie auf etwa 40 geschätzt. Ein Teil der Aufständischen wurde getötet, nachdem sie sich bereits ergeben hatten. Der Schlacht vorausgegangen war der Versuch der Aufständischen, die bayerische Hauptstadt München einzunehmen.
Braunauer Parlament
Das Landesdefensionskongress tagte im Dezember 1705 im damals noch bayerischen Braunau am Inn. Noch lange vor der Französischen Revolution, und einem deutschen Frühparlamentarismus trafen sich am 21. Dezember 1705 im Stadtquartier des Freiherrn von Paumgarten im Gasthof Breuninger in Braunau am Inn Vertreter der vier Stände Adel, Klerus, Bürger und Bauern. Erst die Schlacht von Aidenbach am 8. Januar 1706 endete mit der völligen Niederlage der Volkserhebung und etwa 4.000 Gefallenen auf bayerischer Seite. Dies führte zum Zusammenbruch des Aufstands gegen Joseph I.
Liste der bayerischen Freiheitskämpfer im Unterland
Eine „Liste über die Haupträdelsführer bei dem vorgewesten Bauernaufstand, Unterlands“ nennt 15 Namen:
- „Der Metzger von Höchenwarth, Khurtz genannt“, heute: Hohenwart bei Emmerting, Landkreis Altötting
- „Des Wirts Sohn von Engelsperg, so dermalen als ein pöckh in dem Graf Warttenbergischen Marhktfleckchen Düssling ansessich“, heute: Engelsberg, Landkreis Traunstein, und Tüßling, Landkreis Altötting
- „Würth von Schilting“, vermutlich: Schildthurn, Landkreis Rottal-Inn
- „Würth von Hürsching“, vermutlich: Hirschhorn in Wurmannsquick, Landkreis Rottal-Inn
- „Würth von Imb“, Ibm in Eggelsberg, Bezirk Braunau
- „Der sogenannte alte Hofpaur von Wuehrlach eine halbe Stundt von Braunau wohnhafft“
- „Der Naglstetter im Kriesbach Gerichts Braunau“, heute: Kriebach in Hochburg-Ach, Bezirk Braunau
- „(ingleichen) der rottpaartete Schwaiger, Gerichts Braunau“, ebenfalls Hochburg-Ach, Bezirk Braunau
- „Schiennkhhueber zu Mitterndorf Gerichts Braunau“, heute: Mitterndorf in Hochburg-Ach, Bezirk Braunau
- „Der Neuhauser zu Hochburg Gerichts Braunau“, heute: Hochburg in Hochburg-Ach, Bezirk Braunau
- „Der sogenannte Maindlsperger dess Ambts Eggelsperg“, heute: Eggelsberg, Bezirk Braunau
- „Der Plündtgannser gewester Congress Secretary in Braunau“, Georg Sebastian Plinganser aus Postmünster, Landkreis Rottal-Inn[2]
- „Der Hauptrebell Meindl sambt dem Würth von Schweigsroidt“, Johann Georg Meindl aus Weng im Innkreis, Bezirk Braunau, Wirt von Schweigersreith, Maria Schmolln, Bezirk Braunau
- „Der geweste Comissari Fux“, Matthias Ägidius Fuchs
- Hoffmann, Johann Hoffmann, geboren in Pleystein, Oberpfalz, zu Beginn der Bayerischen Volkserhebung sesshaft in Tann, Landkreis Rottal-Inn
Schlacht von Aidenbach
Die gut ausgerüsteten kaiserlichen Berufssoldaten marschierten nach ihrem Sieg vor München ins bayerische Unterland (Niederbayern)[3]. Sie erreichten Aidenbach[4] am Morgen des 8. Januars 1706.[5]
3000 bis 7000 schlecht ausgerüstete Bayern aus dem Unterland standen einem kaiserlichen Berufsheer von ca. 1300 Soldaten gegenüber. In der Schlacht von Aidenbach wurden 2000 bis 3000 Bayern grausam niedergemetzelt, während die Verluste der kaiserlichen Armee nur auf ca. 300 Soldaten geschätzt werden.[6]
Johann Hoffmann, der Führer der Landesdefension in der Schlacht von Aidenbach, konnte flüchten, wurde aber später ergriffen und 1706/7 in Braunau am Inn enthauptet.[7]
Zusammenbruch des bayerischen Volksaufstands
Am 11. Januar 1706 reiste eine Deputation des Landesdefensionskongress zu Friedensverhandlungen nach Salzburg. Ihr gehörten neben Bürgermeister Franz Dürnhardt die Freiherrn von Paumgarten und von Prielmayr, Bürgermeister Georg Ludwig Harter von Burghausen und der Bauer Franz Nagelstätter an. Am 13. Januar wurde Schärding, am 16. Cham, am 17. Braunau den Kaiserlichen übergeben und am 18. Januar 1706 kapitulierte Burghausen als letzte Stadt, die sich noch in der Hand der Landesdefension befand. Die Volkserhebung war damit niedergeschlagen.
Als wichtigste Anführer der Bayerische Volkserhebung gelten die Schützen von Aidenbach, Georg Sebastian Plinganser und Johann Georg Meindl.[8] Reales Vorbild für den Schmied von Kochel war wohl Balthasar Riesenberger, Schmied vom Bach, der nachweislich am Gemetzel von Sendling teilgenommen hat. Aus seiner Person hat wohl das bayerische Volk jenen Schmiedbalthes von Kochel gemacht, der sich durch Kraft, Treue und Mut auszeichnete.
Nachwirkungen
Die Kaiserliche Administration in Bayern unter Maximilian Karl Graf zu Löwenstein-Wertheim-Rochefort wählte in der Folge einen moderateren Kurs. Die Zwangsrekrutierungen wurden eingestellt und die Steuerforderungen gesenkt, so dass sich Bayern in den noch folgenden neun Jahren unter kaiserlicher Herrschaft zumindest in bescheidenem Maße wieder erholen konnte.
Siehe auch
Literatur
- Marktgemeinde Kopfing (Hrsg.): „G'wunna hat z'letzt nur unseroans!“ Der Bairische Volksaufstand 1705/1706 im Spanischen Erbfolgekrieg. Vom Innviertel nach Tölz, zur Sendlinger Mordweihnacht und zur Schlacht bei Aidenbach. Moserbauer, Ried im Innkreis 2005, ISBN 3-902121-68-8.
- Christian Probst: Lieber bayrisch sterben. Der bayrische Volksaufstand der Jahre 1705 und 1706. Süddeutscher Verlag, München 1978, ISBN 3-7991-5970-3.
- Henric L. Wuermeling: 1705 Der bayerische Volksaufstand [Überarbeitete und erweiterte Neuauflage von: Volksaufstand. Die Geschichte der Revolution von 1705 und der Sendlinger Mordweihnacht], Langen-Müller, München / Wien 1995 (Erstausgabe 1980), ISBN 3-7844-2085-0.
- Benno Hubensteiner: Bayerische Geschichte (Ausgabe 1981) ISBN 3-475-53756-7.
- Andreas Reichelt: Der Sohn des Hofmarksrichters, 2019, Gmeiner Verlag, ISBN 978-3-8392-2514-1.
Weblinks
- 1705 – Der bayerische Volksaufstand Teil 1 – BR 1705 Der bayerische Volksaufstand BR-Reportage über den Volksaufstand Teil 1
- 1705 – Der bayerische Volksaufstand 2+3 – BR 1705 Der bayerische Volksaufstand BR-Reportage über den Volksaufstand Teil 2&3
Einzelnachweise
- Der Sohn des Hofmarksrichters – Gmeiner Verlag. Abgerufen am 28. April 2019.
- Herwig Slezak: Er führte die Bauern in die Schlacht: "Der Sohn des Hofmarksrichters". Abgerufen am 6. August 2019.
- idowa, Straubing Germany: Bauernschlacht in Aidenbach: Anerkennung als Kulturerbe erhofft - idowa. Abgerufen am 11. Januar 2022.
- Filmdreh mit dem Minister - Bernd Sibler wirkt an einem Doku-Film über den Bauernaufstand mit. In: Passauer Neue Presse. P. N. P. Plus, abgerufen am 11. Januar 2022.
- Andreas Reichelt: Bauernschlacht jährt sich: Aidenbacher gedenken der Getöteten - idowa. In: idowa, Straubing Germany. Straubinger Tagblatt / Landshuter Zeitung, abgerufen am 11. Januar 2022.
- Joseph Pamler: Die Schlacht bei Aidenbach am 8. Januar 1706. Aus der handschriftlichen Chronik Aidenbachs. s. n., Passau 1859, Digitalisat (PDF; 15,59 MB) (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. .
- Die Geschichte des Vilstals
- Geschichte verstehen - Andreas Reichelt stellt seinen Roman "Der Sohn des Hofmarksrichters" in Ortenburg vor. In: P. N. P. Plus. Abgerufen am 11. Januar 2022.