Ramallah
Ramallah (arabisch رام الله, DMG Rām Allāh) ist eine Stadt in den Palästinensischen Autonomiegebieten im Westjordanland. In der Stadt befinden sich Teile der Regierung – neben Gaza-Stadt –, das Gebäude des Palästinensischen Legislativrates, Teile der Exekutive sowie Büros der palästinensischen West Bank Security Forces.
Ramallah رام الله | |||
Blick über Ramallah (2010) | |||
Verwaltung: | Palästinensische Autonomiegebiete | ||
Gebiet: | Westjordanland | ||
Gouvernement: | Ramallah und al-Bira | ||
Gegründet: | 16. Jahrhundert | ||
Koordinaten: | 31° 54′ N, 35° 12′ O | ||
Höhe: | 900 m | ||
Fläche: | 16,3 km² | ||
Einwohner: | 33.218 (2014) | ||
Bevölkerungsdichte: | 2.038 Einwohner je km² | ||
Zeitzone: | UTC+2 | ||
Telefonvorwahl: | (+970) 02 | ||
Gemeindeart: | Stadt | ||
Bürgermeister: | Musa Hadid | ||
Webpräsenz: | |||
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Name
Der Name Ramallah setzt sich aus den zwei Wörtern Ram (oder Rama) und Allah zusammen. Ram bedeutet im Arabischen ein hoher Ort, Allah ist das arabische Wort für Gott. Eine freie Übersetzung würde Gotteshügel ergeben.
Geschichte
Im 12. Jahrhundert wurde durch französische Kreuzfahrer eine Festung errichtet. Teile der Festung at-Tireh sind in der Altstadt noch erhalten. 1550 gründeten Rashed Haddad und seine Familie die Stadt Ramallah an der Festung.
Ramallah war ursprünglich christlich und beherbergt mehrere Pfarren. Im Neuen Testament wird in Lk 2,45 von der jährlichen Pilgerfahrt nach Jerusalem berichtet. Auf dem Rückweg sei Maria und Josef aufgefallen, dass der zwölfjährige Jesus nicht bei ihnen war, woraufhin sie nach Jerusalem zurückkehrten, wo sie ihn im Tempel wiederfanden. Dieses Ereignis wird der Überlieferung nach in Ramallah lokalisiert. Die römisch-katholische Pfarrkirche der Franziskaner (OFM) ist der Heiligen Familie geweiht.
Im 19. Jahrhundert kamen die Quäker nach Ramallah und gründeten 1869 die Knabenschule „Friends’ Boy School“ und darauf eine Mädchenschule. Das historische Versammlungshaus der Quäker steht noch im Zentrum – umgeben von hohen Geschäftshäusern. 1904 waren laut einer Zählung des griechisch-orthodoxen Patriachats von Jerusalem 4500[1] der in der Stadt lebenden Christen griechisch-orthodox.
Im Laufe des Arabisch-Israelischen Krieges 1948 übernahm Jordanien die Kontrolle über Ramallah. Danach war der Ort wegen seiner Höhenlage als Sommerfrische beliebt. Während des Sechstagekrieges 1967 wurde die Stadt von der israelischen Armee besetzt und von der israelischen Verwaltung übernommen. 1994 wurde Ramallah im Rahmen des Oslo-Friedensprozesses an die palästinensische Selbstverwaltung übergeben. Obwohl offiziell die Hauptstadt Palästinas mit Jerusalem angegeben wird, ist tatsächlich Ramallah das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der palästinensischen Autonomiegebiete.
Mit der Autonomie 1994 bekam die Stadt (neben Gaza) ein Parlamentsgebäude und wurde Sitz mehrerer Ministerien. In der Folge wurden die Büros der ausländischen Vertretungen eröffnet. Die deutsche Vertretung übersiedelte kurze Zeit später von Jericho nach Ramallah (neben das Rathaus).
Am 12. Oktober 2000 wurden im Lynchmord von Ramallah die beiden israelischen Reservisten Vadim Nurzhitz und Yossi Avrahami durch einen palästinensischen Mob in einer Polizeistation von Ramallah ermordet. Die Leichen wurden aus dem Fenster geworfen und in einem Triumphzug durch die Straßen von Ramallah geschleift. Dies wurde von einem italienischen Fernsehteam gefilmt und sorgte international für Entsetzen. Der Vorfall ereignete sich zu Beginn der Zweiten Intifada.[2]
Nach seinem Tod in einem Pariser Krankenhaus wurde Jassir Arafat am 12. November 2004 im Innenhof der Muqataa beigesetzt, die eigentlich in Al-Bireh liegt. Nach den Gemeinderatswahlen im Dezember 2005 wurde die Christin Janet Michael zur Bürgermeisterin gewählt, die erste Frau auf diesem Posten. Im Sommer 2008 beging die Stadt mit zahlreichen Veranstaltungen das 100-Jahr-Jubiläum der Stadtverwaltung. In der Folge wurden die Straßen des Zentrums renoviert und die Metallsäule um den Löwenbrunnen am Manarah Square entfernt. 2011 wurde der Kreisverkehr des historischen Uhrenplatzes, der nun Arafat-Platz heißt, in einen Platz umgebaut. Der wirtschaftliche Aufschwung brachte internationales Flair in die Stadt und ist auch an der Errichtung neuer Hotels zu sehen. So wurde im November 2010 das Luxushotel Mövenpick, dessen Bau wegen der Zweiten Intifada unterbrochen worden war, eröffnet. Daneben gibt es viele neue Geschäfts- und Bürobauten, darunter etliche Hochhäuser. Seit 2012 gibt es ein modernes Geoinformationssystem, das im Internet abgerufen werden kann. Dafür haben zuvor alle Straßen einen Namen erhalten.
In den letzten Jahren entstanden architektonisch bemerkenswerte Gebäude wie der Palestine Trade Tower, das Gebäude des Roten Halbmondes oder das „Salta3 Burger“, ein Nachbau der „Krossen Krabbe“ aus SpongeBob Schwammkopf, das aber nach wenigen Monaten wieder geschlossen wurde und jetzt ein Café ist.
Geographie
Die Stadt liegt in den Hügeln Zentralpalästinas, 15 Kilometer nordwestlich von Jerusalem. Seit dem Bau der Mauer ist die Stadt von Süden nur über die Grenzstelle Qalandia erreichbar, die einstige Hauptstraße Jerusalem-Nablus 60 wurde in den Osten verlegt. Die Zufahrt über Ofer bei Baituniya dient nur noch dem Warenverkehr.
Inzwischen ist Ramallah mit der gleich daneben entstanden muslimischen Stadt Al-Bireh im Nordosten zusammengewachsen. Das neue Stadtzentrum, der Manarah Square (Leuchtturmplatz), liegt genau auf der Grenze. Im Südwesten kam es zum Zusammenwachsen des Industriegebietes mit der Stadt Baituniya. Im Süden liegt das große Flüchtlingslager Al-Amari. Östlich von Ramallah/Al-Bireh befindet sich die jüdische Siedlung Psagot.
Bevölkerung
Ramallah war ursprünglich ein fast ausschließlich von arabischen Christen bewohnter Ort. Erst im Zuge der Ansiedlung von vielen muslimischen Flüchtlingen nach dem Entstehen Israels änderten sich die Mehrheitsverhältnisse. Dadurch hat die Stadt eine muslimische Bevölkerungsmehrheit. Die arabischen Christen bilden jedoch eine zahlenmäßig starke Minderheit.
Kultur
Durch die weltoffene Haltung der Bevölkerung und die vielen Ausländer, die in den verschiedenen Organisationen und Vertretungen arbeiten, ist Ramallah die „westlichste“ aller Palästinenserstädte. Es gibt Theater, Kinos und andere Kulturzentren, wie den nach dem Dichter Mahmoud Darwisch benannten Kulturpalast oder das 2004 gegründete Deutsch-Französische Kulturzentrum, eine Kooperation des Goethe-Instituts und des Institut français.[3] Bereits seit 1993 engagiert sich die A. M. Qattan Foundation in der Stadt. 2003 wurde auf Initiative von Daniel Barenboim die Barenboim-Said Foundation mit einem Jugendorchester gegründet.[4]
Darwisch-Kulturpalast
Der Darwisch-Kulturpalast (früher nur Kulturpalast) ist der einzige und erste seiner Art in den palästinensischen Autonomiegebieten. Er beherbergt Kunsträumlichkeiten inklusive eines Auditoriums mit 736 Sitzplätzen und Konferenzräumen. Der Bau des Kulturpalastes kostete rund fünf Millionen Dollar und ist das Ergebnis einer sechsjährigen Zusammenarbeit der palästinensischen Autonomiebehörde, des United Nation Development Programme (UNDP) und der japanischen Regierung.[5]
Der palästinensische Dichter Mahmud Darwisch wurde am 12. August 2008 in einem „Staatsbegräbnis“ auf einem Hügel nicht weit vom Kulturpalast begraben, worauf ihm zu Ehren dieser in Darwisch-Kulturpalast umbenannt wurde.
Al-Husseini-Stadion
Seit 2008 verfügt Ramallah mit dem Faisal-Al-Husseini-Stadion über eine von der FIFA akzeptierte Sportstätte. Allerdings befindet sich das Stadion nicht auf dem Gebiet von Ramallah, sondern in Ar-Ram, einem zum palästinensisch verwalteten Teil von Ostjerusalem gehörenden Vorort. Dennoch wird es als das Stadion von Ramallah betrachtet.
Das 7000 Sitzplätze fassende Stadion, benannt nach Faisal Husseini, wurde mit einer Gesamtsumme von vier Millionen Dollar aus dem FIFA-Projekt „Goal“ und Spenden saniert. Es ist das Heimstadion der palästinensischen Nationalmannschaft, die am 26. Oktober 2008 in Anwesenheit von FIFA-Präsident Sepp Blatter und DFB-Direktor Helmut Sandrock ihr erstes Heimspiel in der 80-jährigen Verbandsgeschichte ausrichtete. Gegner der vom israelischen Fußballtrainer Arab Azmi Nassar betreuten Mannschaft war Jordanien. Künftig sollen alle Heimspiele der palästinensischen Nationalmannschaft in diesem Stadion ausgetragen werden.[6]
Persönlichkeiten
- Jassir Arafat (1929–2004), Politiker
- Abdul ibn Raschid ibn Mahmud, Chirurg, Terrorist
- Mahmud Darwisch (1941–2008), Dichter
- Rashed Haddad, Schmied, Gründer von Ramallah
- Janet Michael, erste Bürgermeisterin
- Hovhannes Samueli Donabedian, Architekt, Maler und Zeichner
- Nabil Totah (1930–2012), Jazzbassist
- Jeannette Zarou (* 1942), Opernsängerin
- Hanan Aschrawi (* 1946), Politikerin und Anglistin
- Raja Shehadeh (* 1951), Rechtsanwalt und Schriftsteller
Sehenswürdigkeiten
- at-Tireh, Festung aus dem 12. Jahrhundert.
- Löwendenkmal am Manarah Square, fünf Löwen repräsentieren die ersten fünf christlichen Familien, die nach der Vertreibung aus Shobak (Jordanien) die Stadt Ramallah gründeten
Internationale Beziehungen
Ramallah pflegt partnerschaftliche Beziehungen zu den Städten[7]
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Medien
- Fasl-Alamqal
- Tageszeitung Al-Ayyam (Die Tage)
- PBC – Palästinensisches Fernsehen
- PSC – Palästinensischer Satellitenkanal
- Al-Watan TV
- Al-Istiklaal TV (Kulturkanal)
Universität und Schulen
- Universität Bir Zait, größte Universität im Westjordanland
- Friends’ Boys School (Quäker)
- Friends’ Girls School (Quäker)
- Katholische Privatschule der Schwestern von St. Josef
- Lutheran School of Hope
Weitere Organisationen
Weblinks
Einzelnachweise
- Michelle U. Campos: Ottoman Brothers – Muslims, Christians, and Jews in Early Twentieth-Century Palestine. Stanford University Press, Stanford (California) 2011, ISBN 978-0-8047-7068-2, S. 266.
- Lynchmord in Ramallah: Eine öffentliche Demütigung. In: Israelnetz. 12. Oktober 2020, abgerufen am 9. November 2020.
- French-German Cultural Center in Ramallah (FGCC). Abrufdatum: 23. Januar 2019.
- Barenboim Said. Abrufdatum: 20. März 2019.
- UNESCO Knowledge Portal: Ramallah Cultural Palace (Memento vom 16. August 2008 im Internet Archive)
- Redaktion (Autorenkürzel: bai), dpa, AFP: Palästina spielt erstmals im eigenen Stadion. In: Der Tagesspiegel. 26. Oktober 2008, abgerufen am 14. Februar 2022.
- Les relations internationales de la mairie de Ramallah (Memento vom 10. Mai 2011 im Internet Archive)