Angst essen Seele auf
Angst essen Seele auf ist ein deutsches Melodram des Regisseurs Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1974. Der Film handelt von einer älteren Frau, die sich in einen jüngeren Marokkaner verliebt und ihn heiratet.
Film | |
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Originaltitel | Angst essen Seele auf |
Produktionsland | BRD |
Originalsprache | Deutsch |
Erscheinungsjahr | 1974 |
Länge | 89 Minuten |
Altersfreigabe | FSK 12[1] |
Stab | |
Regie | Rainer Werner Fassbinder |
Drehbuch | Rainer Werner Fassbinder |
Produktion | Rainer Werner Fassbinder |
Musik | Rainer Werner Fassbinder |
Kamera | Jürgen Jürges |
Schnitt | Thea Eymèsz |
Besetzung | |
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Handlung
Emmi Kurowski, eine verwitwete Putzfrau jenseits der 60, betritt eine Kneipe in München – teils, weil es regnet, teils aus Neugierde, woher die fremdartige Musik stammt. Die Kneipe ist Treffpunkt einiger arabischsprachiger Gastarbeiter. Weil er nichts Besseres zu tun hat und von der Wirtin dazu animiert wird, fordert Ali, ein etwa zwanzig Jahre jüngerer Marokkaner mit mäßig guten Deutschkenntnissen, Emmi zum Tanzen auf. Sie unterhalten sich, er begleitet sie nach Hause, darf sogar bei ihr übernachten. Im weiteren Verlauf entstehen Gefühle zwischen beiden, und trotz beginnender feindseliger Stimmung bei Emmis Kindern, Nachbarinnen und Kolleginnen heiraten die beiden schließlich, nachdem der Sohn des Vermieters Ali als (laut Mietvertrag) unzulässigen Untermieter bemängelt hat.
Doch die Schwierigkeiten des Paars reißen nicht ab: Die Nachbarinnen lästern, ihre Kolleginnen in der Putzkolonne schneiden Emmi, und der Lebensmittelhändler Angermayer weigert sich, zuerst Ali und dann sie selbst zu bedienen. Emmis drei Kinder sind fassungslos – ihr Sohn Bruno tritt vor Wut sogar in ihren Fernseher. Verzweifelt ob all der Feindseligkeit bricht Emmi bei einem Biergartenbesuch, bei dem sie mit Ali von den Kellnern nicht bedient, sondern nur angegafft wird, in Tränen aus, und beide beschließen, ihre Hochzeitsreise nachzuholen und danach einen neuen Anfang zu wagen.
Und in der Tat sieht nach der Rückkehr die Welt völlig anders aus. Das Paar wird scheinbar akzeptiert, wenn auch aus eigensüchtigen Gründen: Angermayer hatte eingesehen, dass er auf den Umsatz von Emmi als Kundin doch nicht verzichten will; Emmis Kinder brauchen sie als Babysitterin; die Nachbarinnen können einen starken und vor allem belastbaren Mann im Haus gut gebrauchen, und die Kolleginnen finden ein neues Opfer, über das sie sich das Maul zerreißen können. Sie stellen darüber hinaus fest, dass Ali so gar nicht dem Klischee vom schmutzigen, faulen Ausländer entspricht, das sie (und nicht nur sie) im Kopf haben.
Doch mit der scheinbaren Akzeptanz kommen die Probleme zwischen Emmi und Ali auf: Die Atmosphäre zwischen ihnen wird frostiger. Als Emmi anfängt, Ali als nützliches Objekt zu behandeln anstatt als Menschen mit dem Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Zuwendung, geht Ali wieder häufiger in die Kneipe, in der dieser Film seinen Anfang fand, und holt sich beides von der Wirtin Barbara. Er übernachtet bei ihr und kommt irgendwann überhaupt nicht mehr nach Hause zu Emmi, bis diese ihn in der Kneipe aufsucht, wo er sie wie bei ihrer ersten Begegnung zum Tanz auffordert. Sie erklärt ihm, dass sie Verständnis für seine Bedürfnisse habe, dass sie ihm seine Freiheiten lassen wolle, aber er doch bitte zurückkommen solle – da bricht Ali zusammen: Im Krankenhaus erläutert ein Arzt, dass Ali ein Magengeschwür hat, wie so viele Gastarbeiter, die unter den schlechten Bedingungen leiden. Da Gastarbeitern aber kein Kuraufenthalt gewährt wird und man nur operieren könne, werde das Geschwür erfahrungsgemäß immer wieder kommen. Emmi weint an Alis Krankenbett.
Hintergrund
Wie schon bei seinem Film Händler der vier Jahreszeiten (1972) ließ sich Fassbinder bei Angst essen Seele auf von den Filmen Douglas Sirks inspirieren. Hier ist insbesondere dessen Film Was der Himmel erlaubt (1955) zu nennen, der das strukturelle Vorbild lieferte. Angst essen Seele auf verbindet die Hollywood-Melodramatik Sirks mit der Betrachtung der deutschen Alltagsrealität. Anders als bei vielen Filmen jener Zeit verzichtete Fassbinder auf die Kameraarbeit von Michael Ballhaus. Stattdessen setzte die photographische Ästhetik von Jürgen Jürges auf eine schnörkellose, dem Gegenstand angemessene Erzählweise. Die visuelle Umsetzung sollte nicht von der eigentlichen Geschichte ablenken. Der Film gehört mit ca. 260.000 DM Budget zu den weniger aufwendigen Fassbinder-Filmen. Fassbinder selbst spielte die Rolle des unfreundlichen Schwiegersohnes von Emmi Kurowski.
Der grammatikalisch falsche Titel ist ein Zitat aus dem Film und spiegelt die begrenzten Deutschkenntnisse des Protagonisten Ali wider. Barbara John merkte an, dass es vordergründig um eine Liebesbeziehung gehe, vor allem aber „um die Bewertung von Ausländern als grundsätzlich Fremde und um die Unfähigkeit, ihnen zu vertrauen. Der Filmtitel gibt die Befindlichkeit Alis wieder, der sich unverstanden und gedemütigt fühlt.“[2]
Der Film wurde am 5. März 1974 in München uraufgeführt. Im deutschen Fernsehen wurde er erstmals am 25. Juli 1977 im ZDF gezeigt.[3][4]
Preise
Angst essen Seele auf gewann unter anderem Kritikerpreise auf dem Filmfestival von Cannes 1974 sowie den Deutschen Filmpreis in Gold für Brigitte Mira als beste Hauptdarstellerin.
Kritiken
„[…] Melodram, das mit kühler Brillanz die Mißachtung von Minderheiten und die Mechanismen sozialer Unterdrückung analysiert. Zugleich populär und bitter-ironisch erzählend, sucht Fassbinder ein breites Publikum, ohne persönliche Obsessionen zu verleugnen und ohne an kritischer Schärfe zu verlieren. – Sehenswert ab 16.“
Wirkung
Der Film, der Filmemacher in der ganzen Welt beeinflusst hat, existiert auch in einer Theaterfassung des Autors. Die Yılmaz Arslan Filmproduktion GmbH produzierte 2003 zudem Shahbaz Noshirs Kurzfilm Angst isst Seele auf, der mit subjektiver Kamera die wahre Geschichte eines ausländerfeindlichen Übergriffs auf einen Darsteller der Theaterfassung auf dem Weg zum Schauspielhaus einzufangen versucht.
Ebenso wurde der Titel für die deutschsprachige Fassung einer Episode der amerikanischen Fernsehserie Die Simpsons verwendet.[5]
Der Titel hat sich außerdem im Laufe der Zeit zum geflügelten Wort entwickelt, bei dem „Angst“ oder „Seele“ durch einen themenspezifischen Ausdruck ersetzt wird.[6]
Siehe auch
- Angst isst Seele auf – Kurzfilm von Shahbaz Noshir, der auf Fassbinders Film Bezug nimmt
Literatur
- Rüdiger Graf: „das hinterhältigste und wirksamste Instrument gesellschaftlicher Unterdrückung“. Gemeinschaft und Gesellschaft in Rainer Werner Fassbinders „Angst essen Seele auf“. In: Martin Baumeister, Moritz Föllmer, Philipp Müller (Hrsg.): Die Kunst der Geschichte. Historiographie, Ästhetik, Erzählung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, S. 373–392.
Weblinks
- Angst essen Seele auf in der Internet Movie Database (englisch)
- Angst essen Seele auf (Memento vom 9. Juli 2013 im Internet Archive), Film- und Hintergrundinformationen, Rainer Werner Fassbinder Foundation, Berlin
- Angst essen Seele auf bei filmportal.de (u. a. zeitgenössische Rezensionen, Uraufführungsplakat, Fotos)
- Angst essen Seele auf bei Rotten Tomatoes (englisch)
- Angst essen Seele auf bei prisma
- Heide, Markus. "Rainer Werner Fassbinder, Ali: Fear Eats the Soul (1974)." 2019. https://hostfilm.usal.es/index.php/fear-eats-the-soul-2/
- Brigitte Mira spricht über die Zusammenarbeit mit Fassbinder und über Angst essen Seele auf The Criterion Collection, 2003
Einzelnachweise
- Freigabebescheinigung für Angst essen Seele auf. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, Mai 2014 (PDF; Prüfnummer: 46 094-a K).
- Barbara John, Vorwort zu: Dorte Huneke (Hrg.), Ziemlich deutsch. Betrachtungen aus dem Einwanderungsland Deutschland. In: Schriftenreihe Band 1386. Bundeszentrale für politische Bildung, 2013, abgerufen am 27. April 2021. ISBN 978-3-8389-0386-6.
- Angst essen Seele auf. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 1. November 2021.
- Spiegel.de.
- Angst essen Seele auf. In: simpsonspedia.net.
- Bsp.: Angst essen Meinungsfreiheit auf (Memento des Originals vom 17. März 2009 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. oder Angst essen Zinsen auf. In: sueddeutsche.de.