Winnerod
Winnerod ist der kleinste Ortsteil der Gemeinde Reiskirchen im mittelhessischen Landkreis Gießen.
Winnerod Gemeinde Reiskirchen | |
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Höhe: | 261 m ü. NHN |
Fläche: | 2,7 km²[1] |
Einwohner: | 37 (30. Jun. 2019)[2] |
Bevölkerungsdichte: | 14 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 31. Dezember 1970 |
Postleitzahl: | 35447 |
Vorwahl: | 06408 |
Geografische Lage
Der Ort liegt östlich des Hauptortes in Oberhessen. Im Norden verläuft die Bundesautobahn 5, im Westen die Landesstraße 3129.
Geschichte
Historische Namensformen
In erhaltenen Urkunden wurde Winnerod unter den folgenden Ortsnamen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[1]
- Winderode, in (1252) [Urkundenbuch des Klosters Arnsburg 3, Nr. 61]
- Wenderode, in (1275) [Urkundenbuch des Klosters Arnsburg 3, Nr. 145]
- Winderade, zu (1370) [Baur, Hessische Urkunden 1 (Starkenburg und Oberhessen), Nr. 1037]
Chronik
Archäologische Funde lassen aber auf eine Besiedlung bereits zur Bronzezeit schließen. Die älteste bekannte schriftliche Erwähnung von Winnerod erfolgte im Jahr 1252 unter dem Namen Winderode im Urkundenbuch des Klosters Arnsburg.[1]
1250 wird erstmals eine Kirche genannt. Die Kirche in Winnerod geht auf das 12. Jahrhundert zurück und besteht aus einem spätromanischen Langschiffbau und einem romanisch-gotischen Chor.
Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1830 über Winnerod:
„Winnerod (L. Bez. Grünberg) evangel. Pfarrdorf; liegt 2 St. von Grünberg und gehört dem Freiherrn von Schenk. Man findet 1 Kirche, in welche Bersrod aus dem Bezirk Giessen eingepfarrt ist, 11 Häuser und 94 Einwohner, die außer 15 Mennoniten evangelisch sind. Unter den Einwohnern sind 12 Bauern und 2 Handwerker. Die Kirche war dem Archidiakon von St. Stephan untergeben und es gehörten im 15. Jahrhundert dazu: Altpach (Allbach), Burgkartsfelt (Burkhardsfelden), Bernsrade (Bernsrode) und Hartenrade (Hattenrod). Vor den Freiherrn von Schenk gehörte Winnerod denen von Freiherrn von Zwierlein.“[3]
Bei der Übernahme des Patrimonialgerichts durch das Großherzogtum Hessen 1821 gehörte dieses den Freiherren Schenck zu Schweinsberg.[4]
Gebietsreform
Zum 31. Dezember 1970 fusionierten die bis dahin selbständigen Gemeinden Reiskirchen, Hattenrod, Saasen und Winnerod im Zuge der Gebietsreform in Hessen freiwillig zur neuen Großgemeinde Reiskirchen.[5][6] Für die eingegliederten Gemeinden wurde je ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher eingerichtet.[7]
Territorialgeschichte und Verwaltung
Die folgende Liste zeigt im Überblick die Territorien, in denen Winnerod lag, bzw. die Verwaltungseinheiten, denen es unterstand:[1][8][9]
- 1315: Vogtei Winnerod und Reiskirchen
- 1538: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen, Amt Grünberg, Vogteigericht Winnerod
- ab 1567: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen-Marburg, Amt Grünberg, Landgericht Grünberg, Vogteigericht Winnerod[10]
- 1604–1648: Heiliges Römisches Reich, strittig zwischen Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und Landgrafschaft Hessen-Kassel (Hessenkrieg)
- ab 1604: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, Oberfürstentum Hessen, Amt Grünberg,[11] Landgericht Grünberg, Vogteigericht Winnerod (ab 1782 dem Freiherrn von Zwierlein)
- ab 1806: Rheinbund, Großherzogtum Hessen, Oberfürstentum Hessen, Amt Grünberg[12][13]
- ab 1815: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Amt Grünberg[14]
- ab 1821: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Landratsbezirk Grünberg (Trennung von Justiz (Landgericht Grünberg) und Verwaltung)
- ab 1832: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Grünberg
- ab 1848: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Regierungsbezirk Gießen
- ab 1852: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Grünberg
- ab 1861: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Landkreis Gießen
- ab 1867: Norddeutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Landkreis Gießen
- ab 1871: Deutsches Reich, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Landkreis Gießen
- ab 1918: Deutsches Reich, Volksstaat Hessen, Provinz Oberhessen, Landkreis Gießen
- ab 1945: Amerikanische Besatzungszone, Groß-Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Gießen
- ab 1949: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen (seit 1946), Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Gießen
- am 31. Dezember 1970 wurde Winnerod als Ortsteil der Gemeinde Reiskirchen eingegliedert.
- ab 1977: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Lahn-Dill-Kreis
- ab 1979: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Gießen
- ab 1981: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Gießen, Landkreis Gießen
Gerichte seit 1803
In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für die Provinz Oberhessen wurde das „Hofgericht Gießen“ als Gericht der zweiten Instanz eingerichtet. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen und somit war für Winnerod das Patrimonialgericht der Freiherrn von Zwierlein zuständig. Das Hofgericht war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt.
Mit der Gründung des Großherzogtums Hessen 1806 wurde diese Funktion beibehalten, während die Aufgaben der ersten Instanz 1821 im Rahmen der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung auf die neu geschaffenen Landgerichte übergingen. „Landgericht Grünberg“ war daher von 1821 bis 1861 die Bezeichnung für das erstinstanzliche Gericht das für Winnerod zuständig war. Übergangsweise bis 1823 im Namen der Herren des Patrimonialgerichts. 1861 wurde Winnerod dem Bereich des Landgerichts Gießen zugeschlagen.
Anlässlich der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Oktober 1879, infolgedessen die bisherigen großherzoglich hessischen Landgerichte durch Amtsgerichte an gleicher Stelle ersetzt wurden, während die neu geschaffenen Landgerichte nun als Obergerichte fungierten, kam es zur Umbenennung in „Amtsgericht Gießen“ und Zuteilung zum Bezirk des Landgerichts Gießen.[15] In der Bundesrepublik Deutschland sind die übergeordneten Instanzen das Landgericht Gießen, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sowie der Bundesgerichtshof als letzte Instanz.
Einwohnerzahlen
Quelle: Historisches Ortslexikon[1] | |
• 1577: | 7 Hausgesesse (mit Weithausen) |
• 1742: | ein Geistlicher/ Beamter, 6 Untertanen, 5 junge Mannschaften, kein Beisasse/ Jude |
• 1791: | 56 Einwohner[16] |
• 1800: | 65 Einwohner[17] |
• 1806: | 69 Einwohner, 12 Häuser[13] |
• 1829: | 94 Einwohner, 11 Häuser[3] |
• 1867: | 69 Einwohner, 6 bewohnte Gebäude[18] |
• 1875: | 33 Einwohner, 4 bewohnte Gebäude[19] |
Winnerod: Einwohnerzahlen von 1791 bis 2019 | ||||
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Jahr | Einwohner | |||
1791 | 56 | |||
1800 | 65 | |||
1806 | 69 | |||
1829 | 94 | |||
1834 | 85 | |||
1840 | 89 | |||
1846 | 92 | |||
1852 | 86 | |||
1858 | 82 | |||
1864 | 77 | |||
1871 | 63 | |||
1875 | 33 | |||
1885 | 30 | |||
1895 | 30 | |||
1905 | 63 | |||
1910 | 84 | |||
1925 | 76 | |||
1939 | 43 | |||
1946 | 105 | |||
1950 | 123 | |||
1956 | 94 | |||
1961 | 81 | |||
1967 | 82 | |||
1980 | ? | |||
1990 | ? | |||
2000 | ? | |||
2004 | 34 | |||
2011 | 39 | |||
2012 | 40 | |||
2015 | 40 | |||
2019 | 37 | |||
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: LAGIS[1]; nach 1980: Gemeinde Reiskirchen (HW+NW-Sitze) im Haushaltsplan Vorbericht[20]; Zensus 2011[21] |
Einwohnerstruktur
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Winnerod 39 Einwohner. Darunter waren keine Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 6 Einwohner unter 18 Jahren, 12 zwischen 18 und 49, 12 zwischen 50 und 64 und 9 Einwohner waren älter.[21] Die Einwohner lebten in 18 Haushalten. Davon waren 6 Singlehaushalte, 6 Paare ohne Kinder und 3 Paare mit Kindern, sowie 3 Alleinerziehende und keine Wohngemeinschaften. In 3 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 12 Haushaltungen lebten keine Senioren.[21]
Religionszugehörigkeit
• 1829: | 79 evangelisch-lutherische (= 84,0 %), 15 mennonitische (= 16 %) Einwohner[1] |
• 1961: | 54 evangelische (= 6,7 %), 27 katholische (= 3,3 %) Einwohner[1] |
Erwerbstätigkeit
• 1961: | Erwerbspersoen: 11 Land- und Forstwirtschaft, 7 Produzierendes Gewerbe, 7 Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, 6 Dienstleistungen und Sonstige.[1] |
Persönlichkeiten mit Bezug zu Winnerod
- Wladimir Ernst Graf zu Münster von Derneburg (1886–1954), Oberstleutnant und Landwirt
- Irmgard Gräfin zu Münster, geborene von Trützschler Freiin zum Falkenstein (1891–1967)
- Franz Oswald Wladimir Graf zu Münster Freiherr von Grothaus (1917–2003), Fotograf, Landwirt[22]
Literatur
- Gustav Ernst Köhler: Geschichte von Winnerod, Schriftenreihe der Heimatgeschichtlichen Vereinigung Reiskirchen e.V., Reiskirchen 2010
- Suche nach Winnerod In: Archivportal-D der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Literatur über Winnerod nach Stichwort nach GND In: Hessische Bibliographie
Weblinks
- Ortsteil Winnerod. In: Webauftritt. Gemeinde Reiskirchen
- Winnerod, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Einzelnachweise
- Winnerod, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 15. Oktober 2019). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Haushaltsplan 2020. (PDF; 12 MB) In: Webauftritt. Gemeinde Reiskirchen, S. 14 (Vorbemerkungen), abgerufen im August 2020.
- Georg Wilhelm Justin Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band 3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt August 1830, OCLC 312528126, S. 328 (Online bei google books).
- Winnerod, Landkreis Gießen. In: LAGIS: Historisches Ortslexikon; Stand: 15. Januar 2019.
- Zusammenschluss von Gemeinden zur Gemeinde „Reiskirchen“, Landkreis Gießen vom 6. Januar 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr. 4, S. 140, Punkt 166 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 6,3 MB]).
- Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. =364.
- Hauptsatzung. (PDF; 143 kB) § 5. In: Webauftritt. Gemeinde Reiskirchen, abgerufen im August 2020.
- Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006 .
- Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause's Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, DNB 013163434, OCLC 162730471, S. 12 ff. (google books).
- Die Zugehörigkeit des Amtes Grünberg anhand von Karten aus dem Geschichtlicher Atlas von Hessen: Hessen-Marburg 1567–1604., Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt 1604–1638. und Hessen-Darmstadt 1567–1866.
- Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause's Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, DNB 013163434, OCLC 162730471, S. 13 ff., § 26 Punkt d) III. (google books).
- Wilhelm von der Nahmer: Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts: Entwickelung der Territorial- und Verfassungsverhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins : vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit. Band 3. Sauerländer, Frankfurt am Main 1832, OCLC 165696316, S. 8 (Online bei google books).
- Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1806. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1806, S. 256 ff. (Online in der HathiTrust digital library).
- Neuste Länder und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und die freien Städte. Band 22. Weimar 1821, S. 419 (online bei Google Books).
- Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1879 Nr. 15, S. 197–211 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 17,8 MB]).
- Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1791. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1791, S. 197 ff. (Online in der HathiTrust digital library).
- Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1800. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1800, S. 212 ff. (Online in der HathiTrust digital library).
- Wohnplätze 1867. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1877, DNB 013163434, OCLC 162730484, S. 116 (Online bei google books).
- Wohnplätze 1875. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1877, DNB 013163434, OCLC 162730484, S. 12 (Online bei google books).
- Haushaltspläne der Gemeinde Reiskirchen. Vorbericht: Statistische Angaben. Abgerufen im Februar 2019.
- Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,1 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 8 und 48 .
- Gustav Ernst Köhler: Weihnacht 45. Die Geschehnisse in Winnerod. In: Heimatbrief 2, 2009, Heimatgeschichtliche Vereinigung Reiskirchen e. V. (Hrsg.), S. 3–6. Auf: hgv-reiskirchen.de, abgerufen am 23. April 2017