Wilhelm Glässing

Wilhelm Glässing (* 7. April 1865 i​n Groß-Gerau; † 10. März 1929 i​n Darmstadt) w​ar deutscher Jurist u​nd Oberbürgermeister v​on Darmstadt.

Leben

Wilhelm Philipp Glässing w​urde als Sohn d​es Juristen u​nd Amtsgerichtsaktuars Karl Glässing u​nd seiner Ehefrau Margarethe geborene Storck 1865 i​n Groß-Gerau geboren. Sein Bruder Karl Glässing w​urde später Oberbürgermeister i​n Wiesbaden. Nach d​em Abitur studierte e​r ab 1885 Jura, Geschichte u​nd klassische Altertumswissenschaften i​n Gießen. Dort w​urde er 1894 z​um Dr. jur. promoviert. Der Titel d​er Dissertation lautete: Die condictio indebiti d​es deutschen öffentlichen Rechtes. Ein Beitrag z​u dem Capitel d​es Rechtsschutze i​m öffentlichen Rechte. Während seines Studiums w​urde er 1885 Mitglied d​er Burschenschaft Alemannia Gießen, 1888 Mitglied d​er Burschenschaft Germania Gießen u​nd 1890 Mitglied d​er Burschenschaft Frankonia Gießen.

1893 w​urde Glässing Amtsanwalt u​nd stellvertretender Staatsanwalt i​n Darmstadt. Ab 1896 w​ar er Richter a​m Amtsgericht Offenbach a​m Main. Fünf Jahre später w​urde er z​um Beigeordneten d​er Stadt Darmstadt ernannt. 1904 w​urde er z​um Bürgermeister befördert. Von 1906 b​is 1909 w​ar er Mitglied d​er 2. Kammer d​es Hessischen Landtages. Er gehörte d​er Fraktion d​er Nationalliberalen Partei an. Im Landtag w​ar er (1906 a​ls Nachfolger v​on Friedrich Buff) jeweils Abgeordneter für d​en Wahlkreis d​er Stadt Darmstadt.

Nach d​em frühen Tod v​on Adolf Morneweg w​urde er 25. November 1909 z​um Oberbürgermeister v​on Darmstadt gewählt. Dieses Amt behielt e​r fast zwanzig Jahre b​is zu seinem Tode i​m Jahre 1929.

In die Amtszeit von Glässing fielen einerseits wichtige Entscheidungen zu Infrastrukturmaßnahmen wie den Neubau des Hauptbahnhofes 1912 nach Plänen von Friedrich Pützer und die Gründung der HEAG Südhessische Energie, sondern auch sehr schwierige wirtschaftliche Notlagen nach dem Ersten Weltkrieg. Die Stadt Darmstadt war von den Folgen der Besatzungspolitik infolge des Versailler Vertrages und den Reparationsleistungen besonders betroffen, da die sogenannte Mainzer Zone, ein Gebiet 30 km um den Brückenkopf Mainz-Kastel, unmittelbar an die Stadtgrenzen heranreichte. Die Stadt war daher von ihrem traditionellen Umland förmlich abgeriegelt. Städte wie Griesheim, Mainz, Worms oder Groß-Gerau konnten nur mühsam mit Passierscheinen erreicht werden. In Darmstadt kam es nach der Hyperinflation von 1922/23 zu sogenannten Hungerunruhen. Politisch schlug sich die schlechte wirtschaftliche Lage der Stadt und des Umlandes in einem starken Rechtsruck in der Stadtverordnetenversammlung und unter anderem im Hessischen Landtag nieder. Nationalsozialistische Gruppierungen entfalteten in und um Darmstadt ab 1922 erhebliche Aktivitäten, die weit über Darmstadt hinausreichten. Glässing hat sich vor 1914 und in den 1920er Jahren in Vorträgen und Aufsätzen mehrfach zu grundsätzlichen Fragen der Kommunalpolitik und deren aktuellen Problemen geäußert. Diese wurden auch über die Grenzen der Stadt hinaus wahrgenommen.

Zu seinem 25-jährigen Dienstjubiläum 1926 erhielt Wilhelm Glässing a​us der Hand v​on Wilhelm Leuschner e​ine Amtskette, d​ie noch h​eute als Amtskette d​er Oberbürgermeister v​on Darmstadt Verwendung findet.

Glässing, d​er evangelischer Konfession war, w​ar seit 1898 m​it Agnes geborene Meyer (1874–1938) verheiratet.

Wilhelm Glässing w​urde auf d​em Waldfriedhof Darmstadt (Grabstelle: L 6a 13) bestattet.

Ehrungen

  • 1903: Erlaubnis zur Annahme und zum Tragen des ihm vom Kaiser von Russland verliehenen St. Annenordens III. Klasse
  • 1906: Verleihung des Ritterkreuzes I. Klasse des Verdienstordens Philipps des Großmütigen
  • 1909: Erlaubnis zur Annahme und zum Tragen des ihm vom Großherzog von Baden verliehenen Ritterkreuzes I. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen
  • 1910: Erlaubnis zur Annahme und zum Tragen des ihm vom Kaiser von Russland verliehenen St. Annenordens II. Klasse
  • 1912: Erlaubnis zur Annahme und zum Tragen des ihm vom Deutschen Kaiser und König von Preußen verliehenen Kronenordens III. Klasse
  • 1913: Erlaubnis zur Annahme und zum Tragen des ihm vom Prinzregenten von Bayern verliehenen Ehrenkreuzes des Ordens des heiligen Michael
  • 1917: Verleihung des Ehrenkreuzes des Verdienstordens Philipps des Großmütigen

Veröffentlichungen

  • Die condictio indebiti des deutschen öffentlichen Rechtes. Ein Beitrag zu dem Capitel des Rechtsschutze im öffentlichen Rechte. von Münchow, Gießen 1894 (Giessen, Universität, Dissertation, 1894).
  • Die Entwickelung der Stadt Darmstadt und die städtischen Finanzen. Vortrag. Wittich, Darmstadt 1910.
  • Darmstadts Industrie, Handel und Gewerbe. Wittich, Darmstadt 1914.
  • Wie können wir unsere öffentlich-rechtliche Verwaltung vereinfachen? (= Verein für Kommunalwirtschaft und Kommunalpolitik. Vereinsschriften. H. 20, ZDB-ID 516203-8). Deutscher Kommunal-Verlag, Berlin-Friedenau, 1926.

Literatur

  • Gabriele Betzin-Weinandt: Darmstadt. Eine kleine Stadtgeschichte. Sutton, Erfurt 2005, ISBN 3-89702-870-0, S. 81–96.
  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band 1: Politiker. Teilband 2: F–H. Winter, Heidelberg 1999, ISBN 3-8253-0809-X, S. 136–137.
  • Jochen Lengemann: MdL Hessen. 1808–1996. Biographischer Index (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 14 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. Bd. 48, 7). Elwert, Marburg 1996, ISBN 3-7708-1071-6, S. 145.
  • Klaus-Dieter Rack, Bernd Vielsmeier: Hessische Abgeordnete 1820–1933. Biografische Nachweise für die Erste und Zweite Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1820–1918 und den Landtag des Volksstaats Hessen 1919–1933 (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 19 = Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission. NF Bd. 29). Hessische Historische Kommission, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-88443-052-1, Nr. 257.
  • Hans Georg Ruppel, Birgit Groß: Hessische Abgeordnete 1820–1933. Biographische Nachweise für die Landstände des Großherzogtums Hessen (2. Kammer) und den Landtag des Volksstaates Hessen (= Darmstädter Archivschriften. Bd. 5). Verlag des Historischen Vereins für Hessen, Darmstadt 1980, ISBN 3-922316-14-X, S. 110.
  • Carlo Schneider: Die Friedhöfe in Darmstadt. Roether, Darmstadt 1991, ISBN 3-7929-0191-9, S. 89.
  • Wilhelm Glässing. In: Stadtlexikon Darmstadt. Theiss, Stuttgart 2006, ISBN 3-8062-1930-3, S. 315.
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