Villa Aurora
Die Villa Aurora war die Heimat des Schriftstellers Lion Feuchtwanger und seiner Frau Marta während ihres US-amerikanischen Exils. Sie steht im Westen von Los Angeles in Pacific Palisades und dient seit 1995 als Künstlerresidenz und „deutsches Kulturdenkmal des Exils“.
Die Villa Aurora
Die Villa Aurora wurde 1927 auf den Hügeln von Pacific Palisades am Paseo Miramar erbaut. Sie und acht weitere Häuser gehörten zu einem Bauprojekt der Bauherren Arthur Weber und George Ley. Aufgrund ihrer Rolle als Musterhaus erschienen wöchentliche Berichterstattungen über die Villa Aurora und ihren Baufortschritt in der L.A. Times. Diese sollte den Angelenos die Vorzüge des Wohnens am Rande der Stadt verdeutlichen. In den 1920er Jahren war eine mediterrane Bauweise sehr populär – die Architektur der Villa Aurora wurde einem spanischen Schlösschen nachempfunden. Zusätzlich war die Ausstattung für die damalige Zeit sehr modern und technisch auf dem neuesten Stand. So war die Villa mit einem elektrischen Garagenöffner, einem Kühlschrank, einem Gasherd und einer Spülmaschine bestückt. Erstbesitzer war der Bauherr selbst: Richter Arthur Weber mit seiner Frau. Sie zogen 1931 am Paseo Miramar ein, mussten das Anwesen jedoch 1939 aufgrund finanzieller Probleme wieder verlassen. Danach stand es einige Zeit leer, bis Marta Feuchtwanger es 1943 als zukünftiges Heim für sich und ihren Mann, den Schriftsteller Lion Feuchtwanger, entdeckte.
Auf der Flucht vor dem NS-Regime waren die beiden in den südfranzösischen Ort Sanary-sur-Mer gelangt, der zu einem wichtigen Zentrum des Exils wurde. Neben den Feuchtwangers ließen sich hier u. a. Bertolt Brecht, Thomas Mann, Heinrich Mann, Ferdinand Bruckner, Franz Werfel und Alma Mahler-Werfel nieder. Nach der Einnahme Frankreichs durch Hitler flohen Marta und Lion Feuchtwanger zu Fuß über die Pyrenäen und gelangten schließlich nach Spanien. Von dort reisten sie 1941 in die USA aus, wo sie sich in Los Angeles niederließen. Nach fünf verschiedenen Wohnadressen bezogen sie 1943 schließlich die Villa Aurora.
Die Villa und die Feuchtwangers
Zu dem Zeitpunkt, als die Feuchtwangers das Haus kauften, befand es sich in einem desolaten und heruntergekommenen Zustand. Das Geld, das Lion durch den Verkauf seines Romans Die Brüder Lautensack einnahm, reichte für den Kauf der Villa. Der Kaufpreis betrug damals $9,000. Für Möbel gab es vorerst kein Geld, so dass ein großer Teil des Interieurs aus Haushaltsauflösungen und von Flohmärkten stammte und nach und nach das Haus füllte.
Marta Feuchtwanger, die sich in solchen Dingen als sehr talentiert erwies, gestaltete mit viel Liebe den Garten. So schlängelte sich ein Weg bis hinunter an den Pazifik. In den 40er und 50er Jahren wurde die Villa Aurora zu einem bekannten Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle, zu einem Begegnungszentrum für europäische und amerikanische Kultur. Neben Thomas und Katia Mann, die in der Nachbarschaft in dem heute als Thomas-Mann-Haus bekannten Wohnhaus lebten und denen vorher auch die heutige Villa Aurora zum Kauf angeboten worden war,[1] waren zahlreiche Künstler wie Bertolt Brecht, Charles Laughton und Charlie Chaplin zu Gast.[2] Im großen Salon fanden Lesungen und Musikabende statt. Die Villa etablierte sich so als ein einzigartiges Kulturdenkmal des deutschen Exils in Kalifornien.
Der Name „Villa Aurora“
Der Ursprung des Namens „Villa Aurora“ ist nicht endgültig geklärt. Man vermutet, dass die Anwohner der Gegend in den frühen 60er Jahren den Häusern ein europäisches Flair geben wollten. Dies erreichten sie durch einen mediterranen Baustil und sie wählten französische oder italienische Namen für die Häuser der Gegend.
Die Villa heute: Künstlerresidenz und Kulturdenkmal
Nach dem Tod Lion Feuchtwangers übertrug Marta die Villa der University of Southern California (USC), welche die laufenden Kosten vorerst übernahm.
Zum Bestand gehörte Feuchtwangers Bibliothek mit mehr als 30.000 Bänden.[3][4] Davon befinden sich heute noch ca. 22.000 Bände in der Villa selbst, die anderen 8.000 Bände in der Memorial Library an der University of Southern California.
Marta Feuchtwanger bewohnte die Villa bis zu ihrem Tod 1987. Danach zeichnete sich ab, dass die Universität das Haus verkaufen wollte. Daraufhin benachrichtigte Professor Harold von Hofe den Feuchtwanger-Biographen Volker Skierka über dieses Vorhaben. Dieser startete eine politische Initiative zur Erhaltung der Villa. Sie sollte, nach dem Vorbild der Villa Massimo in Rom, als deutsches Kulturdenkmal des Exils erhalten bleiben.
1988 gründete sich der Kreis der Freunde der Villa Aurora unter dem Vorsitz des Berliner Verlegers Lothar C. Poll. Auch die Journalistin Marianne Heuwagen war maßgeblich beteiligt: Da sie selbst acht Jahre in Los Angeles gelebt hatte, Marta Feuchtwanger persönlich kannte und viele weitere Kontakte in Los Angeles hatte, war sie eine wichtige Hilfe bei der Rettung und dem Aufbau der Institution.[3] Der Bundestag sagte noch 1988 Gelder zu. Schließlich wurde das baufällige Gebäude für 1,9 Millionen Dollar von der USC gekauft. Nach zahlreichen widrigen Umständen gelang es, das Haus gründlich zu sanieren; die Stiftung Deutsche Klassenlotterie in Berlin sicherte den Unterhalt für die ersten Jahre. Unterstützt wird die Villa heute vom Auswärtigen Amt und dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.[3]
Die Idee des lebendigen Kulturaustauschs zwischen Deutschland und den USA ist das vorrangige Ziel der Villa Aurora.
1995 wurde die Villa Aurora offiziell als Künstlerresidenz in Los Angeles eröffnet. Schwerpunkt der Arbeit ist seither das Stipendiatenprogramm Artists in Residence. Jährlich werden bis zu 16 Arbeitsstipendien an Künstler aus den Bereichen Bildende Kunst, Komposition, Film und Literatur vergeben. Voraussetzung für den Aufenthalt in Los Angeles ist ein Bewerbungsverfahren, bei dem die zukünftigen Stipendiaten von einer unabhängigen Jury ausgewählt werden.
Während der Zeit des Aufenthalts organisiert die Villa Aurora für die Künstler unter anderem Lesungen, Konzerte, Ausstellungen und Filmvorführungen. Die Villa Aurora hilft auch bei der Vernetzung mit anderen kulturellen Institutionen vor Ort.
Außerdem vergibt die Villa Aurora in enger Zusammenarbeit mit der USC Feuchtwanger Memorial Library alljährlich die „Feuchtwanger Fellowship“, ein bis zu zehnmonatiges Stipendium für Schriftsteller und Journalisten, in deren Heimatland keine freie Meinungsäußerung möglich ist oder die dort verfolgt werden.
Villa Aurora – Berlin Office
Träger der Villa sind zwei gemeinnützige Organisationen: der „Villa Aurora & Thomas Mann House e. V.“ mit Sitz in Berlin und die „Friends of Villa Aurora Inc“ mit Sitz in Los Angeles.
Der Villa Aurora & Thomas Mann House e. V. eröffnete 1996, damals unter dem Namen Kreis der Freunde und Förderer der Villa Aurora e. V., ein Büro in Deutschland, das als Koordinationsstelle zwischen Los Angeles und Berlin fungieren sollte.
Neben der Stipendienvergabe und der Verwaltung der Gesamtfinanzierung organisiert das Berlin Office Programme und Publikationen mit ehemaligen Stipendiaten, in denen der Öffentlichkeit in Deutschland Ergebnisse aus den Aufenthalten in Los Angeles präsentiert werden. Darüber hinaus richtet das Berlin Office Veranstaltungen aus, die aktuelle Debatten zum transatlantischen Dialog thematisieren und die Erinnerung an die Geschichte des Exils wachhalten. Zu den regelmäßigen Veranstaltungen zählen unter anderen die jährliche Villa Aurora & Thomas Mann House Nacht, zu der alle ehemaligen und kommenden Stipendiaten sowie Gäste aus Kultur, Politik, Wissenschaft und Medien eingeladen werden, und die Veranstaltung im Gedenken an die Geschehnisse der Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933.
Das Büro liegt in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt. Der Verein beruft die jährlichen Jurysitzungen ein, in denen die Villa-Aurora-Stipendien an Künstler und die Thomas Mann Fellowships an Intellektuelle, die sich mit den grundlegenden Fragen unserer Zeit beschäftigen, vergeben werden. Aus zahlreichen Einsendungen wählen Experten der jeweiligen Sparten nach intensiven Diskussionen die Stipendiaten und Fellows für das Folgejahr aus. Für die ausgewählten Stipendiaten ist das Berlin Office der erste Anlaufpunkt: Hier werden die Projekte und Vorhaben besprochen und erste Kontakte zu Partnern in Los Angeles hergestellt.[5]
20 Jahre Villa Aurora
Anlässlich des 20. Jahrestags des Bestehens der Villa Aurora als deutsche Kulturinstitution in den USA wurde vom 12. bis 28. Juni 2015 unter dem Titel Checkpoint California eine Veranstaltung in der Deutsche Bank Kunsthalle durchgeführt. Neben einer Ausstellung mit Exponaten von Stipendiaten der Villa wurden auch Vorträge von Stipendiaten (so von Dietrich Brüggemann, Stefan Kriekhaus, Uljana Wolf, Heinz Emigholz, Rosa von Praunheim, Steven Warwick, Veronika Kellndorfer, Steve Rowell, Felicitas Hoppe) und anderen zu ihren Arbeiten oder aktuellen Plänen gehalten. Zur Finissage diskutierte der Moderator Jörg Heiser mit den Künstlern Susan Philipsz als künftiger Stipendiatin und Christian Jankowski als ehemaligem Stipendiaten. Die Veranstaltung endete mit einer Performance der Künstler Matan Zamir, Nicola Mascia, Claudia De Serpa Soares und Jeff Wood.
Stipendiaten (Auszug)
Literatur
- Marta Feuchtwanger: An Emigre Life: Munich, Berlin, Sanary, Pacific Palisades. Interviewed by Lawrence M. Weschler. University of California, Los Angeles 1976.
- Marta Feuchtwanger: Nur eine Frau. Jahre. Tage. Stunden. Langen Müller. München Wien 1983. ISBN 3-7844-1876-7
- Manfred Flügge: Die vier Leben der Marta Feuchtwanger. Biographie. Aufbau Verlag. 2. Auflage 2008. ISBN 978-3-351-02664-6
Weblinks
Einzelnachweise
- Frido Mann: Das Weiße Haus des Exils. S. Fischer, Frankfurt am Main 2018, S. 20–21.
- Randy Young: Die Feuchtwangers in Pacific Palisades (Memento vom 12. August 2011 im Internet Archive), Villa Aurora 2002
- Marianne Heuwagen: Martas Vision. In: Kreis der Freunde und Förderer der Villa Aurora (Hrsg.): 10 Jahre Villa Aurora. 1995–2005. Berlin 2005. ISBN 3-937904-34-4
- Die Villa Aurora heute – Künstlerhaus (Memento vom 16. Dezember 2011 im Internet Archive)
- Berlin Office – VATMH (de). Abgerufen am 27. November 2017.
- Zur Autorin. Fatma Aydemir. In: Spiegel Online. 17. Februar 2019, abgerufen am 18. Februar 2019.