Treis an der Lumda
Treis an der Lumda ist ein Stadtteil von Staufenberg im mittelhessischen Landkreis Gießen.
Treis an der Lumda Stadt Staufenberg | |
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Höhe: | 190 m ü. NHN |
Fläche: | 13,63 km²[1] |
Einwohner: | 2126 (Jun. 2019)[2] |
Bevölkerungsdichte: | 156 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 1. Juli 1974 |
Postleitzahl: | 35460 |
Vorwahl: | 06406 |
Ansicht von Westen |
Geografische Lage
Treis an der Lumda liegt an beiden Ufern der Lumda am Hang des Totenberges und bildet topographisch im Lumdatal die Talenge. In West-Ost-Richtung verläuft die Landesstraße 3146 durch den Ort.
Geschichte
Mittelalter und frühe Neuzeit
Der Bereich um Treis war schon sehr früh besiedelt. Das beweisen Siedlungsplätze der Altsteinzeit unter Abris von Quarzitfelsen.
Die älteste erhaltene urkundliche Erwähnung des Ortes erfolgte unter dem Namen Treyse im Jahr 1237 in einer Kurmainzer Urkunde.[3]
In Treis an der Lumda werden im 17. Jahrhundert erstmals Juden erwähnt.
Neuzeit
Treis gehörte seit Anfang des 19. Jahrhunderts zum Kurfürstentum Hessen. Dieses unterlag als Verbündeter Österreichs 1866 im Preußisch-Österreichischen Krieg dem Königreich Preußen und wurde daraufhin von Preußen annektiert. Treis wurde allerdings bald darauf im Friedensvertrag vom 3. September 1866 von Preußen an das Großherzogtum Hessen(-Darmstadt) abgetreten.[4]
1861 lebten im Ort 72 jüdische Einwohner, die eine eigenständige jüdische Gemeinde mit eigener Begräbnisstätte bildeten. Deren Synagoge wurde 1829 erbaut und nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen.[5] Der Jüdische Friedhof ist erhalten.
Im Zuge der Gebietsreform in Hessen wurde die bis dahin selbstständige Gemeinde Treis an der Lumda kraft Landesgesetz am 1. Juli 1974 mit der Stadt Staufenberg und den Gemeinden Mainzlar und Daubringen zur neuen Stadt Staufenberg zusammengeschlossen.[6][7] Für Treis an der Lumda wurde ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung eingerichtet.[8]
Historische Namensformen
In erhaltenen Urkunden wurde Treis an der Lumda unter den folgenden Ortsnamen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[3]
- Treyse (1237) (?) [Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe 2, Nr. 271 = Gudenus, Codex diplomaticus sive anecdotorum 1 S. 544]
- Treyse juxta Lunam, in (1267) [Wyss, Urkundenbuch der Deutschordens-Ballei 1, Nr. 240]
- Treysa prope Nordeckin, in (um 1300) [XV Jh. Würdtwein, Dioecesis Moguntina 3 S. 286]
- Treysse uff der Lomme, zcu (1478) [Klosterarchive 3: Oberhessische Klöster, Band 1, Nr. 1001]
- Treis an der Lumbde [Niveaukarte Kurfürstentum Hessen 1840–1861]
Territorialgeschichte und Verwaltung im Überblick
Die folgende Liste zeigt im Überblick die Territorien, in denen Treis an der Lumda lag, bzw. die Verwaltungseinheiten, denen es unterstand:[3][9]
- 1237: Gericht Treis, Grafschaft Ruchesloh
- 14. Jahrhundert und später: Gericht Treis.
- 1577: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen, Adliges Dorf im Amt Allendorf/Lumba
- ab 1648 Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen-Kassel, Amt Marburg, Gericht Treis
- ab 1786: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen-Kassel, Amt Treis an der Lumbde
- ab 1806: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Amt Treis an der Lumbde
- 1807–1813: Königreich Westphalen, Departement der Werra, Distrikt Marburg, Kanton Ebsdorf
- ab 1815: Deutscher Bund, Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Amt Treis an der Lumbde[10]
- ab 1821: Deutscher Bund, Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Marburg[11]
- ab 1848: Deutscher Bund, Kurfürstentum Hessen, Bezirk Marburg
- ab 1851: Deutscher Bund, Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Marburg
- ab 1867: Norddeutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Gießen
- ab 1871: Deutsches Reich, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Gießen
- ab 1918: Deutsches Reich, Volksstaat Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Gießen
- ab 1945: Amerikanische Besatzungszone, Groß-Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Gießen
- ab 1949: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Gießen
- am 1. Juli 1974 Neubildung der Stadt Staufenberg aus den Ortsteilen Daubringen, Mainzlar, Staufenberg und Treis an der Lumda
- ab 1977: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Lahn-Dill-Kreis
- ab 1979: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Gießen
- ab 1981: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Gießen, Landkreis Gießen
Materielles Recht
In Treis galt im 19. Jahrhundert kurhessisches Recht. Dieses behielt seine Geltung auch während der Zugehörigkeit des Ortes zum Großherzogtum Hessen ab 1866.[12] Es wurde erst zum 1. Januar 1900 von dem einheitlich im ganzen Deutschen Reich geltenden Bürgerlichen Gesetzbuch abgelöst.
Gerichtsverfassung
Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung (1807–1813 und endgültig 1822) sind die Ämter neben der Verwaltung für die Rechtsprechung (meist Niedere Gerichtsbarkeit bzw. Erste Instanz) zuständig. Mit Edikt vom 29. Juni 1821 wurden in Kurhessen Verwaltung und Justiz getrennt. Nun waren Justizämter für die erstinstanzliche Rechtsprechung zuständig, die Verwaltung wurde von Kreisen übernommen. Der Kreis Marburg war für die Verwaltung und das Justizamt Fronhausen war als Gericht in erster Instanz für Treis zuständig. Das Oberste Gericht war das Oberappellationsgericht in Kassel. Untergeordnet war das Obergericht Marburg für die Provinz Oberhessen. Es war die zweite Instanz für die Justizämter.[13] In Treis wurde ein Assistenzamt eingerichtet, das 1833 als eigenständiges Justizamt Treis ausgegliedert wurde und für Nordeck zuständig war.
Im Großherzogtum Hessen gehörte Treis zum Bezirk des Landgerichts Gießen. Das Deutsche Gerichtsverfassungsgesetz von 1879 führte zu einer einheitlichen Gerichtsorganisation im ganzen Reich. Das Hofgericht Gießen wurde nun als „Landgericht Gießen“ zur übergeordneten „Zweiten Instanz“ in der Provinz Oberhessen, während die Gerichte erster Instanz in Amtsgericht umbenannt wurden.
In der Bundesrepublik Deutschland sind die übergeordneten Instanzen das Landgericht Gießen, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sowie der Bundesgerichtshof als letzte Instanz.
Einwohnerstruktur
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in „Treis an der Lumda“ 2061 Einwohner. Darunter waren 105 (5,1 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 333 Einwohner unter 18 Jahren, 849 zwischen 18 und 49, 459 zwischen 50 und 64 und 417 Einwohner waren älter.[14] Die Einwohner lebten in 942 Haushalten. Davon waren 309 Singlehaushalte, 267 Paare ohne Kinder und 276 Paare mit Kindern, sowie 81 Alleinerziehende und 12 Wohngemeinschaften. In 216 Haushalten lebten ausschließlich Senioren/-innen und in 627 Haushaltungen leben keine Senioren/-innen.[14]
Einwohnerzahlen
Treis an der Lumda: Einwohnerzahlen von 1834 bis 2019 | ||||
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Jahr | Einwohner | |||
1834 | 1.171 | |||
1840 | 1.201 | |||
1846 | 1.252 | |||
1852 | 1.266 | |||
1858 | 1.218 | |||
1864 | 1.245 | |||
1871 | 1.085 | |||
1875 | 1.073 | |||
1885 | 1.052 | |||
1895 | 1.086 | |||
1905 | 1.168 | |||
1910 | 1.179 | |||
1925 | 1.209 | |||
1939 | 1.327 | |||
1946 | 1.906 | |||
1950 | 1.924 | |||
1956 | 1.779 | |||
1961 | 1.871 | |||
1967 | 1.948 | |||
1980 | ? | |||
1990 | ? | |||
2000 | ? | |||
2011 | 2.061 | |||
2016 | 2.055 | |||
2019 | 2.062 | |||
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: LAGIS[3]; Stadt Staufenberg[15]; Zensus 2011[14] |
Religionszugehörigkeit
• 1961: | 1486 evangelische, 372 römisch-katholische Einwohner[3] |
Erwerbstätigkeit
• 1961: | Erwerbspersonen: 238 Land- und Forstwirtschaft, 488 Prod. Gewerbe, 106 Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, 122 Dienstleistungen und Sonstiges.[3] |
Wappen
Am 26. August 1970 wurde der Gemeinde Treis an der Lumda ein Wappen mit folgender Blasonierung verliehen: In Silber unter einem roten Schildhaupt ein mit einem silbernen Kirchturm belegter roter Pfahl, beseitet von je drei schwarzen in der Spitze einander zugeordneten Herzen.[16]
Kulturdenkmäler
- Die Kirche wurde im 13. Jahrhundert mit einem südlichen Flankenturm errichtet und vereint romanische mit gotischen Elementen.
- Am linken Flussufer liegt die Burg Ellhaus (Burg Milchling), die 1679 erweitert wurde.
- Am rechten Ufer steht ein burgartig befestigter Hof, die Burg Treis, genannt „Burg am Wasser“, mit Ringmauer, Eckturm und Rundturm. Der Bau war später Amthaus und Sitz des bis 1866 bestehenden Justizamtes Treis.
- Die alte Försterei war vormals das Verwaltungsgebäude der Adelsfamilie Schutzbar genannt Milchling.
Verkehr
Der Ort Treis hatte einen Bahnhof an der Lumdatalbahn (Lollar-Grünberg), die 1902 erbaut und im Personennahverkehr am 30. Mai 1981 stillgelegt wurde. Derzeit ist eine Reaktivierung der Bahnstrecke mit einem Haltepunkt in Treis geplant. Seit den 1970er Jahren besteht außerdem ein Busanschluss über Staufenberg und Lollar (mit Anschluss an die Main-Weser-Bahn) nach Gießen; heute (Stand 2022) wird diese Strecke von der Buslinie 371 des Rhein-Main-Verkehrsverbundes bedient, die von Londorf nach Gießen verkehrt.
Durch Treis verläuft der Radwanderweg Lumda-Wieseck, der in Lollar Anschluss an den Lahntalradweg hat.[17]
Persönlichkeiten
- Wolfgang Schutzbar genannt Milchling (um 1530–1567), von 1558 bis 1567 Fürstabt der Reichsabtei Fulda
- Wilhelm Butte (1772–1833), Gymnasiallehrer, Prinzenerzieher, Pfarrer, Professor für Statistik, königlich preußischer Regierungsrat
- Hermann Friedrich Kessler (1816–1897), Lehrer und Naturforscher
- Heinrich Will[18] (1895–1943), Kunstmaler
- Thomas Hettche (* 1964), Schriftsteller
Literatur
- Literatur über Treis an der Lumda nach Stichwort nach GND In: Hessische Bibliographie
- Suche nach Treis, Lumda im Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
- Suche nach Treis an der Lumda In: Archivportal-D der Deutschen Digitalen Bibliothek
Weblinks
- Geschichte Stadtteil Treis an der Lumda. In: Webauftritt. Stadt Staufenberg
- Treis an der Lumda, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Historische Fotos aus „Treis an der Lumda“. In: Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg.
Einzelnachweise
- „Zahlen Daten Fakten“ (Memento vom 1. Dezember 2017 im Internet Archive) In: Webauftritt der Stadt Staufenberg, abgerufen im Januar 2017.
- Haushaltsplan 2020, Vorbericht: Bevölkerungsentwicklung In: Webauftritt der Stadt Staufenberg, abgerufen im Juli 2021.
- Treis an der Lumda, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 3. Januar 2017). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Art. 15, Nr. 4 des Friedensvertrages, abgedruckt bei: Ernst Rudolf Huber: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte 2 = Deutsche Verfassungsdokumente 1851–1900. 3. Aufl., Stuttgart 1986. ISBN 3-17-001845-0, Nr. 192, S. 260ff.
- Treis an der Lumda (Stadt Staufenberg/Hessen, Kreis Gießen) – Jüdische Geschichte / Synagoge auf www.alemannia-judaica.de
- Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Biedenkopf und Marburg und der Stadt Marburg (Lahn) (GVBl. II 330-27) vom 12. März 1974. In: Der Hessische Minister des Innern (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1974 Nr. 9, S. 154, § 2 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 3,0 MB]).
- Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 365.
- Hauptsatzung. (PDF; 27 kB) § ? In: Webauftritt. Stadt Staufenberg, abgerufen im Juli 2021.
- Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006 .
- Kur-Hessischer Staats- und Adress-Kalender: 1818. Verlag d. Waisenhauses, Kassel 1818, S. 121–123 (online bei Google Books).
- Übersicht der neuen Abtheilung des Kurfürstenthums Hessen nach Provinzen, Kreisen und Gerichtsbezirken. Sammlung von Gesetzen etc. für die kurhessischen Staaten. Jahr 1821 – Nr. XV. – August. (kurhess GS 1821) S. 73 f.
- Arthur B. Schmidt: Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen. Curt von Münchow, Giessen 1893, S. 104, 46 und beiliegende Karte.
- Neueste Kunde von Meklenburg/ Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und den freien Städten, aus den besten Quellen bearbeitet. im Verlage des G. H. G. privil. Landes-Industrie-Comptouts., Weimar 1823, S. 158 ff. (online bei HathiTrust’s digital library).
- Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,0 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 9 und 48 .
- Einwohnerzahlen der Stadt Staufenberg: 2016, 2019
- Genehmigung eines Wappens der Gemeinde Treis an der Lumda, Landkreis Gießen vom 26. August 1970. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1970 Nr. 37, S. 1785, Punkt 1671 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 3,9 MB]).
- Radwanderweg Lumda-Wieseck bei www.giessener-land.de
- Deutsche Nationalbibliothek. Abgerufen am 10. Juni 2016.