Theater an der Ruhr
Das Theater an der Ruhr wurde 1980 von dem italienischen Regisseur Roberto Ciulli und dem Dramaturgen Helmut Schäfer als gGmbH in Mülheim an der Ruhr gegründet. Die Stadt Mülheim wurde ebenfalls Gesellschafter der gGmbH. Das Theater wird bei einem Etat von 3,6 Mio. EURO jährlich zu 50 % subventioniert und zu 50 % durch die Einnahmen des Theaters finanziert. Sein Konzept bedeutet eine künstlerische und wirtschaftliche Alternative zum herkömmlichen Modell kommunaler Bühnen.
Spielorte sind seit 1980 die Mülheimer Stadthalle und seit Dezember 1981 das Kurhaus im Solbad im Raffelbergpark an der Stadtgrenze Mülheims zu Duisburg. In den 1990er-Jahren gastierte das Theater an der Ruhr während einer Renovierung des Solbades im Ringlokschuppen Mülheim.
Das Theater an der Ruhr verleiht alle 2 Jahre den Gordana-Kosanović-Schauspielerpreis. Am 2. Juli 2012 wurde das umfangreiche Archiv des Theaters (Fotografien, Programmhefte, Plakate und Inszenierungsdokumente) offiziell an die Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität zu Köln übergeben und damit öffentlich zugänglich gemacht.[1]
2021 wurde das Theater als eines von 11 Theatern mit dem Theaterpreis des Bundes ausgezeichnet. Die Würdigung war mit einem Preisgeld von 75.000 Euro verbunden.[2]
Geschichte
1981 wurde das Theater an der Ruhr von Roberto Ciulli, Helmut Schäfer und Gralf-Edzard Habben gegründet. Die erste Premiere war Lulu von Frank Wedekind im November 1981. Schon im ersten Jahr beginnt eine Kooperation mit der Freien Volksbühne in Berlin und jede Inszenierung wird so konzipiert, dass das Bühnenbild von Gralf-Edzard Habben in einen LKW-Container passt und somit kostengünstig auf Tournee gehen kann. Die Tourneen wurden auch schnell der Haupteinnahmenfaktor des Theaters.
1982 wurde das Theater an der Ruhr zu Gastspielen mit ihren Inszenierungen Gott und Tod an der Freien Volksbühne Berlin eingeladen.
1988 wurde es von der Fachzeitschrift Theater heute zum Theater des Jahres gewählt.
Das Theater auf Reisen im Ausland
Einen großen Stellenwert haben die Auslandskontakte des Theaters. 1983 erhielt das Theater an der Ruhr die erste Einladung ins Ausland auf das Theaterfestival in Parma (Italien) mit der Inszenierung des Sommernachtstraums von William Shakespeare. Ebenfalls 1983 fährt das Theater mit dem Sommernachtstraum nach Zagreb und die Inszenierung wird vom jugoslawischen Fernsehen aufgezeichnet. Die entstandenen Kontakte sorgen dafür, dass das Theater an der Ruhr 1985 das erste bundesdeutsche Theater sein wird, das in Jugoslawien auf Tournee geht und die jugoslawische Schauspielerin Gordana Kosanovic wird Ensemblemitglied in Mülheim. Obwohl sie sich Deutschkenntnisse erst aneignen muss, spielt sie dennoch Hauptrollen in Die Möwe und Lulu.
Wichtige weitere Auslandstourneen: 1988 in Polen, 1990 in der Türkei, 1992 in Südamerika, 1994 wieder in der Türkei und erstmals in Russland, 1996 in Schweden, 2001 in Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan und Turkmenistan, sowie 2012 Kurdistan.
Einladungen zu Theaterfestivals 1997 in Belgrad, 1998 in Bogotá (Kolumbien) und 1999, 2000, 2001 und 2004 in Teheran (Iran), wobei das Theater an der Ruhr das erste westliche Theater überhaupt war, das nach der islamischen Revolution im Iran auftrat. Im Januar 2006 war das Theater erneut mit den Produktionen Dantons Tod und König Lear in Teheran Gast beim Theaterfestival.
Welt zu Gast im Theater an der Ruhr
Das Theater an der Ruhr organisierte zahlreiche Festivals in den letzten 20 Jahren, an denen sich Länder mit ihrer Theaterarbeit vorstellen konnten. Außerdem gab es dem Roma-Theater Pralipe ein Asyl, als es im vom Bürgerkrieg zerstörten Jugoslawien nicht mehr arbeiten konnte. Seitdem zeigte das einzige Roma-Theater der Welt unter der Leitung von Rahim Burhan zahlreiche Inszenierungen im Theater im Raffelbergpark, u. a. mit Othello und Romeo und Julia Shakespeareübersetzungen in Romanes.
Das Theater an der Ruhr wurde bereits einmal von den deutschsprachigen Kritikern und dem Magazin Theater heute zum Theater des Jahres gewählt und war Gast beim Berliner Theatertreffen. Regelmäßig beteiligt es sich zudem am ergänzenden Schauspielprogramm im ansonsten von der Deutschen Oper am Rhein bespielten Duisburger Stadttheater.
Eine bedeutende Rolle spielte das Theater an der Ruhr für die Fortentwicklung des „Migrantentheaters“ außerhalb Berlins in den 80er Jahren, insbesondere für das Türkisch-deutsche Theater (vgl. Erol M. Boran: Die Geschichte des Türkisch-deutschen Theaters und Kabaretts).
Wichtige Inszenierungen
Regie führte jeweils Roberto Ciulli:
- Lulu von Frank Wedekind (1981)
- Der Zyklop von Euripides (1981)
- Ein Sommernachtstraum von William Shakespeare (1982)
- Gott von Woody Allen (1982)
- Die Möwe von Anton P. Tschechow (1984)
- Dantons Tod von Georg Büchner (1986), (2004) und (2008)
- Tote ohne Begräbnis von Jean-Paul Sartre (1987)
- Der kroatische Faust von Slobodan Šnajder (1987)
- Kaspar von Peter Handke (1987)
- Die Bakchen von Euripides (1988)
- Warten auf Godot von Samuel Beckett (1989)
- Der Diener zweier Herren von Carlo Goldoni (1994)
- Titus Andronicus von William Shakespeare (2002)
- Die Wände von Jean Genet (2003)
- Es geht immer besser, besser - immer besser ... Ein Tanzvergnügen von Ödön von Horváth (2004)
- Dona Rosita von Federico García Lorca (2005)
- König Lear von William Shakespeare (2006)
- Der Hausschrat von Wilhelm Genazino (Uraufführung 13. Februar 2007)
- Verrückt von Eduardo De Filippo (Premiere am 13. Dezember 2007)
- Diese Gespenster von Eduardo De Filippo (Premiere am 14. Dezember 2007)
- Die Kunst der Komödie von Eduardo De Filippo (Premiere am 15. Dezember 2007)
- Die Treppe nach Oben/Stairs to the Roof von Tennessee Williams (Deutsche Erstaufführung 27. November 2008)
- FASSBINDER (Nur eine Scheibe Brot/Der Müll, die Stadt und der Tod/Blut am Hals der Katze) von Rainer Werner Fassbinder (2009)
- Sirenengesang von Péter Nádas (2010)
- KAOS nach Novellen von Luigi Pirandello (2011)
- Verbrechen von Luigi Pirandello (2011)
- Immer noch Sturm von Peter Handke (2012)
- Woyzeck von Georg Büchner (2012)
In der Regie von Thomaspeter Goergen, seit 2004 Regiemitarbeiter von Roberto Ciulli, seit 2007 Regisseur am Haus:
- Die Unterrichtsstunde (La Leçon) von Eugène Ionesco (Premiere 2. Februar 2007)
- Der Vater von August Strindberg (Premiere 4. April 2008)
- Helden von Ewald Palmetshofer (Uraufführung 20. März 2009)
- Das Liebekonzil nach Oskar Panizza und Heinrich Lautensack (Premiere 15. September 2010)
In der Regie von Simone Thoma, seit 1993 Schauspielerin am Haus:
- Traumnovelle von Arthur Schnitzler (Premiere am 16. Dezember 2010)
In der Regie von Karin Neuhäuser:
- Was ihr wollt von William Shakespeare (Premiere am 21. September 2011)
- Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück von Gotthold Ephraim Lessing (2012)
In der Regie von Friederike Felbeck, Regisseurin, von 1995 bis 2000 Regiemitarbeiterin am Haus,
- Schweinestall von Pier Paolo Pasolini (Premiere am 13./14. September 2000)
- Marie und Bruce von Wallace Shawn (Premiere am 15. Dezember 2001)
Jugendförderung
Das Theater an der Ruhr hat einen Jugendclub („Junges Theater an der Ruhr“). Der Jugendclub wird vom Theater gefördert und unterstützt, er unterteilt sich, zurzeit, in vier Subgruppen, die insgesamt das Junge Theater bilden. Das Altersspektrum reicht hier von 13 bis 21 Jahren.
Zur Begrifflichkeit „Junges Theater“ werden auch professionelle Stücke gezählt, die von jungen Schauspielern für junge Zuschauer gemacht sind; dies differenziert sich von der ursprünglichen Bedeutung „Junges Theater an der Ruhr“.
Literatur
- Heinz-Norbert Jocks: Moderne und Mythos. Das Spiel um Kunst und Leben. Eine Liebeserklärung an das Theater an der Ruhr Theater Heute, Heft 6 Juni 1988, S. 4–11, Berlin 1988, ISSN 0040-5507.
- Frank Raddatz: Botschafter der Sphinx: Zum Verhältnis von Ästhetik und Politik am Theater an der Ruhr. Theater der Zeit, Berlin 2006, ISBN 978-3-934344-76-1.
- Alexander Wewerka, Jonas Tinius (Hrsg.): Der fremde Blick – Roberto Ciulli und das Theater an der Ruhr. Gespräche, Texte, Fotos, Material. Zwei Bände. Alexander Verlag, Berlin, 2020, ISBN 978-3-89581-491-4
Weblinks
- Theater an der Ruhr
- Clowns in der Nacht, Film zu Ciullis Regiearbeit
- Augenblick Polen, Film zur Gastspielreise in Polen
- Filmtheatertrailer bei crew united
Einzelnachweise
- http://www.wdr3.de/kulturnachrichten/details.html?tx_ttnews%5Btt_news%5D=29924&cHash=fe8a785127fd42005bacf12e6d021175@1@2Vorlage:Toter+Link/www.wdr3.de (Seite+nicht+mehr+abrufbar,+Suche+in+Webarchiven) Datei:Pictogram+voting+info.svg Info:+Der+Link+wurde+automatisch+als+defekt+markiert.+Bitte+prüfe+den+Link+gemäß+Anleitung+und+entferne+dann+diesen+Hinweis.+
- Theaterpreis des Bundes 2021. In: iti-germany.de. Abgerufen am 6. Juli 2021.