Tangeit
Tangeit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“. Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung CaCu[OH|VO4][2] und ist damit chemisch gesehen ein Calcium-Kupfer-Vanadat mit zusätzlichen Hydroxidionen. Viele Tangeit-Mineralproben enthalten zudem noch geringe Mengen adsorbiertes Wasser.[5]
Tangeit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Andere Namen |
Calciovolborthit[1] |
Chemische Formel | CaCu[OH|VO4][2] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Phosphate, Arsenate und Vanadate |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
8.BH.35 (8. Auflage: VII/B.26) 41.05.01.06 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | orthorhombisch |
Kristallklasse; Symbol | orthorhombisch-disphenoidisch; 222 |
Raumgruppe | P212121 (Nr. 19) |
Gitterparameter | a = 7,43 Å; b = 9,35 Å; c = 5,84 Å[2] |
Formeleinheiten | Z = 4[2] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 3,5 |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 3,75; berechnet: [3,84][3] |
Spaltbarkeit | vollkommen nach {010}, gut nach {001}[3] |
Bruch; Tenazität | spröde |
Farbe | hellgrün bis dunkelgrün, olivgrün, gelblichgrün, grau |
Strichfarbe | hellgelblichgrün[4] |
Transparenz | durchsichtig |
Glanz | Glasglanz, auf Spaltflächen Perlglanz |
Kristalloptik | |
Brechungsindizes | nα = 2,010[4] nβ = 2,050[4] nγ = 2,090[4] |
Doppelbrechung | δ = 0,080[4] |
Optischer Charakter | zweiachsig negativ |
Achsenwinkel | 2V = 83° (gemessen), 88° (berechnet)[4] |
Tangeit entwickelt schuppige, kurzprismatische oder blättrige bis dünntafelige Kristalle mit bis zu drei Millimetern Länge und spitzwinkligen Enden, die oft in rosettenförmigen Mineral-Aggregaten angeordnet sind. Er findet sich aber auch in Form traubiger bis kugeliger, faseriger oder massiger Aggregate und krustiger Überzüge. Die durchsichtigen Kristalle sind von hell- bis dunkelgrüner, gelblichgrüner oder grauer Farbe und zeigen auf den Oberflächen einen glasähnlichen Glanz.
Mit Konichalcit bildet Tangeit eine lückenlose Mischkristallreihe.
Etymologie und Geschichte
Erstmals entdeckt wurde Tangeit in der sogenannten Glavnaya-Ader (russisch главная жила glawnaja schila), einer Kupfer-Vanadium-Uran-Lagerstätte bei Tyuya-Muya (Tyuya-Muyun) im Gebiet Osch in Kirgisistan und beschrieben 1925 durch Alexander Jewgenjewitsch Fersman, der das Mineral nach seiner ersten Fundstätte (Typlokalität) in der Tangeschlucht innerhalb des Ferghanatals benannte.
Das Typmaterial des Minerals wird im Mineralogischen Museum "Alexander Fersman" an der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau (Katalog-Nr. m6065, m6066 und m6068) aufbewahrt.[3]
Teilweise wird als Synonym für Tangeit die Bezeichnung Calciovolborthit verwendet, allerdings ist die genaue Identität der Zusammensetzung des ursprünglich von Heinrich Credner 1848 als Kalkvolborthit[6] benannten und in Friedrichroda in Thüringen zusammen mit Volborthit entdeckten Materials zweifelhaft. Da es sich beim Calciovolborthit ebenso um Tangeit wie um Vésigniéit handeln könnte, wurde der Mineralname 2006 von der CNMNC zusammen mit vielen anderen endgültig diskreditiert.[7]
Klassifikation
Bereits in der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Tangeit zur Abteilung der „Wasserfreien Phosphate mit fremden Anionen F, Cl, O, OH“, wo er zusammen mit Adelit, Austinit, Duftit, Gabrielsonit, Gottlobit, Cobaltaustinit, Konichalcit und Nickelaustinit die „Adelit-Gruppe“ mit der System-Nr. VII/B.26 bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz'schen Mineralsystematik ordnet den Tangeit ebenfalls in die Abteilung der „Phosphate usw. mit zusätzlichen Anionen; ohne H2O“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen und dem Stoffmengenverhältnis der zusätzlichen Anionen (OH usw.) zum Phosphat-, Arsenat- bzw. Vanadatkomplex (RO4), so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit mittelgroßen und meist großen Kationen; (OH usw.) : RO4 = 1 : 1“ zu finden ist, wo es zusammen mit Adelit, Arsendescloizit, Austinit, Cobaltaustinit, Duftit, Gabrielsonit, Gottlobit, Konichalcit und Nickelaustinit die „Adelitgruppe“ mit der System-Nr. 8.BH.35 bildet.
Auch in der vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchlichen Systematik der Minerale nach Dana ist Tangeit bei den „Wasserfreien Phosphaten etc., mit Hydroxyl oder Halogen“ in der „Adelitgruppe“ mit der System-Nr. 41.05.01 innerhalb der Unterabteilung der „Wasserfreien Phosphate etc., mit Hydroxyl oder Halogen mit (AB)2(XO4)Zq“ zu finden.
Kristallstruktur
Tangeit kristallisiert orthorhombisch in der Raumgruppe P212121 (Raumgruppen-Nr. 19) mit den Gitterparametern a = 7,43 Å; b = 9,35 Å; c = 5,84 Å sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[2]
Bildung und Fundorte
Tangeit bildet sich als Sekundärmineral in Sandstein und in der Oxidationszone vanadiumhaltiger Lagerstätten. Als Begleitminerale können unter anderem Baryt, Calcit, Chalkopyrit, Chalkosin, Chrysokoll, gediegen Kupfer, Malachit, Neotokit, Pyrit, Pyrobelonit, Quarz, Rhodonit und Tyuyamunit sowie das Brauneisenerz Limonit auftreten.[3]
Als seltene Mineralbildung konnte Tangeit nur an wenigen Fundorten nachgewiesen werden, wobei bisher (Stand 2015) rund 50 Fundorte[8] als bekannt gelten. Neben seiner Typlokalität, der Glavnaya-Ader, und der nahe gelegenen Zelenaya-Höhle bei Tyuya-Muya (Tyuya-Muyun) trat das Mineral in Kirgisistan am Berg Kara-Chagyr etwa 38 km südöstlich von Fargʻona (Fergana) und damit im kirgisischen Teil des Ferghanatal zutage.
In Deutschland konnte Tangeit unter anderem in der Grube „Floßberg“ bei Bad Lauterberg im Harz in Niedersachsen; am Nickenicher Weinberg (Sattelberg), im Tagebau „Kahlenberg“ (Auf'm Kopp) bei Oberstadtfeld und im Steinbruch „Caspar“ am Ettringer Bellerberg in der rheinland-pfälzischen Vulkaneifel; an der Südwestküste der Insel Helgoland in Schleswig-Holstein sowie in der Grube „Glückstern“ am Berg Gottlob bei Friedrichroda in Thüringen gefunden werden.
In Österreich fand man das Mineral bisher nur in den Kalksteinbrüchen „Dullinger“ (Nr. 21) und „Lienbach“ (Nr. 22b) in der Salzburger Gemeinde Adnet.
Weitere Fundorte liegen unter anderem in Australien, Chile, Italien, Kanada, Mexiko, Namibia, Russland, im Vereinigten Königreich (UK) und in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[9]
Siehe auch
Literatur
- K. Nenadkewitch, P. Volkov: La tanguéite - nouvell espèce minérale des mines de Tjuja Moujoun en Ferghana. In: Comptes Rendus (Doklady) de l’Académie des Sciences de l’URSS. 1926, S. 43–46 (rruff.info PDF; 188,9 kB, russisch)
Weblinks
Einzelnachweise
- Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 645.
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 458.
- Tangeite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org PDF; 64,4 kB).
- Mindat – Tangeite.
- Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 632 (Erstausgabe: 1891).
- Credner: Ueber das Vorkommen des vanadinsauren Kupfers und des Mangankupfers bei Friedrichsrode am Thüringer Wald. In: Annalen der Physik. Band 150, 1848. – Pogg. Ann. 74, Halle/Leipzig, S. 546–558 eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Ernst A. J. Burke: A mass discreditation of GQN Minerals. In: The Canadian Mineralogist. Band 44, 2006, S. 1557–1560 (cnmnc.main.jp PDF; 116 kB, S. 2)
- Mindat – Anzahl der Fundorte für Tangeit.
- Fundortliste für Tangeit beim Mineralienatlas und bei Mindat