Taborkirche (Berlin-Kreuzberg)
Die evangelische Tabor-Kirche im Berliner Ortsteil Kreuzberg des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg wurde in den Jahren 1903 bis 1905 zusammen mit Gemeinde- und Pfarrhaus nach Plänen des Dombaumeisters Ernst Schwartzkopff errichtet. Die Kirche steht unter Denkmalschutz. Die Gemeinde der Taborkirche gehört zum Kirchenkreis Berlin Stadtmitte (KKBS) der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO).
Geschichte
Die Petrikirche ist die älteste Kirche des Kirchenkreises Kölln-Stadt, dem Tabor angehört. Von Petri zweigte sich 1694 die Sebastianskirche ab, die seit 1862 Luisenstadtkirche hieß. Von dieser wiederum wurde St. Jacobi abgeteilt, und von dieser dann die St. Thomasgemeinde. Aufgrund des Bevölkerungswachstums in Berlin wurden weitere Kirchengemeinden gegründet. Die Emmausgemeinde entstand durch Abtrennung von St. Thomas. In den folgenden Jahren wurde die Emmausgemeinde in vier Bezirke unterteilt: Emmaus-Mitte (weiterhin Emmaus), Emmaus-Süd (1904 Martha), Emmaus-Nord (1905 Tabor), Emmaus-West (1911 Ölberg). Für 168.000 Mark hatte die Berliner Stadtsynode das Grundstück Taborstraße 17 (damals: Görlitzer Ufer 30/31) erworben. Für die Kirche wurden 330.000 Mark (kaufkraftbereinigt heute: rund 2 Millionen Euro), für das Gemeindehaus 63.000 Mark ausgegeben.
Die Taborkirche wurde zwischen 1903 und 1905 unter der Regie der Emmausgemeinde erbaut. Entwurf und Leitung der Bauausführung übernahm der königliche Baurat und Dombaumeister Ernst Schwartzkopff, sowie nach dessen Tod der königliche Baurat Adolf Bürckner. Die Grundsteinlegung erfolgte am 1. Juni 1903. Am 20. Dezember 1905 wurde sie mit einem Festgottesdienst in Anwesenheit des Kaiserpaares eingeweiht. Damals hatte Tabor 22.695 Gemeindeglieder. Das Umpfarrungsdekret vom Dezember 1905 machte Tabor am 1. Februar 1906 dann zur selbstständigen Gemeinde.
Das Kirchengebäude war nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht stark zerstört, der Innenraum fast vollständig erhalten. Bereits am 6. Mai 1945 fand der erste Gottesdienst statt. Zunächst wurden die größten Schäden am Dach provisorisch beseitigt. Allerdings wurde erst im September 1958 die vollständige Renovierung der Kirche gefeiert. Der ehemals 71 Meter hohe Turm hat über der oberen oktogonalen Glockenstube seit 1945 keinen Helm mehr. Er musste nach einem Bombenangriff wegen Beschädigung abgetragen werden.
Gebäude
Der mit roten Ziegeln verblendete Mauerwerksbau ist in Stilelementen der märkischen Backsteingotik des 14. Jahrhunderts ausgeführt. Die asymmetrische Fassade, mit Putzblenden und einem übergiebelten Mittelteil versehen, wird von einem hohen Glockenturm und einem kleineren Treppenturm flankiert. Unmittelbar an die Kirche grenzen Wohnhäuser. Vom ursprünglich dreiteiligen Haupteingang, der über eine Freitreppe zu erreichen ist, wurden die seitlichen Portale durch Mauerwerk verschlossen. Von der ehemaligen Portalvorhalle wurden zwei Räume abgetrennt.
Der Kircheninnenraum ist geprägt durch ein zentrales Sterngewölbe mit kreisrundem Oberlicht. Die ehemaligen fünf großen Altarfenster in der Apsis wurden Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört. Sie zeigten unter anderem die Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor. Die Wandgemälde in den beiden seitlichen Emporen sind dagegen erhalten. Ein Bild von den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus veranschaulicht die Zusammengehörigkeit mit der Muttergemeinde.
Die von der Berliner Orgelbauanstalt Gebrüder Dinse hergestellte Orgel ist heute noch intakt. Im Ersten Weltkrieg wurden die zinnernen Orgelpfeifen Prospekt zur Munitionsherstellung verwendet. Sie wurden erst 1922 ersetzt. Im Laufe der Zeit erfolgten weitere Umbauten.
Das Dreiklanggeläut der Glocken ist bis heute vollständig erhalten, gegossen 1905 vom Bochumer Verein. Das Geläut in der Glockenstube mit quadratischem Grundriss (4 m Seitenlängen) kostete in der Herstellung samt Klöppeln, Lager, Achsen und Läutehebel 5.363 Mark[1] (kaufkraftbereinigt in heutiger Währung: rund 35.800 Euro).
Größe | Schlagton | Gewicht (kg) | unterer Durchmesser (mm) | Höhe (mm) | Inschrift |
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größte | c | 1920 | 1673 | 1480 | EIN FESTE BURG IST UNSER GOTT. |
mittlere | es | 1230 | 1430 | 1230 | DAS WORT SIE SOLLEN LASSEN STAHN. |
kleinste | ges | 850 | 1260 | 850 | DAS REICH MUSS UNS DOCH BLEIBEN. |
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden vier große, vom Bildhauer Rhades gestaltete Ehrentafeln für die mehr als 600 Gefallenen der Gemeinde unterhalb der Seitenemporen hinzugefügt, deren Inschriften nicht frei von der Verherrlichung des Krieges sind. Im Gegensatz dazu schuf der Künstler Emil Stolterfoht nach dem Zweiten Weltkrieg ein Fenster im Kirchenvorraum, das die zerstörerische Gewalt von Kriegen deutlich macht.
Der Altar-Tisch aus rötlichem Sandstein besteht zwar noch in der ursprünglichen Substanz, allerdings ohne die beiden seitlichen Säulen aus schwarzem Serpentinstein. Das reich verzierte Altarretabel, ebenfalls aus rotem Sandstein, wurde entfernt und durch ein großes Holzkreuz ersetzt. Der hölzerne Schalldeckel der Kanzel wurde auch entfernt. Der Taufstein, ebenfalls aus schwarzem Serpentinstein, ist noch vorhanden. Eine Malerei mit Bezug auf das Taborevangelium im Bogen der Apsis ist beim Umbau verloren gegangen.
Eine erneute Umgestaltung des Innenraumes erfolgte 1992. Im Bereich unterhalb der Orgelempore wurde mittels einer Glaswand ein neuer, gut beheizbarer Raum abgetrennt, um nicht immer den gesamten Innenraum nutzen zu müssen. Die ersten Kirchenbänke wurden herausgenommen und durch mobile Bestuhlung ersetzt. Weil dort vor allem im Winter der Gottesdienst stattfinden sollte, lief zunächst das Projekt unter dem Namen Winterkirche. Es waren aber auch Veranstaltungen der unterschiedlichsten Art geplant. Nach einem Namenswettbewerb erhielt dieser Raum durch die Gemeinde den Namen Taborium, eine Zusammenziehung aus den Worten Tabor und Atrium. Die Innenumbauten des Kirchenraumes wurden 1998 nach Abtrennung des rechten Seitenschiffes durch eine Metallglaswand abgeschlossen. Dort entstanden zwei Räume für das Gemeinde- und Pfarrbüro.
Anfang 2008 wurde der Altarraum neu gestaltet. An der Wand hinter dem Altar wurde das in einer speziellen Technik angefertigte Strukturtafelbild Leuchtkreuz in der Nacht des Chemnitzer Holzkünstlers Ingo Andratschke aufgehängt. Der Untergrund ist aus Holz, aus dem die bildgebende Struktur herausgearbeitet wird. Die Oberfläche erhält so eine plastische Struktur. Um die Sicht auf das neue Altarbild nicht zu versperren, wurde das große Holzkreuz aus den 1960er Jahren durch ein kleineres ersetzt.
Die Straßenfassade besteht ist mit reichhaltigen Formen versehen, die im Wesentlichen erhalten sind. Die Planungszeichnung weicht in einigen Details von der tatsächlichen Bauausführung ab. Anstelle eines großen vielblättrigen Rosettenfensters wurde ein Achtpass mit zentralem Kreis ausgeführt.
Über dem Hauptportal befindet sich als dekoratives Element ein Mosaik mit dem Thema Verklärung Christi am Berg Tabor, das die Namensgebung der Kirche verdeutlicht. Auf der Spitze des Giebelfeldes befindet sich ein segnender Christus, vom Bildhauer Julius Wucherer geschaffen. Die darüberliegenden Geschosse des Gemeindehauses werden nach erfolgtem Dachausbau als Wohnungen und Büros genutzt.
- Kirchengebäude 1905
- Altar und Apsis
- Blick zur Orgel
- Haupteingang
Literatur
- Klaus-Dieter Wille: Die Glocken von Berlin (West). Geschichte und Inventar. Berlin 1987.
- Andrea Kleist: Tabor Annäherung an eine Gemeinde. Berlin 1992.
- Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin: Berlin und seine Bauten. Teil VI. Sakralbauten. Berlin 1997.
- Klaus-Ekkehard Gahlbeck: Die Taborkirche in Berlin-Kreuzberg und die evangelische Taborgemeinde. Berlin 2003.
- Festschrift 100 Jahre Ev. Tabor-Gemeinde. Berlin 2005.
- Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Band Berlin. München/Berlin 2006.
Weblinks
Einzelnachweise
- Zusammenstellung der nach Berlin und Umgegend gelieferten Geläute; Bochumer Verein, um 1900. Im Archiv der Köpenicker Kirche St. Josef, eingesehen am 6. August 2019.