Strassenbahn Neuenburg
Die meterspurige Strassenbahn Neuenburg ist der Strassenbahn-Betrieb der schweizerischen Stadt Neuenburg (französisch: Neuchâtel) im französischsprachigen Kanton Neuenburg. Sie besteht heute nur noch aus einer 8,85 Kilometer[1] langen Überlandstrecke, die über Auvernier sowie Colombier nach Boudry führt und von der Linie 215 bedient wird. Die dreistellige Liniennummer wurde zum Fahrplanwechsel im Dezember 2013 eingeführt, davor trug die Linie die Nummer „5“. Gleichzeitig wurde das Fahrplanfeld im nationalen Kursbuch auf 215 geändert.
Neuenburg Place Pury–Boudry | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Endhaltestelle Neuchâtel Place Pury | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Fahrplanfeld: | 215, bis 2013: 213 30d (vor 1982) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckenlänge: | 8.85 km | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1000 mm (Meterspur) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Stromsystem: | 600 Volt = | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Die Bahn gehört seit 2012 zum Verkehrsunternehmen Transports Publics Neuchâtelois SA (transN), in dem die vorherige Eigentümerin Transports en commun de Neuchâtel et environs (TN), ursprünglich Compagnie des Tramways de Neuchâtel (TN), aufging. Zu transN gehören neben dem Tram zwei weitere Schmalspurbahnen, eine Normalspurstrecke, zwei Standseilbahnen, der Trolleybus Neuenburg und der Trolleybus La Chaux-de-Fonds sowie zahlreiche Autobuslinien.
Geschichte
Überlandstrecke
Die Strecke nach Boudry samt einem circa 800 Meter[2] langen Nebenast von Areuse nach Cortaillod wurde am 16. September 1892 von der ehemaligen Gesellschaft Régional Neuchâtel–Cortaillod–Boudry (NCB) eröffnet. Ursprünglich handelte es sich um eine Dampfstrassenbahn. Der am 24. Dezember 1892 in Betrieb genommene, mit bis zu 89 Promille ansteigende Abschnitt vom Hafen zum Bahnhof Neuenburg war mit einer Zahnstange des Systems Riggenbach versehen. Er konnte von den Tramlokomotiven für gemischten Zahnrad- und Adhäsionsbetrieb befahren werden, die 1892 von Krauss (Nr. 1 „Neuchâtel“, Nr. 2 „Cortaillod“) und 1895 von Jung (Nr. 4 „Colombier“) geliefert wurden. Als reine Adhäsionsmaschinen verkehrten zudem eine Krauss-Tenderlokomotiven Nr. 3 („Boudry“) von 1892 und Nr. 5 („Auvernier“) von 1898.[3] Die Lokomotive 4 wurde 1898 auf reinen Adhäsionsbetrieb umgebaut und erhielt einen neuen Kessel von SLM. Sie konnte 1901 an die Chemins de fer Électriques de la Gruyère verkauft werden, wo sie zunächst als Baulok und bis 1929 als thermische Reserve diente.[4] Die übrigen Loks wurden 1903 ebenfalls als Bauloks verkauft.[5] Auch alle nicht mehr benötigten Wagen fanden einen Käufer.
Ab 1898 wurde die Steilstrecke mit drei elektrischen Tramwagen im Adhäsionsbetrieb befahren. 1902 erfolgte die Elektrifizierung der restlichen Strecke mit 600 Volt Gleichstrom. Nach der Fusion der beiden Tram-Gesellschaften wurde die Strecke zum Bahnhof als Linie 6 des Stadtnetzes weiter betrieben. Im Gegensatz zu den Stadtlinien, die ab 1910 sämtlich die Innenstadtschleife „Tour-de-Ville“ befuhren, erhielt die Überlandstrecke an der Place Pury eine separate Endschleife mit einem Abstellgleis und einem Verbindungsgleis zum Stadtnetz.[6] Die Zweigstrecke nach Cortaillod wurde von Areuse aus im Anschlussverkehr betrieben,[7] die Line 5b erreichte als einzige das Zentrum von Neuenburg nicht. Am 2. Juni 1984 wurde sie auf Autobusbetrieb umgestellt und wird heute von der Linie 613 bedient.
Am 28. Juni 1945 stiessen zwei Tramzüge in einer Kurve auf der eingleisigen Strecke zwischen Colombier und Auvernier zusammen. Das aus Boudry kommende Tram hatte in Colombier die Kreuzung des hauptsächlich mit Schülern besetzten, verspäteten Gegenkurses nicht abgewartet. Durch die Kollision wurden die beiden vorderen Plattformen eingedrückt und vierzig Personen zum Teil schwer verletzt. Fast genau an derselben Stelle hatte sich bereits am 30. März 1925 ein ähnlicher, allerdings weniger folgenschwerer Unfall ereignet.[8]
Seit der Anfang der 1980er Jahre erfolgten Modernisierung wird die Strecke meist Littorail genannt. Hierbei handelt es sich um eine Zusammensetzung der Begriffe Littoral (französisch für Küstenstreifen im Allgemeinen, beziehungsweise für die Küstenregion am Neuenburgersee im Speziellen) und rail (französisch für Schiene, auch im Sinne von Bahn verwendet).
1988 wurde die Endschleife an der Place Pury durch eine zweigleisige Stumpfendstelle ersetzt. Auch in Boudry, wo die Züge das Gebäude der Endstation umfahren hatten, wurde die Anlage Mitte der 1980er Jahre entsprechend verändert.[9] Die dortige Remise wurde 1983 abgerissen,[10] unweit davon entstand eine größere Wagenhalle.
Das Tram nach Boudry verkehrt heute tagsüber im starren 20-Minuten-Takt und bedient insgesamt zwölf Haltestellen, der mittlere Haltestellenabstand beträgt 805 Meter. Die Strecke ist durchgehend unabhängig vom Strassenverkehr trassiert und grösstenteils eingleisig, Ausweichen existieren in den Stationen Port de Serrières, Auvernier, Colombier und Areuse. Ähnlich einer klassischen Eisenbahnstrecke wird sie im automatischen Streckenblockverfahren betrieben und ist mit Drucktastenstellwerken ausgerüstet. Die Bahn wird mit Zweirichtungsfahrzeugen betrieben, die offizielle Reisezeit beträgt je nach Fahrtrichtung 16 beziehungsweise 18 Minuten.
Stadtstrecken
Die erste Stadtstrecke Neuenburgs – sie führte nach Saint-Blaise – ging am 16. September 1893 in Betrieb und wurde mit Gas betrieben. Aufgrund technischer Probleme mit den Gasmotorwagen wandelte man sie am 22. Dezember 1894 in eine Pferdebahn (Rösslitram) um. Hierfür beschaffte man sechs kleine leichte Wagen denen jeweils ein Pferd vorgespannt wurde. 1897 erfolgte schliesslich die Elektrifizierung. Diese erste Strecke wurde vom Unternehmen Tramway Neuchâtel–Saint-Blaise (NSB) gebaut, welches dann 1901 mit der NCB zur Compagnie des Tramways de Neuchâtel vereinigt wurde.
Das Stadtnetz wurde anschliessend weiter ausgebaut und erreichte 1926 mit 27 Kilometern Streckenlänge seine grösste Ausdehnung.[11] Zeitweise verkehrten sechs Stadtlinien, sie waren mit 1, 2, 3, 4, 6 und 7 nummeriert. In den Jahren 1940 bis 1976 ersetzte man sie sukzessive durch Trolleybusse.
Fahrzeuge
Der Neuenburger Strassenbahn standen bis 2019 zehn ausschliesslich hochflurige Fahrzeuge zur Verfügung: sechs vierachsige Triebwagen des Typs Be 4/4 mit den Nummern 501–504 (Baujahr 1981; zunächst runde Scheinwerfer) und 505–506 (Baujahr 1988; rechteckige Scheinwerfer)[12] sowie vier Steuerwagen (Bt) mit den Nummern 551 bis 554 (Baujahr 1981).[13] Diese beiden Fahrzeugtypen sind von der Generation FB 2000 der Forchbahn beziehungsweise vom «Tram 2000» der Verkehrsbetriebe Zürich abgeleitet. Die Wagenkästen stammen von Schindler, die Drehgestelle von SIG und die elektrische Ausrüstung von ABB-Sécheron.[12] Die Fahrzeuge wurden in der Zwischenzeit sukzessive ausrangiert und abgebrochen.[14]
Für die verbliebene Strecke nach Boudry stand bereits früher stets ein gesonderter Fahrzeugpark zur Verfügung, darunter auch vier 1962 gebraucht aus Genua übernommene Gelenktriebwagen, die mit der Aufstockung des Fahrzeugparks 1988 ausrangiert wurden.
Im Jahr 2018 kaufte die TransN von den Appenzellerbahnen die fünf Be 4/8, die bisher auf der Strecke von St. Gallen nach Trogen im Einsatz standen. Nach diversen Anpassungen und einer Neulackierung wurde das erste Fahrzeug mit der neuen Nummer 032 im April 2019 nach Neuenburg überführt.[15]
Literatur
- Peter Willen: Strassenbahnen der Schweiz. Triebwagen. Orell Füssli Verlag, Zürich 1978, ISBN 3-280-00998-7
- Sébastien Jacobi: Neuchâtel en Tram 1890–1990. Eigenverlag Sébastien Jacobi, Neuchâtel 1989
- Claude Jeanmaire, Yves Merminod: Les Tramways de Neuchâtel. Verlag Eisenbahn, Villigen AG, 1991, ISBN 3-85649-054-X
- Claude Jeanmaire, Yves Merminod: Les Tramways de Neuchâtel II. Verlag Eisenbahn, Villigen AG, 1992, ISBN 3-85649-060-4
Weblinks
Einzelnachweise
- Hans E. Wägli, Schienennetz Schweiz, 3. Auflage, 2010, Seite 93
- Transports publics du littoral Neuchâtelois (TN). Areuse – Cortaillod In: eingestellte-bahnen.ch von Jürg Ehrbar, abgerufen am 13. Juni 2020
- Claude Jeanmaire, Yves Merminod: Les Tramways de Neuchâtel, S. 65 ff
- Michel Grandguillaume, Gérald Hadorn, Sébastien Jarne, Jean-Louis Rochaix: Voies étroites de Veveyse et de Gruyère. BVA, Lausanne 1984, ISBN 2-88125-003-3, Seite 214
- Alfred Moser: Der Dampfbetrieb der Schweizerischen Eisenbahnen 1847–1966. Birkhäuser Verlag Basel und Stuttgart 1967, Seite 405 und 407.
- Claude Jeanmaire, Yves Merminod: Les Tramways de Neuchâtel II, S. 123
- Claude Jeanmaire, Yves Merminod: Les Tramways de Neuchâtel II, S. 92
- Claude Jeanmaire, Yves Merminod: Les Tramways de Neuchâtel II, S. 90
- Claude Jeanmaire, Yves Merminod: Les Tramways de Neuchâtel II, S. 83
- Claude Jeanmaire, Yves Merminod: Les Tramways de Neuchâtel, S. 143
- Die Strassenbahn Neuenburg auf www.eisenbahn-bilder.com
- Veränderungen bei TN in Neuchâtel in: Stadtverkehr10/89, S. 28 ff.
- Claude Jeanmaire, Yves Merminod: Les Tramways de Neuchâtel II, S. 14
- Christian Ammann, Stephan Frei: Neues in Kürze. In: Eisenbahn Amateur. Nr. 12. SVEA, 2020, ISSN 0013-2764, S. 555.
- Armand Wilhelmi: Vom Appenzellerland an die Neuenburger Riviera (3). Eisenbahn Amateur, 12. April 2019, abgerufen am 24. Mai 2021.