Straßenbahn Grudziądz
Die Straßenbahn Grudziądz ist das Straßenbahnsystem der Stadt Grudziądz (deutsch Graudenz). Die Stadt hat etwa 95.000 Einwohner (Stand 2019) und liegt am Ufer der Weichsel, etwa 100 Kilometer südlich von Danzig. Sie besitzt mit ca. 9 Kilometern Streckenlänge das kleinste eigenständige Straßenbahnnetz Polens. Die Strecke verläuft teilweise ein- und teilweise zweigleisig mit Ausweichen. Das Straßenbahnnetz wurde 1896 eröffnet.
Straßenbahn Grudziądz | |
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Basisinformationen | |
Staat | Polen |
Stadt | Grudziądz |
Eröffnung | 13. Juni 1896 |
Betreiber | MZK Grudziądz |
Infrastruktur | |
Streckenlänge | 7,6 km |
Spurweite | 1000 mm (Meterspur) |
Stromsystem | 600 V DC Oberleitung |
Haltestellen | 18 |
Betriebshöfe | 1 |
Betrieb | |
Linien | 1 |
Takt in der HVZ | 10 min |
Takt in der SVZ | 20 min |
Reisegeschwindigkeit | 16,9 km/h |
Fahrzeuge | 2 Konstal 805Na 6 Konstal 805Nb 6 Konstal 805Na-MM 9 Düwag Gt8 |
Statistik | |
Fahrleistung | 0,942 Mio. km pro Jahr |
Netzplan bestehende Strecken in Violett stillgelegte Strecken in Grün Eisenbahn in Schwarz |
Straßenbahn Grudziądz | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Geschichte
Die offizielle Eröffnung einer Pferdestraßenbahn im damaligen Graudenz fand am 13. Juni 1896 statt. Am 11. Mai 1899 wurde der elektrische Betrieb aufgenommen. Der Betrieb begann mit sechs Triebwagen, die ehemaligen Pferdebahnwagen waren zu Beiwagen umgebaut worden. 1911 wurde beschlossen, die Straßenbahnstrecke zu verlängern. Dafür wurde ein Budget von 150 000 Mark zur Verfügung gestellt. Danach wurde das Straßenbahnnetz schrittweise ausgebaut bis zum Beginn der deutschen Besatzung am 10. Mai 1939. Bis zum 23. Januar 1945 war die Straßenbahn in Betrieb, als sich die Ostfront im Zweiten Weltkrieg näherte. Nach einer sechswöchigen Schlacht in der Stadt war das Straßenbahnsystem schwer beschädigt und der Verkehr musste für etwa zehn Monate eingestellt werden. Nach dem Krieg erhielt die Stadt unter anderem Wagen aus Krakau, um den Betrieb wieder aufnehmen zu können. Die ersten Fahrzeuge, die nach dem Krieg produziert wurden, kamen 1955 nach Grudziądz. Am 21. Juli 1978 wurde die eingleisige, 1,9 km lange Strecke nach Mniszek eröffnet, die an der Haltestelle Chełmińska / Południowa an das bestehende Netz angebunden war. Sie wurde bereits ein Jahr nach der Eröffnung für den Betrieb wieder gesperrt, weil das auf unbefestigtem Untergrund instabil verlegte Gleis zu häufigen Entgleisungen führte. Der Betrieb nach Mniszek wurde nie wieder aufgenommen und der Streckenabschnitt wieder demontiert. 1980 wurde die Linie nach Tarpno eröffnet, wo ein neues Wohngebiet entstanden war. Am 7. Dezember 1996 wurde die Strecke im Süden von der bisherigen Endschleife Południowa um 1,8 km zur neuen Endschleife Rządz verlängert. Die Schleife Południowa blieb als Zwischenschleife erhalten, sie wird seit 1997 nicht mehr im Linienverkehr benötigt.
Am 5. September 1993 wurde die Halle des Betriebshofs durch einen Brand zerstört, wodurch viele Wagen beschädigt wurden. Der Betrieb musste für mehrere Tage eingestellt werden. Der wiederaufgebaute Betriebshof wurde am 4. August 1994 feierlich eingeweiht.
Am 1. Dezember 2005 wurde die Linie 1 eingestellt, die von Tarpno zum Bahnhof verkehrte. Sie wurde 2007 wieder in Betrieb genommen, aber schon am 13. August 2011 erneut eingestellt. Seitdem besteht das Straßenbahnnetz nur noch aus einer Linie. Die 1,4 Kilometer lange Zweigstrecke zum Hauptbahnhof bleibt als Zufahrt zum Betriebshof erhalten.
Am 11. März 2013 wurde die Strecke in der Ulica Chełmińska für Gleiserneuerungsarbeiten vorübergehend gesperrt, so dass der Abschnitt nach Rządz nicht mehr befahren werden konnte. Als Ersatz verkehrten Busse mit dem Linienkennzeichen AT2. Der Abschnitt nach Tarpno wurde von der wieder eingerichteten Linie 1 Tarpno ↔ Dworzec Kolejowy bedient. Die Linie 2 verkehrte während der Bauarbeiten nicht.
Während Gleiserneuerungsarbeiten in der Innenstadt war die Strecke auf dem nördlichen Streckenast nach Tarpno gesperrt, die Linie 2 blieb eingestellt. Vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. Juli 2015 befuhr die Straßenbahn nur den südlichen Streckenabschnitt Rządz–Dworzec Kolejowy als Linie 3. Bei der Modernisierung wurden eingleisige Abschnitte zweigleisig ausgebaut und die Gleise in der Altstadt zur Lärmminderung in einer elastischen Bettung verlegt. Zur Verschleißminderung wurden die eingleisigen Abschnitte in der Altstadt nicht mehr mit Weichen, sondern als Gleisverschlingungen erneuert.
Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten im nördlichen Streckenast wurde zum 1. August 2015 der Zustand des Jahres 2013 wiederhergestellt und der durchgehende Betrieb zwischen Tarpno und Rządz als Linie 2 wieder aufgenommen. Der Linienverkehr zum Bahnhof wurde zum selben Zeitpunkt wieder eingestellt. Auf dem Liniennetzplan[1] der MZK Grudziądz sind heute zwar immer noch die Linien 1 (Bahnhof – Tarpno) und 3 (Bahnhof - Rządz) eingezeichnet, jedoch mit dem Vermerk Ersatzlinie, verkehrt nur bei dauerhaften Störungen. Die notwendigen Ein- und Ausrückfahrten der Linie 2 von und zum Bahnhof bzw. Betriebshof sind in deren Fahrplänen eingearbeitet.
Betrieb
Linie | Strecke |
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Tarpno ↔ Rządz Legionów – Wybickiego – Stara – Miłośników Astronomii – Długa – Rynek – Szewska – Klasztorna – Al. 23 Stycznia – Toruńska – Chełmińska – Południowa – Konstytucji 3 Maja |
Die Linie 2 verkehrt zwischen 4 Uhr und 22:30 Uhr. Montags bis freitags fährt die Linie bis ca. 18:30 Uhr im 10-Minuten-Takt, samstags bis ca. 18:30 Uhr alle 15 Minuten. Sonn- und feiertags sowie täglich nach 18:30 Uhr bis zum Betriebsschluss wird ein 20-Minuten-Takt angeboten.[2]
Fahrzeuge
[3] Bis zum Jahr 1980 bestand der Wagenpark der Straßenbahn Grudziądz ausschließlich aus zweiachsigen Trieb- und Beiwagen. Als einziger Zweiachser ist der Wagen 36 vom Typ Konstal 2N2 heute noch als Arbeitswagen betriebsfähig vorhanden.
Konstal 805Na / 805Nb
Die Straßenbahn in Grudziądz bekam den ersten Triebwagen des Typs Konstal 805Na im Jahr 1980. Insgesamt wurden 26 Wagen beschafft; beim Betriebshofbrand im Jahr 1993 wurden zehn dieser Wagen komplett zerstört, ein weiterer zerstörter Wagen wurde wieder aufgebaut. Zwei 805Na zählen noch zum Einsatzbestand (Nr. 38 und 46). Nach dem Betriebshofbrand wurden als Ersatz für die zerstörten Fahrzeuge sechs Wagen des Nachfolgetyps Konstal 805Nb beschafft. Obwohl diese Wagen von Konstal als Neufahrzeuge verkauft wurden, stellte sich später heraus, dass es sich um ehemals normalspurige 105Nb handelt, die zuvor in Warschau im Einsatz gewesen waren, aber wegen Mängeln an Konstal zurückgegeben, aufgearbeitet und mit meterspurigen Drehgestellen versehen worden waren. Die 805Nb sind gegenwärtig noch alle einsatzfähig vorhanden (Nr. 63–68). Sowohl die 805Na als auch die 805Nb wurden im Laufe der Jahre geringfügig modernisiert (Sitze, Zielanzeigen, Ansagegeräte). Auf der Linie 1 wurden die Konstal-Vierachser in der Regel solo eingesetzt; diese Betriebsform endete mit Einstellung der Linie 1. Heute erfolgt der Einsatz fast ausschließlich in Doppeltraktion.
Konstal 805Na-MM
Sechs Wagen des Typs 805Na wurden 2010 von einem Konsortium aus ZNTK Mińsk Mazowiecki und Pesa Bydgoszcz umfassend modernisiert und mit veränderten Front- und Heckpartien sowie einer neuen Fahrzeugsteuerung ausgerüstet. Dafür ausgewählt wurden die Wagen Nr. 37, 41, 43, 55, 58 und 59. Nachdem sich der Wagenkasten des Wagens 43 als zum Umbau ungeeignet herausgestellt hatte, wurde zusätzlich der Wagen 47 für diese Maßnahme verwendet. Nach dem Umbau wird der Wagentyp nunmehr als 805Na-MM bezeichnet und unter den neuen Betriebsnummern 89–94, in der Regel ebenfalls in Doppeltraktion, eingesetzt. Bei zwei dieser Wagen (Nr. 90 und 92) wurde nur ein Behelfsführerstand eingebaut, sodass sie im Linienbetrieb nur noch als geführte Fahrzeuge in Doppeltraktionen eingesetzt werden können. Diese Unterbauart wird als 805Na-MMd bezeichnet.
Düwag Gt6
Die ersten gebrauchten Straßenbahnen aus Deutschland kamen 1997 nach Grudziądz. Acht Düwag Gt6 wurden zwischen 1997 und 2000 beschafft. Zwei der Wagen kamen aus Mannheim (Nr. 71 und 72), die restlichen sechs sind ursprüngliche Hagener Wagen, die nach der Stilllegung des dortigen Netzes zwischenzeitlich in Würzburg im Einsatz waren (Nr. 73–78). Wagen 73 wurde bereits 2002 als Ersatzteilspender benutzt und nach acht Jahren Abstellzeit 2010 verschrottet; Wagen 76 wurde nach einem Unfall mit Wagen 46 im Juni 2010 nicht wieder aufgebaut. Die übrigen Fahrzeuge blieben bis zum Jahr 2010 in Betrieb und wurden anschließend an die Tramwaje Podmiejskie in Łódź weiterverkauft. Sie verließen Grudziądz in den letzten vier Monaten des Jahres 2010.
Düwag Gt8
Als Ersatz für die Gt6 wurden im Jahr 2010 zehn Düwag Gt8 gebraucht aus Krefeld übernommen und unter den Nummern 79–88 eingesetzt. Wagen 85 wurde im Jahr 2015 abgestellt und 2016 verschrottet.
- Wagenhalle des Betriebshofs im Jahr 2008
- Unmodernisierte Konstal 805Na in der ulica Toruńska im Stadtzentrum 1990
- Modernisierte Konstal 805Na-MM in Doppeltraktion in der ulica Wybickiego 2017
- Düwag GT6 ex Würzburg am Depot 2008, seit 2010 in Łódź
- Düwag GT8 ex Krefeld im eingleisigen Abschnitt auf der ulica Legionów, 2011
- Gleiskörper in der ulica Klasztorna mit Gleisverschlingung nach der Modernisierung, 2017
Literatur
- Robert Schwandl: Tram Atlas Polen Poland. 1. Auflage. Robert Schwandl Verlag, Berlin 2017, ISBN 978-3-936573-50-3, S. 38–41, Kapitel Grudziądz (deutsch, englisch).
Weblinks
Einzelnachweise
- Liniennetzplan. MZK Grudziądz, abgerufen am 8. Oktober 2020.
- T2. MZK Grudziądz, abgerufen am 8. Oktober 2020.
- Fahrzeugliste Straßenbahn Grudziądz. In: transphoto.org. Abgerufen am 8. Oktober 2020.