Spitzwegerich
Der Spitzwegerich (Plantago lanceolata), auch Spießkraut, Lungenblattl oder Schlangenzunge genannt, ist eine Pflanzenart, die zur Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae) gehört. Das Wort „Wegerich“ bzw. „Spitzwegerich“ (von mittelhochdeutsch wëgerīch bzw. – in Bezug auf die schmal zulaufenden Blätter[1] – spitzig wëgerīch[2]) entstammt dem Althochdeutschen (von wega, „Weg“, und rīh, „König“, als Bestandteil von Männernamen wie Friedrich, Dietrich usw.[3]).
Spitzwegerich | ||||||||||||
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Spitzwegerich (Plantago lanceolata), Blütenstand | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Plantago lanceolata | ||||||||||||
L. |
Beschreibung
Der Spitzwegerich ist eine ausdauernde, krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 5 bis 50 Zentimetern erreicht. Die reichverzweigte Wurzel kann bis zu 60 cm in die Tiefe reichen. Die in einer grundständigen Rosette stehenden Laubblätter sind ungestielt. Die einfache Blattspreite ist spitz, schmal und lanzettlich.
Die Blütezeit reicht von Mai bis September. Auf einem langen 5-furchigen Schaft steht ein dichter, walzenförmiger, ähriger Blütenstand. Die verhältnismäßig kleinen, unscheinbaren Blüten sind zwittrig.
Die Chromosomenzahl der Art ist 2n = 12, seltener 72.[4]
Vorkommen
Der Spitzwegerich war ursprünglich nur in Europa beheimatet. Inzwischen ist er weltweit verbreitet. Er kommt häufig in Fettwiesen, in Parkrasen (dort vor allem in seiner mageren Ausbildungsform), an Wegen und in Äckern vor. Nach dem Ökologen Heinz Ellenberg ist der Spitzwegerich eine Klassencharakterart der Grünland-Gesellschaften (Molinio-Arrhenatheretea).
In den Allgäuer Alpen steigt er am Hochtannberg in Vorarlberg bis zu 1750 m Meereshöhe auf.[5]
Ökologie
Der Spitzwegerich ist ein tief wurzelnder Hemikryptophyt. Er ist sekundär windblütig und seine Blüten sind vorweiblich. Daneben ist auch eine Bestäubung durch pollensuchende Insekten möglich. Die Samen sind weniger quellfähig als beim Breitwegerich (Plantago major). Die vegetative Vermehrung erfolgt durch Wurzelsprosse. Die Verbreitung erfolgt über die klebrigen Samen, die an Tierpfoten, Schuhen und Rädern haften.
Der Spitzwegerich wird vom Rostpilz Puccinia cynodontis mit Spermogonien und Aecidien befallen.[6] Auch der Mehltau Podosphaera plantaginis befällt ihn häufig.[7]
Taxonomie
Plantago lanceolata L. hat die Synonyme: Plantago azorica Hochst., Plantago hungarica Waldst. & Kit., Plantago sphaerostachya Hegetschw., Plantago lanceolata var. sphaerostachya Mert. & W.D.J. Koch.[8]
Sonstiges
Die Palynologie (Pollenanalyse) hat den gut erkennbaren Pollen bereits für die späte Wärmezeit nachgewiesen. Spitzwegerich-Pollen in postglazialen Sedimenten werden als Siedlungszeiger interpretiert. Die geschlossene Pollenkurve beginnt meist erst im älteren Subatlantikum.
Nutzung
In Mangelzeiten nach den beiden Weltkriegen und während der Weltwirtschaftskrise war Salat aus wildwachsendem Spitzwegerich ein beliebter Ersatz für unerschwingliches oder nicht erhältliches Blattgemüse.
Ernten und sammeln kann man ihn am besten von Anfang April bis Ende August. Man findet ihn oft in kleinen Wiesen, an Äckern und Feldrändern, an den Wald angrenzenden Wegen und auf sehr kleinen Flächen in Ortschaften.
Nach Insektenstichen ist der Spitzwegerich, zerrieben und auf den Stich aufgetragen, kühlend respektive schmerzlindernd.
Wichtige Pflanzeninhaltsstoffe und medizinische Wirkung
Der Spitzwegerich enthält Iridoidglycoside wie Aucubin, Catalpol, Asperulosid, Schleimstoffe, Gerbstoffe, Kieselsäure, Saponin. Er ist reizmildernd und leicht hustenlösend.[9] Er wird gegen Katarrhe der Luftwege und entzündliche Veränderungen der Mund- und Rachenschleimhaut eingesetzt.
Die Wirksamkeit der Droge ist hier sowohl auf die einhüllende Wirkung der Schleimstoffe als auch auf die adstringierende Wirkung der Gerbstoffe sowie auf die antibakterielle und damit entzündungshemmende Wirkung der Abbauprodukte der Iridoide (Aucubigenin entsteht durch Hydrolyse mittels Beta-Glucosidasen aus Aucubin) zurückzuführen. Zudem kann sie äußerlich bei entzündlichen Veränderungen der Haut verwendet werden, sowohl bei exogen verursachten wie beispielsweise durch Insektenstiche oder dem Kontakt mit Brennnesseln als auch bei endogenen Hautkrankheiten wie zum Beispiel bei Neurodermitis oder auch bei sonstigen Entzündungen oder kleinen offenen Wunden.[10][11][12][13]
Zur Herstellung von Teeaufgüssen werden die Blätter oder das ganze Kraut gesammelt und getrocknet (die Drogenbezeichnung lautet für die Blätter: Folia Plantaginis lanceolatae und für das Kraut: Herba Plantaginis lanceolatae). Für Spitzwegerichsaft presst man die frischen Blätter aus. Eine Rezeptur für Spitzwegerichsirup (Plantaginis sirupus) gibt an, die Spitzwegerichblätter (Plantaginis lanceolatae folium) in gereinigtem Wasser (Aqua purificata, d. h. deionisiertes Wasser) zu kochen, zu filtern und den entstandenen wässrigen Auszug mit der 1,5fachen Menge Zucker (Saccharose, Saccharum) zu Sirup zu vermischen. Der Sirup wird mit 1 % Alkohol, Methylparaben und Propylparaben konserviert.[14]
Der Bedarf der pharmazeutischen Industrie an der Droge wird hauptsächlich aus Kulturen gedeckt. Die pulverisierte Droge ist auch Bestandteil von Salben.
Da das natürliche Antibiotikum bei der Teezubereitung oft zerstört wird, ist es sicherer, Presssäfte einzusetzen.
Der Spitzwegerich wurde im Herbst 2013 von Wissenschaftlern der Universität Würzburg („Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“) mit Verweis auf die in ihm enthaltenen antibakteriellen und blutstillenden Wirkstoffe zur „Arzneipflanze des Jahres 2014“ gewählt.[15]
Einzelnachweise
- Variantengrammatik: spitzig.
- Jürgen Martin: Die ‚Ulmer Wundarznei‘. Einleitung – Text – Glossar zu einem Denkmal deutscher Fachprosa des 15. Jahrhunderts. Königshausen & Neumann, Würzburg 1991 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 52), ISBN 3-88479-801-4 (zugleich Medizinische Dissertation Würzburg 1990), S. 190.
- Siehe hierzu Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Auflage. Hrsg. von Walther Mitzka. De Gruyter, Berlin/ New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 843.
- Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2001, S. 872–873, ISBN 3-8001-3131-5
- Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2, IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1, S. 498.
- Peter Zwetko: Die Rostpilze Österreichs. Supplement und Wirt-Parasit-Verzeichnis zur 2. Auflage des Catalogus Florae Austriae, III. Teil, Heft 1, Uredinales. (PDF; 1,8 MB).
- Jussi Jousimo, Ayco J. M. Tack, Otso Ovaskainen, Tommi Mononen, Hanna Susi, Charlotte Tollenaere, Anna-Liisa Laine, 2014. Ecological and evolutionary effects of fragmentation on infectious disease dynamics. Science 344: 1289-1293. doi:10.1126/science.1253621
- Karol Marhold, 2011: Plantaginaceae: Datenblatt Plantago lanceolata In: Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity.
- Hans Flück, Rita Jaspersen-Schib: Unsere Heilpflanzen, 7. Auflage, Ott Verlag Thun 1986, ISBN 3-7225-6756-4, S. 149
- Roche Lexikon Medizin, 5. Auflage, Verlag Urban & Fischer, München, Jena 2003, ISBN 978-3-437-15156-9, S. 1470
- C. Jänicke, J. Grünwald, T. Brendler: Handbuch Phytotherapie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2003, ISBN 3-8047-1950-3, S. 504f
- R. Hänsel, O. Sticher: Pharmakognosie, Phytopharmazie, 8. Auflage, Springer Verlag, Berlin 2007, ISBN 3-540-34256-7, S. 829f und 604
- Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. Ein botanisch-ökologischer Exkursionsbegleiter zu den wichtigsten Arten. 6., völlig neu bearbeitete Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2005, ISBN 3-494-01397-7, S. 367.
- https://www.basg.gv.at/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&g=0&t=0&hash=fe06aff2ef9f79bf49b71870d6e2b0a8cc994550&file=fileadmin/redakteure/dateien/Archiv_Monographieentw%C3%BCrfe/29.06.2017/Spitzwegerichsirup_offizinal.pdf Österreichisches Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen: Angaben zur Zubereitung Spitzwegerichsirup offizinal, abgerufen am 25. März 2019
- Spitzwegerich hilft nicht nur bei Husten. Interview mit Johannes Gottfried Mayer im Deutschlandfunk, 31. Dezember 2013
Weblinks
- Spitzwegerich. FloraWeb.de
- Spitzwegerich. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
- Steckbrief und Verbreitungskarte für Bayern. In: Botanischer Informationsknoten Bayerns.
- Plantago lanceolata L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 28. März 2016.
- Weltweite Verbreitung
- Thomas Meyer: Wegerich Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben)
- Pharmakologie (Memento vom 13. April 2008 im Internet Archive)
- Verwendung in der Volksmedizin.
- Verwendung als Wildkraut im Smoothie.