RhB ABe 4/16 3111–3166
Die ABe 4/16 sind vierteilige elektrische Triebzüge, von denen die Rhätische Bahn (RhB) bei Stadler Rail insgesamt 56 Einheiten bestellt hat. Sie werden von der RhB seit 2020 fahrplanmässig eingesetzt. Die RhB benennt die Züge nach dem Bündner Wappentier Steinbock als „Capricorn“. Der Name wurde in einem Wettbewerb ermittelt.[2]
RhB ABe 4/16 3111–3166 | |
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![]() RhB ABe 4/16 3111 im Bahnhof Landquart RhB ABe 4/16 3111 im Bahnhof Landquart | |
Nummerierung: | 3111–3166 |
Anzahl: | 56 |
Hersteller: | Stadler Rail |
Baujahr(e): | ab 2019 |
Achsformel: | Bo’Bo’+ 2’2’+ 2’2’+ 2’2’ |
Spurweite: | 1000 mm (Meterspur) |
Länge über Kupplung: | 76 432 mm |
Höhe: | 3 780 mm |
Breite: | 2 670 mm |
Drehzapfenabstand: | 12 830 mm |
Drehgestellachsstand: | 2 000 mm (Triebdrehgestell) 1 800 mm / 2 000 mm (Laufdrehgestell) |
Dienstmasse: | 114 t (Tara) 140 t (Brutto)[1] |
Höchstgeschwindigkeit: | 120 km/h |
Kurzzeitleistung: | 1400 kW |
Dauerleistung: | 1000 kW |
Anfahrzugkraft: | 150 kN (bis 34 km/h) |
Dauerzugkraft: | 88 kN |
Treibraddurchmesser: | 810 mm (neu) |
Laufraddurchmesser: | 685 mm / 810 mm (neu) |
Stromsystem: | 11 kV 16,7 Hz ~ |
Zugbeeinflussung: | ZSI 127 |
Sitzplätze: | 35 1. Klasse 129 2. Klasse + 18 Klappsitze |
Stehplätze: | 179 |
Fußbodenhöhe: | 450 mm (Niederflur) 960 mm (Hochflur) |
Angebotskonzept „Retica 30“
Retica 30 (Endausbau) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Mit dem Angebotskonzept „Retica 30“ bietet die RhB seit dem Fahrplanwechsel Ende 2019 den Halbstundentakt zwischen Landquart und Davos Platz an.[3] Ab Fahrplanjahr 2023 wird der RegioExpress (RE) Landquart–St. Moritz jede Stunde gemeinsam mit dem RE Landquart–Davos bis nach Klosters verkehren und dort geflügelt, also in zwei Teilzüge aufgetrennt bzw. wieder zusammengeführt.[4]
Im Endausbau ab Ende 2022 wird auch der eine halbe Stunde später fahrende RE Landquart–Davos zusammen mit einem RE Landquart–Klosters–Scuol-Tarasp als Flügelzug verkehren.[5]
Fahrzeugbedarf
Für die vollständige Umsetzung des Angebotskonzepts „Retica 30“ ist dank optimierten Einsatz nur ein Umlauf mehr notwendig als bisher. Es sind jedoch Triebzüge notwendig, die den heutigen Ansprüchen genügen und sich schnell zu Mehrfachtraktionen kombinieren lassen. Bei der Inbetriebnahme der Capricorn-Triebzüge verkehrte ein Grossteil der RhB-Züge mit veralteten technischen Standards. Dazu gehören der Mittelpuffer mit zwei Schraubenkupplungen, die schwere und teure Vakuumbremse und die Heizleitung mit nur 320 Volt Spannung, die für lange, klimatisierte Züge einen Heizwagen erfordert.
Mit der Beschaffung von festen Triebzugeinheiten verzichtet die RhB zwar auf das Kuppeln von Güterwagen, spart aber das Gewicht und die Kosten der doppelten Bremsausrüstung (Druckluft- und Vakuumbremse) und automatische Kupplungen werden nur an den Enden der Triebzüge benötigt.
Bestellung und Auslieferung
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Am 4. April 2015 lancierte die RhB die Ausschreibung von 27 „Retica-30-Flügelzügen“ (RTZ) mit einer Option von 20 zusätzlichen Einheiten.[6] Der Name Flügelzug wurde gewählt, weil die Züge im Prättigau und Engadin verkehren sollen und in Klosters geflügelt werden. Mit einem Wert von 361 Millionen Franken war es die grösste Rollmaterialbestellung in der Geschichte der RhB.[5] Nur sechs Monate nach der ersten Bestellung gab die RhB den Bau weiterer 9 Capricorn-Triebzüge in Auftrag.[7] Mit der Verabschiedung der neuen Strategie 2030 hat der Kanton Graubünden der RhB grünes Licht für die Beschaffung von zusätzlichen 20 Triebzügen gegeben, womit die Anzahl auf 56 Einheiten ansteigt.[8] Der Kanton möchte zumindest saisonal Orte wie Arosa, Disentis/Mustér oder Scuol-Tarasp im Halbstundentakt erschliessen.[5]
Der Roll-out fand am 15. April 2019 im Stadler-Werk Altenrhein statt.[9] Die erste Einheit wurde am 27. Juni 2019 in Landquart abgeliefert und anschliessend verschiedenen Tests unterzogen. Am 17. Juni 2020 wurde der Triebzug 3111 als Erster in den fahrplanmässigen Betrieb genommen.[10] Am 9. Oktober 2020 wurde er in Filisur auf den Namen Piz Ela getauft.[11] Am 25. November 2021 wurde der Triebzug 3133 in Landquart angeliefert, der den 500. Wagenkasten von Stadler aus Altenrhein für die RhB beinhaltete. Aus diesem Grund wurde der Zug einer speziellen Lackierung Champagner gestaltet. Zudem wurde er auf den Namen Piz Palü getauft.[12]
Aufbau
Der vierteilige Triebzug besteht aus einem Triebwagen, in dem die Antriebsausrüstung konzentriert ist, zwei Mittelwagen sowie einem Steuerwagen. Der Zug verfügt über 35 Sitzplätze in der ersten und 129 in der zweiten Klasse.
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Die Einheiten verfügen an den Führerstandsenden über automatische Kupplungen des Typs Schwab und ermöglichen so ein schnelles An- und Abkuppeln von zusätzlichen Triebzügen. Bei grosser Nachfrage können bis zu vier Einheiten gekuppelt und gemeinsam gesteuert werden, was einen 300 Meter langen Zug mit einer Kapazität von 688 Sitzplätzen ergibt.[1] Im Spitzenverkehr wird die RhB im Verkehr nach Davos weiterhin separate, lokomotivbespannte Züge führen müssen.[5]
Eine Neuheit ist die über den ganzen Zug wirkende Branderkennungs- und -bekämpfungsanlage.[5]
Triebwagen
Der Triebwagen enthält gegenüber den ABe 4/16 3101–3105 (Allegra) nur Plätze der zweiten Klasse. Im Abteil hinter dem Führerstand gibt es wiederum eine Glasscheibe, durch welche in den Führerstand gesehen werden kann. Der Triebwagen ist das einzige Fahrzeug, welches nicht niederflurig ist.
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Die Traktionsausrüstung besteht aus einem Gruppenantrieb pro Drehgestell. Wegen der häufigen Mehrfachtraktion wurde aus Kostengründen auf eine vollständige Redundanz verzichtet.[1] Um Energie zu sparen, wurden die Triebwagen mit luft- statt ölgekühlten Transformatoren ausgestattet.[5] Die Capricon-Züge verfügen über eine Druckluftbremse und wie alle modernen Triebfahrzeuge mit Drehstromantriebstechnik über eine Rekuperationsbremse. Zum Überbrücken eines Netzspannungsausfalls steht eine Widerstandsbremse zur Verfügung. Der Triebwagen hat eine Achslast von 10,8 und ein Leergewicht von 42 Tonnen. Das geringe Fahrzeuggewicht trägt dazu bei, das verhältnismässig leichte Meterspurgleis zu schonen.[1]
Mittel- und Steuerwagen
Die beiden Mittelwagen sind ebenfalls reine Zweitklasswagen. In ihnen befindet sich ein Multifunktionsabteil sowie in einem ein behindertengerechtes WC und im anderen eine nicht behindertengerechte Toilette. Die Achslast der Mittelwagen beträgt 5,5 bis 6,1 Tonnen.
Der Steuerwagen ist ein reiner Erstklasswagen. Auch im Steuerwagen haben die Reisenden die Möglichkeit, durch die Scheibe dem Lokführer über die Schulter zu schauen. In den Führerständen sind Kameras mit Blick auf die Strecke installiert, deren Bilder in den Fahrgastbereich übertragen werden.[13] Das dem Zug zugewandte Drehgestell hat eine Achslast von 5,6 Tonnen. Um die Entgleisungsgefahr beim Niedergang von Lawinen oder Muren zu reduzieren, hat das Drehgestell an der Spitze einen grösseren Achsstand von 2,0 statt 1,8 Metern und eine Achslast von 7,5 Tonnen. Dies wurde durch eine geeignete Platzierung schwerer Apparate erreicht.
Einsatz
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Das Haupteinsatzgebiet ist nebst den oben erwähnten Linien im Prättigau und Engadin die Strecken Davos–Filisur und Chur–Ilanz–Disentis. Von Chur bis Ilanz verkehren die Züge in Doppeltraktion. Dort wird eine Einheit abgetrennt und übernimmt eine Leistung Ilanz–Chur und zurück, so dass sich auf diesem Abschnitt ein Halbstundentakt ergibt.[5] Auch ein Einsatz auf der S-Bahn Chur ist vorgesehen.[14] Entgegen den ursprünglichen Planungen wird auf den Einsatz auf der Strecke Pontresina–Scuol verzichtet.[5]
Grundsätzlich können die Capricorn-Züge auf dem ganzen Stammnetz eingesetzt werden. Die maximale Betriebsgeschwindigkeit liegt bei 100 km/h. Auf der Strecke Chur–Arosa wurden mehrfach Testfahrten durchgeführt, jedoch sollen die Triebzüge im planmässigen Verkehr nicht auf dieser Linie verkehren.[15]
Nach der Auslieferung der ersten 36 Capricorn-Züge rangiert die RhB rund 100 ältere Reisezugwagen aus. Die Ge 4/4 I und Ge 6/6 II werden nicht mehr benötigt; der Bestand an Ge 4/4 II kann verringert werden.[5]
Literatur
- Walter von Andrian: „Flügeltriebzüge“ für die RhB. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 8–9. Minirex, 2016, ISSN 1022-7113, S. 400–402.
Weblinks
Einzelnachweise
- Walter von Andrian: „Flügeltriebzüge“ für die RhB. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 8-9. Minirex, Luzern 2016, S. 400–402.
- GV der RhB im Zeichen des Steinbocks. Rhätische Bahn, 17. Juni 2018, abgerufen am 1. August 2020.
- Offizielles Kursbuch.
- Massimo Diana: RhB feiert 500. Wagenkasten aus Altenrhein. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 1/2022. S. 8.
- Matthias Rellstab: Neue Triebzugflotte für die RhB vor der Inbetriebsetzung. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 6/2019. S. 301–303.
- Matthias Rellstab: RhB schreibt 27 Triebzüge aus. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 5. Minirex, Luzern 2015, S. 233.
- Matthias Rellstab: RhB Grossauftrag noch grösser. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 1. Minirex, Luzern 2017, S. 39.
- Weitere 20 Capricorn-Triebzüge für die RhB. Rhätische Bahn, 12. Juni 2020, abgerufen am 2. August 2020.
- Roll-out Flügeltriebzug «Capricorn». Rhätische Bahn, 15. April 2019, abgerufen am 1. August 2020.
- Neuer «Capricorn» beflügelt die Rhätische Bahn. In: südostschweiz.ch. 18. Juni 2020, abgerufen am 1. August 2020.
- Der erste RhB-Capricorn heisst Piz Ela. bahnonline.ch, 10. Oktober 2020, abgerufen am 10. Oktober 2020.
- Massimo Diana: RhB feiert 500. Wagenkasten aus Altenrhein. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 1. Minirex, Luzern 2022, S. 5.
- Rhätische Bahn bestellt zusätzliche Capricorn. In: eisenbahn-magazin. Nr. 8, 2020, S. 33.
- Rhätische Bahn: Factsheet Flügeltriebzug RTZ. (PDF) Abgerufen am 28. Juli 2020.
- Neuer «Capricorn» beflügelt die Rhätische Bahn. In: südostschweiz.ch. 18. Juni 2020, abgerufen am 1. August 2020.