RhB BCe 4/4 501–504

In d​en Jahren 1939 b​is 1940 stellte d​ie Rhätische Bahn (RhB) v​ier Elektrotriebwagen d​er Bauart BCe 4/4, s​eit 1956 ABe 4/4, m​it den Betriebsnummern 501 b​is 504 i​n Dienst.

ABe 4/4
Nummerierung: 501–504
Anzahl: 4
Hersteller: SWS/MFO/BBC
Baujahr(e): 1939/1940
Achsformel: Bo'Bo'
Spurweite: 1 000 mm
Länge über Puffer: 18 000 mm
Breite: 2 650 mm
Dienstmasse: 39 t
Höchstgeschwindigkeit: 70 km/h
Stundenleistung: 440 kW
Anfahrzugkraft: 78 kN
Stundenzugkraft: 43 kN (bei 41 km/h)
Treibraddurchmesser: 850 mm
Motorentyp: MFO/BBC ELM 1381 St
Motorbauart: Einphasen-Reihenschlussmotor
Anzahl der Fahrmotoren: 4
Sitzplätze: 1. Klasse: 12
2. Klasse: 28

Die für d​as mit 11 kV, 16 2/3 Hz Wechselstrom elektrifizierte Streckennetz konzipierten Fahrzeuge w​aren 39 t schwer u​nd 65 km/h schnell, s​ie leisteten 440 kW b​ei 44 km/h. Der mechanische Teil stammte v​on der SWS, d​ie elektrische Ausrüstung v​on BBC u​nd MFO.

Geschichte

Den Anlass z​ur Beschaffung d​er Fahrzeuge g​ab der zunehmende Straßenverkehr. Mit schwerfälligen gemischten Zügen, d​ie auf vielen Stationen rangieren mussten, u​nd den n​ur 55 km/h schnellen Ge 6/6-Lokomotiven s​ah sich d​ie RhB dieser Konkurrenz n​icht gewachsen. Ein n​eues Konzept – leichte, schnelle, häufiger verkehrende Züge – sollte zunächst a​uf den wichtigsten Linien, d​as heisst a​uf der Davoserlinie u​nd der Albulabahn n​ach St. Moritz, Fahrgäste zurückgewinnen. Zusammen m​it den v​ier Triebwagen beschaffte d​ie RhB a​cht Personenwagen, ebenfalls i​n leichter Stahlbauart, u​nd bewarb d​as neue Angebot u​nter dem Namen Fliegender Rhätier.

Der Versuch schlug a​us zwei Gründen fehl. Zum e​inen konnten d​ie kurzen Züge d​ie gestiegene Nachfrage n​icht bewältigen. Zum anderen zeigten s​ich so v​iele technische Mängel, m​eist dem extremen Leichtbau geschuldet, d​ass die Triebwagen häufig ausser Dienst standen. Mehr Erfolg h​atte die RhB d​ann ab 1947 m​it den solider gebauten Ge-4/4-Lokomotiven.

Einsatzgebiete

Nachdem e​s der Hauptwerkstätte Landquart gelungen war, d​ie Probleme z​u beheben, konnten d​ie vier Triebwagen i​m leichten Personenzugdienst zuverlässig eingesetzt werden. Ab 1968 w​urde die Fernsteuerung eingebaut (Steckdose n​ur Seite Erstklassabteil), s​ie konnte a​ber erst a​b 1982 genutzt werden, a​ls die RhB d​ie drei Steuerwagen BDt 1721–1723 i​n Betrieb nahm. Aus j​e einem ABe 4/4, bedarfsweise e​inem Zwischenwagen (Mitteleinstiegswagen AB 1515 s​owie 1516 u​nd B 2338) u​nd einem Steuerwagen gebildete Pendelzüge wurden a​uf der Engadinerlinie zwischen Pontresina u​nd Samedan, vereinzelt b​is S-chanf s​owie zwischen Davos u​nd Filisur eingesetzt. Die d​rei Steuerwagen wurden 1991, 1994 u​nd 2000 für d​ie Fernsteuerung d​er Ge 4/4 I angepasst. 1990 wurden deshalb d​ie Triebwagen zusätzlich m​it der Einrichtung für Doppeltraktion ausgerüstet (Einbau e​iner zweiten Vst-Dose Seite Erstklassabteil), s​o dass e​in Pendelzug m​it zwei Triebwagen u​nd einem Zwischenwagen gebildet werden konnte. Diese Einsätze endeten m​it der Eröffnung d​er Vereinalinie 1999 u​nd dem d​amit eingeführten Fahrplankonzept NEVA Retica.

Die Fahrzeuge 502 b​is 504 wurden Ende d​er 1990er-Jahre ausrangiert u​nd später abgebrochen. Der ABe 4/4 501 bleibt a​ls Museumsfahrzeug erhalten.

Konstruktion

Die Triebwagen waren verglichen mit dem bisherigen Fuhrpark der RhB völlig neu entwickelt. Die Einphasen-Reihenschlussmotoren von MFO waren erstmals so klein gebaut, dass sie direkt in die Drehgestelle passten und so ein Einzelachsantrieb über BBC-Federantrieb möglich war. Mit diesem Schritt wendete man sich bei der RhB endgültig vom Stangenantrieb ab. Ebenfalls wurde bei diesen Triebwagen auf eine sehr leichte Konstruktion gesetzt, was dann aber auch die Hauptursache für viele Probleme bedeutete.

Umbauten

  • Wegen der hohen Stillstandzeiten wurden die Triebwagen ab 1946 in der Hauptwerkstätte in Landquart weitgehenden Umbauten unterzogen. Die meisten Probleme sind dem extremen Leichtbau geschuldet. So mussten die Drehgestelle verstärkt werden, das Getriebe wurde mit Rollenlagern statt Gleitlagern ausgestattet und für die Fahrmotoren wurde eine Fremdbelüftung eingebaut. An den Bremsen gab es gleich zwei Änderungen. So wurde die Triebwagenbremse von einer Vakuumbremse auf eine vakuumgesteuerte Druckluftbremse umgebaut, zusätzlich kam eine direkt wirkende Rangierbremse hinzu. Auch die Elektrik würde geändert. Es wurde das Nockenschaltwerk von MFO durch eine Hüpfersteuerung von SAAS ausgetauscht. Die Faltenbälge bei den Personenübergängen wurden durch solche ersetzt, die zum übrigen Rollmaterial kompatibel sind.
  • 1968 bis 1971 wurden die Führerstände modernisiert und die Vielfachsteuerung eingebaut. Bei diesem Umbau wurden die Faltenbälge entfernt.
  • 1982–1984 wurden die Triebwagen pendelzugtauglich gemacht. Dabei wurden die Führerstände und Bremsen nochmals leicht angepasst. Zudem wurde am Führerstand I des Triebwagen wieder ein Faltenbalg angebaut. So konnten sie mit den 1982 gelieferten BDt 1721–1723 eingesetzt werden. Bei Bedarf konnte ein bis zwei Mitteleinstiegswagen der Serien AB 1514–1518 und B 2337–2370 dazwischen gereiht werden.
  • Bereits im Mai 1991 wurde der Steuerwagen BDt 1721 für die Ge 4/4 I eingerichtet, BDt 1722 folgte im Dezember 1994.[1] Um weiterhin genügend Pendelzüge bilden zu können, wurden die ABe 4/4 so angepasst, dass sie auch in Vielfachsteuerung verkehren konnten. Dabei musste Führerstand I gegen die Zugsmitte hin gerichtet sein.[2] Der als letzter verbliebene Triebwagen 501 war noch bis im Sommer 2000 mit dem BDt 1723 im Einsatz.[3]
  • 1997 wurde der Triebwagen 503 versuchsweise zu einem Steuerwagen umgebaut, da er sehr schadensanfällig und nicht mehr im normalen Betrieb einsetzbar war. Der Versuch blieb jedoch erfolglos und Triebwagen 503 wurde 1998 zusammen mit 504 abgebrochen.

Farbgebung

Die BCe 4/4 w​aren zusammen m​it den a​cht Mitteleinstiegswagen d​ie ersten r​oten Fahrzeuge d​er RhB. Während r​und vierzig Jahren trugen s​ie neben diesem Anstrich d​ie Bahnabkürzung «RhB» i​n Chromlettern a​uf der Seitenwand. Ebenso w​aren die ursprünglichen Klassenziffern 2 u​nd 3 ausgeführt. Beim Übergang z​um Zweiklassensystem 1956 wurden d​ie neuen Klassenziffern 1 u​nd 2 a​n gleicher Stelle aufgemalt. Ungefähr 1978 erhielt Triebwagen 502 e​inen Neuanstrich m​it den damals üblichen goldenen Zierlinien u​nd dem n​euen RhB-Logo[4]. 1982 b​is 84 wurden d​ie Halterungen für d​en Faltenbalg b​eim Führerstand II (Seite Zweitklassabteil) entfernt. Beim Neuanstrich wurden weisse Zierlinien u​nd das RhB-Logo angebracht, d​ie Türen wurden silberfarbig. Der zuletzt revidierte ABe 4/4 501 erhielt n​eben dem Signet a​uch noch d​en vollen Unternehmensnamen a​uf deutsch (links) u​nd italienisch (rechts).[5]

Liste der Fahrzeuge

BetriebsnummerInbetriebnahmeFernsteuerungStatusBemerkungen
5017. Dezember 1939R3 17. Februar 1984Bleibt als historisches Fahrzeug erhalten
50211. Dezember 1939R3 20. Mai 1983Januar 2000 ausrangiert, August 2002 abgebrochen
5036. Februar 1940R3 28. Januar 1982August 1998 abgebrochen
5045. März 1940R3 ...10.1982August 1998 abgebrochen

Einzelnachweise

  1. Verzeichnis des Rollmaterials der Schweizerischen Privatbahnen Stand 1.1.1995, Herausgeber Verein Rollmaterialverzeichnis Schweiz
  2. http://www.polier.ch/Bahnen/04-ostCH/RhB/21B-persw/20-steuer1700/000S/1721.htm
  3. Bernhard Studer: Rhätische Bahn – Eisenbahnerlebnis in Graubünden. Verlag Dietschi, Olten und Waldenburg 2002, ISBN 3-905404-23-0, Seiten 144 und 177
  4. Claude Jeanmaire: Die elektrischen und Diesel-Triebfahrzeuge schweizerischer Eisenbahnen. 13. Teil: Rhätische Bahn: Stammnetz-Triebfahrzeuge. Archiv Nr. 219, Verlag Eisenbahn, Villigen AG 1995, ISBN 3-85649-219-4

Literatur

  • Hans-Bernhard-Schönborn: Schweizer Triebfahrzeuge, 2004, GeraMond, ISBN 3-7654-7176-3
  • Wolfgang Finke, Hans Schweers: Die Fahrzeuge der Rhätischen Bahn. Band 3: Lokomotiven, Triebwagen, Traktoren. 1889–1998. Schweers + Wall, Aachen 1998, ISBN 3-89494-105-7.
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