Pietro Nenni
Pietro Nenni (* 9. Februar 1891 in Faenza; † 1. Januar 1980 in Rom) war ein sozialistischer italienischer Politiker und Außenminister des Landes.
Leben
Zunächst pazifistischer Journalist, trat er 1908 in die PRI ein, nach den traumatischen Erfahrungen des Ersten Weltkrieges gründete er die Ortsgruppe der Faschisten in Bologna. 1921 brach er jedoch mit Benito Mussolini und wechselte zur PSI. 1923 wurde er Chefredakteur der PSI-Zeitung Avanti!, musste jedoch unter Mussolinis Faschismus 1926 ins Exil nach Frankreich flüchten. Er traf sich auf dem Monte Generoso im Kanton Tessin mehrmals heimlich mit Guglielmo Canevascini und Friedrich Adler. Von 1931 bis 1939 gehörte er dem Vollzugsrat der Sozialistischen Internationale als Mitglied an. Von 1936 bis 1939 nahm er am Spanischen Bürgerkrieg teil.
Von 1943 an wurde er Organisator der PSI, war Mitglied des Nationalen Befreiungskomitees und kehrte 1944 als ihr Generalsekretär wieder in die italienische Politik zurück. Von 1945 bis 1947 war er stellvertretender Ministerpräsident und ab 1946 italienischer Außenminister. 1946 wurde er in die verfassunggebende Nationalversammlung (Konstituante) gewählt. Von 1948 bis 1970 gehörte er dem italienischen Parlament ununterbrochen als Abgeordneter an. 1950 trat Nenni als Präsident des Weltfriedensrats in Erscheinung. Er war zunächst für eine Zusammenarbeit mit der PCI, wovon er sich jedoch nach den Ereignissen in Ungarn 1956 abwendete.
Der Historiker Hans Woller bezeichnete Nennis Vorstellung einer linken Volksfront in Italien als zentralen politischen Fehler der frühen Nachkriegszeit:
„Nenni war ein Revolutionsromantiker und insofern ein wahres Kreuz für die sozialistische Partei, die nach dem Krieg - bei einigem Pragmatismus - zur Führung des Landes prädestiniert gewesen wäre. [...] Sie wussten zwar genau, was in der Sowjetunion der zwanziger und dreißiger Jahre vor sich gegangen war, und ihnen brauchte auch niemand zu sagen, welchen Schaden das Sektierertum und die Moskauhörigkeit der Kommunisten im Exil angerichtet hatten. Trotzdem konnten sie sich nicht aufraffen, eindeutige Konsequenzen zu ziehen.[1]“
Die Folge dieser Positionierung war 1947 die Abspaltung sozialdemokratischer Kräfte unter der Führung von Giuseppe Saragat.
Nach der Fusion zur Partei der Vereinigten Sozialisten (PSI) gehörte er als stellvertretender Ministerpräsident von 1963 bis 1968 den drei Kabinetten der ersten „Mitte-links“-Regierung nach Aldo Moros „Apertura a sinistra“ (dt. „Öffnung nach links“) an. Von 1968 bis zum Rücktritt des ersten Kabinetts von Mariano Rumor im Juni 1969 fungierte er ein weiteres Mal als Außenminister Italiens.
Von 1966 bis 1969 war er Präsident der PSI. Spannungen mit dem linken Flügel seiner Partei führten im Juli 1969 zu dessen Abspaltung. Nenni war begeisterter Europapolitiker, befürwortete die Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags und engagierte sich für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen Italiens zur Volksrepublik China.
1969 trat er von allen Parteiämtern zurück. 1970 wurde er Senator auf Lebenszeit.
Pietro Nenni war verheiratet und hatte drei Töchter, die Politikerin und Journalistin Giuliana Nenni, die 2020 starb, Luciana Nenni (verstorben 2008) und die Widerstandskämpferin Vittoria Nenni, die 1943 im Vernichtungslager Auschwitz ihr Leben verlor.
Auszeichnungen
- Stalinpreis 1951
Literatur
- Franco Andreucci, Tommaso Detti (Hrsg.): Il movimento operaio italiano: dizionario biografico 1853–1943. Bd. 3, Editori riuniti, Roma 1977.
- Mauro Cerutti: Pietro Nenni. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 29. Juli 2009.
- Marco Gervasoni: Nenni, Pietro. In: Raffaele Romanelli (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 78: Natta–Nurra. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2013.
- Elio Santarelli: Pietro Nenni. Utet, Torino 1988.
Einzelnachweise
- Hans Woller: Geschichte Italiens im 20. Jahrhundert. C. H. Beck, München 2010 ISBN 978-3-406-60174-3 S. 203f.
Weblinks
- Literatur von und über Pietro Nenni im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeitungsartikel über Pietro Nenni in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
- Eintrag im Portale storico der Camera dei deputati
- Eintrag auf senato.it