Petit & Gebr. Edelbrock

Petit & Gebr. Edelbrock ist eine Glocken- und Kunstgießerei mit Sitz in der westfälischen Stadt Gescher. Das Unternehmen besteht nach eigenen Angaben seit 1690.

Petit & Gebr. Edelbrock
Rechtsform GmbH & Co. KG
Gründung 1690
Sitz Gescher
Leitung Dirk Hüttemann
Mitarbeiterzahl 25
Branche Glocken- und Kunstguss
Website www.petit-edelbrock-gescher.de

Geschichte

Anfänge unter den Petits

Betriebsgelände der Gießerei
Glockenguss bei Petit & Gebr. Edelbrock am 5. September 2008

Während in den offiziellen Angaben das Jahr 1690 als Gründungsdatum angegeben wird, gibt es jedoch keinen eindeutig belegten Zeitpunkt der Gründung. Das Jahr 1690 bezieht sich auf das Geburtsjahr von Joseph Petit, die Ursprünge des Unternehmens reichen jedoch noch weiter zurück bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts nach Lothringen. So heiratete der Glocken- und Kanonengießer Jean Francois Petit am 29. November 1688 Maria Julliens, Tochter des Glockengießers Nicolas Julliens, die ebenfalls die Glockengießerei beherrschte. Nach diesem Familienzusammenschluss gossen sie in den folgenden Jahrzehnten zusammen Glocken. Die Tätigkeitsorte beschränkten sich dabei nicht nur auf Lothringen, sondern erstreckten sich auch auf Deutschland. Im Jahr 1715 zogen die Petits wahrscheinlich infolge der Hugenottenverfolgung und der daraus resultierenden verschlechterten Wirtschaftslage nach Nederweert in die südlichen Niederlande.

In den Jahren 1718 bis 1721 durchreisten die beiden Brüder Joseph und Jean Petit die Niederlande sowie das Rheinland und auch Westfalen. Dabei gossen sie zusammen mehrere Glocken. Durch die Heirat von Joseph mit Johanna Maria Guns am 27. Januar 1720 kam die Familie in den Besitz der Burg De Donck, in der sie eine feste Glockengießerei einrichteten. Sein Bruder Jean errichtete 1743 in Niederelten bei Emmerich sowie im Jahr 1744 in Hünxe eine Glockengießerei.

Im Jahre 1745 übernahm Alexius Petit der Ältere als ältester Sohn von Joseph Petit die Glockengießerei. Nebenbei gründete er auch eine Bierbrauerei, allerdings verlor er den Überblick über die Geschäfte, so dass er 1778 gezwungen war, die Burg an die Gebrüder Johan und Philip de Rooij zu verkaufen. In den darauffolgenden Jahren zog er mit seinen Söhnen durch die Niederlande, das Rheinland und Westfalen, wo sie zusammen als Glockengießer tätig waren.

Im Jahre 1787 führte Alexius’ Weg nach Gescher, wo er in den darauffolgenden Jahren eine Gießerei errichtete. Die erste in Gescher gegossene Glocke war der Umguss einer Glocke von St. Pankratius. Sein Sohn Alexius Petit der Jüngere gewährte in den 1790er Jahren erstmals längere Garantiezeiten von bis zu vier Jahren. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1801 ließ sich Alexius d. J. am 19. Februar 1806 endgültig in Gescher nieder. Im Dezember heiratete er die aus Horstmar stammende Maria Theodora Catharina Agnes Elisabeth Edelbrock und wurde am 2. Januar 1808 Bürger der Stadt Gescher. Direkt nach seiner Niederlassung in Gescher errichtete Alexius d. J. an der Hofstraße ein Firmengelände mit einem Ofen mit einem Fassungsvermögen von 5000 kg. Seine besonderen Fähigkeiten als Glockengießer wurden am 26. Juli 1841 in der Düsseldorfer Zeitung erwähnt, wonach er bis zu diesem Zeitpunkt 447 Glocken ohne einen einzigen Fehlguss gegossen habe, von denen zudem nicht eine gesprungen sei.

Gebrüder Edelbrock (1823–1912)

Die Ehe mit seiner Frau blieb kinderlos, daher entschloss sich Alexius d. J. 1823, seine beiden Neffen Joseph und Bernhard Wilhelm Edelbrock in das Unternehmen aufzunehmen. Nach dem Tod von Alexius d. J. im Jahr 1842 führten sie das Unternehmen als Petit & Gebr. Edelbrock fort. Sie wurden auf der Pariser Weltausstellung 1855 mit der Silbermedaille geehrt. Nach dem Tod Bernhard Wilhelms im Jahr 1859 und Josephs Tod im Jahr 1885 ging die Gießerei auf Rudolf Edelbrock über, der bereits die Leitung des Unternehmens übernommen hatte. Aus seiner Ehe mit Crescentia Mayer aus Hechingen ging Carl Edelbrock hervor, der 1899 die Gießerei übernahm. Er gilt als der bedeutendste Glockengießer der Familie Edelbrock und fertigte eine Reihe von bekannten Glocken und Geläuten, wanderte allerdings im Jahre 1912 in die USA aus.

Leitung unter der Familie Hüesker (1912 bis 2010)

Vier neue Glocken für St. Lamberti in Münster (Westfalen), gegossen am 5. September 2008

Da Carl Edelbrocks einziger Sohn bei einem Unfall ums Leben kam, übertrug er seinem Freund und Verwandten Werner Hüesker die Leitung des Unternehmens. Hüesker führte die Gießerei durch die schwierige wirtschaftliche Situation während des Ersten Weltkriegs und der Hyperinflation während der Weimarer Republik. Nachdem sich die wirtschaftliche Lage verbessert hatte, wurde 1925 eine dritte Glockengrube sowie ein 13.000 kg fassender Ofen errichtet. Dieser Ofen ist heute noch in Betrieb.

Nach dem Tod von Werner Hüesker im Jahr 1932 übernahm sein Sohn Hans die Gießerei. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Guss von neuen Glocken untersagt und die Produktion beschränkte sich auf Rüstungskomponenten sowie Rohre, Siphons und Sechswegehähne. Nach Ende des Krieges und Beseitigung von Kriegsschäden wurde die Produktion von Glocken wieder aufgenommen. Die erste gegossene Glocke war für die Notkirche in Coesfeld bestimmt. Im Oktober 1948 erfolgte der Guss des größten in Deutschland gegossenen Geläuts nach dem Zweiten Weltkrieg für die katholische Pfarrgemeinde in Lindenberg im Allgäu mit einem Gesamtgewicht von 18.500 kg.

Im Jahr 1956 wurde die Produktion von Grauguss aufgenommen, jedoch wenige Jahre später wieder eingestellt, da die hierfür mittlerweile notwendig gewordenen Maschinen nicht in die Werkshallen gepasst hätten. Stattdessen wurde auf die Produktion von Kunstguss gesetzt.

Nach dem Tod von Hans Hüesker im Jahr 1979 übernahm seine Frau Florence Hüesker das Unternehmen. Sie hatte sich bereits seit der Hochzeit 1959 darin engagiert. Im Jahr 1988 goss sie die mit 13.000 kg bisher schwerste nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland entstandene Glocke. Im Jahr 1995 – nach dem Tod von Florence Hüesker – ging die Leitung der Gießerei auf den Sohn Hans-Göran Hüesker über, unter dessen Leitung computergesteuerte Brennprozesse eingeführt wurden.

Hans Göran Hüesker starb am 17. August 2019 im Alter von 58 Jahren.

Insolvenz und Neubeginn

Am 27. Juli 2010 wurde beim Amtsgericht Münster ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt. Ziel war es, im Rahmen des Insolvenzplans die notwendigen Sanierungsmaßnahmen umzusetzen und die Glockengießerei wieder zukunftsfähig zu machen.[1] Das Insolvenzverfahren wurde mit Datum vom 24. September 2012 beendet.[2] Mit einer überarbeiteten Strategie und einem neuen Erscheinungsbild konzentriert sich das Unternehmen seitdem auf die Glocken- und Kunstguss-Manufaktur und bietet zusätzlich einen Shop und Führungen durch die denkmalgeschützte Produktion an.

Die Geschäftsführung hatte vom 1. März 2012 bis zum 31. März 2016 der Düsseldorfer Unternehmer Rainer Esser inne. In diesem Zeitraum wurden über 100 Glocken zwischen 200 und 4800 kg für den nationalen und internationalen Markt gegossen. Ebenso übernimmt das Unternehmen im Bereich Kunstguss Aufträge für Künstler aus Deutschland und dem benachbarten Ausland.

2014 wurden große Teile des Betriebes unter Denkmalschutz gestellt.[3]

Als Nachfolger von Rainer Esser übernahm 2016 und 2017 Andreas Hahner aus Oelde die Geschäftsleitung, 2018 wurde er von Dirk Hüttemann abgelöst. Das Unternehmen beschäftigt heute (Stand 2021) wieder 26 Mitarbeiter.

Werke (Auswahl)

Name Ort Nominal Masse
(in kg)
Gießer Gussjahr Anmerkungen
Gangolfus Heinsberg, St. Gangolf des1 ca. 1.930 Alexius d. Ä. und Petrus Petit 1764 Es handelt sich dabei um eine der größten Glocken dieser Gießer. Sie wurde auf der Burg De Donck bei Aarle-Rixtel gegossen.
unbekannt Vreden, St. Georg c1 ca. 2.500 Alexius Petit d. J. 1822 eine der größten noch erhaltenen Glocken in Westfalen aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts
3-stimmiges Geläut Sindorf, St. Maria Königin e1–fis1–gis1 2.075 Joseph und Wilhelm Edelbrock 1850 Es handelt sich hierbei um eines der ältesten, noch vollständig erhaltenen Geläute dieser Gießerei. 1967 wurde eine vierte Glocke (Nominal h1) von derselben Firma hinzugegossen.
9-stimmiges Geläut Fulda, Fuldaer Dom h0–cis1–dis1–e1–fis1–gis1–a1–h1–fis2 unbekannt Carl & Rudolf Edelbrock 1897 einzig erhaltene Glocke ist die Salvatorglocke in h0
4-stimmiges Geläut Giesel, St. Laurentius bei Fulda gis1–h1–cis2–g2 1.225 Petit & Gebr. Edelbrock (1950) / Hans Hüesker (1971) 1950 1971 1950 erfolgte eine Neubeschaffung der 1942 im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzenen Glocken.
1971 Neuguss der 1962 von Monasterium Eijsbouts neu beschafften St.-Laurentius- und St.-Anna-Glocken.
15-stimmiges Glockenspiel Denver, St.-John’s-Cathedral a0 17.500 Carl Edelbrock 1905 nur die größte Glocke schwingt[4]
Osanna Fulda, Fuldaer Dom gis0 5.526 Carl Edelbrock 1908 nicht erhalten; Ersetzt 1953 durch Neuguss von Friedrich Wilhelm Schilling
4-stimmiges Geläut Bonn, St. Elisabeth c1–es1–f1–g1 6.050 Carl Edelbrock 1908 steht unter Denkmalschutz
St. Bernardus Münster, St.-Paulus-Dom g0 5.745 Carl Edelbrock 1911 im Zweiten Weltkrieg 1942 beschlagnahmt und eingeschmolzen
unbekannt Osnabrück, St. Katharinen g0 7.002 Werner Hüesker
7-stimmiges Geläut Lindenberg im Allgäu, Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul g0–a0–c1–d1–e1–g1–a1 18.500 Hans Hüesker 1945 Bis 2009 größter Neuguss Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg
5-stimmiges Geläut Minden, Dom zu Minden h0–d1–e1–fis1–g1 Hans Hüesker 1948 Großes Geläut aus 5 Glocken, gezeigt auf der Hannover Messe.
1993 ausgebaut und an die russisch-orthodoxe Kirche in Gifhorn verkauft. Nur noch anschlagbar.[5]
6-stimmiges Geläut Landau in der Pfalz, Stadtpfarrkirche St. Maria a0–c1–e1–g1–a1–h1 Hans Hüesker 1953 laut Fachkreisen eines der besten Geläute der Gießerei
Maria Aachen, Aachener Dom g0+8 6.045 Hans Hüesker 1958 Ersatz für den 1942 zerschlagenen Umguss von Rudolf Edelbrock (1881)
Jesus-Maria Joseph, Christ König, Toten[6] Troisdorf, Filialkirche St. Adelheid fis1–a1–h1–d2 Hans Hüesker 1964 Kirchenbau von Gottfried Böhm
Martin Fritzlar, Fritzlarer Dom St. Peter ais0+3 3.416 Hans Hüesker 1972 größte der insgesamt acht Domglocken (sechs historische und eine weitere von 1972)
Josefsglocke Oberhausen, Propsteikirche St. Clemens f'+9 775  ? 1974 zur Erinnerung an das 100-jährige Bestehen der KAB St. Clemens
Papstglocke Dietkirchen, St. Lubentius as0 ca. 5.000 Florence Hüesker 1980 Gegossen in Anwesenheit einer Vatikanischen Gesandtschaft, geweiht durch Papst Johannes Paul II. am 17. November 1980
Stupa San Francisco e0 13.000 Florence Hüesker 1988 schwerste in Deutschland gegossene Glocke nach dem Zweiten Weltkrieg
Friedensglocke, Clemensglocke, Don Bosco-Glocke Oberhausen, Propsteikirche St. Clemens a°+2, c'+7, d'+8 3.150, 1.800, 1.220  ? 1988 Die 3 Glocken wurden dem insgesamt 6-stimmigen Geläut ein Jahr nach Neuerrichtung des Kirchturms hinzugefügt. Die Friedensglocke ist eine der tontiefsten Bronzeglocken im Ruhrgebiet.[7]
Dankglocke Spandau, St.-Nikolai-Kirche b0 3.400  ? 1990 Die Sendung mit der Maus drehte hier ihre Spezialsendung über das Glockengießen.[8]
Liudger Billerbeck, Propsteikirche St. Ludgerus ges0 7.200 Florence Hüesker 1992
Weltjugendtagsglocke
(offiziell: Johannes-Paul-II.-Glocke)
Köln, St. Aposteln g0 6.700 Hans-Göran Hüesker 2005 Sie wurde von Papst Benedikt XVI. zu Beginn der Vigilfeier beim Weltjugendtag am 20. August 2005 auf dem Marienfeld bei Köln geweiht.
Commons: Glockengießerei Petit & Gebr. Edelbrock – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Westf. Nachrichten: Petit & Gebr. Edelbrock beantragen Insolvenzverfahren. 26. Juli 2010. (Memento vom 12. Februar 2013 im Webarchiv archive.today)
  2. Wamsiedler.de: Glockengießerei Petit & Gebr. Edelbrock beendet Insolvenzverfahren. 12. September 2012.
  3. Unternehmenshomepage der Glockengießerei Petit & Edelbrock: Aktuelles – 24. April 2014 Wir stehen unter Denkmalschutz
  4. Cathedral of St.John in the Wilderness. Abgerufen am 30. Juli 2020 (englisch).
  5. Roland Pieper, Anna-Beatriz Chadour-Sampson: Stadt Minden. Teil II: Altstadt 1 & Der Dombezirk. In: Fred Kaspar, Ulf-Dietrich Korn (Hrsg.): Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Band 50. Klartext-Verlag, Essen 1998, ISBN 3-88474-632-4, Kapitel VII Ausstattung. Die Glocken, S. 853.
  6. Gerhard Hoffs: Glocken der Kirche St. Adelheid in Müllekoven. In: Glockenbücher des Erzbistums Köln, Dekanat Troisdorf (Stand 23.2.2013). S. 27–30, abgerufen am 1. Februar 2022.
  7. Matthias Dichter: Turmaufnahme der Glocken der Propstei St. Clemens. In: YouTube. Matthias Dichter, 25. November 2017, abgerufen am 25. November 2017.
  8. Die Maus Spezial – Glockengießen (gedreht in den 1990er Jahren bei Petit & Gebr. Edelbrock) auf YouTube.

This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.