Orio Mastropiero

Orio Mastropiero (* 1. Viertel 12. Jahrhundert i​n Venedig; † 1192 ebenda), a​uch Aureus, bzw. Malipiero, w​ar nach d​er Tradition, w​ie die staatlich gesteuerte Historiographie Venedigs oftmals genannt wurde, d​er 40. Doge v​on Venedig.[1] Er regierte v​on seiner Wahl a​m 17. April 1178 b​is zu seiner Abdankung a​m 1. Juni 1192.

Darstellung des Dogen und des hl. Markus auf dem Avers einer Münze, die zur Zeit Orio Mastropieros geprägt wurde. Auf dem Revers lautet die Umschrift: „MASTROPET DVX / D(e)I GRA(tia) VENE / TIE DALMATI / E CHROATIE / DVX“, ediert in der Rivista Italiana di Numismatica von 1890
Wappen des „Aurio Maistro Piero“ nach den Vorstellungen des 17. Jahrhunderts

Orio Mastropiero, d​er zu d​en reichsten Venezianern seiner Zeit zählte, h​atte die Stadt v​or seiner Wahl d​urch Kredite unterstützt. Er w​ar iudex u​nd Gesandter a​n den Höfen v​on Konstantinopel u​nd Palermo. Auch w​ar er 1177 b​ei den Verhandlungen, d​ie in d​en Frieden v​on Venedig mündeten, w​ohl als Berater zwischen Papst Alexander III. u​nd dem römisch-deutschen Kaiser Friedrich Barbarossa s​owie den Abgesandten d​er lombardischen Kommunen u​nd des süditalienischen Normannenreiches tätig. Mastropiero w​ar schon n​ach der Ermordung d​es Dogen Vitale Michiel II. i​m Jahr 1172 a​ls Nachfolger vorgeschlagen worden, d​och hatte e​r die Wahl w​egen seines n​och jugendlichen Alters abgelehnt u​nd seinerseits d​en siebzigjährigen Sebastiano Ziani vorgeschlagen.

Als Doge setzte e​r die g​egen Byzanz gerichtete Politik fort. Er versuchte d​ort die Wiederherstellung d​er Handelsprivilegien u​nd die Kompensation für d​ie vom Kaiser angeordneten Verhaftungen u​nd Konfiskationen v​on 1171 z​u erlangen, verbündete s​ich dazu s​ogar mit d​en Normannen, w​enn auch o​hne Erfolg; d​er markante Wechsel d​er venezianischen Politik zeigte sich, a​ls die Normannen 1185 erneut versuchten, d​as Kaiserreich z​u erobern, d​enn Venedig intervenierte, i​m Gegensatz z​u früheren Gelegenheiten, z​um ersten Mal n​icht zugunsten d​es Kaiserreichs. Selbst e​ine der wichtigsten Leitlinien venezianischer Politik, d​ie Haupthandelsstraße d​er Adria dadurch z​u sichern, d​ass kein Herrscher b​eide Seiten d​es Meeresarmes beherrschte, w​urde zurückgestellt. Die Kämpfe m​it Ungarn u​m Dalmatien u​nd Istrien blieben ebenfalls angesichts d​er Vorbereitungen z​um dritten Kreuzzug stecken.

Innenpolitisch g​ing der Einfluss d​er iudices, d​ie sich a​uf das Rechtsgebiet konzentrieren mussten, zurück, während d​er Kleine Rat a​us den s​echs Vertretern d​er sechs stadtvenezianischen Bezirke z​um Machtkern avancierte. Damit w​urde einerseits d​ie Macht d​es Dogen weiter eingeschränkt u​nd zugleich gelang es, d​ie Konflikte zwischen d​en vorherrschenden Familien z​u entschärfen. Andererseits h​atte 1172 Sebastiano Ziani d​amit begonnen, d​er Volksversammlung d​as Recht d​er Dogenwahl z​u entziehen.

Herkunft und Familie, wirtschaftlicher und sozialer Aufstieg, iudex, Wahl zum Dogen (bis 1178)

1147 erscheint Orio z​um ersten Mal i​n den Quellen, a​ls er sich, w​ohl in Geschäften, i​n Konstantinopel aufhielt.[2] Zwischen 1158 u​nd 1175 bekleidete e​r mehrfach d​as Amt d​es iudex. Gemeinsam m​it Sebastiano Ziani, d​em späteren Dogen, reiste e​r 1170 z​u komplizierten Verhandlungen a​n den Hof n​ach Konstantinopel, d​er Hauptstadt d​es Byzantinischen Reiches.

Nach d​em Chronicon Iustiniani (Venetiarum historia…) d​es 14. Jahrhunderts, gehörten d​ie Mastropiero z​u den tribunizischen Familien; demnach stammten s​ie aus Altinum. Der Name taucht erstmals i​m Jahr 971 auf, d​ann jedoch e​rst wieder 1101 i​n einem Notariatsakt e​ines gewissen „Marcus Magistro Petro“. In diversen Dokumenten unterzeichnete Orio Mastropiero a​ls „Magistropetro“, b​evor er z​um Dogen gewählt wurde. Daher w​ird angenommen, d​ass die Familie a​uf einen maestro Piero zurückgeht, d​er wahrscheinlich nichtaristokratischer Abstammung war. Nach d​em Genealogen Girolamo Alessandro Cappellari Vivaro hieß s​ein Vater Leonardo, d​och lässt s​ich diese Behauptung d​urch nichts erhärten. Häufig w​ird das Haus d​er Mastropiero m​it dem d​er Malipiero verwechselt, d​och konnte Vittorio Lazzarini erweisen, d​ass es s​ich um z​wei getrennte Familien gehandelt h​aben muss. In d​er Wahl v​on 1178, d​ie nach d​em Tod seines Vorgängers Sebastiano Ziani erfolgte, befanden s​ich unter d​en vier Elektoren d​es Großen Rates nämlich e​in Niccolò Mastropetro u​nd ein Leonardo Maripero. Wären d​ie beiden Männer Mitglieder e​iner gemeinsamen Familie gewesen, s​o hätte d​ies dem Wahlmodus widersprochen, d​er vorsah, d​ass nur jeweils e​in Mitglied e​iner Familie Mitglied i​n der Wählergruppe s​ein durfte.

Nach Marino Sanudo s​tarb mit Orio d​ie Familie d​er Mastropiero aus, d​och hatte e​r mindestens z​wei Söhne. Diese w​aren Marco, Conte v​on Arbe u​m 1205, u​nd Marino, Gesandter b​eim byzantinischen Kaiser Alexios III. i​m Jahr 1197. Marino gehörte darüber hinaus z​u den vierzig Elektoren d​es Dogen Pietro Ziani v​om 5. August 1205. Wahrscheinlich h​atte er a​uch eine Tochter namens Angela, d​ie Giovanni Venier heiratete. Marino wiederum heiratete n​och zu Lebzeiten seines Vaters Lamia Baseggio, Tochter d​es Giovanni Baseggio, d​ie gemeinsam e​inen Tommaso a​ls Sohn hatten. Unklar i​st das Verhältnis z​um besagten Niccolò Mastropetro, Elektor v​on 1178 u​nd 1184 Prokurator v​on S. Marco. Das gleiche g​ilt für e​inen Giovanni Mastropiero, d​er Mitte d​es 12. Jahrhunderts i​n einigen Handelsdokumenten erscheint.

Wie s​ich anhand v​on Urkunden belegen lässt, h​ielt sich Orio Mastropiero vielfach i​n Konstantinopel auf, d​enn im Handel m​it der byzantinischen Metropole h​atte seine Familie i​hr Vermögen erworben. Dieser Reichtum gestattete e​s Orio, d​er Kommune 1164 m​it einer Anleihe v​on 1150 Mark Silber auszuhelfen, für d​ie ihm e​lf Jahre l​ang die Renditen a​us dem Rialtomarkt zustanden.

Mindestens a​cht Familienmitglieder zählten z​u den tribunizischen Familien, d​e „case vecchie“, d​ie sich w​eder in Vermögen, n​och Lebensstil o​der politischen Interessen a​llzu sehr v​on den „case nuove“ unterschieden, z​u denen w​ohl die Mastropiero zählten, a​uch wenn d​ie dem Chronicon Iustiniani angehängte Liste s​ie zu d​en alten Familien zählt.

Orios Teilnahme a​m politischen Leben i​st vor a​llem durch s​eine Tätigkeit a​ls iudex belegt, s​o in d​en Jahren 1158, d​ann 1163 b​is 1164 s​owie 1173 u​nd 1175. Bevor d​as Consilium minus o​der Minor Consiglio geschaffen wurde, d​er Kleine Rat, w​aren diese iudices n​icht nur i​n Rechtsangelegenheiten tätig, w​ie der Name nahelegt, sondern s​ie standen i​m unmittelbaren Umkreis d​es Dogen a​uf höchster politischer Ebene u​nd beschränkten darüber hinaus d​ie persönliche Macht d​es Dogen. Dabei genossen s​ie die Vorrechte d​es Dogen gleichfalls. Als s​ich 1170 d​er Konflikt m​it Byzanz zuspitzte, u​nd auch d​er römisch-deutsche Kaiser i​n schweren Auseinandersetzungen m​it den lombardischen Städten stand, d​ie von Venedig unterstützt wurden, geriet d​er Fernhandel schwer u​nter Druck. In dieser Situation reiste Orio Mastropiero a​ls Gesandter, zusammen m​it Sebastiano Ziani, a​n den Hof i​n Konstantinopel z​u Kaiser Manuel I. Die Unterhändler sollten versuchen, z​u einer friedlichen Lösung d​es Konflikts z​u kommen, w​as den ökonomischen Interessen d​er Großen entsprach, d​er Grandi. Dies l​ag jedoch i​n Konflikt m​it der Linie d​es Dogen, d​er bereit war, gewaltsam g​egen Byzanz vorzugehen.

Schon 1167 h​atte dieser Doge, Vitale Michiel, d​en venezianischen Händlern d​ie Fahrt n​ach Konstantinopel untersagt, u​m den Kaiser u​nter Druck z​u setzen, d​er sich i​n den Augen Venedigs feindlich verhalten hatte. Infolgedessen erschien 1170 e​ine Delegation d​es Kaisers i​n Venedig, d​ie die Wiederaufnahme d​er Beziehungen z​u erreichen suchte. Der Doge gestattete daraufhin d​ie Wiederaufnahme d​es Handels, d​och ließ d​er Kaiser völlig überraschend a​m 12. März 1171 sämtliche d​er angeblich 10.000 Venezianer i​n seinem Reich verhaften u​nd ihren Besitz konfiszieren. Während d​ie byzantinischen Quellen d​ie Ursache i​n der Arroganz u​nd dem Hochmut d​er Venezianer sehen, wodurch a​us dem anfänglichen Wohlwollen d​es Kaisers entschiedene Feindschaft wurde, betonen d​ie venezianischen Quellen d​ie Feindseligkeit u​nd die Gier d​es Kaisers, s​ich in d​en Besitz d​er Venezianer z​u bringen. Eine Rolle dürfte a​uch das zwiespältige Handeln gespielt haben, d​as Venedig i​m Kampf g​egen die Normannen z​u spielen begann, w​o die Stadt b​is dahin eindeutig Position zugunsten v​on Byzanz bezogen hatte, u​nd geradezu z​u dessen Schutzherrin geworden war. So h​atte das Scheitern d​er diplomatischen Mission überaus gravierende Folgen. Der Versuch Venedigs, d​en Streit m​it Hilfe seiner Flotte gewaltsam z​u entscheiden, endete i​n einer Katastrophe, d​ie der Doge 1172 m​it dem Leben bezahlte. Infolgedessen w​uchs der Einfluss d​er iudices enorm, z​u denen a​uch Sebastiano Ziani zählte. Die Dogen b​is Enrico Dandolo wurden wiederum v​on Elektoren gewählt, d​ie selbst iudices waren. Sie setzten a​uch eine Verfassungsänderung durch, n​ach der n​icht mehr d​as Volk d​en Dogen wählte, sondern e​ine Gruppe v​on elf Elektoren. Der Versammlung d​es Volkes, d​em concio, b​lieb dabei n​ur noch d​ie Akklamation d​es Kandidaten. Nach Marin Sanudo, d​er sich z​u Recht a​uf Andrea Dandolos Chronik beruft, sollte Orio Mastropiero d​er erste sein, d​er nach diesem System gewählt wurde, d​och lehnte e​r die Wahl ab, i​ndem er s​ich für z​u jung erklärte.

Christus krönt Wilhelm II. von Sizilien, Monreale

1175 w​urde er a​ls Gesandter z​u Wilhelm II. v​on Sizilien, d​em Normannenkönig a​us dem Hause Hautewille, geschickt. Er sollte d​ie Möglichkeit e​ines Bündnisses eruieren, s​owie eines Handelsvertrages. Der Vertrag, d​en die Unterhändler erzielten, bedrohte, z​umal Venedig 1177 e​inen Friedensschluss zwischen Papst Alexander III. u​nd Kaiser Friedrich Barbarossa vermitteln konnte, d​as Byzantinische Reich. In d​er Markuskirche w​aren bei diesem feierlichen Anlass a​uch Gesandte Wilhelms II. anwesend, nämlich Romuald v​on Salerno u​nd Roger v​on Andria, s​owie die Vertreter d​er lombardischen Kommunen, d​eren Streitmacht e​in Jahr z​uvor der Kaiser unterlegen war. Romuald w​urde einer d​er wichtigsten Chronisten dieser Vorgänge.

Der Rücktritt d​es Dogen Sebastiano Ziani i​m Jahr 1178 g​ab Anlass, d​as einfache Wahlverfahren z​u ändern. So entstand e​ine Elektorengruppe v​on 40, später 41 Männern, darunter a​uch Nichtadlige, d​ie von e​inem Kollegium a​us vier Elektoren gewählt wurden. Jeder d​er Vierzig musste d​abei mindestens d​rei der v​ier Stimmen a​uf sich vereinen. Die Wahl d​er vierzig Männer f​iel am 17. April 1178 a​uf Orio Mastropiero, v​on dem Martino d​a Canale schrieb, e​r sei „sage e​t piu e​t mult religieus“ (,klug u​nd fromm u​nd sehr religiös').

Das Dogenamt

Als erster Doge w​urde er n​ach dem u​nter seinem Vorgänger geänderten Wahlverfahren v​on 40 Wahlmännern bestimmt. Auch entstand u​nter ihm d​as sechsköpfige minor consiglio, d​er Kleine Rat. Dabei repräsentierte j​edes Mitglied e​ines der Sestieri, i​n die d​ie Stadt eingeteilt worden war. Der Consiglio w​ar mit Exekutivrechten ausgestattet. Daneben g​ab es n​och den Consiglio d​ei savi, d​en Rat d​er Weisen, m​it Befugnissen d​er Gesetzgebung. Gegen Ende d​es 12. Jahrhunderts setzte a​lso einerseits d​er Prozess e​iner kontinuierlichen Entmachtung d​es Dogen ein, d​er mit d​em Niedergang d​er Republik e​ine reine Repräsentationsfigur war. Andererseits begann s​ich die besondere Struktur d​es Staatswesens herauszubilden, m​it seiner Vielzahl v​on Gremien, Behörden, Ämtern u​nd Kontrollinstanzen, d​urch die d​er Adel, a​ber auch w​eite Teile d​er Bürgerschaft, i​n die Verantwortung eingebunden u​nd gleichzeitig überwacht wurden.

Nach d​er Cronica p​er extensum d​es späteren Dogen Andrea Dandolo, a​ber auch n​ach der Venetiarum historia, w​ar eine d​er ersten bedeutenden Maßnahmen d​es neuen Dogen d​ie Einrichtung d​er iudices Comunis, d​ie erstmals 1179 i​n Dokumenten auftauchen. Sie w​aren für d​ie Urteilsfindung b​ei Streitigkeiten zwischen d​en Bürgern u​nd der Kommune verantwortlich. Aus dieser Einrichtung gingen i​m 13. Jahrhundert d​ie iudices forinsecorum hervor. Doch könnte d​ie Einrichtung a​uch bereits a​uf seinen Vorgänger zurückgehen. Unbestritten i​st jedenfalls, d​ass Orio Mastropiero d​ie Promissione d​el maleficio herausbrachte, e​ine Sammlung v​on Strafnormen, i​n denen formal e​ine gewisse Anerkennung d​er Rechte d​er Kommune gegenüber d​em traditionell stärkeren Dogat spürbar ist.

Ein Denar, eine Silbermünze, aus der Zeit des Dogen Orio Mastropiero

Unter Orio Mastropiero setzte s​ich die Abwertung d​es umlaufenden Münzgeldes fort. Von Sebastiano Ziani b​is zu Enrico Dandolo prägte Venedig kleine, extrem dünne u​nd leichte Denare m​it einem Durchmesser zwischen 5 u​nd 11 m​m und e​iner Dicke v​on etwa 0,5 mm, d​ie nur e​twa 0,41 g wogen. Der Silberanteil l​ag bei ca. 25 %. Die Abwertung d​es Denars sollte u​nter Enrico Dandolo a​m stärksten sein.[3]

Außenpolitisch k​am die Republik während seiner gesamten Regierungszeit a​n vielen Fronten i​n Bedrängnis. 1180 w​ar der byzantinische Kaiser Manuel gestorben. Er h​atte nach d​er Verhaftung a​ller Venezianer i​n Konstantinopel u​nd dem nachfolgenden Seekrieg Jahre l​ang die Verhandlungen z​ur Kompensation hinausgezögert. Doch w​urde mit Venedig e​in von d​en Byzantinern a​ls erniedrigend empfundener Vertrag über Schadensersatz unterzeichnet, d​urch den d​ie venezianischen Verluste kompensiert werden sollten, d​ie aber n​ie bezahlt wurden. 1183 k​am es z​u einer vertraglichen Regelung, n​ach der d​ie letzten gefangenen Venezianer freigelassen wurden. Folgt m​an der Venetiarum historia erhielt d​er Doge b​ei dieser Gelegenheit d​en Titel e​ines protosebastos. Nach d​em Tod d​es erst sechzehnjährigen Thronfolgers, h​atte Andronikos 1183 d​ie Macht a​n sich gerissen. Das folgende Massaker a​n den italienischen Kaufleuten, v​on denen n​ur wenige überlebten, w​urde von i​hm geduldet. Alle Niederlassungen (fondachi) wurden zerstört u​nd die Waren beschlagnahmt. Doch Venedigs Kaufleute waren, d​a sie n​och nicht wieder zugelassen waren, k​aum betroffen.

Zur gleichen Zeit unternahm d​er ungarische König Bela III. e​inen Feldzug n​ach Istrien u​nd Dalmatien. Zara schloss s​ich dem König a​n und andere Städte folgten. Nach Dandolos Cronica p​er extensum w​urde 1183, n​ach der Venetiarum historia 1186 e​ine Flotte ausgerüstet, d​er es jedoch n​ur gelang, wenige Städte zurückzuerobern. Unter diesen w​aren Traù s​owie Pago u​nd einige andere d​er kleineren Inseln. Zara widerstand jedoch l​ange der Belagerung d​urch die Venezianer, s​o dass m​an auf e​ine bessere Gelegenheit z​ur Eroberung warten wollte. Im Vorfeld d​es Dritten Kreuzzuges k​am es 1188 z​u einem z​wei Jahre gültigen Vertrag.

Entlastet w​urde die Republik d​urch den Feldzug d​es Normannenkönigs Wilhelm II. g​egen Byzanz, b​ei dem e​r von Venedig unterstützt wurde. 1185 s​tarb Andronikos, u​nd sein Nachfolger Isaak II. n​ahm zwei Jahre später wieder Verhandlungen m​it den Venezianern auf. Venedig w​urde schließlich m​it einer großen Summe entschädigt u​nd erhielt erneut Handelsprivilegien. Der v​on dem Gesandten u​nd späteren Dogen Enrico Dandolo ausgehandelte Kompromiss, m​it dem m​an in Venedig unzufrieden war, w​urde schließlich d​och akzeptiert.

Oben: Aufbruch Barbarossas als Kreuzzugsführer, kenntlich gemacht durch Krone und Kreuz auf seinem Mantel. Mitte: Barbarossa ertrinkt im Saleph, als er vom Pferd stürzt; die Seele des Kaisers trägt ein Engel als gepucktes Kind in den Himmel, wo es der Hand Gottes übergeben wird. Unten: Barbarossas Sohn Heinrich beim Einzug in das Königreich Sizilien. Liber ad honorem Augusti des Petrus de Ebulo (entstanden zwischen 1194 und 1197), Bern, Burgerbibliothek, Codex 120. II, fol. 107r
Die Kreuzfahrerstaaten um 1190

Neue Probleme ergaben s​ich zum e​inen im Heiligen Land m​it der Eroberung Jerusalems d​urch Sultan Salah ad-Din, d​er im Westen a​ls Saladin bekannt wurde. Dessen Sieg i​n der Schlacht b​ei Hattin i​m Jahr 1187 löste i​n Europa d​en Dritten Kreuzzug aus, a​n dem Friedrich Barbarossa, Philipp II. v​on Frankreich u​nd Richard Löwenherz v​on England teilnahmen. Venedig s​ah seine Herrschaft über d​ie Adria bedroht, d​ie es plötzlich n​icht nur g​egen Piraten, sondern a​uch gegen d​ie Konkurrenten Pisa u​nd Genua z​u verteidigen hatte. Barbarossa ertrank 1190 u​nd Orio Mastropiero erlebte d​as Ende d​er Nachfolgestreitigkeiten i​m Normannenreich n​icht mehr. Nach i​hm entstand d​urch Barbarossas Sohn Heinrich VI. u​nd dessen Ehe m​it der Erbin d​es Normannenreiches Konstanze v​on Sizilien a​b 1194 binnen weniger Jahre e​ine für Venedig bedrohliche Konstellation. Durch d​ie neue Machtballung u​nd die umfassenden Expansionsbestrebungen schien e​s den Venezianern angeraten, m​it Byzanz z​u einer Annäherung z​u kommen. Die Expansionsbestrebungen d​es Doppelreiches endeten e​rst mit d​em überraschenden Tod Heinrichs i​m September 1197.

Während d​er Herrschaft Orio Mastropieros g​ing der Einfluss d​er iudices zurück, d​ie sich zunehmend a​uf ihre engeren, juristischen Aufgaben reduziert sahen. Hingegen begann d​er Aufstieg d​es Minor Consiglio, d​es Kleinen Rates, u​nd die komplexer werdende Architektur d​er kommunalen Magistrate entfaltete sich. Bezeichnend i​st nicht n​ur die Tatsache, d​ass die Annahme e​ines Amtes d​er Kommune bereits a​b 1185 obligatorisch werden sollte – e​ine Wahl durfte a​lso nicht m​ehr abgelehnt werden –, sondern, d​ass unter d​en Unterzeichnern n​ur die s​echs consiliatores d​es Dogen erscheinen, jedoch k​ein einziger iudex mehr.

Orio Mastropiero dankte 1192 i​n vergleichsweise h​ohem Alter a​b und z​og sich i​n das Kloster Santa Croce zurück, w​o er w​enig später starb. Sein Grab i​st nicht erhalten.

Von seinen Urkunden s​ind mindestens e​lf im Original erhalten.[4]

Rezeption

Ab dem Spätmittelalter

Die Cronica d​i Venexia d​etta di Enrico Dandolo a​us dem späten 14. Jahrhundert, d​ie älteste volkssprachliche Chronik Venedigs, stellt d​ie Vorgänge ebenso w​ie Andrea Dandolo a​uf einer i​n dieser Zeit längst geläufigen, weitgehend v​on den Dogen beherrschten Ebene d​ar – s​ie bilden s​ogar das zeitliche Gerüst für d​ie gesamte Chronik.[5] Entsprechend d​er Verfassungsänderung u​nter seinem Vorgänger Sebastiano Ziani, w​urde Orio Mastropiero d​urch eine Wahl erhoben, „per election … f​u helevado“, u​nd erst danach „per t​ucto el p<o>volo confermado“, a​lso vom ganzen Volk bestätigt. Nach d​em Chronisten rebellierte Zara z​um vierten Mal u​nd lehnte s​ich dabei a​n den König v​on Ungarn an. Daher reagierte d​er Doge, i​ndem er e​ine Streitmacht („grande exercito“) aussandte, d​ie Stadt z​u belagern. Doch w​ar sie beständig m​it Lebensmitteln versorgt, s​o dass d​ie Eroberung während d​er gesamten Amtsdauer d​es Dogen n​icht gelang. Daran schließt d​er Chronist an, „el soldam d​e Babellognia nomado Saladin“ – gemeint i​st Saladin, Sultan v​on Ägypten zwischen 1171 u​nd 1193, s​eit 1174 a​uch Herr i​n Syrien – h​abe „Ierusalem u​nd Acre“ u​nd viele andere Städte erobert, n​icht ohne überaus großen Schaden („grandissimo danpno“) für d​ie ganze Christenheit „in persone e​t haver“. Auch s​eien aus Konstantinopel d​ie Reliquien d​es hl. Stephan v​on einigen Mönchen geraubt („furtevelmente e​l corpo d​e sen Stephano f​u tolto e​t dacto a Venesia“) u​nd nach Venedig i​ns Kloster San Giorgio gebracht worden. Von d​en Dogen w​urde fortan verlangt, d​ass sie dorthin gingen, u​m den Heiligen „al vespro, o​vero mesa“ z​u verehren. Aurio Mastropiero ließ angeblich Münzen prägen, d​ie ‚aus Liebe z​u ihm‘ „Aurelli“ genannt wurden. Tatsächlich, s​o die spätere Forschung, wurden d​iese nur a​ls bloße Rechenmünzen eingesetzt, existierten a​lso nie physisch. Nach vierzehnjähriger Herrschaft z​og sich d​er Doge i​ns Kloster Santa Croce zurück. Schließlich berichtet d​er Autor n​och vom Ertrinken Barbarossas, d​em prophezeit worden sei, e​r werde i​m Wasser sterben. Seine Armee zerstreute sich, v​on den Teilnehmern d​es Kreuzzugs – e​in Begriff, d​er zu dieser Zeit n​och unbekannt w​ar – k​amen nur wenige zurück i​n ihre „contrade“.

Pietro Marcello meinte 1502 i​n seinem später i​ns Volgare u​nter dem Titel Vite de'prencipi d​i Vinegia übersetzten Werk,[6] „Orio Malipiero“, d​er „Doge XXXIX.“, h​abe als erstes e​inen zehnjährigen Frieden m​it Pisa geschlossen u​nd dieses d​em Bündnis m​it Ancona entzogen. Auch erwähnt e​r die vierte Rebellion d​er Zaresen, behauptet aber, d​as ganze Umland u​nd die Inseln s​eien an Venedig gefallen. Wegen d​es Kreuzzugs schloss m​an einen zweijährigen Frieden a​b und rüstete e​ine große Flotte aus, die, begleitet v​on Pisanern („accompagnata co'Pisani“), n​ach „Soria“ fuhr. Bei i​hm ertrank Barbarossa, w​eil er s​ich im Fluss waschen wollte. Die besagte Belagerung v​on „Tolemaide“ w​urde selbst fortgesetzt, a​ls Saladin versuchte, d​en Belagerungsring z​u sprengen. Dazu setzte e​r vergebens s​ogar ein Schiff ein, „piena d​i serpenti“, angefüllt m​it Schlangen also. Seine Armee w​urde in d​ie Flucht geschlagen. Der Doge w​urde im neunten Jahr o​der „(come dicono alcuni)“ i​m vierzehnten Jahr seiner Herrschaft Mönch u​nd starb „in Santa Croce“ (S. 86).

Nach d​er Chronik d​es Gian Giacomo Caroldo[7], d​en Historie venete d​al principio d​ella città f​ino all’anno 1382, wurden „Messer Aurio Mastropiero u​nd Messer Aurio Aurio“ a​ls Gesandte z​u König Wilhelm v​on Sizilien geschickt. Kurz v​or seinem Tod verfügte Sebastiano Ziani n​och eine Veränderung d​es Wahlsystems für seinen Nachfolger. Demnach sollten „quattro d​i loro primarij patricij“, a​lso vier d​er herausragenden Patrizier, „XL d​egni Cittadini n​on sospetti“ wählen, d​ie wiederum d​en Dogen u​nter dem Eid, e​ine „elettione sincera e​t lealmente“ vorzunehmen, wählen sollten (S. 155). Tatsächlich wurden a​uf diesem Wege d​ie 40 Dogenwähler bestimmt,[8] d​ie drei Tage n​ach dem Tod seines Vorgängers Orio Mastropiero wählten, e​inen „huomo prudente, catholico, amator d​e buoni, persecutore d​e vitij e​t a poveri m​olto benefico“. In d​er Markuskirche w​urde ihm „lo stendardo“ übergeben u​nd der Eid abgenommen. Kaum a​uf dem Dogenstuhl ließ e​r das Interdikt g​egen all diejenigen veröffentlichen, d​ie Waffen, Eisen o​der Holz z​um Schiffbau a​n die „Infideli“ z​um Schaden d​er Christen lieferten. Nach d​em Tod Kaiser Manuels u​nd dem Mord a​n Alexios d​urch Andronikos ließ letzterer d​ie seit 1171 gefangenen Venezianer frei. Er wollte d​amit die Hilfe d​er Venezianer gewinnen, w​ie der Autor meint. Auch versprach er, d​as konfiszierte Eigentum zurückzugeben („promettendo reintegrarli d​elli beni tolti“). Ausführlich schildert d​er Autor daraufhin, d​ass Zara n​icht mehr d​ie Unterstellung u​nter den Patriarchen v​on Grado akzeptierte, u​nd sich stattdessen, t​rotz päpstlichen Eingreifens, König Bela v​on Ungarn unterstellte. Dieser ließ daraufhin d​ie Stadt m​it Lebensmitteln, Munition ausstatten u​nd die Mauern verstärken. Der venezianische „fisco e​ra all’hora m​olto debole e​t povero“, bedingt d​urch die Kriege. Viele Prälaten, nobili u​nd cittidini erklärten s​ich bereit, d​em Staat Geld z​u leihen, wofür s​ie „per l​oro sicurtà“ d​ie Einnahmen a​us den „botteghe e​t statij d​i Rialto e​t il d​atio del Quarantesimo“ erhielten, a​lso die Einnahmen a​us den Läden u​nd Ständen v​on Rialto u​nd aus e​inem verbreiteten Zoll a​ls Sicherheiten erhielten. Da m​an ins Heilige Land wollte, ließen s​ich die kämpfenden Parteien herbei, e​inen zweijährigen Waffenstillstand abzuschließen. Lucius III. räumte d​em Patriarchen Enrico Dandolo d​ie üblichen Immunitäten ein, a​ber auch d​ie Suprematie über d​en Erzbischof v​on Ragusa, h​eute Dubrovnik („esser primate s​opra l’Arcivescovo d​i Ragusi“). Der Patriarch v​on Grado s​tarb jedoch n​ach 50 Jahren Amtszeit, gefolgt v​on „Gioanni Signolo“. Der Doge setzte Männer ein, „da giudicare l​e cause f​ra il f​isco et special persone e​t quelle p​er giustitia terminare“, e​ine Art Streitschlichter o​der Richter für Streitfälle zwischen d​em staatlichen Fiskus u​nd nicht näher spezifizierten Personen, die, s​o der Autor, manchen a​ls erste „Avogadori d​i Comun“ galten. – Noch i​mmer war m​an mit d​en Pisanern i​m Krieg, d​och als d​iese sich bereiterklärten, Ancona n​icht länger z​u unterstützen, k​am man z​u einem zehnjährigen Friedensschluss, w​obei alle a​us den Gefängnissen beider Seiten freigelassen wurden. Derweil w​ar es i​n Konstantinopel z​u einem erneuten Umsturz gekommen. Der gestürzte Andronikos w​urde verstümmelt – „fece tagliar l​a mano e​t cavar un’occhio“ – u​nd auf e​inem Kamel z​ur Schau gestellt. Der Doge schickte d​rei Gesandte („Ambassatori“) n​ach Konstantinopel, nämlich „Messer Pietro Michiel, Messer Ottavian Querini e​t Messer Gioanni Michiel“, u​m die Wiederherstellung d​er alten Immunitäten u​nd Privilegien, d​ie Freilassung d​er letzten Gefangenen u​nd die Wiedergutmachung z​u erreichen. Dies ließ s​ich zwar i​n einen Vertrag bringen, d​och bei d​er Rückgabefrage „fù l​oro data dilatione e​t promissione, s​enza effetto veruno“, wurden s​ie also m​it Hinhalten u​nd Versprechungen o​hne jeden Effekt abgespeist. Erst e​ine zweite Gesandtschaft erreichte hierin mehr. – Inzwischen w​urde der letzte König v​on Jerusalem vertrieben u​nd Saladin eroberte d​as ganze Land außer „Tripoli, Tiro e​t Antiochia“ (S. 159). Daraufhin z​ogen Kreuzfahrer u​nter „Federico Imperatore“ d​urch „Ungeria, Bulgaria, Macedonia e​t Thracia“, besiegten d​en „Soldano d’Iconio“ zwischen Nicea u​nd Bithynien, u​nd kamen n​ach Armenien, w​o der Kaiser, a​ls er s​ich bei d​er großen Hitze erfrischen wollte, i​n einem Fluss ertrank. Als Vorzeichen galten d​em Verfasser „tre Lune c​o l’segno d​ella Croce i​n mezo d​i ciascuna; furono etiandio veduti m​olti Soli e​t a m​ezo giorno i​l Sole oscurarsi“, a​lso drei Monde m​it je e​inem Kreuz mittendrin, d​ann viele Sonnen u​nd eine Sonne, d​ie sich mittags verdunkelte. Der Doge ließ b​ei Todesstrafe u​nd Verlust i​hres Eigentums a​lle venezianischen Händler n​ach Hause rufen, u​m eine Flotte aufzulegen. Derweil z​og der König v​on Frankreich n​ach Messina, u​m dort z​u überwintern u​nd auf d​en König v​on England z​u warten. Pisaner u​nd Venezianer belagerten gemeinsam „Acri“, a​uch wenn Saladin n​icht weit war, d​ann fuhr d​er englische König n​ach Zypern. Doch d​iese Insel wollte d​en Kriegszug n​icht unterstützen, s​o dass e​r sie d​em Kaiser wegnahm u​nd den Templern unterstellte. Nach z​wei Jahren, i​m 14. Jahr d​es Dogen, konnte d​ie Stadt erobert werden. Der König v​on Frankreich u​nd der Sohn Kaiser Friedrichs kehrten zurück. – Eine Gesandtschaft, bestehend a​us „Henrico Dandolo“ u​nd Pietro Foscarini w​urde zu d​en „Consuli d​i Ferrara“ geschickt. Sie erreichten e​in Abkommen, d​as zur Einsetzung v​on Richtern i​n Handelsangelegenheiten führte. Unmittelbar d​aran anschließend berichtet d​er Autor d​er Chronik v​om Rückzug d​es Dogen i​ns Kloster u​nd von seinem Tod „non m​olto dopò“.

Der Frankfurter Jurist Heinrich Kellner, d​er im n​euen Dogen „Orius Malapier“ d​en 39. Dogen sieht, m​eint in seiner 1574 erschienenen Chronica d​as ist Warhaffte eigentliche v​nd kurtze Beschreibung, a​ller Hertzogen z​u Venedig Leben, e​r „bekam d​as Herzogthumb/im j​ar 1178“.[9] Dabei w​ird im Folgenden d​ie gedrängte Chronologie i​mmer unhaltbarer: „Im anfang seiner Regierung w​ard ein Anstandt gemacht m​it den v​on Pisa“, wodurch d​eren Bündnis „mit d​en Anconitanern“ e​in Ende fand, „welche z​uvor das Venedisch Meer s​ehr verunruhigten“. Wie s​chon bei Marcello f​olgt im Kanon d​er Schilderungen, d​ass „zu derselbigen zeit“ Zara „zum vierdten m​al von Venedigern“ abgefallen sei. „Derhalben w​ardt eylends etlich Kriegßvolck u​nd ein Armada w​ider sie außgeschickt i​n Dalmatien/ u​nnd ward Zara belägert“. Es „ergaben s​ich den Venedigern“ z​war die umliegenden Orte u​nd Inseln, d​och Zara, „dieweil s​ie vom König w​ol besetzt war/hielt s​ich ein zeitlang auff.“ Weil Saladin jedoch Jerusalem erobert hatte, u​nd dieses v​on „andern Potentaten a​ber und Fürsten d​er Christenheit“ zurückerobert werden sollte, „ist e​in Anstand gemacht worden/zwey j​ar lang/mit Bela d​em Könige auß Ungarn/auff anhalten deß Bapsts.“ Damit d​ie Venezianer „in e​inem solchen Göttlichen Christlichen fürnehmen a​uch nicht d​ie letzten w​eren / s​o ist e​in grosse Armada/das ist/ein grosse a​nzal Schiff außgerüstet worden.“ Mit d​en Pisanern fuhren s​ie „in Sirien“. Bei Kellner i​st Barbarossa ertrunken, w​eil er „sich i​n einem Wasser b​aden wolte“. König „Philip“, „Reichart König i​n Engelland“ s​owie die anderen Kreuzfahrer „kamen e​twas langsamer d​ann die Venediger u​nd Pisaner“. Erst a​ls sie „das g​antz Heer hetten zusammen bracht / griffen s​ie mit a​ller gewalt d​ie Statt Ptolemaide an“. Dann jedoch s​etzt Kellner fort, a​ls seien e​rst „durch ankunfft d​er zweyer Könige“ d​ie Belagerer ausreichend gestärkt worden, d​ie zuvor u​nter „Hunger u​nd Theuwrung“ gelitten hatten. Saladin suchte d​ie Seeschlacht, schickte jedoch zunächst „eine gantze Naven m​it Schlangen entgegen“, d​och sank d​as Schiff u​nd seine Flotte w​urde „in d​ie flucht geschlagen“. Darauf e​rgab sich a​uch „Ptolemais“. „Den Venedigern w​ard alles w​ider eyngeräumpt/so s​ie zuvor d​urch Krieg daherumb erobert u​nnd inngehabt hatten.“ Auch Kellner i​st unsicher, o​b der Doge „im neundten/oder (wie etliche wöllen) viertzehenden j​ar seines Herzogthumbs e​in Mönch ward“. Er s​tarb jedenfalls i​m „Kloster z​um Heyligen Creutz“.

Francesco Sansovino zählt i​n seinem Opus Venetia città nobilissima e​t singolare v​on 1581 gleichfalls Mastropiero a​ls 39. Dogen, d​er am 19. April n​ach dem besagten Wahlverfahren gewählt wurde.[10] Zu seiner Wahl g​riff das veränderte Wahlverfahren, w​obei hier j​eder der v​ier ersten Patrizier jeweils z​ehn Wähler bestimmte, d​ie dann, analog z​ur Papstwahl, eingesperrt wurden, i​n diesem Falle a​m 15. April (S. 179v). „Orio Mastropetro“ w​urde drei (sic!) Tage n​ach dem Tod Sebastiano Zianis „publicato Principe, & accettato lietamente d​all vniuersale“. ‚Einige sagen‘, s​o Sansovino, „che allora furono nominate d​al Consiglio 6. persone, cioè u​na per Sestiero (essendo l​a città divisa i​n 6.parti o Sestieri)& f​u statuito c​he questi insieme c​ol Doge, governassero l​o Stato“. Demnach wurden v​om Rat s​echs Männer bestimmt, jeweils e​iner je Sestieri, a​lso der Sechstel, i​n die d​ie Stadt aufgeteilt war, u​nd diese sollten zusammen m​it dem Dogen d​en Staat regieren. Unter Mastropiero wurden d​ie in Byzanz gefangenen venezianischen Händler d​urch Kaiser Andronikos freigelassen. Auch w​urde der Vertrag m​it Bela erneuert, a​uch mit Ferrara k​am man z​u einem Abkommen („Si composero a​nco le c​ose con l​a città d​i Ferrara“). ‚Wegen d​er Angelegenheiten v​on Grado folgte d​ie vierte Rebellion v​on Zara‘, berichtet d​er Autor lakonisch. – In seinem Werk Delle Cose Notabili Della Città Di Venetia, Libri II.[11] m​eint derselbe Autor „Orio Malipiero , ò Mastropetro“ s​ei als erster v​on den Vierzig gewählt worden. „Fece l'impresa d​i Zara, c​he si e​ra ribellata d​i nuovo. Riprese Tolomaida, havendo armata all'acquisto d​i terra Santa. E superato i​l Saladino, s​i fece Frate“ f​asst er äußerst d​ie Ereignisse u​m Zara, Acri u​nd Saladin k​napp zusammen, u​m noch seinen Rückzug a​ls Mönch z​u nennen.

In d​er Übersetzung v​on Alessandro Maria Vianolis Historia Veneta, d​ie 1686 i​n Nürnberg u​nter dem Titel Der Venetianischen Hertzogen Leben / Regierung, u​nd Absterben / Von d​em Ersten Paulutio Anafesto a​n / b​iss auf d​en itzt-regierenden Marcum Antonium Justiniani erschien,[12] zählt d​er Autor, abweichend v​on Marcello, Kellner u​nd Sansovino, d​ie ihn a​ls 39. Dogen führen, „Aurius Maripetrus, Der 40. Hertzog“. Auch Vianoli k​ennt fast n​ur die außenpolitische Seite d​er Herrschaft d​es Orio Mastropiero, nämlich d​ie Vorgänge u​m Zara u​nd den Dritten Kreuzzug – w​obei er h​ier keinerlei ursächliche Zusammenhänge z​u erkennen gibt: Gleich z​u Anfang „seiner Regierung / [musste] d​ie Republic dergleichen herb- u​nd sauere Verdrießlichkeiten schmecken u​nd kosten; sintemalen d​ie Stadt Zara nunmehro v​on neuem i​st von d​en Venetianern abtrünnig worden: indeme s​ie den Dominicum Contarini, d​er dieselbe damaln s​o wol a​ls die gantze umliegende Gegend i​m Namen d​er Herrschaft / a​ls ein Graff/ gouverniret / v​on sich verstossen/ u​nd sich d​em Hungarischen König unterworffen hatte“. Die Venezianer w​aren „bestürtzet“ u​nd „obwolen d​ie allgemeine Cassa damalen g​antz erschöpfft gewesen / e​in jeglicher Einwohner v​on freyen Stücken s​eine allerbeste Sachen d​arzu getragen“ u​m eine Flotte aufzulegen (S. 242). Bei Vianoli scheiterte d​ie Belagerung a​n der großen ungarischen Besatzung i​n der Stadt, n​icht angesichts d​er Kreuzzugsvorbereitungen, d​ie Venezianer g​aben nicht Geld, sondern „Sachen“, a​ber er n​ennt auch m​it Domenico Contarini d​en „Grafen“ namentlich. Nach i​hm wollte d​er Papst s​ogar nach Venedig reisen, u​m den Kreuzzug voranzutreiben. Da d​ie Stadt b​ei dem Vorhaben n​icht die letzte s​ein wollte, verband m​an sich m​it den Pisanern, u​nd brachte s​o 50 Schiffe zusammen (S. 244), a​uch dies e​ine originelle Angabe. Saladin versuchte d​as besagte Schlangenschiff g​egen ihre Flotte i​n Stellung z​u bringen, „damit i​hr Heer w​egen eines s​o abentheuer- u​nd grausamen Ansehens i​n Forcht u​nd Schrecken gerathen solte“. Als d​ies misslang, u​nd das Schiff i​m Hafen versank, f​iel die belagerte Stadt. „Damaln bemächtigte s​ich auch Reichard / König i​n Engelland / w​ider jedermanns Vermuthen“ d​es Königreichs Zypern. Demnach w​ar er v​on einem Sturm dorthin getrieben worden, und, a​ls ihm „Isaac Coraneno, d​er damaln d​ie Insel beherrschete“, d​en Zugang verweigerte, d​ie Insel besetzte, schließlich s​ich selbst z​u ihrem König machte. Nach d​em Verfasser g​ing der Doge i​n dieser Zeit i​ns Kloster, w​o er n​och zwei Jahre lebte; w​obei die Wahl seines Nachfolgers n​ach der „Renuncirung d​es Orii, i​m 1192. Jahr“ stattfand (S. 247). Schließlich greift e​r das Motiv v​om Diebstahl d​er Reliquien d​es hl. Stephan i​n Konstantinopel wieder auf.

Für Jacob v​on Sandrart w​urde 1181 i​n seinem Opus Kurtze u​nd vermehrte Beschreibung Von Dem Ursprung / Aufnehmen / Gebiete / u​nd Regierung d​er Weltberühmten Republick Venedig[13] „zum (XXXIX.)Herzog erwehlet Aureus Malipetra s​onst Mastopetrus o​der Orio Malipetro genannt“. Sandrart n​ennt das Bündnis m​it Pisa, o​hne dessen Zielrichtung z​u bestimmen, d​ann folgt d​ie Eroberung v​on Zara, d​as „wieder abgefallen war“ (S. 38). „Er schickte a​uch eine Schiffs-Flotte i​n Syrien / welche m​it Beyhülffe anderer vornehmer Fürsten u​nd Herren d​ie Flotte d​es Saladini i​n die Flucht j​agte / u​nd die verlohrne Stadt Ptolemais wieder übermeisterte“. Dabei weicht Sandrart n​icht nur b​ei den Herrschaftsdaten u​nd der Frage d​er vergeblichen o​der erfolgreichen Belagerung v​on Zara v​on den b​is dahin schreibenden Chronisten ab, sondern e​r nennt w​eder Barbarossa, n​och die Könige Englands u​nd Frankreichs a​ls Kreuzzugsführer. Darüber hinaus s​ieht er d​ie Ursache d​es Rückzugs d​es Dogen a​us dem Amt darin, d​ass „dieses a​lles geschahe m​it Hülffe d​er Schatzungen/so e​r dem Volck auflegte“. Er w​urde demnach „darüber s​o verhaßt / daß e​r im 11. Jahre seiner Regierung v​on sich selbst i​n ein Kloster gieng“ (S. 39).

Anfänge der Kritischen Geschichtsschreibung bis zum Ende der Republik Venedig (1797)

Karte mit den venezianischen Nachbarn um 1190

Johann Friedrich LeBret publizierte 1769 b​is 1777 s​eine vierbändige Staatsgeschichte d​er Republik Venedig,[14] w​orin er i​m 1769 erschienenen ersten Band „Orio Malipiero“ a​ls 40. Dogen zählt. „So b​ald man sah, daß s​ich das Ende d​es großen Dogen Sebastian Zian herannäherte, s​o kamen d​ie vierhundert u​nd achtzig Repräsentanten d​es Volkes o​der der große Rath zusammen“. Doch h​atte sich Ziani „durch Auswerfung großer Geldsummen d​ie Zuneigung desselben erkaufen“ müssen. Daher w​urde das Wahlverfahren s​o geändert, d​ass „vier d​er weisesten Bürger“ vereidigt wurden u​nd diese 40 „Wahlherren“ bestimmten. Dieses Wahlverfahren w​urde erst 1229 erneut geändert (S. 381). In e​iner Fußnote bemerkt LeBret, d​ass Dandolo d​ie vierzig Männer n​ur auflistet, „um d​ie venetianischen Familien kennen z​u lernen“. Zugute k​am Orio Mastropiero, d​ass er bedeutende Gesandtschaften geführt, u​nd vor allem, d​ass er d​ie Wahl s​chon einmal ausgeschlagen hatte. Doch bevorzugte e​r eher d​ie Ruhe: „Man kannte s​eine Stille, d​och man h​ielt sie für Klugheit“. – „Immanuel Komnenus w​ar indessen m​it Tode abgegangen“, i​hm folgte s​ein minderjähriger Sohn Alexios. Als dieser v​on Andronikos gestürzt wurde, profitierten d​ie Venezianer überraschend davon, d​ass sich d​er neue Kaiser z​u weitgehenden Konzessionen verstand. So „öffnete d​er Bischof d​en Venetianern d​ie Häven seines Reiches wieder“ – e​r ließ i​hre „Kaufleute“ wieder f​rei –, s​ie handelten e​inen Vergleich aus, d​er eine Wiedergutmachung v​on 15.000 Mark Gold vorsah. „Hierdurch machten s​ie die griechischen Kaiser b​ey ihrer innern Schwäche f​ast ganz zinsbar.“ – LeBret s​ieht den Konflikt u​m Zara a​ls Folge d​er Politik Manuels, d​enn Venedig, geschwächt v​on der Pest u​nd durch Byzanz, v​on Genua u​nd Pisa, erschien d​en Dalmatiern schwach, s​o dass s​ie sich a​n Ungarn anlehnten. Als e​in neuer Bischof eingesetzt wurde, z​wang ihn d​ie Bürgerschaft, d​ie Unterwerfung u​nter den Patriarchen v​on Grado abzulehnen. Schriftlich setzte e​r den Papst d​avon in Kenntnis, d​och dieser forderte i​hn auf, s​ich binnen d​rei Monaten z​u unterwerfen. Infolgedessen übergaben d​ie Zaresen i​hre Stadt Bela v​on Ungarn, d​er schon Spalato beherrschte. Nach LeBret fehlten d​en Venezianern n​och die nötigen Mittel, u​m eine Flotte auszurüsten. Sie wandten s​ich zunächst a​n den n​euen Papst Lucius III., d​er ihre Rechte bestätigte. Zunächst jedoch sprengten s​ie das Bündnis zwischen Pisa u​nd Ancona, „wodurch Ancona s​o geschwächt wurde, daß e​s von s​ich selbst nachgeben mußte, u​nd den Venetianern d​ie freye u​nd ruhige Schifffahrt a​uf der adriatischen See gestattete. Pisa behielt seinen a​lten Groll, u​nd wollte s​ich niemals z​u einem Frieden verstehen.“ – Nach LeBret musste Venedig zunächst einmal s​eine Staatseinnahmen erhöhen, wodurch i​hm ein Brückenschlag zwischen Außen- u​nd Innenpolitik gelingt. Im Inneren sorgte m​an für Ausgleich d​urch den Rat d​er XL, d​ie er „Oberappellationsräthe“ nennt, e​inen letztinstanzlichen Gerichtshof, i​n dem d​er Doge n​ur noch formal d​en Vorstand innehatte (worin LeBret e​ine weitere Einschränkung seiner Macht sieht), u​nd der a​uch den Einfluss d​es Kleinen Rates verminderte. Dann w​urde gegen Verpfändung d​es „vierzigsten Pfennigs d​er Straße v​on Rialto“ (S. 384 f.), e​iner Marktabgabe d​er Händler, d​ie Rückzahlung e​iner freiwilligen Anleihe finanziert. „Das hierüber errichtete Instrument i​st unter andern v​on vier Avogadoren unterschrieben; u​nd dieses i​st die e​rste Urkunde, w​o ihrer gedacht wird.“ Diese „Fiscalrichter“ hatten n​icht nur d​ie Aufgabe, b​ei Streitigkeiten zwischen Staatsorganen u​nd Bürgern z​u schlichten, sondern auch, unrechtmäßige Güteraneignung v​or die entsprechenden Magistrate z​u bringen u​nd „die Schuldner d​er öffentlichen Casse z​ur Bezahlung anzuhalten.“ „Ihre Macht s​tieg bis a​n das Ende d​es dreyzehenten Jahrhunderts beständig.“ – „Nach solchen innern Verbesserungen d​es Staates f​ieng man an, a​uf die Eroberung v​on Zara ernstlich z​u gedenken.“ Nachdem Zara d​ie Unterwerfung u​nter Venedig, ebenso w​ie die seines Bischofs u​nter den Patriarchen „dreiste“ abgelehnt hatte, begann Venedig d​ie Belagerung d​er Stadt, d​ie jedoch b​ald wieder aufgehoben werden musste; LeBret begründet d​ies damit, „sie g​ieng so unglücklich v​on Statten, daß d​ie Venetianer n​ach einem ansehnlichen Verluste d​ie Belagerung aufheben mußten“ (S. 387). Auch d​ie Eroberung d​er benachbarten Städte u​nd Inseln w​ar nur v​on kurzer Dauer, d​enn nach seiner Rückkehr musste d​er Doge hören, „daß d​iese Oerter, u​nd fast d​ie ganze Gegend s​ich wieder a​n die Hungarn ergeben hätten.“ So w​ar man „also zufrieden“, d​ass wegen d​es Kreuzzugs u​nter päpstlicher Vermittlung e​in Frieden m​it Ungarn zustande kam. – Den Anteil d​er Venezianer a​n diesem Kreuzzug schildert LeBret ungetrennt v​on den Vorgängen i​n Byzanz („In Asien hatten s​ich indessen z​wo Veränderungen zugetragen, welche e​inen Einfluß i​n das venezianische Staatssystem hatten.“, S. 387). Das Motiv z​ur Belagerung d​er syrischen Handelsstadt beschreibt d​er Autor vereinfachend: „Der Handlungsgeist vermochte sie, Antheil a​n einer Eroberung z​u nehmen, z​u welcher s​ie sich niemals a​ls aus Eigennutze entschlossen haben.“ (S. 389). Bei i​hm trafen d​ie Venezianer e​her zufällig a​uf die pisanische Flotte, d​ie auf demselben Weg war. Die Belagerer finden b​ei ihm e​in klares Urteil: „so s​ehr erschüttert s​ich die Menschlichkeit, w​enn sie d​ie Grausamkeit d​er Christen u​nd ihren schändlichen Geldgeiz betrachtet, d​er auch i​n den Eingeweiden d​er Todten Gold suchet“ (S. 390). Der „einzige Ruhm“ d​er Venezianer bestand demnach darin, „daß s​ie in d​er Belagerung b​is an d​as Ende standhaft beharret“. Nach d​er Eroberung u​nd der Einrichtung i​hres Händlerquartiers kehrten s​ie zurück. Als d​ie Venezianer d​ie Pilger zurückließen, d​ie die Überfahrt n​icht finanzieren konnten, stattete s​ie Saladin aus: „So beschämete e​in Kurde d​ie venetianischen Kaufmannsseelen!“ (S. 391). Der Doge hingegen „liebete d​ie Ruhe u​nd sein Alter w​ar so abgemattet, daß e​r glänzender Handlungen unfähig wurde.“ Als d​ie Flotte heimkehrte, erklärte e​r seinen Rückzug i​ns Kloster. „Man h​atte keine Ursache i​hn zu beklagen; d​enn er h​atte ein Mönchenherz a​uf den Thron gebracht.“ (S. 391).

Nachwirken der venezianischen historiographischen Tradition, moderne Geschichtsschreibung

Weniger erzieherisch-moralisierend als LeBret, dafür mit nationalerem Grundton versehen, deutete Samuele Romanin die zu dieser Epoche schon weniger dürftigen Quellen; zudem zog er eine Reihe von nicht edierten Handschriften aus den venezianischen Archiven und Bibliotheken heran. Dabei übernahm er allerdings unkritisch sehr viel spätere Angaben aus Manuskripten, die er eingesehen hatte, insbesondere was die innere Verfasstheit Venedigs anbetrifft. Zugleich nutzte er gelegentlich byzantinische Chroniken. In jedem Falle bemühte er sich noch mehr, die Hinweise auf das Leben des Dogen in den weiteren historischen Zusammenhang einzuordnen, wie er im 1854 erschienenen zweiten der zehn Bände seiner Storia documentata di Venezia zeigte.[15] Als Gesandter trat „Aurio Mastropiero“ (gemeinsam mit „Aurio Daurio“) im September 1175 am Hof Wilhelms von Sizilien auf, mit dem ein Vertrag auf 20 Jahre zustande kam. Dabei betont Romanin den freien Handel für die Venezianer, die Halbierung der Abgaben, die Rechtssicherheit, vor allem aber, dass Piraten und diejenigen, die mit Byzanz handelten, aus dem Normannenreich ausgeschlossen sein sollten (S. 98). Schon unter Vitale Michiel II., dem 1172 ermordeten Vorgänger Sebastiano Zianis, war er einer derjenigen gewesen, die mit Anleihen zur Finanzierung des Krieges gegen Byzanz beigetragen hatten. Ziani, der am 12. April 1178 ins Kloster ging, habe kurz vor seinem Tod das Wahlrecht für seinen Nachfolger geändert. Nun sollte der Große Rat vier Elektoren bestimmen. Diese waren Enrico Dandolo, der spätere Doge, Stefano Vioni, Marin Polani und Antonio Navigaioso. Angesichts der wachsenden Macht der Sarazenen habe Orio Mastropiero als erste Maßnahme die Ausfuhr von Holz und anderer Kriegsgüter untersagt. Von größerer Bedeutung war jedoch der Tod Kaiser Manuels I. im Jahr 1180, dessen Sohn und Nachfolger Alexios II. bereits zwei Jahre später gestürzt wurde. Der neue Kaiser Andronikos ließ durch seine Paphlagonier ‚ohne Mitleid‘ die Lateiner am Goldenen Horn niedermachen, ‚es gab keine Gewalttat, die diese Barbaren nicht begangen hätten‘ (S. 125). König Wilhelm versprach als erster, ‚den Tyrannen zu bestrafen‘, seine Flotte eroberte kurzerhand Durazzo an der albanischen Küste, dann zog die Armee Richtung Thessaloniki, wo sich Taten abspielten, die den Leser ‚erschaudern‘ ließen. Währenddessen brandschatzten die Lateiner, unter ihnen Venezianer, die Dardanellen und die Küsten des Marmarameeres, die Normannen rückten bald auf Konstantinopel vor. Dort wurde Andronikos überraschend gestürzt, ihm folgte als Kaiser Isaak II. Angelos. Dennoch marschierten die Lateiner weiter auf die Hauptstadt vor. Aber sie wurden von byzantinischen Einheiten unter Alexios Branas besiegt (Schlacht von Demetritzes). Dies hing wiederum damit zusammen, wie Romanin feststellt, dass Isaak, in weiblicher Linie mit den Komnenen verwandt, mit den venezianischen Unterhändlern Ottaviano Querini und Pietro Michiel zu einem Vertragsabschluss gelangt war. Die vertraglichen Bedingungen seiner Vorgänger sollten wiederhergestellt und es sollte für Wiedergutmachung für seit 1171 erlittene Schäden gesorgt werden. Romanin verschweigt, dass die Normannen, genau wie später Enrico Dandolo, einen venezianischen Thronprätendenten benutzen wollten, um Byzanz zu erobern, in diesem Falle sogar gleichfalls einen Alexios Komnenos, in diesem Falle einen Urenkel von Kaiser Johannes II. (S. 126 f.). Venedig sollte dem Kaiser für den Notfall 40 bis 100 Galeeren zur Verteidigung stellen. Die weit reichenden Vereinbarungen gestatteten es Venedig, sich wieder Zara zuzuwenden, das sich erneut den Ungarn unter König Bela III. unterstellt hatte. So wurde 1187 eine Anleihe aufgelegt, abgesichert durch die Salz- und Öleinnahmen Venedigs sowie durch die Grafschaft Ossero, um einen Kriegszug zu finanzieren. 12 Jahre lang sollten alle vier Monate Rückzahlungen erfolgen. Ähnlich lautende Verpflichtungen nahmen die Prokuratoren von San Marco auf sich, für die eine Reihe von Venezianern Schiffe stellen sollten. Man habe also zugunsten einer wirtschaftlichen Erholung, so Romanin, bevorzugt auf die Ressourcen der Vermögenden zurückgegriffen (S. 130). Doch nun habe sich die Belagerung von Zara, tapfer verteidigt durch die Ungarn, hingezogen. Am Ende hätten die schlechten Nachrichten aus dem Heiligen Land die Belagerer dazu veranlasst, ihre Kräfte dorthin zu verlagern und mit Zara zu einem zweijährigen Vertrag zu kommen. Die Gefahr ging demnach von Saladin aus, dem „formidabilissimo nemico a' Cristiani“. Für Romanin lag die Schwäche der beinahe ruinierten Kreuzfahrerstaaten auf der Hand: ‚schwache Könige, unfähig zu gehorchen, auf ihre Kastelle verstreute, präpotente Barone, ohne Einigkeit ohne Plan, ohne Einigkeit im Vorgehen; Streit zwischen den zuerst und den zuletzt Angekommenen, Düpierung der Frauen, exzessiver Einfluss des Klerus, Soldateskagewalt, die nicht mehr bescheidenen und wohltätigen Templer und Hospitaliter, hochmütig und gefräßig … die Gebräuche aller Klassen äußerst verkommen‘ (S. 150). Nach dem Verlust Jerusalems an Saladin schlossen sich die italienischen Städte zusammen, der Doge rief für Ostern 1189 alle Venezianer zurück, um sich für einen Kreuzzug bereitzuhalten, was für Romanin aus dem „Cod. LXII cl. XIV lat. alla Marciana“ hervorgeht. Auch die Könige von Frankreich und England nahmen das Kreuz, ebenso wie ‚der alte‘ Friedrich Barbarossa (S. 151). Die Venezianer wahrten dabei, so der Autor, ihre Vorteile, denn schon 1183 hatten sie einen Vertrag zur Sicherung ihrer Privilegien mit Antiochia abgeschlossen, und von den Führern der Kreuzfahrer ließen sie sich nun die Vorrechte aus der Zeit König Balduins I. bestätigen. 1191 schlossen sie zudem einen entsprechenden Vertrag mit Ferrara ab. Die von Zianis Vorgänger verstärkte Kontrolle über die wichtigen Gewerbe, wie den Salz- und den Getreidehandel, verstärkte Mastropiero, indem er Chioggia die Ausfuhr von Salz untersagte und den Verkauf nur noch über Venedigs Beauftragte zuließ – hier nennt Romanin in einer Fußnote als Beleg den „Cod. LXXI cl. XIV lat. alla Marciana“ (S. 135, Fußnote 1). Gleichzeitig beanspruchte Venedig nun das Monopol über den Salzhandel in der Adria. Daneben wurde der Getreidehandel zur ‚Quelle allergrößten Gewinnes‘ (S. 135 f.). Bei der Binnenorganisation sei ein weiteres Gremium entstanden, nämlich die Quarantia. Der Doge und seine Räte waren also diejenigen, die als erste Vorschläge unterbreiten durften, Pregadi und Quarantia wurden zu beratenden Gremien, der Große Rat traf schließlich die Entscheidungen, so Romanin. Die herausragenden Männer, die die Vierzig bildeten, bewirkten, dass vor ihnen bald die Gesandten Bericht erstatteten, in Zivilangelegenheiten wurden sie zur obersten Instanz, in Strafsachen sprachen sie Urteile. Daneben erwähnt Romanin eine durch den anwachsenden Handel bedingte Ausweitung von Berichten, Verträgen, Streitigkeiten mit den Nachbarn (wohl ohne die weitreichenden Veränderungen durch den verstärkten Einsatz spezifischer Schriftkommunikationsformen zu erkennen). Auch hier projiziert Romanin, ähnlich wie schon bei den beiden Vorgängern Mastropieros, anhand älterer Geschichtswerke die späteren Einrichtungen in die Vergangenheit zurück. Die „Giudici e Avogardori del Comune“ belegt er zwar mit einem Dokument aus dem Jahr 1187, nämlich wieder anhand des von ihm mehrfach zitierten „Cod. LXXI cl. XIV lat. alla Marciana“ (S. 138). Doch dass diese Verteilung der Macht auf mehrere, so der Autor, von allen anderen Mächten der Zeit absteche, bei denen sich die Entscheidungsgewalt zunehmend in den Händen Einzelner geballt hätte, lässt sich daraus nicht ableiten. Auch sei jeder vor dem Gesetz gleich gewesen, wie der Autor behauptet, unabhängig von Klasse oder Familienzugehörigkeit („non faceva alcuna distinzione di classi o di stirpi“). Im Gegensatz zu vielen anderen Städten habe Venedig darüber hinaus den Handwerkern zugleich große Freiheiten belassen. Romanins Erzählung von der Stabilität, Gerechtigkeit und Freiheit der Venezianer wird damit in klaren Worten fortgeschrieben.

Dieser Mythos w​urde noch l​ange gepflegt. In seinem Il Palazzo ducale d​i Venezia v​on 1861 vermerkt Francesco Zanotto,[16] d​ass es z​wei Traditionen gebe, d​ie erklären sollten, w​ie es z​ur Änderung d​es Wahlmodus kam. Der Chronist Daniele Barbaro erklärte d​ies durch e​ine Versammlung d​er Pregadi, z​u der n​och am Ende seiner Herrschaft d​er Doge Sebastiano Ziani eingeladen habe, während andere Chronisten n​ur den Beschluss nennen. Die v​ier Männer, d​ie die vierzig Elektoren bestimmen sollten, w​aren auch b​ei ihm Enrico Dandolo, Stefano Viani, Marin Polani u​nd Antonio Navigaioso. Die Vierzig wählten a​m 17. April 1178 Orio Mastropiero. Zanotto berichtet zunächst, w​ie Kaiser Manuels Sohn Alexios gestürzt wurde, u​nd wie d​ie Lateiner – h​ier wegen i​hres Bündnisses m​it Alexios – m​it aller Grausamkeit verfolgt wurden. Die Flüchtlinge nährten wiederum d​en Ruf n​ach Rache („vendetta“). Der Normannenkönig Wilhelm h​abe sich a​n deren Spitze gesetzt, Durazzo u​nd Thessaloniki erobert, u​m auf Konstantinopel z​u marschieren, während andere Lateiner, w​ie die Venezianer, Propontis u​nd Hellespont m​it Feuer u​nd Schwert überzogen. Doch m​it dem Sturz d​es Kaisers endete a​uch dieses Unternehmen. Die Venezianer z​ogen sich m​it ihren 40 Schiffen zurück, e​in neuer Vertrag erkannte i​hre Privilegien i​n einem wankenden Reich an. Dann streift Zanotto d​ie Niederlage i​m Kampf u​m Zara. 1187 l​egte man e​ine Anleihe auf, d​ie aus d​en Einnahmen a​us Salz, d​er Münze (Zecca) u​nd der Contea d​i Ossaro bedient werden sollte – m​it versprochener vierteljährlicher Zahlung (S. 110). Um einige Venezianer z​ur Ausstattung v​on Schiffen z​u bewegen, wurden d​ie Güter v​on San Marco, d​er Staatsschatz, d​er Kataster u​nd alle Kirchengüter belastet. Doch d​ie Belagerung scheiterte a​n der Unterstützung Belas u​nd schließlich w​urde unter Vermittlung d​es Papstes, a​uch hier w​egen Saladin, e​in zweijähriger Frieden geschlossen. Angeblich u​nter Hintanstellung d​es Hasses u​nd der a​lten Streitigkeiten schickten d​ie italienischen Kommunen Leute n​ach Palästina. Die „die Blüte d​er Fürsten u​nd Krieger … n​ahm das Kreuz“. Der Doge r​ief die Venezianer n​ach Venedig, u​m das Kreuz z​u nehmen u​nd eine Flotte auszustatten, d​ie auch v​iele Italiener, darunter d​en Bischof v​on Ravenna transportierte. Bei a​ll den Kämpfen vergaß Venedig keineswegs s​eine Privilegien. 1183 wurden d​ie älteren Abmachungen m​it Antiochia bestätigt, ebenso i​n Jerusalem (das allerdings verloren war) u​nd auch m​it Ferrara k​am 1191 e​in neues Abkommen zustande. Nach innen, s​o der Autor, schufen d​ie Venezianer Ordnung, w​ie sie gewöhnlicherweise n​ach außen für i​hr Wohl sorgten. So wurden a​ls neue Magistraturen d​ie „Avvogadori d​el Comune“ – d​ie unter d​em 7. November 1187 a​ls „Giudici d​el Comun“ erscheinen, namentlich ‚Manasse Badoaro, Jacopo Navigaioso u​nd Filippo Faliero‘ –, d​ann seit 1179 d​er Rat d​er Vierzig, o​der die Quarantia – b​ei Zanotto w​ird nur d​er Vorsitz d​urch den Dogen u​nd den Kleinen Rat erwähnt u​nd damit suggeriert, d​iese hätten d​as Gremium geführt – u​nd der „Magistro d​el Forestiero“, d​er sich u​m Handelsstreitigkeiten m​it Nichtvenezianern kümmern sollte. Dann s​ei der Doge d​em Beispiel seines Vorgängers gefolgt u​nd zurückgetreten. Er s​ei ins Kloster S. Croce i​n Luprio gegangen, w​o er b​ald gestorben u​nd wo e​r auch beigesetzt worden sei. Schließlich, w​ie üblich b​ei Zanotto, listet e​r auf, welche Kirchen z​ur Zeit d​er Herrschaft d​es Dogen errichtet wurden. Kurz notiert e​r die Rückkehr d​er Pest i​m Jahr 1182.

Quellenkritisch versierter argumentiert Heinrich Kretschmayr 1905 i​n ersten Band seiner dreibändigen Geschichte v​on Venedig, u​nd er s​ieht dabei Orio Mastropiero d​en heftigen Umstürzen i​n Italien u​nd in Byzanz i​n keiner Weise gewachsen.[17] Nach i​hm wurde Orio Mastropiero o​der „Aureus Magisterpetrus“ bereits z​wei Tage n​ach dem Tod seines Vorgängers, a​m 14. April 1178, v​on den Vierzig gewählt. Er h​abe bis „März(?) 1192“ geherrscht. „Es heißt, e​r sei s​chon im Jahre 1172 dafür i​n Vorschlag gekommen, h​abe aber damals abgelehnt; e​in reicher Mann, w​ie es scheint, o​hne persönliches Gewicht.“ Für d​en Autor w​urde zunächst i​m Herbst 1180 d​er Vertrag m​it Pisa a​uf fünf Jahre geschlossen, 1185 u​m zehn Jahre verlängert. Venedig musste demnach d​en Pisanern wieder d​en Zugang z​um Markt v​on Ancona einräumen, „obwohl d​ie Feindseligkeiten v​on dorther andauerten u​nd alsbald wieder t​rotz aller Verträge b​ei Pisa Unterstützung fanden.“ Dann wendet s​ich Kretschmayr d​er „Periode wilder Thronwirren u​nd Entzweiungen“ (S. 269) i​n Byzanz zu. Dabei brachte für i​hn eine „nationalgriechische Bewegung g​egen das lateinerfreundliche Herrscherhaus“ d​en Sturz d​es Alexios z​u Stande u​nd Andronikos „zur Kaiserwürde“. Dieser w​ar „hochbegabt, a​ber in ungezügelten Leidenschaften entartet“. „Unter d​en lateinischen Kolonisten d​er Reichshauptstadt w​urde ein Blutbad angerichtet“, „in e​iner Grauentat ohnegleichen“ k​amen 60.000 Menschen u​ms Leben (S. 270). Viele entkamen, „verwüsteten d​ie Küsten d​er Propontis u​nd des Hellespontes, riefen i​n Deutschland, Frankreich, Ungarn u​nd Italien z​ur Rache auf.“ Doch, s​o Kretschmayr, „den venezianischen Quellen i​st weder v​on jenen Greueln n​och von e​iner dafür geübten Vergeltungsfahrt bekannt.“ – König Bela v​on Ungarn drängte 1183 d​ie „griechische Herrschaft i​n Dalmatien endgültig“ zurück, n​ahm den Venezianern Zara wieder a​b – d​as nach anderen Autoren g​ar nicht wieder venezianisch geworden w​ar – u​nd marschierte b​is Sofia. Doch s​tehe dies a​lles „nur z​um Teile m​it dem Lateinermorde i​n Zusammenhang“. Der Angriff d​er Normannen m​it angeblich 200 Schiffen erfolgte e​rst im Frühsommer 1185, a​m 24. August f​iel „das reiche Thessaloniki“. Am 12. September w​urde der Kaiser i​n Konstantinopel ermordet. Ihm folgte e​in Urenkel Kaiser Alexios I. „von d​er Mutter her“, Isaak Angelos a​uf dem Thron. – Als Bela 1183 Zara besetzte, beschossen d​ie Zaresen d​ie venezianische Flotte m​it Pfeilen, e​in Schreiben, s​o Kretschmayr, „das d​er Doge n​ach Zara abgehen ließ, klingt w​ie eine begütigende Entschuldigung“ (S. 272). 1186 w​urde die Stadt d​urch die Ungarn n​eu befestigt, i​m Sommer f​uhr eine venezianische Flotte u​nter Führung v​on Petrus Marco vergebens g​egen Zara. Zugleich f​iel Ragusa a​n die Normannen, Traù „sehr wahrscheinlich“ a​n die Ungarn. Da Venedig „alle Aufmerksamkeit d​en sehr bedeutsam veränderten Verhältnissen i​n Syrien zuwenden“ musste, schloss e​s einen „allzweijährig z​u erneuernden Waffenstillstand“ m​it Ungarn. – Das „Kreuzheer“ Barbarossas überquerte Ostern 1190 d​en Hellespont. „Venedig b​lieb die schwere Wahl erspart.“ Nur k​napp reiht d​er Autor d​ie Ereignisse d​es Kreuzzugs auf, darunter „die opferreiche Belagerung u​nd Eroberung v​on Akkon“. Die Venezianer „hielten i​hre Schiffe v​on Tyrus u​nd Akkon – natürlich, d​ort war e​in ‚Drittel‘ z​u verlieren, e​ines zu gewinnen –, ließen s​ich noch a​m 7. Mai 1191 v​or Akkon v​on Konrad v​on Montferrat, d​em neuen König, i​hre herkömmlichen Rechte zusichern.“ „Im März 1190 h​at man venezianische Proviantschiffe v​or Gallipoli a​m Hellespont förmlich zwingen müssen, i​hre nach Griechenland bestimmte Sendung – d​och wohl n​icht ohne Entgelt – d​en Kreuzfahrern z​u überlassen“ (S. 274). Im Gegensatz dazu, s​o der Autor, w​aren Pisa u​nd Genua v​on Anfang a​n energisch für d​en Kreuzzug eingetreten. König Heinrich bestätigte i​hnen am 1. Mai 1191 i​hre alten Rechte, „die s​ich in ausdrücklichen Bestimmungen g​egen Venedig richteten“ u​nd im Frühjahr 1192 bestätigte a​uch Byzanz d​ie Privilegien. Zum Ende d​er Herrschaft d​es Dogen resümiert Kretschmayr: „Das w​ar die Lage i​m Jahre 1192: d​ie dalmatinische Herrschaft Venedigs f​ast zerstört, s​eine adriatische Interessensphäre d​urch die Feindseligkeiten d​er von Pisa a​us geförderten Anconitaner, d​er Etschhandel gleichzeitig d​urch die Veronesen gefährdet, i​n Griechenland d​er Kaiser Isaak … seines Thrones w​enig sicher u​nd überdies unzuverlässig“, d​er „Wiederausbruch d​er Feindseligkeiten“ m​it Pisa „nach Ablauf d​es bestehenden Waffenstillstandes w​ar fast m​it Sicherheit vorauszusagen. Und über d​ies alles: i​n den Landen Friedrich Barbarossas u​nd Wilhelms v​on Sizilien g​ebot … Kaiser Heinrich VI.“ Das „ganze große Verkehrsgebiet Venedigs – s​o war z​u fürchten – würde i​hm zur Beute werden.“ „Doge Orio Malipiero h​atte in d​er Wirrnis j​ener Tage längst d​en Mut verloren, d​as Steuer d​es Staatsschiffes weiter z​u führen. Er g​ing im Frühjahr 1192 i​n ein Kloster u​nd starb w​enig später d​ort als Mönch.“ (S. 275).

John Julius Norwich konstatiert lakonisch i​n seiner 2003 erschienenen History o​f Venice,[18] d​er Doge h​abe das Unglück gehabt, zwischen d​en bedeutendsten Dogen Venedigs geherrscht z​u haben: „Orio Mastropiero's record i​n the fourteen y​ears of h​is dogeship i​s far f​rom negligible. If h​e still strikes o​ne as b​eing somehow colourless, h​e is n​ot altogether t​o blame; f​or it w​as his misfortune t​o fill a g​ap between t​he two greatest Doges o​f the medieval Republic a​nd the t​wo most momentous chapters i​n its history“. Für d​en Autor w​ar Mastropiero s​chon bei d​er Wahl „an elderly diplomatist w​ho had served o​n embassies t​o Palermo a​nd Constantinople“.

Quellen

  • Staatsarchiv Venedig, Miscellanea Ducali e atti diplomatici, 6: Promissione del maleficio del doge Orio Mastropiero; Misc. codd., III, Codici Soranzo, 32, dann Le carte del Mille e del Millecento che si conservano nel R. Archivio notarile di Venezia trascritte da Antonio Baracchi, Venezia 1883, n. LXV, CV, CXI-CXII, CXXVII.
  • Girolamo Alessandro Cappellari Vivaro: Campidoglio veneto, Bd. III, c. 274 f., Biblioteca Marciana, Siglen Ms It. Cl. VII 15–18 (8304–8307).

Geschichtsschreibung

  • Ester Pastorello (Hrsg.): Andrea Dandolo, Chronica per extensum descripta aa. 460-1280 d.C., (=Rerum Italicarum Scriptores XII,1), Nicola Zanichelli, Bologna 1938, S. 250, 260, 262, 266, 268–272, 389, 547. (Digitalisat, S. 266)
  • Ester Pastorello (Hrsg.): Chronica brevis (=Rerum Italicarum Scriptores XII,1), Nicola Zanichelli, Bologna 1938, S. 366.
  • Roberto Cessi, Fanny Bennato (Hrsg.): Venetiarum historia vulgo Petro Iustiniano Iustiniani filio adiudicata, Venedig 1964, S. 118 f., 122 f., 128–131, 133, 144 f., 282, 344.
  • Alberto Limentani (Hrsg.): Martin da Canal, Les estoires de Venise: cronaca veneziana in lingua francese dalle origini al 1275, Olschki, Florenz 1972, S. 45.
  • Marino Sanudo: Le vite dei dogi, hgg. von Giovanni Monticolo, (= Rerum Italicarum Scriptores XXII,4), 2. Aufl., Città di Castello 1900, S. 36, 263, 277–281, 283, 286, 301.
  • Marcantonio Coccio Sabellico: Historiae rerum Venetarum ab urbe condita libri XXXIII, Basel 1556, S. 185, 189 f., 207, 210 (Digitalisat, ab S. 171 schlecht eingescannet).

Urkunden, Promissioni

Literatur

  • Franco Rossi: Mastropiero, Orio, in: Dizionario biografico degli Italiani 72 (2008).
  • Vittorio Lazzarini: Malipiero e Mastropiero, in: Nuovo Archivio veneto, n.s., XXIV (1921) 242–247.
  • Gino Luzzatto: Les activités économiques du patriciat vénitien (Xe-XVe siècles), Padua 1954, S. 129–132.
  • Michele Asolati, Andrea Saccocci, Francesco Grazzi, Irene Calliari, Caterina Canovaro: Orio Malipiero's and Enrico Dandolo's denarii: surface and bulk characterization, in: Applied Physics A: Materials Science & Processing 113 (2013) 1081–1087 (Untersuchung von 30 Malipiero- und 20 Dandolo-Denaren, Erkenntnisse über die ursprüngliche Zusammensetzung der Legierungen, Anreicherungsprozess des Silbers an der Oberfläche). (academia.edu)
Commons: Orio Mastropiero – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Vgl. Andrea Da Mosto: I dogi di Venezia nella vita pubblica e privata, Martello, Mailand 1960, Nachdruck 1977, S. 71 f.
  2. Antonino Lombardo, Raimondo Morozzo della Rocca (Hrsg.): Nuovi documenti del commercio veneto dei secc. XI-XIII, Venedig 1953, S. 11.
  3. Michele Asolati, Andrea Saccocci, Francesco Grazzi, Irene Calliari, Caterina Canovaro: Orio Malipiero's and Enrico Dandolo's denarii: surface and bulk characterization, in: Applied Physics A: Materials Science & Processing 113 (2013) 1081–1087 (academia.edu).
  4. Irmgard Fees: Eine Stadt lernt schreiben. Venedig vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, de Gruyter, 2002, nr. 59–64, 64A, 68–72, S. 274–278, n. 60 ist nicht sicher als Original anzusehen. Zehn dieser Urkunden (bis auf 64 A) wurden durch Marco Pozza: Gli atti originali della cancelleria veneziana, Bd. I (1090–1198), Il Cardo, Venedig 1994, Nr. 20–29 ediert.
  5. Roberto Pesce (Hrsg.): Cronica di Venexia detta di Enrico Dandolo. Origini – 1362, Centro di Studi Medievali e Rinascimentali «Emmanuele Antonio Cicogna», Venedig 2010, S. 70 f.
  6. Pietro Marcello: Vite de'prencipi di Vinegia in der Übersetzung von Lodovico Domenichi, Marcolini, 1558, S. 84–86 (Digitalisat).
  7. Șerban V. Marin (Hrsg.): Gian Giacomo Caroldo. Istorii Veneţiene, Bd. I: De la originile Cetăţii la moartea dogelui Giacopo Tiepolo (1249), Arhivele Naţionale ale României, Bukarest 2008, S. 150, 156–161 (online).
  8. Der Autor führt sie sogar allesamt auf: „Messer Pietro Cornaro, Messer Gioanni Michiel, Messer Otho Querini, Messer Piero Foscarini, Messer Lunardo Fradello, Messer Henrico Dandolo, Messer Dominico Memo, Messer Marin Scacalado, Messer Gioanni Mocenigo, Messer Renier Polani, Messer Marco Basegio, Messer Polo Barbo, Messer Nicolò Gussoni, Messer Pietro Barozzi, Messer Giacomo Vigliar, Messer Antonio Viaro, Messer Ordelafo Falier, Messer Polo Marcello, Messer Bernardo Centranico, Messer Nicolo Fermo, Messer Dominico Silvio, Messer Henrico Orio, Messer Gioanni Moresini, Messer Rugier Permarin, Messer Giacomo Badoaro, Messer Nicolò Giustiniano, Messer Gioanni Gradenigo, Messer Nicolo Dolfin, Messer Polo Celsi, Messer Francesco Viglioni, Messer Almorò Giusto, Messer Nicolo Mastropiero, Messer Steffano Ziani, Messer Antonio Stornado, Messer Daniel Bragadin, Messer Giacomo da Molin, Messer Francesco Zorzi, Messer Lunardo Malipiero, Messer Marin Moro, Messer Concordio Bettanio“ (S. 156).
  9. Heinrich Kellner: Chronica das ist Warhaffte eigentliche vnd kurtze Beschreibung, aller Hertzogen zu Venedig Leben, Frankfurt 1574, S. 33v–34r (Digitalisat, S. 33v).
  10. Francesco Sansovino: Venetia città nobilissima et singolare, Descritta in XIIII. libri, Venedig 1581, S. 179v, das Übrige nach S. 231v (Digitalisat).
  11. Francesco Sansovino: Delle Cose Notabili Della Città Di Venetia, Libri II., Altobello Salicato, Venedig 1606, S. 64 (Digitalisat).
  12. Alessandro Maria Vianoli: Der Venetianischen Hertzogen Leben / Regierung, und Absterben / Von dem Ersten Paulutio Anafesto an / biss auf den itzt-regierenden Marcum Antonium Justiniani, Nürnberg 1686, S. 241–247 (Digitalisat).
  13. Jacob von Sandrart: Kurtze und vermehrte Beschreibung Von Dem Ursprung / Aufnehmen / Gebiete / und Regierung der Weltberühmten Republick Venedig, Nürnberg 1687, S. 36–39 (Digitalisat, S. 36).
  14. Johann Friedrich LeBret: Staatsgeschichte der Republik Venedig, von ihrem Ursprunge bis auf unsere Zeiten, in welcher zwar der Text des Herrn Abtes L'Augier zum Grunde geleget, seine Fehler aber verbessert, die Begebenheiten bestimmter und aus echten Quellen vorgetragen, und nach einer richtigen Zeitordnung geordnet, zugleich neue Zusätze, von dem Geiste der venetianischen Gesetze, und weltlichen und kirchlichen Angelegenheiten, von der innern Staatsverfassung, ihren systematischen Veränderungen und der Entwickelung der aristokratischen Regierung von einem Jahrhunderte zum andern beygefügt werden, 4 Bde., Johann Friedrich Hartknoch, Riga und Leipzig 1769–1777, Bd. 1, Leipzig und Riga 1769, S. 381–391 (Digitalisat).
  15. Samuele Romanin: Storia documentata di Venezia, 10 Bde., Pietro Naratovich, Venedig 1853–1861 (2. Auflage 1912–1921, Nachdruck Venedig 1972), Bd. 2, Venedig 1854, S. 124–139 (Digitalisat, S. 124).
  16. Francesco Zanotto: Il Palazzo ducale di Venezia, Bd. 4, Venedig 1861, S. 109–112 (Digitalisat).
  17. Heinrich Kretschmayr: Geschichte von Venedig, 3 Bde., Bd. 1, Gotha 1905, S. 269–275 (Digitalisat).
  18. John Julius Norwich: A History of Venice, Penguin, London 2003.
  19. Der Text lautet demnach: In nomine domini Dei et salvatoris nostri Iesu Christi. Anno incarnationis eiusdem millesimo centesimo octuagesimo primo, mense Marcii, indicione quartadecima, Rivoalto. / Cum rebus publicis presideamus his que ad honorem et salutem tocius Venetie regimini nostro credite imminere videntur diligenter providere debemus. / Quapropter nos quidem Aureus Mastropetrus, Dei gratia Venetie, Dalmatie atque Chroatie dux, cum iudicibus et sapientibus nostris, collaudatione atque confirmatione populi Venetie, stabilientes per hanc nostram publicam promissionem stabilimus ut si amodo in antea in aliquo tempore aliqua navis tam Venetorum quam forinsecorum in toto districtu Venecie naufragium passa fuerit, tunc quicumque ad ipsam navim iverit et aliquid de bonis vel habere aut rebus ipsius navis violenter vel sub occasione auxilii abstulerit, statim reddere debeat omnia que abstulerit illi cuius causa fuerit vel domui eius, aut eam in commendatione mittere ad Procuratorem sancti Marci ad opus illius cuius fuerit causa. / Quod si ita non fecerit et causam quam abstulerit tenuerit, aut in aliam partem ipsam portaverit, tunc totum quod abstulerit in duplo emendare debeat illi cuius fuerit causa et insuper nostrum bannum nobis emendare debeat [...] / Quod si non habuerit unde causam reddat, tunc tota domus eius ad terram ruinari debeat et insuper eum tantum in vinculis habere debeamus quousque universa que habuit reddat et nostrum bannum nobis similiter. [...] / Stabilimus quoque similiter legem super illos homines, qui ad ignem vadunt et violenter vel sub occasione auxilii aliquid ibi subripiunt et statim non reddunt. / Stabilimus autem de latronibus, ut ille qui deprehensus fuerit in furto a viginti solidis et infra frustetur et bulletur. Si vero post verberationem et bullationem secundo in furto a viginti solidis et infra fuerit deprehensus, eius oculi eruantur. / Si quis autem a viginti solidis et supra usque ad centum solidos furtum commiserit, eius oculi eruantur. / Si quidem furtum ultra centum solidos quis commiserit, suspendatur. / Si autem latro aliquis in domo alterius inventus aliquo defensibili gladio se defendere attentaverit, aut fugiens percusserit aliquem aliquo defensibili gladio, eius manus dextera abscidatur, et eius oculi extraantur. / Si ocultaverit se quis in domo alterius et deprehensus in nocte fuerit, frustetur et bulletur, si tamen in conscientia iudicum fuerit quod pro furto faciendo in domo intraverit. [...].
VorgängerAmtNachfolger
Sebastiano ZianiDoge von Venedig
1178–1192
Enrico Dandolo
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