Neutsch
Neutsch ist ein Ortsteil der Gemeinde Modautal im südhessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg und liegt ca. 15 Kilometer südlich von Darmstadt im vorderen Odenwald. Neutsch liegt etwa 320 Meter über dem Meeresspiegel. Die rund 250 Einwohner leben in etwa 90 Haushalten.
Neutsch Gemeinde Modautal | |
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Höhe: | 316 m ü. NHN |
Fläche: | 3,4 km²[1] |
Einwohner: | 277 (30. Jun. 2020)[2] |
Bevölkerungsdichte: | 81 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 1. Januar 1977 |
Postleitzahl: | 64397 |
Vorwahl: | 06167 |
Neutsch |
Geschichte
Die Geschichte des Ortes geht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Die erste urkundliche Erwähnung ist aus dem Jahr 1347 bekannt. 1370 verkauft Konrad von Reckershausen mit Einwilligung seines Sohnes Wolf die Vogtei wiedereinlöslich seinem Lehnsherrn Graf Wilhelm von Katzenelnbogen. Im Jahr 1500 belehnte Landgraf Wilhelm von Hessen die von Wallbrunn mit Neutsch.[1] 1722 verkaufen die Brüder Johann Moritz Friedrich von Wallbrunn dem Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen Schloss und Gut zu Ernsthofen mit den dazugehörigen Dörfern, nämlich Ernsthofen, Asbach, Hoxhohl, Klein-Bieberau und Neutsch, nebst Gefällen in zwölf weiteren Orten, darunter Ober-Modau, Rodau, Waldhausen, Billings und Meßbach.[3]
Neutsch lag im Gerichtsbezirk der Zent Oberramstadt. Die Zent war in sogenannte „Reiswagen“ eingeteilt, denen jeweils ein Oberschultheiß vorstand, die dem Zentgrafen unterstellt waren. Dieser Bezirk hatte einen Frachtwagen (Reiswagen) einschließlich Zugtiere und Knechten für Feldzüge bereitzustellen. Neutsch gehörte zum „Brandauer Reiswagen“, dem auch noch die Orte Brandau, Neunkirchen, Allertshofen, Hoxhohl, Herchenrod, Lützelbach, Ernsthofen, Klein-Bieberau und Webern angehörten. Die gesamte Zent Oberramstadt war dem Amt Lichtenberg zugeteilt. Diese Einteilung bestand noch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts.[4]
In den historischen Dokumenten ist der Ort im Laufe der Jahrhunderte unter wechselnden Ortsnamen belegt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[1] Nitz (1370), Nyts (1388), Nytz (1420), Nytze (1457), Nytzs (1488), Neytz (1545), Neitz (1559), Nytze (1602), Neitz (1670) und Neutsch (1722)
Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über Neutsch:
»Neutsch (L. Bez. Reinheim) luth. Filialdorf; liegt 3 St. von Reinheim, besteht aus 10 Häusern und hat 94 Einw., die bis auf 8 Kath. lutherisch sind. Der Ort gehörte den Herrn von Wallbrunn und kam 1722 durch Kauf an Hessen. Auf der Höhe bei Neutsch neben der Straße stand früher eine Kapelle.«[5]
Um 1865 gehörte Neutsch zu Ober-Modau.[6]
Gebietsreform
Am 1. Januar 1977 wurden im Zuge der hessischen Gebietsreform die bis dahin selbstständigen Gemeinden Neutsch, Asbach, Brandau, Ernsthofen, Klein-Bieberau und Modautal kraft Landesgesetz zur heutigen Gemeinde Modautal zusammengeschlossen.[7][8] Für Neutsch wurde ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung gebildet.[9]
Territorialgeschichte und Verwaltung im Überblick
Die folgende Liste zeigt im Überblick die Territorien, in denen Neutsch lag, bzw. die Verwaltungseinheiten, denen es unterstand:[1][10][11]
- vor 1722: Heiliges Römisches Reich, Herren von Wallbrunn
- ab 1722: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen-Darmstadt (durch Kauf), Obergrafschaft Katzenelnbogen, (1787: Amt Lichtenberg, Zent Oberramstadt, Brandauer Reiswagen)
- ab 1803: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, Fürstentum Starkenburg, Amt Lichtenberg
- ab 1806: Rheinbund, Großherzogtum Hessen, Fürstentum Starkenburg, Amt Lichtenberg[12]
- ab 1815: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Amt Lichtenberg
- ab 1821: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Landratsbezirk Reinheim (Trennung zwischen Justiz (Landgericht Lichtenberg) und Verwaltung)
- ab 1832: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Dieburg
- ab 1848: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Regierungsbezirk Dieburg
- ab 1852: Deutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Dieburg
- ab 1866: Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Dieburg
- ab 1871: Deutsches Reich, Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Dieburg
- ab 1918: Deutsches Reich, Volksstaat Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Dieburg
- ab 1938: Deutsches Reich, Volksstaat Hessen, Landkreis Darmstadt (Im Zuge der Gebietsreform 1938 wurden die drei hessischen Provinzen Starkenburg, Rheinhessen und Oberhessen aufgelöst.)
- ab 1945: Amerikanische Besatzungszone, Groß-Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Darmstadt
- ab 1949: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen (seit 1946), Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Darmstadt
- am 1. Januar 1977 zur Gemeinde Modautal
- ab 1977: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Darmstadt-Dieburg (in dem die Landkreise Landkreis Darmstadt und Dieburg im Zuge der Gebietsreform in Hessen aufgingen)
Gerichte
Neutsch gehörte zum Zentgericht Oberramstadt. In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für das Fürstentum Starkenburg wurde das „Hofgericht Darmstadt“ als Gericht der zweiten Instanz eingerichtet. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen. Damit war für Neutsch das Amt Lichtenberg zuständig. Das Hofgericht war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt. Die Zentgerichte hatten damit ihre Funktion verloren.
Mit Bildung der Landgerichte im Großherzogtum Hessen war ab 1821 das Landgericht Lichtenberg das Gericht erster Instanz, zweite Instanz war das Hofgericht Darmstadt. Es folgten:[1]
- ab 1848: Landgericht Reinheim (Verlegung von Lichtenberg nach Reinheim), zweite Instanz: Hofgericht Darmstadt
- ab 1879: Amtsgericht Reinheim, zweite Instanz: Landgericht Darmstadt
- ab 1968: Amtsgericht Darmstadt mit der Auflösung des Amtsgerichts Reinheim, zweite Instanz: Landgericht Darmstadt
Einwohnerentwicklung
• 1629: | Hausgesesse[1] | 10
• 1791: | [13] | 66 Einwohner
• 1800: | [14] | 81 Einwohner
• 1806: | [12] | 85 Einwohner, 11 Häuser
• 1829: | [5] | 94 Einwohner, 10 Häuser
• 1867: | 133 Einwohner, 16 Häuser[15] |
Neutsch: Einwohnerzahlen von 1791 bis 2020 | ||||
---|---|---|---|---|
Jahr | Einwohner | |||
1791 | 66 | |||
1800 | 81 | |||
1806 | 85 | |||
1829 | 94 | |||
1834 | 98 | |||
1840 | 98 | |||
1846 | 87 | |||
1852 | 105 | |||
1858 | 120 | |||
1864 | 131 | |||
1871 | 130 | |||
1875 | 133 | |||
1885 | 153 | |||
1895 | 158 | |||
1905 | 140 | |||
1910 | 137 | |||
1925 | 148 | |||
1939 | 104 | |||
1946 | 252 | |||
1950 | 249 | |||
1956 | 190 | |||
1961 | 205 | |||
1967 | 190 | |||
1970 | 177 | |||
1980 | ? | |||
1990 | ? | |||
2000 | ? | |||
2007 | 247 | |||
2010 | 245 | |||
2011 | 246 | |||
2015 | 247 | |||
2020 | 277 | |||
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: [1]; Gemeinde Modautal:[16]; Zensus 2011[17] |
Religionszugehörigkeit
• 1829: | 86 lutheranische (= 91,49 %) und 8 katholische (= 8,51 %) Einwohner[5] |
• 1961: | 155 evangelische (= 75,61 %), 46 katholische (= 22,44 %) Einwohner[1] |
Politik
Für Neutsch besteht ein Ortsbezirk (Gebiete der ehemaligen Gemeinde Neutsch) mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung.[9] Der Ortsbeirat besteht aus fünf Mitgliedern. Seit den Kommunalwahlen 2016 ist Corinne Böckstiegel Ortsvorsteherin.[18]
Wappen
Im Dezember 1950 wurde der Gemeinde Neutsch durch das Hessische Staatsministerium das Recht zur Führung eines Wappens verliehen.[19]
Ortsansichten
- Luftaufnahme von Neutsch (links oben) (2010)
- Neutsch (2012)
- Windräder auf der Neutscher Höhe (2006)
- Neutscher Höhe (2009)
Siehe auch
Weblinks
- Neutsch. In: Webauftritt der Gemeinde Modautal.
- Neutsch im, Odenwald. Ortsgeschichte, Infos. In: www.neutsch.info. Private Website
- Neutsch, Landkreis Darmstadt-Dieburg. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Suche nach Neutsch In: Archivportal-D der Deutschen Digitalen Bibliothek
Einzelnachweise
- Neutsch, Landkreis Darmstadt-Dieburg. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 24. August 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Zahlen und Fakten. In: Webauftritt. Gemeinde Modautal, abgerufen im November 2020.
- Ernsthofen, Landkreis Darmstadt-Dieburg. Historisches Ortslexikon für Hessen (Stand: 23. Juli 2012). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde (HLGL), abgerufen am 1. Oktober 2012.
- Ferdinand Dieffenbach: Das Großherzogthum Hessen in Vergangenheit und Gegenwart. Literarische Anstalt, Darmstadt 1877, S. 254 (online bei Google Books).
- Georg Wilhelm Justin Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Starkenburg. Band 1. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt Oktober 1829, OCLC 312528080, S. 168 (Online bei google books).
- Bürgermeisterei Ober-Modau, bestehend aus den Gemeinden Ober-Modau und Neutsch. In: Anzeige-Blatt für die Kreise Dieburg u. Neustadt. Nr. 27/1865.
- Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Darmstadt und Dieburg und der Stadt Darmstadt (GVBl. II 330–334) vom 26. Juli 1974. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1974 Nr. 22, S. 318, § 9 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,5 MB]).
- Karl-Heinz Gerstemeier, Karl Reinhard Hinkel: Hessen. Gemeinden und Landkreise nach der Gebietsreform. Eine Dokumentation. Hrsg.: Hessischer Minister des Inneren. Bernecker, Melsungen 1977, DNB 770396321, OCLC 180532844, S. 234.
- Hauptsatzung. (PDF; 36 kB) §; 6. In: Webauftritt. Gemeinde Modautal, abgerufen im Februar 2019.
- Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006 .
- Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 1. Großherzoglicher Staatsverlag, Darmstadt 1862, DNB 013163434, OCLC 894925483, S. 43 ff. (Online bei google books).
- Verzeichnis der Ämter, Orte, Häuser, Einwohnerzahl. (1806)HStAD Bestand E 8 A Nr. 352/4. In: Archivinformationssystem Hessen (Arcinsys Hessen), Stand: 6. Februar 1806.
- Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1791. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1791, S. 122 (Online in der HathiTrust digital library).
- Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1800. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1800, S. 124 (Online in der HathiTrust digital library).
- Ph. A. F. Walther: Alphabetisches Verzeichniss der Wohnplätze im Grossherzogtum Hessen. G. Jonghaus, Darmstadt 1869, OCLC 162355422, S. 62 (Online bei google books).
- Haushaltspläne 2017 bis 2019 (Vorbericht: Einwohner – Statistik). (PDF) In: Webauftritt. Gemeinde Modautal, S. 30 ff, abgerufen im Juli 2019.
- Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,8 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt
- Ortsvorsteher. In: Webauftritt. Gemeinde Modautal, abgerufen im November 2019.
- Verleihung des Rechts zur Führung eines Wappens an die Gemeinde Neutsch im Landkreis Darmstadt, Regierungsbezirk Darmstadt vom 7. Dezember 1950. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1950 Nr. 51, S. 529, Punkt 972 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 9,5 MB]).
- Darmstädter Echo, Mittwoch, 11. Juli 2018, S. 21.