Moskauer Siegesparade von 1945
Die Moskauer Siegesparade von 1945 (russisch Парад Победы Parad Pobedy „Parade des Sieges“) war eine Militärparade der Roten Armee, unterstützt von einer Kompanie der polnischen 1. Armee. Sie fand am 24. Juni 1945 auf dem Roten Platz in Moskau, der Hauptstadt der Sowjetunion statt, eineinhalb Monate nach der Kapitulation der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Mit 40.000 teilnehmenden Soldaten, 1850 Militärfahrzeugen und einer Dauer von zwei Stunden war dies die größte Militärparade in der Geschichte der Sowjetunion. Im weiteren Verlauf wurden noch drei Siegesparaden in der Sowjetunion abgehalten: 1965, 1985 und 1990. In der Russischen Föderation findet diese Parade seit 1995 jährlich statt.
Hintergrund
Entscheidend für den Ausgang des Deutsch-Sowjetischen Krieges war die Schlacht um Berlin. Dies war die letzte große Schlacht des Zweiten Weltkrieges in Europa, bei deren Ende am 2. Mai 1945 Berlin von der Roten Armee besetzt wurde. In der Sowjetunion sah man diesen Sieg als historisches Ereignis an, in dem es nach vierjähriger deutscher Besetzung mit Millionen von Toten, Verwundeten und Kriegsgefangenen dem Staat gelungen war, den Krieg militärisch erfolgreich zu beenden und den NS-Staat unter Adolf Hitler zu besiegen.
Der sowjetische Oberbefehlshaber Josef Stalin wählte den 22. Juni 1945, genau vier Jahre nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, um mit dem Befehl Nr. 370, der mit einem Vorwort von General Antonow versehen war und in den großen Zeitungen des Landes veröffentlicht wurde, eine Militärparade am 24. Juni auf dem Roten Platz in Moskau anzuordnen.
Die Parade
Nachdem die Staats- und Parteiführung mit Stalin in der Mitte auf der Tribüne des Lenin-Mausoleums erschienen war, ritt um 10.00 Uhr Marschall Schukow, der die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht in Berlin-Karlshorst unterzeichnet hatte, nach Verklingen des Glockenspiels des Erlöserturms unter Marschmusik aus dessen Tor auf den Roten Platz. Er ließ sich von Marschall Rokossowski die nach den Fronten zur Parade geordneten Truppen melden. Von einer zur nächsten reitend, beglückwünschte er sie, die mit langgezogenen Hurra-Rufen antworteten. Schukow und sein Adjutant ritten weiße Hengste, der ihn stumm begleitende Rokossowski samt Adjutant schwarze. Berichte, wonach Stalin bei einem Probelauf vom Pferd gefallen sei und deshalb den Ehrenritt dem ehemaligen Kavallerieoffizier Schukow überlassen habe, sind unbestätigt. Anschließend hielt Schukow von der Tribüne herab die Siegesrede, hierauf erklang die Hymne der Sowjetunion, wozu zwei Artillerieeinheiten am Moskwaufer Salut schossen. Dann begann der Vorbeimarsch der Truppen, angeführt von Rokossowski, der während der Rede weit vor der Tribüne gewartet hatte.
Zum Abschluss der Parade warfen 200 Soldaten des NKWD in einer symbolträchtigen Geste hunderte erbeuteter Fahnen der Wehrmacht, darunter auch die der Leibstandarte SS Adolf Hitler, vor dem Lenin-Mausoleum auf das Straßenpflaster.[1] Der Fotograf Jewgeni Chaldej schreibt dazu in seinem Kriegstagebuch:
„Das war ein Anblick, unbeschreiblich. Es gab niemanden auf dem Platz, dem nicht Tränen in den Augen standen.“[2]
Musikalisch begleitete die Parade eine Militärkapelle unter Anleitung des Dirigenten Semjon Alexandrowitsch Tschernetzki. An der Parade nahmen 1313 Musiker teil, der jüngste unter ihnen war 13-jährig.[3] Neben der Hymne der Sowjetunion und zahlreichen Märschen erklang auch eine Instrumentalversion des Schlusschors aus Glinkas Oper Iwan Sussanin.
Wegen des schlechten Wetters an diesem Tag mussten eine geplante Luftparade sowie eine Zivilparade abgesagt werden.
Nachwirkungen
Am 7. September 1945 fand in Berlin, auf der Zufahrt zum Brandenburger Tor, auf Vorschlag der Sowjetunion eine Militärparade der vier alliierten Siegermächte statt, die jedoch in westlichen Medien im Zeichen des einsetzenden Kalten Krieges kaum beachtet wurde.
In den Augen des russischen Volkes wurde die Parade zum Höhepunkt von Stalins Ruhm. Anschließend wurden die Festlichkeiten einige Wochen lang fortgesetzt. Der Personenkult um Stalin steigerte sich und löschte die Erinnerungen an die jahrelangen Säuberungen, den Terror und den Gulag aus. Stalins „militärisches Genie“, das zum Sieg geführt habe, wurde bewundert. Nach Stalins Tod 1953 nahm die gottgleiche Verehrung ab, und die Geheimrede Chruschtschows am XX. Parteitag der KPdSU 1956 versetzte seinem Ansehen einen entscheidenden Schlag.
Auch nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden die Militärparaden auf dem Roten Platz zum Gedenken an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland fortgesetzt. Sie finden seit 1995 alljährlich am 9. Mai statt, der weiterhin als Tag des Sieges begangen wird.
1995 wurde zum 50-jährigen Jubiläum der Parade eine Reiterstatue von Schukow auf dem Platz vor dem Historischen Museum eingeweiht.[4]
Literatur
- Jewgeni Chaldej: Kriegstagebuch. Hrsg. von Ernst Volland und Heinz Krimmer. Das Neue Berlin, Berlin 2011. ISBN 978-3-360-02113-7.
Weblinks
- Moskauer Siegesparade von 1945 in der Internet Movie Database (englisch)
- 60 Jahre Kriegsende: Russland feiert den „großen Sieg“ Der Spiegel, 9. Mai 2005
- 1945 bis 2018: Acht erstaunliche Fakten über die Moskauer Siegesparaden Boris Jegorow in: Russia Beyond, 9. Mai 2018
- Siegesparade in Moskau. 1945 Roter Platz (Original); 48-minütiger sowjetischer Schwarz-Weiß-Film, bei 10.00 min der Auftritt Schukows
Einzelnachweise
- Sven Felix Kellerhoff: Stalins spektakuläre Demütigung der Wehrmachtsfahnen. In: Welt, 12. September 2016.
- J. Chaldej: Kriegstagebuch. Berlin 2011. S. 216.
- M. Tschertok: Музыка парада победы. In: Музыкальная академия. Nr. 2, 2015, S. 1–5.
- Equestrian statues (englisch)