Militär-Ehrenzeichen 1. Klasse (Preußen)
Das Militär-Ehrenzeichen 1. Klasse war eine hohe preußischen Tapferkeitsauszeichnung für Unteroffiziere und Mannschaften. Bis 1864 war sie die höchste, die das Königreich Preußen zu vergeben hatte. Sie wurde in verschiedenen Versionen von 1793 bis 1918 verliehen.
Stiftung
Am 14. Juni 1793 stiftete König Friedrich Wilhelm II. mit Allerhöchster Kabinetts-Ordre eine zweistufige Medaille für militärische Verdienste mit folgendem Text: "Da Ich verschiedentlich mit besonderem Wohlgefallen bemerkt habe, daß sich in den vorgefallenen kriegerischen Aktionen auch Unteroffiziere und Gemeine auf eine Art hervorgetan haben, die wahres Ehrgefühl und unverkennbare persönliche Tapferkeit bezeichnet, so bin Ich auf ein Mittel bedacht gewesen, wie dergleiche Leute dergestalt belohnet, ausgezeichnet und ermuntert werden können, als es ihren vergleichsweise besseren Eigenschaften und ihrem Stande als Krieger am angemessensten ist."[1][2]. Die erste Stufe in Gold war zunächst für Unteroffiziere vorgesehen, die zweite Stufe in Silber für Mannschaften.
Sein Nachfolger König Friedrich Wilhelm III. erneuerte die Stiftung am 30. September 1806 für eine „Verdienst-Medaille für Militair“ in zwei Klassen und hob die Unterscheidung zwischen Unteroffizieren und Mannschaften auf.[2]
Aus Kostengründen wurde die goldene Medaille der 1. Klasse am 30. September 1814 in ein silbernes Kreuz nach dem Vorbild des roten Adlerordens 3. Klasse abgeändert, welcher seinerseits vom russischen St. Georgs-Kreuz inspiriert war[2][3]. Die runde Medaillenform der silbernen 2. Klasse blieb bestehen.
Am 27. Februar 1864 erfolgte eine Neustiftung durch König Wilhelm I. Gleichzeitig wurde das Goldene Militär-Verdienstkreuz als nächsthöhere Stufe eingeführt.
Verleihungsbestimmungen
Das Militär-Ehrenzeichen 1. Klasse war eine Verdienst- oder Tapferkeitsmedaille für Unteroffiziere und Mannschaften. Nach der Verordnung von König Friedrich Wilhelm III. vom 30. September 1806 konnte nur der allein "die Verdienst-Medaille erhalten, der sich durch eine besonders tapfere Handlung hervorgetan hat. Nicht Raubbegierde, noch sonst eine unedle Absicht, darf ihn dazu vermocht haben, die That muß vielmehr lediglich zum Besten des Dienstes oder der Kameraden unternommen worden sein. In der Regel kann kein während der Aktion in Reih und Glied gehender Mann Ansprüche auf das Ehrenzeichen machen, es sei denn, daß er sich persönlich auf eine ganz vorzügliche Art ausgezeichnet hat."[2] In der königlichen Kabinetts-Ordre vom 24. März 1807 wurde dazu ergänzt, dass "derjenige, welcher einen General gefangen nimmt, eine Kanone erobert, oder eine Fahne erbeute, ohne Rücksicht, ob er schon die silberne Medaille besitzt oder nicht, die goldene Verdienst-Medaille und die damit verbundene Zulage, derjenige aber, welcher einen anderen Offizier geringeren Grades zum Gefangenen macht, die silberne Medaille erhalten soll".[2]
Die Stiftung des Eisernen Kreuzes 1813 suspendierte seine Verleihung für die Dauer des Krieges[4]. Deshalb wurden die Militär-Ehrenzeichen zwischen 1813 und 1817 nur an russische Soldaten verliehen.
Das Militär-Ehrenzeichen 1. Klasse von 1864 wurde für hervorragende Tapferkeit im Kriege vom Feldwebel abwärts verliehen, auch an Mannschaften. Der Besitz des nächstniedrigeren Militär-Ehrenzeichen 2. Klasse war keine Voraussetzung. Die Auszeichnung konnte nicht postum verliehen werden und war nach dem Tod des Inhabers rückgabepflichtig. Wie jede andere preußische Militärauszeichnung konnte das Militär-Ehrenzeichen 1. Klasse jeweils nur einmal an eine Person verliehen werden. Die Stiftungen des Eisernen Kreuzes 1870 und 1914 unterbrachen seine Verleihungen im deutsch-französischen Krieg und im Ersten Weltkrieg[5].
Beschreibung
Das Militär-Ehrenzeichen 1. Klasse von 1793 ist eine massiv goldene Medaille mit einem Durchmesser von 30 mm. Sie trägt auf der Vorderseite den dreizeiligen Schriftzug VERDIENST - UM DEN - STAAT. Auf der Rückseite befinden sich die Initialen F W R II für „Friedericus Wilhelmus II Rex“, umgeben von einem Lorbeerkranz. Die Medaille wurde an einem schwarzen Band getragen[1].
Das Militär-Ehrenzeichen 1. Klasse von 1806 ist ähnlich der Vorgängerversion. Auf der Rückseite befinden sich die Initialen F W R III für „Friedericus Wilhelmus III Rex“. Dem schwarzen Band wurden zwei weiße Seitenstreifen zugefügt, entsprechend den Farben der preußischen Fahne. Dieses wurde zur Vorlage für das Band des Eisernen Kreuzes[3].
Die nachfolgenden Militär-Ehrenzeichen 1. Klasse ab 1814 bestehen aus einem silbernen Kreuz mit einer Öse, einem Bandring und einem Band. Davon gibt es drei historische Versionen[6]:
Die erste Version von 1814 – 1848 hat eine Breite von 35 mm und eine Höhe von 40 mm. Die Ringöse ist im Gegensatz zu späteren Versionen parallelstehend, ähnlich wie beim russischen Georgskreuz. Das Kreuz trägt auf der Vorderseite im Mittelschild den dreizeiligen Schriftzug VERDIENST - UM DEN - STAAT. Der Mittelschild auf der Rückseite enthält die verschnörkelten Initialen F W für „Friedrich Wilhelm“. Darüber befindet sich eine preußische Königskrone. Das Band ist schwarz mit zwei weißen Randstreifen. Bis auf die Bandfarbe war es identisch mit dem zivilen Allgemeinen Ehrenzeichen.
Die zweite Version von 1848 – 1864 ist ähnlich wie die erste Version[7]. Die Abmaße sind mit einer Breite von 38 mm und eine Höhe von 46 mm etwas größer. Diese Änderung wurde durch eine Anpassung an die Form des Roten Adlerordens vierter Klasse von 1846 bedingt[6]. Das Band ist mit 35 mm etwas breiter als beim Eisernen Kreuz 2. Klasse.
Die dritte Version von 1864 – 1918 trägt Auf der Vorderseite im Mittelschild den zweizeiligen Schriftzug KRIEGS – VERDIENST und darunter zwei gebundene Lorbeerzweige. Der Mittelschild auf der Rückseite enthält die verschnörkelten Initialen W R („Wilhelmus Rex“). Darüber befindet sich eine preußische Königskrone. Das Band ist gleich wie bei der Vorgängerversion. Für Nichtkämpfer (z. B. Militär-Beamte) wurde das Kreuz an einem weißen Band mit schwarzen Randstreifen verliehen. Die dritte Version des Militär-Ehrenzeichen 1. Klasse ist von der Gestalt her identisch mit dem Goldenen Militär-Verdienst-Kreuz.
Herstellung
Die Kreuze der ersten Version wurden von der Juwelierwerkstatt Gebrüder Wagner in Berlin aus 12-lötigem Silber (750/1000) hergestellt[6]. Sie sind hohl gefertigt mit einem Gewicht von 10 – 12 g. Ab Ende November 1828 erfolgte die Fertigung der Kreuze in 15-lötigem Silber (937,5/1000) beim Juwelier Friedrich Wilhelm Hanff in Berlin[6]. Da in der Zeit keine militärischen Verleihungen erfolgten, sondern Kreuze nur in Form Allgemeiner Ehrenzeichen 1. Klasse ausgegeben wurden (mit anderem Band), ist diese Abweichung hier weniger relevant.
Die Kreuze der dritten Version ab 1864 tragen teilweise die Herstellerzeichen A W für Emil August Wagner am Medaillonzylinder oder W für Johann Wagner & Sohn auf dem Rand des unteren Kreuzarms, jeweils ohne Feingehaltspunzierungen[8]. Die Kreuze sind hohl gebördelt gefertigt. Ihr Gewicht beträgt etwa 14 g.
Verleihungen
Das Militär-Ehrenzeichen 1. Klasse wurde von 1806 bis 1918 verliehen. Während des deutsch-französischen Krieges 1870/71 und im Ersten Weltkrieg wurde die Verleihung aufgrund der Stiftungen des Eisernen Kreuzes von 1870 bzw. 1914 ausgesetzt. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Anzahl der Verleihungen.
Verleihungsjahr | Version | Anzahl | Bemerkungen |
1813 | goldene Medaille Version 2 | 20 | davon 12 an Russen und 8 an Preußen, letztere rückwirkend für den Russlandfeldzug von 1812[3] |
1814 | silbernes Kreuz Version 1 | 8 | alle an Russen[3] |
1815 | silbernes Kreuz Version 1 | 2 | alle an Russen[3] |
1816 | silbernes Kreuz Version 1 | 1 | Nachverleihung an einen russischen Feuerwerker[3] |
1817 | silbernes Kreuz Version 1 | 1 | Nachverleihung an einen russischen Gardehusaren[3] |
1848–1849 | silbernes Kreuz Version 2 | 12 | für die Niederschlagung der Revolution[6] |
1860 | silbernes Kreuz Version 2 | 2 | [6] |
1863 | silbernes Kreuz Version 2 | 1 | [6] |
1864 | silbernes Kreuz Version 3 | 191 | für den deutsch-dänischen Krieg[6] |
1866 | silbernes Kreuz Version 3 | 415 | für den deutsch-deutschen Krieg[2][6] |
1867 | silbernes Kreuz Version 3 | 29 | [2] |
1902 | silbernes Kreuz Version 3 | 52 | für russische Soldaten während des Boxeraufstands[2][6] |
1895–1906 | silbernes Kreuz Version 3 | 201 | für die Kolonialkriege[6] |
Privilegien
Die Inhaber des Militär-Ehrenzeichen 1. Klasse erhielten einen monatlichen Ehrensold von 1 Taler (3 Mark ab 1871)[2]. Das entsprach anfänglich dem Sold eines Gefreiten von einer Woche. Sie waren außerdem von der Klassensteuer befreit (Gesetz Nr. 8128 vom 25. Mai 1873)[2].
In der königlichen Verordnung vom 30. September 1806 war außerdem geregelt, dass ein Inhaber des Militär-Ehrenzeichens keine Stockschläge erhalten durfte, sondern höchstens mit "Fuchteln" bestraft werden sollte. Bei einem Vergehen, das üblicherweise mit Spießrutenlaufen bestraft wurde, verlor er die Auszeichnung mitsamt dem Ehrensold.[2] Die Namen der Inhaber wurden auf Tafeln in den Garnisonskirchen der Regimenter und Bataillone ausgehängt.[2]
Sonstiges
Die Form des Militär-Ehrenzeichen 1. Klasse war Vorbild für die Gestaltung des Ehrenzeichen der Bundeswehr von 1980.
Einzelnachweise
- Elke Bannicke und Lothar Tewes: 200 Jahre preußische Ehrenzeichen „Verdienst um den Staat“. Teil I: 1793–1847. In: money trend. Internationales Münzenmagazin. Nr. 4/93, 1993, S. 8–20.
- Klaus D. Patzwall: Das preußische Goldene Militär-Verdienstkreuz. Militair-Verlag Klaus D. Patzwall, 1986, ISBN 3-931533-15-8.
- Mike Estelmann: Die Befreiungskriege im Spiegel preußischer Auszeichnungen. Eine historische und statistische Übersicht. Deutsche Gesellschaft für Ordenskunde e.V., abgerufen am 1. November 2019.
- Frank Wernitz: Das Eiserne Kreuz: 1813 - 1870 - 1914 | Geschichte und Bedeutung einer Auszeichnung. Band 1. Verlag Militaria, 2013, ISBN 3-902526-58-0, S. 69.
- Eric Case Ludvigsen: Prussian and Other Imperial German Award Statistics - Baden to Württemberg. PGCJ Publication, Hawthorne NJ 2009.
- A. M. Schulze Ising: Das preußische Militär-Ehrenzeichen 1.Klasse. Imperial German Orders, Medals & Decorations, 1. Dezember 1999, abgerufen am 1. November 2019.
- Elke Bannicke-Tewes, Lothar Tewes: 200 Jahre preußische Ehrenzeichen „Verdienst um den Staat“. Teil II: 1847–1918. In: money trend. Internationales Münzenmagazin. Nr. 3/95, 1995, S. 6–23.
- Arco Weihs: Militär-Ehrenzeichen 1.Klasse 1864. Abgerufen am 1. November 2019.