Martin Elsaesser
Martin Elsaesser (* 28. Mai 1884 in Tübingen; † 5. August 1957 in Stuttgart) war ein deutscher Architekt und Hochschullehrer, der besonders durch eine Vielzahl von Kirchenbauten bekannt wurde.
Leben
1884 kam Elsaesser als Sohn eines evangelischen Theologen zur Welt. Als Abiturient durfte er bei der Schlussfeier des Tübinger Gymnasiums 1902 über die Klosteranlage von Bebenhausen vortragen. Von 1901 bis 1906 studierte Elsaesser Architektur an der Technischen Hochschule München bei Friedrich von Thiersch und an der Technischen Hochschule Stuttgart bei Theodor Fischer. 1905 gewann er den Wettbewerb für die evangelische Lutherkirche in Baden-Baden-Lichtental und begann seine freiberufliche Tätigkeit. Von 1906 bis 1908 war er Assistent bei Theodor Fischer in München und von 1911 bis 1913 bei Paul Bonatz in Stuttgart. 1912 bis 1920 war er außerordentlicher Professor für Entwerfen, mittelalterliche Baukunst und Bauformenlehre an der Technischen Hochschule Stuttgart. Zudem war er 1919 bis 1920 Präsident des Bundes Deutscher Architekten BDA.
Von 1920 bis 1925 war er Leitender Direktor der Kunstgewerbeschule in Köln, den späteren Kölner Werkschulen. 1925 wurde er durch den neuen Frankfurter Stadtbaurat Ernst May als Leiter des Hochbauamtes nach Frankfurt am Main berufen und arbeitete am Projekt Neues Frankfurt (zeitgenössisches Bonmot: Alles neu macht der May – alles besser Elsaesser.). Er blieb bis 1932 in Frankfurt.
Von 1933 bis 1937 arbeitete er als freier Architekt in München, von 1937 bis 1945 dann in Berlin. Im nationalsozialistischen Deutschland erhielt er keine Aufträge mehr, realisierte jedoch von München aus noch einige Projekte in der Türkei. Dennoch konnte er sich nicht zur Emigration entschließen und verbrachte die Jahre des Zweiten Weltkriegs in „innerer Emigration“ mit Studienreisen und utopischen Entwürfen.
Nach dem Krieg kehrte er zunächst nach Stuttgart zurück und lehrte dann von 1948 bis 1955 als kommissarische Vertretung einer ordentlichen Professur für Entwurf an der Technischen Hochschule München. Aufgrund seines Alters sprach sich das Bayerische Finanzministerium gegen Elsaessers Berufung auf eine ordentliche Professur aus. Erst nach langem Ringen mit dem bayerischen Staat gelang es Elsaesser, für seine Lehrtätigkeit wenigstens den Anspruch auf eine minimale Altersversorgung zu erwerben.
In vielen der von ihm errichteten Kirchen entstanden Kirchengemälde der Künstlerin Käte Schaller-Härlin.
Martin-Elsaesser-Stiftung
Am 30. März 2009 gründeten Elsaessers Enkel Regine Elsässer und Thomas Elsaesser zusammen mit seinem Großneffen Konrad Elsässer die Martin-Elsaesser-Stiftung[1], die sich an einer vom Deutschen Architekturmuseum im November 2009 veranstalteten Ausstellung über sein Werk beteiligte.[2][3] Ziel dieser dem Leben und Werk Martin Elsaessers gewidmeten Stiftung ist es, dessen Arbeiten und Ideen der Öffentlichkeit in angemessener Form zugänglich zu machen. Nach eigenen Angaben will die Stiftung „einen nachhaltigen Beitrag zur Erforschung sozial verantwortungsvoller Architektur leisten. Darüber hinaus setzt sie sich für einen der Umwelt verbundenen, geschichtsbewussten Umgang mit Architektur ein.“[4] Die drei Gründer bilden den Vorstand der Stiftung.[4]
Martin-Elsaesser-Plakette
Zur Erinnerung an die soziale Dimension der Architektur und an ihre Bedeutung für das Stadtbild verleiht die BDA-Gruppe Frankfurt die »Martin-Elsaesser-Plakette« an Projekte in Frankfurt am Main, Offenbach am Main oder in den Landkreisen Offenbach und Main-Kinzig.[5]
Bauten (Auswahl)
- Evangelische Lutherkirche Lichtental, 1905–07
- Evangelische Stadtkirche in Gaisburg, 1910–1913
- Innenansicht der Evangelischen Georgskirche zu Massenbach, 1912–1913
- Markthalle Stuttgart, 1912–1913
- Rathaus in Ebingen, 1912–1913
- Innenansicht der Evangelischen Lorenzkirche in Leingarten, 1913
- Pestalozzischule in Frankfurt-Seckbach, 1925–1926
- Modell der Villa Elsaesser in Frankfurt am Main, 1925–1926
- Villa Elsaesser in Frankfurt am Main, 1925–1926 im Jahr 2010
- Gartenhallenbad Fechenheim in Frankfurt-Fechenheim
- Großmarkthalle Frankfurt am Main vor dem Teilabriss für den Neubau der Europäischen Zentralbank (EZB), 1927–1928
- Innenansicht in Richtung Westen der Großmarkthalle Frankfurt
- Anbau des Gesellschaftshauses des Palmengartens Frankfurt am Main, 1929.
- 1905–1907: Evangelische Lutherkirche in Baden-Baden-Lichtental
- 1909: Königliche Fachschule für Edelmetallindustrie in Schwäbisch Gmünd (heute Hochschule für Gestaltung)
- 1909–1910: Evangelische Eberhardskirche in Tübingen
- 1909–1910: Oberrealschule in Tübingen, das heutige Kepler-Gymnasium
- 1909–1910: Evangelische Pauluskirche in Schwenningen
- 1910: Eisenbahn-Neckarbrücke der Württembergischen Staatseisenbahn in Tübingen[6]
- 1910–1913: Evangelische Stadtpfarrkirche in Gaisburg
- 1912–1913: Evangelische Georgskirche in Massenbach
- 1912–1913: Markthalle Stuttgart
- 1913: Lorenzkirche in Großgartach
- 1913–1914: Wagenburg-Gymnasium in Stuttgart-Gänsheide
- 1922–1924: Verwaltungsgebäude für das Rheinische Braunkohlensyndikat in Mannheim
- 1922–1924: Kunstgewerbeschule in Köln (spätere Kölner Werkschulen)
- 1924–1925: Wohnhaus für Dr. S. in Köln
- 1925–1926: Evangelische Südkirche in Esslingen am Neckar
- 1925–1926: Eigenes Wohnhaus in Frankfurt am Main[7]
- Das Wohnhaus von Martin Elsaesser entstand nach seinem eigenen Entwurf in bevorzugter Lage am Rand der Siedlung Höhenblick in Frankfurt-Ginnheim im Höhenblick 37. Es ist in der Sprache der Architektur bewusst von der Wohnsiedlung abgesetzt. Es handelt sich um einen kubisch gefügten, flach gedeckten Klinkerbau mit pylonenartig verstärkten Gebäudeecken. Es ist von einem großzügigen von Leberecht Migge gestalteten Garten umgeben.
- 1925–1926: Pestalozzischule mit Turn- und Schwimmhalle in Frankfurt am Main-Seckbach
- 1925: Expressionistische Einbauten in die Nikolaikirche (Görlitz)
- 1926: Teilneubau der evangelischen Laurentiuskirche in Stuttgart-Rohr (1980 durch Neubau ersetzt)
- 1927: Gartenhallenbad in Frankfurt-Fechenheim
Im Rahmen des Projekts „Neues Frankfurt“
- 1927–1928: Großmarkthalle mit Nebengebäuden in Frankfurt-Ostend, heute u. a. Konferenzzentrum und Eingangsbauwerk des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB)
- 1927–1928: Evangelische Gustav-Adolf-Kirche in Frankfurt-Niederursel
- 1928–1929: Volksschule in der Siedlung Römerstadt (Heute Geschwister-Scholl-Schule (Frankfurt am Main)[8][9])
- 1929: Anbau an den Gesellschaftsbau des Palmengartens in Frankfurt am Main
- 1929–1931: Städtische Universitätsklinik für Gemüts- und Nervenkranke
Nach Frankfurt/Spätwerk
- 1930–1932: Haus K. in O., Villa des Zigarettenfabrikanten Philipp F. Reemtsma in Hamburg-Othmarschen („Haus Kretkamp“)
- 1937–1938: Bürogebäude der Sümerbank in Ankara (sh. auch Goethe-Institut Ankara: Generaldirektion der Sümerbank)
- 1935–1938: Städtischer Friedhof Cebeci
- 1950: Wohnhochhaus an der Nibelungenstraße in München
- 1953–1954: Wiederaufbau des Gustav-Siegle-Hauses (heutige Philharmonie) in Stuttgart
- Kriegerehrenmal in Siegen-Weidenau[10]
Schriften
- Das neuzeitliche Landhaus. In: Das schöne Heim, 1. Jahrgang (1930), S. 129–136.
- Bauten und Entwürfe aus den Jahren 1924–1932. Berlin 1933.
Literatur
- Oswald Hederer: Elsässer, Martin. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 4, Duncker & Humblot, Berlin 1959, ISBN 3-428-00185-0, S. 462 f. (Digitalisat).
- Elisabeth Maier: Fruchtbare Polarität. Martin Elsaesser zum hundertsten Geburtstag. In: Der Architekt, Nr. 3/1985, S. 124–127.
- Elisabeth Spitzbart-Maier: Die Südkirche in Esslingen von Martin Elsaesser. In: Esslinger Studien, Band 29/1990, S. 281–305.
- Katharina Blohm, Winfried Nerdinger: Architekturschule München 1868–1993. München 1993.
- Rainer Meyer: Martin Elsaesser von 1925–1932. Zum Werk eines avantgardistischen Baukünstlers. Dissertation, Universität Bremen, 1988.
- Elisabeth Spitzbart-Maier: Die Kirchenbauten Martin Elsaessers und ihre Voraussetzungen in der protestantischen Kirchenbautheorie und Liturgiediskussion. Dissertation, Universität Stuttgart, 1989.
- Rainer Meyer: Traditionalität und Moderne. Zur Aktualität von Martin Elsaessers Oeuvre. In: Werk, Bauen+Wohnen, Heft 10/1998, S. 18–21.
- Bernd Nicolai: Moderne und Exil. Deutschsprachige Architekten in der Türkei. Berlin 1998.
- Susan R. Henderson: Ernst May and the New Frankfurt, 1926–1931. Peter Lang, 2013.
- Elisabeth Spitzbart, Jörg Schilling: Martin Elsaesser, Kirchenbauten, Pfarr- und Gemeindehäuser. Tübingen, Berlin 2014.
Weblinks
- Literatur von und über Martin Elsaesser im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Martin Elsaesser in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Martin Elsaesser. In: archINFORM.
- Martin Elsaesser. In: Structurae
- Biografie von Jan Lubitz
- Martin-Elsaesser-Stiftung
- Martin-Elsaesser-Kirchen
- Großmarkthalle Frankfurt am Main
- Sonderausstellung Martin Elsaesser und das neue Frankfurt, bis 14. März 2010 im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt am Main
- Fotografische Sammlung zum Neuen Frankfurt von Matthias Matzak mit zahlreichen Abbildungen der Bauten von Martin Elsaesser.
- Elsässer, Martin Wilhelm. Hessische Biografie. (Stand: 10. Januar 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Elsaesser, Martin im Frankfurter Personenlexikon
Einzelnachweise
- http://www.martin-elsaesser-stiftung.de/
- Martin Elsaesser und das Neue Frankfurt, Artikel auf der Webseite des Deutschen Architekturmuseums
- Artikel der FAZ vom 5. Mai 2008.
- http://www.martin-elsaesser-stiftung.de/stiftung.html
- https://www.bda-hessen.de/martin-elsaesser-plakette/
- Neckarbrücke in Tübingen
- Abb. in: Walter Müller-Wulckow: Deutsche Baukunst der Gegenwart. Wohnbauten und Siedlungen. Königstein i.T., Langewiesche 1929, S. 43.
- „Bauwerke von Elsaesser in Frankfurt“ Stadtplanungsamt Frankfurt, Seite 11
- Zeitschrift für Bauwesen, Jg. 80, 1930, S. 144–145 (Digitalisat der Zentral- und Landesbibliothek Berlin).
- http://www.derwesten.de/ehrenmal-in-weidenau-img1-id11366778.html