Markgrafenstil
Der Markgrafenstil ist ein Kirchenbaustil des 18. Jahrhunderts, insbesondere in den protestantischen Gebieten der Markgraftümer Brandenburg-Ansbach (Fürstentum Ansbach) und Brandenburg-Bayreuth (Fürstentum Bayreuth). Einer der führenden Baumeister war der Ansbacher Landbauinspektor Johann David Steingruber (1702–1787).
Geschichte
Seit karolingischer Zeit gab es befestigte Kirchengebäude, sogenannte Wehrkirchen. Oft wurden die um die Kirchen liegenden Friedhöfe in die Befestigung einbezogen. Es entwickelten sich die Wehrfriedhöfe. Dem Burgenbau nachempfunden, umgab man sie manchmal mit starken und hohen Mauern. So entstanden die Kirchenburgen.
Zahlreiche dieser Kirchengebäude wurden nach der Reformation um- bzw. neugebaut. Der Protestantismus fand seinen Ausdruck in der veränderten Gestaltung, dem sogenannten Markgrafenstil. Eine Urkunde zur Grundsteinlegung begründet dies so: „Eine mit Finsternus vorher erfüllte Kirche stehet nun in vollen Licht. Vor ungefehr Zwey Hundert Jahren wurde dieselbe von der Finsternus des Pabstuhms befreyet, und mit dem Licht der Himmlischen Wahrheit bestrahlet anheute ... müste auch das dunckele des Gebäudes sich verlieren als durch gegenwärttigen Stein der Grund zu dieser Licht erbauten Kirche geleget worden. ...“[1] Nach evangelischem Verständnis wurde in der räumlichen Zuordnung optisch sichtbar herausgestellt, dass „evangelisch-lutherischer Glaube und Theologie nur das eine Sakrament des Wortes, das als hörbares Wort in der Predigt und als sichtbares Wort in den Sakramenten Taufe und Abendmahl sich der Gemeinde mitteilt“[2], kennen. Als Grundtyp einer selbstständigen evangelischen Kirchenbaukunst gilt die bereits 1560 geweihte Stuttgarter Schlosskirche.
Am Ende des 17. Jahrhunderts beeinflussten die in die protestantischen Gebiete der Markgraftümer Brandenburg-Ansbach (Fürstentum Ansbach) und Brandenburg-Bayreuth (Fürstentum Bayreuth) geflohenen Calvinisten mit ihrem reformierten Bekenntnis den Baustil. So entstanden im 18. Jahrhundert die sogenannten Markgrafenkirchen in den genannten Herrschaftsbereichen. Auch Schlossbauten wie die Residenz Ansbach oder Schloss Rentweinsdorf waren von dem Stil beeinflusst.
Merkmale
Außenansicht
Ein schlichter äußerer Baustil nimmt bereits Elemente des Klassizismus vorweg und prägt viele Kirchenbauten. Nur Lisenen und auch große hohe Fenster bzw. mehrere Fenster übereinander unterbrechen die einfache Fassade.
In der Regel ist der Grundriss des Langhauses rechteckig, bei Neubauten fehlt der Chor und bei Umbauten wurde er durch eine Wand abgetrennt.
Der Turmstumpf stammt meist aus der Vorgängerkirche und erhielt einen Aufsatz, dessen achteckiges Turmobergeschoss den Glockenstuhl beherbergt. Das Dach des Turms hat verschiedene Erscheinungsformen. Sehr häufig anzutreffen sind die Spindelhaube, die Zwiebelhaube und die Welsche Haube.
Innenraum
Das Innere ist ursprünglich in schlichten Farben gehalten (weiß, hellblau, grau). Schmuck fehlt, nur an Kanzel und Altar sind Vergoldungen zu finden. Weitere Ausschmückungen erhielten heutige Kirchengebäude später oder in jüngster Zeit.
Da Predigt und Sakrament gleichwertig und bestimmend für den evangelischen Gottesdienst sind, sind Kanzel, Altar und Taufstein räumlich zusammengefasst, in der Regel auf der Ostseite des Kirchenraums.
Durch das Einfügen der Kanzel mit Schalldeckel in eine Rückwand hinter dem meist freistehenden Altar wird eine noch engere optische Einheit geschaffen, der Kanzelaltar. Für große Altarbilder ist kein Raum mehr. Es ist jedoch genügend Platz vorhanden, dass beim Abendmahl die Teilnehmer auf der einen Seite das Brot empfangen und hinter der Rückwand vorbeigehen können, um auf der rechten Seite den Wein zu erhalten.
Sind Kanzel und Altar in eine eingepasste oder freistehende Wand aus Stein oder Holz eingefügt, spricht man von einer Kanzelwand. Sehr häufig findet darüber auf der Empore noch die Orgel ihren Platz.
Durch die Betonung der Gleichstellung von Wort und Sakrament rückt der Ort der Taufe, der Taufstein, vom Kircheneingang oder aus einer Seitenkapelle vor den Altar. Dem Besucher wird vor Augen geführt, dass er nur über die Taufe den Zugang zum Altarsakrament erhält.
Charakteristisch für diese Predigtkirchen sind die umlaufenden, oft mehrstöckigen Emporen. Man schuf damit zahlreiche Sitzplätze neben der Bestuhlung im Kirchenschiff. Ein Herrensitz für den Ortsadeligen auf der ersten Empore hatte in der Regel einen separaten Zugang und war zum übrigen Kirchenraum hin abgeschlossen.
Markgrafenstilkirchen
Oberfranken
- Maria-Magdalena-Kirche in Arzberg
- Ordenskirche in Bayreuth
- Schlosskirche Bayreuth, einzige katholische Kirche im Markgrafenstil[3]
- Spitalkirche Bayreuth
- Stiftskirche St. Georgen in Bayreuth
- Pfarrkirche St. Johannis in Bayreuth
- Dreifaltigkeitskirche (Bad Berneck im Fichtelgebirge) in Bad Berneck
- St. Walburga in Benk
- St. Bartholomäus (Bindlach) in Bindlach
- St. Margarethen in Brand bei Marktredwitz
- St. Bartholomäus in Emtmannsberg
- St. Michael in Heiligenstadt
- Marienkirche in Himmelkron
- Martinskirche in Kautendorf
- Michaeliskirche in Kirchenlamitz
- Pfarrkirche in Konradsreuth
- Evangelisch-lutherische Pfarrkirche in Krögelstein
- Evangelisch-lutherische Spitalkirche in Kulmbach
- Schlosskirche (Lahm)
- St. Nikolaus in Marktleuthen
- Heilig-Geist-Kirche in Marktredwitz
- Pfarrkirche Unserer Lieben Frau in Nemmersdorf
- Dreifaltigkeitskirche in Neudrossenfeld
- St. Laurentius in Neunkirchen am Main
- Friedhofskirche in Oberkotzau
- St. Susannae in Plech
- St. Johannis in Röslau
- St. Bartholomäus in Schauenstein
- Markgrafenkirche Seibelsdorf
- St. Laurentius in Thurnau
- St. Johannes in Trebgast
- Trinitatiskirche in Unterlauter
- Dreifaltigkeitskirche in Warmensteinach
- Evangelisch-lutherische Pfarrkirche St. Michael in Weidenberg
- Evangelisch-lutherische Stadtkirche St. Jakobus in Weißenstadt[4]
Mittelfranken
- Pfarrkirche St. Martin in Alfershausen
- Bartholomäuskirche in Barthelmesaurach
- St. Sebastian, Cornelius und Cyprian (Binzwangen) in Binzwangen (erbaut vom Bistum Eichstätt)
- St. Wendel in Buch am Wald
- St. Johannes in Bürglein
- Evangelische Markgrafenkirche in Cadolzburg
- Kirche in Degersheim
- Pfarrkirche St. Georg in Dornhausen (Theilenhofen)
- St. Kilian in Emskirchen
- St. Lambertus in Eyb
- Pfarrkirche St. Thomas und St. Ägidius in Eysölden
- St. Laurentius (Flachslanden)
- St. Kilian in Geslau
- St. Maria in Großhaslach
- St. Maria und Wendel in Illesheim
- St.-Georgs-Kirche in Kammerstein
- St. Margaretha (Lehrberg)
- St. Veit in Marktbergel
- St. Ottilia in Pfaffenhofen
- St. Johannes in Reichersdorf
- St. Margaretha (Rügland)
- Franzosenkirche in Schwabach
- Johanneskirche in Schwand
- St. Erhard in Sugenheim
- Christuskirche in Tiefenbach
- Markgrafenkirche Treuchtlingen
- Dreifaltigkeitskirche in Unterschwaningen
- St. Martin und Ägidius zu Wald
- Evangelisch-lutherische Kirche in Wallesau
- Hofkirche in Weidenbach
- St. Johannes in Wernsbach b.Ansbach
- St. Margareta in Windsbach
- Pfarrkirche St. Johannes in Wirsberg
- St. Johannes Zautendorf
Unterfranken
- St. Johannes in Castell
- Lutherkirche in Lichtenstein
- St. Johannis in Mainbernheim
- Bartholomäuskirche in Memmelsdorf
- St. Nicolai in Neuses am Berg
- St. Burkard in Obernbreit
- Evangelische Kirche in Prichsenstadt
- St. Matthäus in Rehweiler (einzige fast 250 Jahre alte herrnhutische Saalkirche in Bayern)
- Evangelische St.-Bartholomäus-Kirche in Rödelsee
- St. Peter und Paul in Rüdenhausen
- Evangelische Kirche in Völkershausen
Schwaben
- St. Oswald in Ederheim
- St. Martin in Lehmingen
- St. Martin in Memmingen-Steinheim
- Friedenskirche in Munningen
- St. Peter und Paul in Steinhart
- St. Veit in Wechingen
Hohenlohe
- evangelische Kirche in Ettenhausen, Ortsteil von Schrozberg
- evangelische Kirche St. Katharina in Amlishagen[5]. Der Kirchturm wurde, wohl aus baustatischen Gründen, nicht auf der steil abfallenden talwärtigen Ostseite (und somit nicht über der Markgräfler Wand), sondern über den westlich gelegenen Haupteingang verlegt.
- Marienkirche Neuenstein-Kirchensall
Literatur
- Karl Kolb: Wehrkirchen und Kirchenburgen in Franken, Echter Verlag Würzburg, 1977
- Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bayern I: Franken, München, Berlin 1979
- Klaus Raschzok: Lutherischer Kirchenbau und Kirchenraum im Zeitalter des Absolutismus. Dargestellt am Beispiel des Markgraftums Brandenburg-Ansbach 1672-1791. Frankfurt/M., Bern, New York, Paris 1988, ISBN 978-3-8204-8805-0, S. 625.
- Claus-Jürgen Roepke: Die Protestanten in Bayern. Süddeutscher Verlag, München 1972, ISBN 3-7991-5705-0.
- Karl Sitzmann: Markgrafenkirchen, insbesondere die Pfarrkirche zu Bindlach. Ellwanger, 1927, S. 32.
- Alfred Schelter: Der protestantische Kirchenbau des 18. Jahrhunderts in Franken, Band 41, Verlag: Freunde der Plassenburg, Kulmbach 1981
- Wilhelm Sperl: Der protestantische Kirchenbau des XVIII. Jahrhunderts im Fürstentum Brandenburg-Onolzbach. Die Egge, Nürnberg 1951.
- Heinrich Thiel: Studien zur Entwicklungsgeschichte der Markgrafenkirchen. Die Plassenburg. Schriften für Heimatforschung und Kulturpflege in Ostfranken. E.C. Baumann, Kulmbach 1955, S. 70.
Weblinks
Beispiele für eine typische mittelfränkische Markgrafenkirche:
- St. Wendel in Buch am Wald
- St.Magdalena-Kirche, Gastenfelden (Gemeinde Buch am Wald)
- Bartholomäuskirche, Barthelmesaurach
- Georgskirche, Kammerstein
- St. Nikolaus-Kirche, Kornburg
Einzelnachweise
- Auszug aus der Urkunde zur Grundsteinlegung der Johanniskirche in Mainbernheim, 1732, Aushang einer Kopie in der Kirche, Original im evangelischen Pfarramt Mainbernheim
- RPZ Heilsbronn, Kirchen – Ausdrucksformen des Glaubens, Hefte zur regionalen Kirchengeschichte IV, 1996, S. 10
- Austoben im Himmel in: Nordbayerischer Kurier vom 9. November 2018. S. 11.
- Online epv: St. Jakobus in Weißenstadt. 16. März 2018, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Innenansicht der Kirche St. Katharina (Memento des Originals vom 5. August 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.