Marc-Eric Halatsch
Marc-Eric Halatsch (* 1967 in Hannover) ist ein deutscher Neurochirurg, Hochschullehrer und Leitender Arzt am Kantonsspital Winterthur/Schweiz. Er ist spezialisiert auf neue Behandlungsmethoden bei bösartigen Hirntumoren (Glioblastomen).[1]
Leben
Halatsch studierte Humanmedizin an der Georg-August Universität in Göttingen als Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes.[1] Seine medizinische Ausbildung setzte er 1992/93 in den USA fort: Zunächst am University of Cincinnati College of Medicine, später an der Mount Sinai School of Medicine of New York University.[2] 1993 erhielt er seine Approbation als Arzt und promovierte 1996 in Göttingen zum Doktor der Medizin.[3] Danach kehrte er als Postdoctoral Research Fellow an die Mount Sinai School of Medicine zurück, wo er im "Laboratory of Molecular and Cellular Pharmacology, Division of Neoplastic Diseases" im Bereich der Neuroonkologie forschte.[4][5] 2003 schloss er seine neurochirurgische Facharztausbildung am Universitätsklinikum Göttingen ab.[6] Er habilitierte sich ein Jahr später im Fach Neurochirurgie.[7] Anschließend arbeitete er bis 2009 als Oberarzt an der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg.[8] Von 2009 bis 2020 übernahm er die Position des stellvertretenden Ärztlichen Direktors und war außerplanmäßiger Professor an der Neurochirurgischen Universitätsklinik in Ulm,[9][10] von 2015 bis 2017 leitete er dort außerdem die Sektion Pädiatrische Neurochirurgie kommissarisch.[11] Seit Februar 2021 ist Halatsch als Leitender Arzt an der Neurochirurgischen Klinik des Kantonsspitals Winterthur/Schweiz tätig.[12]
Halatsch hat sich auf neurochirurgische Onkologie und spinale Neurochirurgie spezialisiert und hierzu über 150 Artikel in nationalen und internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht.[13][14] Von 2003 bis 2007 fungierte er als deutscher Vertreter im "Committee of the European Association of Neurosurgical Societies (EANS)" und absolvierte den internationalen Trainingskurs der EANS.[1] Halatsch hat ein internationales Netzwerk zur Bekämpfung des Glioblastoms gegründet.[15] 2005 war Halatsch gemeinsam mit Thomas Efferth Erfinder der amerikanischen Patentanmeldung OS-10018PV ("Combined treatment with artesunate and an epidermal growth factor receptor kinase inhibitor").[16]
Halatsch hat zwei Söhne (mit Ursula Schmidt, verstorben 2014) und ist seit 2020 mit Mirnesa Kamberi verheiratet.[17]
Forschung
Seit über zwanzig Jahren erforscht und entwickelt Halatsch neue Behandlungsmethoden und Therapiekonzepte für sogenannte Glioblastome.[1] Diese sind die am häufigsten auftretenden bösartigen hirneigenen Tumoren im Erwachsenenalter, wachsen schnell und kehren nach einer Operation häufig zurück.[18] Die durchschnittliche Lebenserwartung der betroffenen Patienten beträgt trotz Operation, Bestrahlung und Chemotherapie ca. 14 Monate.[19] Gemeinsam mit dem amerikanischen Psychiater Richard Kast und dem Medizintechnikingenieur Felix Capanni (Technische Hochschule Ulm) erforscht die Gruppe um Halatsch mit Unterstützung eines interdisziplinären Wissenschaftlerteams Möglichkeiten, das Tumorwachstum zu verlangsamen beziehungsweise zu stoppen. Zwei der entwickelten möglichen Therapieansätze hat Halatsch zum Patent angemeldet.[20]
Experimentelles LED-Implantat
Seit 2012 hat das Team um Halatsch gemeinsam mit Capanni LED-Implantate entwickelt.[21] Diese sollen künftig nach einer Operation in das Gehirn von Patienten implantiert werden können, um mittels photochemischer und photodynamischer Lichteffekte das Nachwachsen von Glioblastomen zu verhindern.[22] Bislang wurde dieses Verfahren experimentell in vitro und in vivo an Hausschweinen getestet, wobei sich eine gute Verträglichkeit der Behandlung abzeichnete.[21] Das interdisziplinäre Team hat für das LED-Projekt 2015 eine öffentliche Förderung von rund 150.000 Euro erhalten.[22]
CUSP9v3-Studie (Coordinated Undermining of Survival Paths by 9 Repurposed Drugs, Version 3)
In den Jahren 2016 bis Ende 2020 wurde an der Neurochirurgischen Universitätsklinik Ulm unter Leitung von Halatsch die klinische Pilotstudie "CUSP9v3" mit zehn Patienten durchgeführt, die bereits die Standardbehandlung des Glioblastoms durchlaufen und darunter einen Rückfall oder ein Fortschreiten der Erkrankung erlitten hatten.[23] Um den Hirntumor am Wachsen zu hindern, erhielten die Patienten neun verschiedene Medikamente, die ursprünglich u. a. bei Pilzerkrankungen, Depression, chronischen Gelenkerkrankungen, HIV-Infektion und Bluthochdruck zum Einsatz kommen.[24] Die Kombination der neun Medikamente hatte Halatsch gemeinsam mit Kast entwickelt.[25] Alle Medikamente sind bereits zur Behandlung anderer Krankheiten zugelassen.[26] Die Studie wurde 2020 beendet.[23] Laut ersten Ergebnissen bildete sich bei drei von zehn Patienten der Rezidivtumor vollständig zurück, ein Zustand, der auch noch drei Jahre nach Behandlungsbeginn anhielt.[23] Die klinische Studie wurde vom belgischen Anticancer Fund unterstützt.[23] Die Schweizer Stiftung „Reliable Cancer Therapies“ förderte das Projekt vor Genehmigung der klinischen Studie durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.[27]
Auszeichnungen
- 1987–1993: Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes[28]
- 1997: Samuel Bronfman Medicine Research Award, New York City[1]
- 1999: Auszeichnung der Universitätsmedizin Göttingen[4]
- 2000: Auszeichnung des Landes Niedersachsen[4]
- 2007: Auszeichnung der Medizinischen Fakultät Heidelberg[4]
- 2012: Auszeichnung der Fakultät für Mechatronik und Medizintechnik, Technische Hochschule Ulm[4]
- 2013: CUSP9 Clinical Trial Start-Up Award, Anticancer Fund, Belgien[23]
- 2015: Cures Within Reach Award, CWR Foundation, USA[29]
- 2015: Förderung im Rahmen der Ausschreibung „Innovative Projekte/Kooperationsprojekte“ des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg[22]
Veröffentlichungen
- Molekulare Alterationen in der Pankreatokarzinogenese: Untersuchungen zur Onkogenaktivierung, Tumorsuppressorgen- und Adhäsionsrezeptorexpression. Dissertationsschrift 1996, Georg-August-Universität Göttingen.
- Epidermale Wachstumsfaktorrezeptoren als Zielmoleküle experimenteller Therapiestrategien für das Glioblastoma multiforme. Habilitationsschrift 2004, Georg-August-Universität Göttingen, Deutscher-Wissenschafts-Verlag, Baden-Baden 2004. ISBN 978-3935176323.
Einzelnachweise
- Marc-Eric Halatsch - Publications List. Abgerufen am 27. Januar 2021.
- Hiroyuki Kobayashi, Nuna Kim, Marc-Eric Halatsch, Takao Ohnuma: Specificity of ribozyme designed for mutated DHFR mRNA. In: Biochemical Pharmacology. Band 47, Nr. 9, April 1994, S. 1607–1613, doi:10.1016/0006-2952(94)90539-8 (elsevier.com [abgerufen am 16. Februar 2021]).
- Frequent Loss of Expression of the Potential Tumor Suppressor Gene DCC in Ductal Pancreatic Adenocarcinoma. In: CANCER RESEARCH. 1. Mai 1992, abgerufen am 16. Februar 2021.
- Marc-Eric Halatsch | Insight Medical Publishing. Abgerufen am 27. Januar 2021.
- Marc-Eric Halatsch, Ursula Schmidt, Ingolf C. Bötefür, James F. Holland, Takao Ohnuma: Marked inhibition of glioblastoma target cell tumorigenicity in vitro by retrovirus-mediated transfer of a hairpin ribozyme against deletion-mutant epidermal growth factor messenger RNA. In: Journal of Neurosurgery. Band 92, Nr. 2, Februar 2000, ISSN 0022-3085, S. 297–305, doi:10.3171/jns.2000.92.2.0297 (thejns.org [abgerufen am 16. Februar 2021]).
- M. -E. Halatsch, H. -H. Rustenbeck, J. Jansen: Progression of arteriovenous malformation in moyamoya syndrome. In: Acta Neurochirurgica. Band 139, Nr. 1, 1. Januar 1997, ISSN 0942-0940, S. 82–85, doi:10.1007/BF01850873.
- Uni In Form. In: Georg-August-Universität Göttingen. November 2004, abgerufen am 16. Februar 2021.
- Leistungsbericht Neurochirurgie. In: UniversitätsKlinikum Heidelberg. Abgerufen am 16. Februar 2021.
- Südwest Presse Online-Dienste GmbH: Medizin: Eingriff am offenen Gehirn. 25. Mai 2020, abgerufen am 16. Februar 2021.
- Q04. In: Universitätsklinik Ulm. 2016, abgerufen am 16. Februar 2021.
- Neue Kinderneurochirurgin am Universitätsklinikum Ulm | Management-Krankenhaus. Abgerufen am 16. Februar 2021.
- Team Klinik für Neurochirurgie - Kantonsspital Winterthur KSW. Abgerufen am 27. Januar 2021 (deutsch).
- Marc-Eric HALATSCH | Leitender Arzt | MD, PhD | Kantonsspital Winterthur, Winterthur | KSW | Klinik für Neurochirurgie. Abgerufen am 27. Januar 2021 (englisch).
- halatsch m - Search Results - PubMed. Abgerufen am 16. Februar 2021 (englisch).
- Innovatives Behandlungskonzept. Abgerufen am 27. Januar 2021.
- Combined treatment with artesunate and an epidermal growth factor receptor kinase inhibitor. 17. Oktober 2005 (google.com [abgerufen am 27. Januar 2021]).
- PressReader.com - Zeitungen aus der ganzen Welt. Abgerufen am 23. März 2021.
- Glioblastom. Abgerufen am 27. Januar 2021.
- Glioblastom: Ursachen, Symptome, Lebenserwartung. Abgerufen am 27. Januar 2021.
- implant system. 11. September 2017 (google.com [abgerufen am 27. Januar 2021]).
- Lichtstrahlen gegen Hirntumorzellen. Abgerufen am 27. Januar 2021.
- Licht gegen Hirntumorzellen | Management-Krankenhaus. Abgerufen am 27. Januar 2021.
- Glioblastom - Aktuell. In: Glioblastom Studien. 1. Februar 2021, abgerufen am 16. Februar 2021.
- Glioblastome am Wachsen hindern. Abgerufen am 27. Januar 2021.
- CUSP9v3 beim Glioblastom. Abgerufen am 27. Januar 2021.
- Glioblastom:neuer Therapieansatz - Universität Ulm. Abgerufen am 27. Januar 2021.
- Deutscher Ärzteverlag GmbH, Redaktion Deutsches Ärzteblatt: Marc-Eric Halatsch: Kampf gegen das Glioblastom. 6. Dezember 2013, abgerufen am 27. Januar 2021.
- Jahresbericht 2015. In: Studienstiftung des deutschen Volkes. Abgerufen am 16. Februar 2021.
- Auszeichnung für Ulmer Neurochirurg. Abgerufen am 27. Januar 2021.