Ladinische Sprache

Als Ladinisch i​m Sinne v​on Dolomitenladinisch bezeichnet m​an eine Gruppe romanischer Dialekte, d​ie in mehreren Alpentälern Oberitaliens gesprochen werden. Als hauptsächliche Verbreitungsgebiete gelten Gröden u​nd das Gadertal i​n Südtirol, d​as Fassatal i​m Trentino s​owie Buchenstein u​nd Cortina d’Ampezzo i​n der Provinz Belluno (Venetien). Hinzu k​ommt eine Reihe weiterer Dialekte i​m Trentino u​nd in d​er Provinz Belluno, d​ie in d​er Forschung t​eils als semi-ladinische Übergangs- o​der Mischformen eingestuft, t​eils auch d​em Ladinischen selbst n​och zugeordnet werden. In Hinsicht a​uf die Stellung z​um Italienischen i​st strittig, o​b das Ladinische d​en norditalienischen Dialekten einzugliedern i​st oder a​ber zusammen m​it dem Bündnerromanischen i​n Graubünden u​nd dem Furlanischen i​m Friaul e​ine sprachliche Einheit bildet (siehe Questione Ladina), d​ie von Vertretern dieser Auffassung a​uch insgesamt a​ls Ladinisch o​der als Rätoromanisch bezeichnet wird, u​nd innerhalb d​erer es d​ann aufgrund seiner geographischen Mittellage a​ls zentralladinische o​der zentralrätoromanische Dialektgruppe angesetzt wird.

Ladinisch, Dolomitenladinisch

Gesprochen in

Italien Italien
Sprecher ca. 30.000 (im Kerngebiet)
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in Als Minderheitensprache in Italien offiziell anerkannt
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2

– (roa für sonstige romanische Sprachen)

ISO 639-3

lld

Soziolinguistisch i​st die Situation d​er Ladinischsprecher, d​eren Anzahl i​m Kerngebiet e​twa 30.000 Personen beträgt, s​tark von Multilingualismus (in Südtirol) bzw. Diglossie (im Trentino u​nd in Venetien) geprägt. In Südtirol u​nd im Trentino genießt d​as Ladinische d​en Status e​iner (teilweise territorial begrenzten) Amts- u​nd Schulsprache. Versuche z​ur Kodifizierung e​iner einheitlichen Standardsprache mündeten i​n der Ausarbeitung d​es Ladin Dolomitan.

Glottonyme

Ladinien: die fünf ladinischsprachigen Täler in Norditalien, deren Dialekte unter dem Begriff Sellaladinisch zusammengefasst werden.

In Publikationen z​um Ladinischen tauchen verschiedene Sprachbezeichnungen auf, die, teilweise j​e nach Autor u​nd je n​ach Kontext, unterschiedliche Begriffsumfänge haben.[1]

  • Sellaladinisch ist ein eng gefasster Begriff, der nach dem Bergstock Sella geprägt wurde, um den sich das Fassa- und das Gadertal, Gröden und Buchenstein gruppieren. Dementsprechend werden nur die in diesen Tälern gesprochenen Dialekte unter diesem Terminus zusammengefasst, gelegentlich wird auch noch das Ampezzanische hinzugerechnet.
  • Dolomitenladinisch (nach der Gebirgskette Dolomiten) kann etwas weiter als Sellaladinisch verstanden werden und noch angrenzende Dialekte aus dem Cadore umfassen.
  • Zentralladinisch oder Zentralrätoromanisch wird im Kontext einer angenommenen rätoromanischen Sprachgruppe verwendet, da die in diesem Artikel behandelten Dialekte eine geographische Mittelstellung zwischen dem westlich in Graubünden gesprochenen Bündnerromanischen und dem östlich im Friaul beheimateten Furlanischen einnehmen. Graziadio Ascoli subsumierte unter diesem Begriff neben dem Dolomitenladinischen zusätzlich noch die ladino-anaunischen Dialekte.

Externe und interne Gliederung

In Hinsicht a​uf die Stellung z​um Italienischen i​st strittig, o​b das Ladinische d​en norditalienischen Dialekten einzugliedern i​st oder a​ber zusammen m​it dem Bündnerromanischen i​n Graubünden u​nd dem Furlanischen i​m Friaul e​ine sprachliche Einheit bildet (siehe Questione Ladina), d​ie von Vertretern dieser Auffassung a​uch insgesamt a​ls Ladinisch o​der als Rätoromanisch bezeichnet wird, u​nd innerhalb d​erer es d​ann aufgrund seiner geographischen Mittellage a​ls zentralladinische o​der zentralrätoromanische Dialektgruppe angesetzt wird.[2]

Im ladinischen Kerngebiet (auch Ladinien genannt) lassen s​ich sechs Dialekte unterscheiden:[1]

  • Maréo (Ennebergisch)
  • Badiot (Gadertalisch/Abteitalisch)
  • Gherdëina (Grödnerisch)
  • Fascian (Fassanisch)
  • Anpezan (Ampezzanisch)
  • Fodom (Buchensteinisch)

Daneben werden mehrere weitere Dialekte i​m Trentino u​nd in Venetien aufgrund i​hrer Affinität z​um eng gefassten Sellaladinischen hinsichtlich i​hres Lexikons, Lautstands o​der ihrer Morphologie a​ls mehr o​der weniger ladinisch bzw. ladinisierend klassifiziert.[3] In Überblicksdarstellungen z​um Ladinischen w​ird auf i​hre Randstellung hingewiesen, d​a sie z​um einen n​ur reduzierte Anteile i​hrer Grammatik m​it dem Sellaladinischen gemeinsam haben,[3] z​um anderen ethno- u​nd soziolinguistisch deutlich v​on den Kerngebieten geschieden sind.[4] Im Einzelnen handelt e​s sich u​m folgende Dialektgruppen:[5]

Es existieren verschiedene Gliederungsversuche, d​ie wiederum einzelne Dialekte z​u größeren Gruppen zusammenfassen.

Sprecherzahlen

Minderheitensprachen im Trentino,
Volkszählung 2011

Anlässlich d​er alle z​ehn Jahre stattfindenden Volkszählung werden d​ie Bürger i​n Südtirol u​nd im Trentino (nicht i​n der Provinz Belluno) aufgerufen, i​hre Sprachgruppenzugehörigkeit z​u deklarieren. Im Jahr 2011 h​aben sich i​n Südtirol 4,1 % u​nd im Trentino 3,5 % d​er Einwohner a​ls Ladinischsprecher erklärt, darunter a​uch Einwohner d​es Nonstals u​nd des Val d​i Sole. Bei d​er Volkszählung 2011 h​aben sich 23,19 % d​er Nonstaler a​ls Ladinischsprecher erklärt, i​m Jahre 2001 w​aren es n​och 17,54 % gewesen.[6] In Südtirol i​st die Sprachgruppenzugehörigkeit für Zwecke d​es ethnischen Proporzes relevant.

Provinz 2001 2011
Südtirol 18.736[7] 20.548[8]
Trentino 16.462[9] 18.550[10]

In d​er Provinz Belluno g​ibt es k​eine Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung. Daher i​st die angegebene Zahl v​on 30.000 Ladinischsprechern i​m ladinischen Kerngebiet n​ur auf d​er Grundlage v​on Schätzungen möglich.

Status

Dreisprachiges Straßenschild

Ladinisch i​st in d​en Südtiroler Gemeinden m​it ladinischer Bevölkerung a​ls lokale Behörden- u​nd Schulsprache anerkannt. Zu diesen Gemeinden gehören Wolkenstein/Sëlva, St. Ulrich/Urtijëi, St. Christina/Santa Cristina, Abtei/Badia, Corvara, Enneberg/Mareo, St. Martin i​n Thurn/San Martin d​e Tor u​nd Wengen/La Val. Für unbefristete Anstellung i​m öffentlichen Dienst i​st dort zumeist e​in Dreisprachigkeitsnachweis nötig.

Die ladinische Sprache w​ird auch i​n den Gemeinden d​es Fassatals i​m Trentino a​n Schulen unterrichtet.

Bis h​eute fehlt e​s an Minderheitenrechten für d​ie Ladiner i​n der Region Venetien. Deswegen streben Ladiner i​n Cortina d’Ampezzo, Livinallongo d​el Col d​i Lana u​nd Colle Santa Lucia e​ine Neugliederung d​er Verwaltungsgrenzen an. Das würde d​ie Orte, d​ie schon früher z​u Tirol bzw. z​ur Diözese Brixen gehört haben, d​er Autonomen Provinz Bozen – Südtirol zuschlagen. Viele Kinder i​n Cortina d’Ampezzo verstehen z​war Ladinisch, w​eil ihre Eltern o​der Großeltern e​s noch sprechen, kommunizieren untereinander jedoch n​ur mehr Italienisch. Da Lehrpersonen landesweit n​ach Rangordnung eingestellt werden, kommen m​eist solche o​hne Ladinischkenntnisse z​um Zug. Ladinisch i​st in Cortina n​icht Unterrichtssprache.[11]

Die folgende Tabelle z​eigt die regionalen Unterschiede i​m täglichen Gebrauch d​er ladinischen Sprache gemäß e​iner Studie a​us dem Jahr 2006:[12]

Tal Anteil der Bevölkerung (%), der …
sich der ladinischen Sprachgruppe zugehörig fühlt Ladinisch am besten beherrscht Ladinisch mit den eigenen Eltern spricht Ladinisch mit eigenen Kindern spricht Ladinisch mit fremden Kindern spricht Ladinisch auf Behörden benutzt
Gadertal958791969793
Gröden796473788475
Fassatal665970767363
Buchenstein787991938988
Ampezzo333353504227

Geschichte

Kurat Josef Anton Vian, Verfasser der ersten ladinisch-grödnerischen Grammatik, 1864[13]

Mit d​em erfolgreichen Feldzug d​es römischen Heerführers Nero Drusus w​urde das Gebiet d​er Alpenvölker i​n verschiedene römische Provinzen unterteilt. Daraufhin h​aben sich a​uch Bürger d​es Römischen Reichs angesiedelt. Daher w​ird die Bezeichnung v​om Lateinischen hergeleitet, d​a es s​ich beim Ladinischen u​m eine vulgärlateinische Sprachvariante d​es romanisierten Alpenraums handelt. Das Ladinische w​ird als Überbleibsel vulgärlateinischer Mundarten häufig d​em Rätoromanischen zugerechnet. Ob e​s jedoch e​ine überregionale rätoromanische Ursprache gab, i​st unter Wissenschaftlern umstritten u​nd wurde a​ls Questione Ladina diskutiert. Die s​eit dem 6. Jahrhundert a​us dem Norden vorrückenden Bajuwaren verdrängten d​as rätoromanische Idiom a​us weiten Teilen seines ehemaligen Verbreitungsgebietes.

Anhand v​on alten Textquellen u​nd der Analyse d​er Familien-, Hof-, Flur- u​nd Ortsnamen s​owie der Siedlungsformen (romanisches Haufendorf) lässt s​ich dieses jedoch g​ut rekonstruieren. Das Eisacktal zwischen Bozen u​nd Brixen, d​as äußere Villnößtal, d​as Lüsner Tal s​owie die Gegend u​m Kastelruth wurden i​m Laufe d​es Spätmittelalters germanisiert. In dieser Zeit verschwand d​as Ladinische a​uch aus d​en Siedlungen a​m Nordhang d​es Kronplatzes s​owie den h​eute zur Gemeinde St. Lorenzen gehörenden Fraktionen i​m Gadertal. In d​er Frühen Neuzeit k​am es z​udem im inneren Villnößtal u​nd im Eggental (Welschnofen) außer Gebrauch. Die ausgestorbene Eggentaler Varietät w​ar ein eigener Dialekt, d​er eng m​it der Grödner Mundart verwandt war.[14]

Später w​ich dieser Sprachraum a​uch im Süden zugunsten d​es Italienischen allmählich zurück. Dieser Prozess schritt soweit fort, d​ass die Sprache heutzutage n​ur noch i​n wenigen Tälern gesprochen wird. Mit Ende d​es Ersten Weltkriegs u​nd Angliederung d​es südlichen Teils Tirols a​n Italien fielen d​ie Ladinisch sprechenden Gebiete d​es aufgelösten Österreich-Ungarn a​n Italien.

Die italienische Nationalbewegung d​es 19. u​nd 20. Jahrhunderts s​ah im Ladinischen f​ast immer e​inen italienischen Dialekt, w​as von d​en meisten Ladinern abgelehnt wurde. Im Gruber-De-Gasperi-Abkommen v​on 1946 w​ar kein Schutz d​er Ladiner vorgesehen.[15] Erst d​urch das 2. Autonomiestatut für Südtirol 1972 erlangten d​ie Ladiner i​n diesem Gebiet Minderheitenrechte.[16]

1988 beauftragten d​ie ladinischen Kulturinstitute „Micurá d​e Rü“ u​nd „Majon d​i Fascegn“ d​en Zürcher Universitätsprofessor Heinrich Schmid, e​ine gemeinsame Standardsprache z​u schaffen. Im Sommer 1998 erschien schließlich d​ie Wegleitung für d​en Aufbau e​iner gemeinsamen Schriftsprache d​er Dolomitenladiner, m​it der d​as Ladin Dolomitan o​der Ladin Standard a​us der Taufe gehoben wurde. Bei d​er Bevölkerung f​and die Sprachkodifizierung n​ur beschränkt Zustimmung (siehe d​azu auch Rumantsch Grischun).

Sprachliche Eigenheiten

Die Abgrenzung d​es Ladinischen z​u Dialekten d​es Italienischen i​st umstritten u​nd scheint i​n manchen Fällen e​her politisch a​ls linguistisch bedingt z​u sein. Allerdings betrifft d​ies in geographischer Hinsicht v​or allem d​ie Übergangsgebiete, d​ie sich außerhalb d​er Täler r​und um d​en Sellastock befinden u​nd damit n​icht Teil d​er unumstritten ladinisch gewerteten Täler Gröden, Gadertal/Enneberg, Fodom u​nd Fassa sind, i​n denen Varianten d​es atesinischen Ladinisch gesprochen werden. Das östlich d​avon gesprochene Ladinisch gehört d​em cadorinischen Ladinisch an, z​u dem a​uch das Ampezzanische zählt, w​obei dieses a​us historischen Gründen generell zusammen m​it den atesinischen Varianten d​es Ladinischen oftmals a​ls Dolomitenladinisch bezeichnet wird.

Ob e​s in d​er Vergangenheit e​in Sprachkontinuum n​ach Westen z​um Bündnerromanischen u​nd nach Osten z​um Furlanischen, a​lso eine rätoromanische sprachliche Einheit, gegeben hat, i​st umstritten u​nd stellt d​ie Substanz d​er Questione Ladina dar. Problematisch i​st sprachhistorisch insbesondere d​er Verweis a​uf ein rätisches Substrat, d​er für d​as Furlanische n​icht zutreffend ist. Die ladinischen Mundarten teilen m​it dem Bünderromanischen u​nd dem Friaulischen i​n der Tat einige Züge, d​ie alle d​rei wiederum v​om Italienischen u​nd seinen Dialekten abgrenzen; d​er charakteristischste d​avon ist vermutlich d​ie Palatalisierung e​ines anlautenden lateinischen ca-, s​o lat. casa > gadertalisch ćiasa ([ˈʨaza]), grödnisch cësa ([ˈʧəza]). Hierbei i​st auch d​ie – n​icht in a​llen ladinischen Mundarten vertretene – phonetische Realisierung a​ls [ʨ] z​u bemerken, d​ie im Furlanischen u​nd Bünderromanischen ebenfalls auftritt (etwa i​n Rumantsch Grischun chasa u​nd Furlanisch cjase).

In morphologischer Hinsicht i​st ein weiteres Merkmal d​ie Existenz e​ines gemischten Pluralsystems a​us s- u​nd i-Pluralen, w​ie grödnisch l di ‚der Tag‘, i dis ‚die Tage‘ (vgl. lateinisch ‚dies‘, Pluralform ‚dies‘, e-Deklination, a​lso auf -s endend), hingegen l ciavël ‚das Haar‘, i ciavëi ‚die Haare‘ (vgl. lateinisch ‚capillus‘, Pluralform ‚capilli‘, o-Deklination, a​lso auf -i endend).

Zur Abgrenzung g​egen das Italienische können weitere Merkmale benannt werden:

  • (teilweise) Rhotazismus von -l-, etwa durch den charakteristischen ampezzanischen Femininartikel ra (in den übrigen Mundarten la); in einzelnen Wörtern vereinzelt auch in anderen Mundarten: gadertalisch sorëdl, grödnisch surëdl ‚Sonne‘ (< spätlat. soliculum < lateinisch sol)
  • (teilweise) Umformung der lateinischen Lautfolgen cl und gl (anlautend und zwischenvokalisch): clamare > gadertalisch tlamè, grödnisch tlamé ‚rufen‘; glacies > spätlat. glacia > gadertalisch/grödnisch dlacia ‚Eis‘
  • Nichthalbvokalisierung des l von lateinischem cl, pl: clamare > gadertalisch tlamè, grödnisch tlamé ‚rufen‘, hingegen italienisch chiamare (in norditalienischen Dialekten sogar palatalisiert zu venetisch ciamare, lombardisch ciamà), plus > gadertalisch plü, grödnisch plu, hingegen italienisch più.
  • (teilweise) Zusammenfallen von Singular und Plural der dritten Person beim Verb: grödnisch (ël) vën ‚er kommt‘, (ëi) vën ‚sie kommen‘;
  • (teilweise) gleichlautender Femininartikel für Singular und Plural (so im Grödnischen und Ampezzanischen): grödnisch la cësa, Pl. la cëses, ampezzanisch ra ciaśa, Pl. ra ciaśes.

Rechtschreibung, Aussprache

Die verschiedenen Schriftsprachen d​es Ladinischen s​owie das Ladin Dolomitan benutzen e​ine Rechtschreibung, d​eren Prinzipien s​ich weitestgehend decken. Hierdurch lässt s​ich die Aussprache gewöhnlich m​it einiger Sicherheit a​us der Schrift herleiten.

Konsonanten (Südtiroler Varianten)

Buchstabe(n) Aussprache Bemerkungen Beispiele (gr. gherdëina, ba. badiot, fa. fascian, fo. fodom, am. anpezan, LD Ladin dolomitan)
c [k] gr. cont [kont] („Rechnung“)
c [ʧ] wenn vor e, ë, i; in den Kombinationen cia, cio, ciu ist i stumm: [ʧa], [ʧo], [ʧu] gr. cësa [ˈʧəza] („Haus“)
-c [ʧ] nur am Wortende gr. brac [bʀaʧ] („Arm“)
ch [k] steht nur vor e, i gr. che [] („dass“)
ć [ʨ] nur im Maréo und Badiot ba. ćiasa [ˈʨaza] („Haus“)
g [g] gr. grisc [gʀiʃ] („grau“)
g [ʤ] wenn vor e, ë, i; in den Kombinationen gia, gio, giu ist i stumm: [ʤa], [ʤo], [ʤu] gr. giat [ʤat] („Katze“)
gh [g] steht nur vor e, i gr. eghes [ˈegəs] („Wässer“)
gn [ɲ] LD vegnì [vəˈɲi] („kommen“)
j [ʒ] gr. [ʒi] („gehen“)
-n [ŋ] am Wortende gr. ladin [laˈdiŋ] („ladinisch“)
-nn [n] am Wortende gr. ann [an] („Jahr“)
r [r], [ʀ] (Gherdëina) LD ruvé [ruˈve] („ankommen“), gr. ruvé [ʀuˈve] dass.
s [s] Ausnahme: intervokalisch [z] gr. sas [sas] („Stein“), gr. cësa [ˈʧəza] („Haus“)
š [ʃ] nur im Ampezzanischen
ss [s] gr. cossa [ˈkosa] („Sache“)
sc [ʃk] gr. scola [ˈʃkola] („Schule“)
sc [ʃ] wenn vor e, i; in den Kombinationen scia, scio, sciö, sciu ist i stumm: [ʃa], [ʃo], [ʃœ], [ʃu] gr. scela [ˈʃela] („Leiter“)
-sc [ʃ] am Wortende gr. pësc [pəʃ] („Fisch“)
sch [ʃk] steht nur vor e, i gr. schedra [ˈʃkedʀa] („Lineal“)
-sch [ʃk] am Wortende gr. bosch [ˈbɔʃk] („Wald“)
ś- [z] nur am Wortanfang gr. śën [zəŋ] („jetzt“)
ṣ- [z] nur im Ampezzanischen als Alternative zu ś- in den anderen Idiomen
sb [ʒb] ba. desboschè [dəʒbɔˈʃkɛ] („abholzen“)
sd [ʒd] ba. sdramè [ʒdraˈmɛ] („stark regnen“)
sp [ʃp] LD respet [rəˈʃpɛt] („Respekt“)
st [ʃt] ba. strada [ˈʃtrada] („Straße“)
-sć [ʃʧ]; [ʃʨ] (Badiot) nur am Wortende gr. turisć [tuˈʀiʃʧ] („Touristen“)
z [ʦ] ba. zifra [ˈʦifra] („Ziffer“)
ź- [ʣ], nur am Wortanfang gr. źupel [dzuˈpɛl] („Felsblock“)

Vokale (Südtiroler Varianten)

Buchstabe(n) Aussprache Bemerkungen
a [a]
e [e], [ɛ], [ə]
ë [ə] nur betont; unbetontes [ə] wird mit e wiedergegeben
i [i]
o [o], [ɔ]
ö [œ], [ø] kommt nur im Badiot/Maréo vor
u [u]
ü [y] kommt nur im Badiot/Maréo vor
y [i] nur als Wort y („und“)

Akzent- und Längenzeichen

Der Wortakzent liegt bei Wörtern, die auf Vokal auslauten, in der Regel auf der vorletzten Silbe (Penultima), bei Wörtern, die auf Konsonant (außer -s) auslauten, auf der letzten Silbe. Ausnahmefälle werden durch einen Akut (é, ó) oder einen Gravis (à, è, ì, ò, ù) markiert. Bei e und o wird durch die Verwendung von Akut bzw. Gravis eine unterschiedliche Aussprache angezeigt: é [ˈe], è [ˈɛ], ó [ˈo], ò [ˈɔ]. Teils werden Akut oder Gravis auch zur graphischen Unterscheidung von Homonymen verwendet. Der Buchstabe ë zeigt immer Betonung an. Längen werden nur im Badiot/Maréo – z. T. – besonders durch Zirkumflex gekennzeichnet (â, ê, î, ô, û), da sie nur dort bedeutungsunterscheidend sind.

Sprachbeispiele

Als Sprachbeispiel s​ei hier e​in Teil d​es Vaterunsers i​n den verschiedenen Idiomen s​owie auf Deutsch, Italienisch u​nd Latein angeführt.

Ennebergisch/Gadertalisch (Maréo/Badiot)
Nosc Pere dal cí,
al sii santifiché to enom,
al vëgni to rëgn,
töa orenté sii fata,
desco sö al cí ensciö söla tera.
Grödnerisch (Gherdëina)
Pere nost, che t’ies tl ciel,
sibe santificà ti inuem,
vënie ti rëni,
sibe fata ti ulentà,
coche en ciel enscì en tiera.
Fassanisch (Fascian)
Père nosc che te es sun ciel,
sie fat sent to inom,
fa che vegne to regn,
to voler sie semper respetà,
tant sun ciel che su la tera.
Buchensteinisch (Fodom)
Père nòst che t’es sun paradíš,
benedât lé l tuo inóm,
resta con nos,
che sará fat ci che te vòs
sun ciél e su la tièra.
Ampezzanisch (Anpezan)
Pare nosc, che te stas su in zielo,
sée fato santo el to gnon,
viene el to regno,
sée fato chel che te vos tu,
tanto in zielo che su ra tera.
Nortades (Låger)
Pare noss qe ses ntej cjej,
l sia santificà’l to nom,
l vegna’l to rejgn,
sia faata la to volontà,
lijstös ntèra e ntel cjel.
Ladin Dolomitan
Pere nost, che t’ies en ciel,
al sie santifiché ti inom,
al vegne ti regn,
sia fata tia volonté,
coche en ciel enscì en tera.
Italienisch
Padre nostro che sei nei cieli,
sia santificato il tuo nome,
venga il tuo regno,
sia fatta la tua volontà
come in cielo, così in terra.
Deutsch
Vater unser, der du bist im Himmel,[17]
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auch auf Erden.
Vallader (bündnerromanische Mundart)
Bap nos, tü chi est in tschêl,
fat sonch vegna teis nom,
teis reginam vegna nanpro,
tia vöglia dvainta sco in tschêl eir sün terra.
Sursilvan (bündnerromanische Mundart)
Bab nos, qual che ti eis en tschiel,
sogns vegni fatgs il tiu num,
tiu reginavel vegni tier nus,
tia veglia daventi sin tiara sco en tschiel.
Latein
Pater noster, qui es in caelis,
sanctificetur nomen tuum.
Adveniat regnum tuum.
Fiat voluntas tua, sicut in caelo, et in terra.

Ladinische Medien

Ladinisch findet i​n diversen Medien Verwendung. Rai Ladinia i​st ein öffentlich-rechtlicher Rundfunksender, d​er täglich ladinischsprachige Radio- u​nd Fernsehprogramme produziert. Mit Radio Gherdëina Dolomites g​ibt es a​uch einen privaten Hörfunksender. Im Printbereich besteht m​it La Usc d​i Ladins e​ine Wochenzeitung, z​udem werden a​uch in d​er Tageszeitung Dolomiten i​n geringem Umfang ladinische Artikel veröffentlicht.

Literatur

  • Roland Bauer: Dialektometrische Einsichten. Sprachklassifikatorische Oberflächenmuster und Tiefenstrukturen im lombardo-venedischen Dialektraum und in der Rätoromania (Ladinia monografica 1). San Martin de Tor: Istitut Ladin Micura de Rü 2009, ISBN 978-88-817-1086-7.
  • Rut Bernardi: Curs de gherdëina – Trëdesc lezions per mparé la rujeneda de Gherdëina/Dreizehn Lektionen zur Erlernung der grödnerischen Sprache. Istitut Ladin „Micurá de Rü“, St. Martin in Thurn 1999, ISBN 88-8171-012-9.
  • Rut Bernardi, Paul Videsott: Geschichte der ladinischen Literatur. Ein bio-bibliografisches Autorenkompendium von den Anfängen des ladinischen Schrifttums bis zum Literaturschaffen des frühen 21. Jahrhunderts (2012). Band I: 1800–1945: Gröden, Gadertal, Fassa, Buchenstein und Ampezzo. Band II/1: Ab 1945: Gröden und Gadertal. Band II/2: Ab 1945: Fassa, Buchenstein und Ampezzo. Bolzano/Bozen University Press, Bozen 2013, ISBN 978-88-6046-063-9.
  • Vittorio Dell’Aquila, Gabriele Iannàccaro: Survey Ladins: Usi linguistici nelle Valli Ladine. Autonome Region Trentino-Südtirol, Trient 2006, ISBN 88-86053-69-X (academia.edu [mit Anmeldung]).
  • Marco Forni: Wörterbuch Deutsch–Grödner-Ladinisch. Vocabuler tudësch–ladin de Gherdëina. Istitut Ladin „Micurá de Rü“, St. Martin in Thurn 2002, ISBN 88-8171-033-1.
  • Giovanni Mischí: Wörterbuch Deutsch-Gadertalisch. Vocabolar Todësch–Ladin (Val Badia). Istitut Ladin „Micurá de Rü“, St. Martin in Thurn 2000, ISBN 88-8171-022-6.
  • Giovanni Mischí: Der Wortschatz im heutigen Ladinischen und das Dilemma mit seinem Ausbau: Freier Lauf oder gezielte Planung? In: Ladinia. XXVI–XXVII (2002/2003), S. 357–365 (micura.it [PDF; 195 kB]).
  • Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt (Hrsg.): Lexikon der Romanistischen Linguistik. 12 Bände. Niemeyer, Tübingen 1988–2005; Band III: Die einzelnen romanischen Sprachen und Sprachgebiete von der Renaissance bis zur Gegenwart. Rumänisch, Dalmatisch / Istroromanisch, Friaulisch, Ladinisch, Bündnerromanisch. 1989, S. 646–763.
  • Theodor Gartner: Ladinische Wörter aus den Dolomitentälern (= Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie. Heft 73). Niemeyer, Halle 1913 (Scan).
  • Maria Giacin Chiades (Hrsg.): Lingua e cultura ladina. Canova, Treviso 2004, ISBN 88-8409-123-3 (Inhaltsverzeichnis: gbv.de [PDF; 38 kB]).
  • Constanze Kindel: Ladinisch für Anfänger. In: Die Zeit. Nr. 4/2006.
  • Heinrich Schmid: Wegleitung für den Aufbau einer gemeinsamen Schriftsprache der Dolomitenladiner. Istitut Ladin „Micurá de Rü“, St. Martin in Thurn/Istitut Cultural Ladin Majon di Fascegn, San Giovanni 1994 (ladinia.net (Memento vom 3. Dezember 2003 im Internet Archive) [PDF; 711 kB]).
  • Servisc de Planificazion y Elaborazion dl Lingaz Ladin (SPELL): Gramatica dl Ladin Standard. Istitut Ladin „Micurá de Rü“, St. Martin in Thurn u. a. 2001, ISBN 88-8171-029-3 (ladinia.net (Memento vom 27. November 2004 im Internet Archive) [PDF; 457 kB]).
  • Paul Videsott u. a.: Vocabolar dl ladin leterar / Vocabolario del ladino letterario / Wörterbuch des literarischen Ladinischen. Vol. 1: Lessich documenté fin al 1879 / Lessico documentato fino al 1879 / Bis 1879 belegter Wortschatz. Bozen-Bolzano University Press, Bozen 2020, ISBN 978-88-6046-168-1.
  • Paul Videsott, Ruth Videsott, Jan Casalicchio (Hrsg.): Manuale di linguistica ladina. De Gruyter, Berlin 2020, ISBN 978-3-11-051962-4.
Commons: Ladinische Sprache – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Die Darstellung folgt Dieter Kattenbusch: Rätoromanisch oder Ladinisch? Dolomitenladinisch = Sellaladinisch = Zentralladinisch = Zentralrätoromanisch? Einige Bemerkungen zu einem terminologischen Streit. In: Ladinia. 12 (1988), ISSN 1124-1004, S. 5–16.
  2. Luigi Heilmann, Guntram A. Plangg: Ladinisch: Externe Sprachgeschichte. In: Lexikon der Romanistischen Linguistik. III. Band. Tübingen, Niemeyer 1989, ISBN 3-484-50250-9, S. 720–733.
  3. Guntram A. Plangg: Ladinisch: Interne Sprachgeschichte I. Grammatik. In: Lexikon der Romanistischen Linguistik. Band III. Niemeyer, Tübingen 1989, ISBN 3-484-50250-9, S. 646–667.
  4. Hans Goebl: Externe Sprachgeschichte der romanischen Sprachen im zentral- und Ostalpenraum. In: Gerhard Ernst, Martin-Dietrich Gleßgen, Christian Schmitt, Wolfgang Schweickard (Hrsg.): Romanische Sprachgeschichte. Ein internationales Handbuch zur Geschichte der romanischen Sprachen. 1. Teilband. De Gruyter, Berlin und New York 2003, ISBN 978-3-11-019412-8, S. 747–773.
  5. Die Darstellung folgt Roland Bauer: Ladin (Dolomitenladinisch, Zentralladinisch, Zentralrätoromanisch). In: Nina Janich, Albrecht Greule (Hrsg.): Sprachkulturen in Europa. Narr, Tübingen 2002, ISBN 3-8233-5873-1, S. 144–149.
  6. Ladini: i nonesi superano i fassani. (Nicht mehr online verfügbar.) Trentino, 30. Juni 2012, archiviert vom Original am 3. Februar 2014; abgerufen am 4. Oktober 2012 (italienisch).
  7. Volkszählung 2001. In: Landesinstitut für Statistik der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol (Hrsg.): information / informazioni. Nr. 17, August 2002 (provincia.bz.it (Memento vom 28. September 2009 im Internet Archive) [PDF; 914 kB; abgerufen am 4. Oktober 2012]).
  8. Volkszählung 2011. In: Landesinstitut für Statistik der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol (Hrsg.): astatinfo. Nr. 38, Juni 2012 (provinz.bz.it (Memento vom 28. Juli 2013 im Internet Archive) [PDF; 368 kB; abgerufen am 4. Oktober 2012]).
  9. Appartenenza alla popolazione di lingua ladina, mochena e cimbra, per comune ed area di residenza (censimento 2001). (PDF; 26 kB) (Nicht mehr online verfügbar.) Website „Minoranze Linguistiche“ der Autonomen Provinz Trient, archiviert vom Original am 6. Februar 2011; abgerufen am 4. Oktober 2012 (italienisch, Quelle: Annuario Statistico 2006. Provincia autonoma di Trento [2007]).
  10. 15° Censimento della popolazione e delle abitazioni. Rilevazione sulla consistenza e la dislocazione territoriale degli appartenenti alle popolazioni di lingua ladina, mòchena e cimbra (dati provvisori). (PDF; 197 kB) Servizio Statistica della Provincia Autonoma di Trento, Juni 2012, abgerufen am 4. Oktober 2012 (italienisch).
  11. Ampezan, l ladin che an ne vuel nia plu rejonè. In: La Usc di Ladins. Nr. 44, 11. September 2011, ZDB-ID 1352020-9.
  12. Vittorio Dell’Aquila und Gabriele Iannàccaro: Survey Ladins. Usi linguistici nelle Valli Ladine. Region Trentino-Südtirol / Istitut Cultural Ladin „Majon di Fascegn“, Trient / Vigo di Fassa 2006.
  13. Die Anfänge der ladinischen Literatur. In: micura.it. Istitut Ladin „Micurá de Rü“, abgerufen am 4. Januar 2016.
  14. Roger Schöntag: Sprachraumbildung in Abhängigkeit von Geofaktoren und sozio-politischen Veränderungen. Eine neue Perspektive der Geolinguistik: Die Skizzierung einer Geofaktoriellen Linguistik anhand der Fallbeispiele des Kornischen, des Saterfriesischen und Ladinischen. In: Neuhausener Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Beiträge zur bayerischen Geschichte, Sprache und Kultur. Band 2. Ibykos, 2019, ISBN 978-3-00-063895-4, ISSN 2569-6912, S. 5–74, hier S. 53–59 (Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 16. April 2020]).
  15. Werner Pescosta: L’Accordo De Gasperi-Gruber e i ladini. Dinamiche sociali e politiche fra primo e secondo dopoguerra. In: Leander Moroder, Hannes Obermair, Patrick Rina (Hrsg.): Lektüren und Relektüren – Leggere, riflettere e rileggere – Nrescides letereres y letures critiches. Studia Prof. Ulrike Kindl septuagenariae die XVI mensis Oct. anni MMXXI dicata. Istitut Ladin Micurá de Rü, San Martin de Tor 2021, ISBN 978-88-8171-141-3, S. 395–428, hier S. 420–422.
  16. Daniel Perathoner: Mehrsprachigkeit in Südtirol aus dem Blickwinkel ladinischsprachiger Kinder. Diplomarbeit 08/2010, S. 6–10, doi:10.25365/thesis.10834; univie.ac.at (PDF; 1656 kB) abgerufen am 15. März 2016.
  17. Wörtliche Übersetzung; vgl. die verschiedenen offiziellen Textfassungen des Vaterunsers im Deutschen.
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