Kylindrit
Kylindrit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“. Es kristallisiert im triklinen Kristallsystem mit der Zusammensetzung FeSn4Pb3Sb2S14,[1] ist also chemisch gesehen ein Eisen-Zinn-Blei-Antimon-Sulfosalz.
Kylindrit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Andere Namen |
Cylindrit |
Chemische Formel | FeSn4Pb3Sb2S14[1] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Sulfide und Sulfosalze |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
2.HF.25a (8. Auflage: II/C.17) 03.01.04.01 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | triklin |
Kristallklasse; Symbol | triklin-pedial; 1 |
Raumgruppe (Nr.) | P1[1] (Nr. 1) |
Gitterparameter | siehe Kristallstruktur |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 2,5 |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 5,42 bis 5,49; berechnet: 5,443[2] |
Spaltbarkeit | sehr vollkommen nach {100}[2] |
Farbe | bleigrau bis schwarz |
Strichfarbe | schwarz |
Transparenz | undurchsichtig |
Glanz | Metallglanz |
Kylindrit ist in jeder Form undurchsichtig und entwickelt ungewöhnliche Kristallformen, die aus einzelnen, übereinandergerollten Schalen mit zylindrischem oder konischem, selten auch kugeligem Habitus bestehen und oft in büscheligen oder fächerförmigen Aggregaten von bis zu fünf Zentimetern Durchmesser angeordnet sind. Seine Farbe variiert zwischen Bleigrau und schwarz, seine Strichfarbe ist dagegen rein schwarz. Frische Proben weisen einen metallischen Glanz auf.
Besondere Eigenschaften
Von kalten Säuren wird Kylindrit kaum angegriffen. Heiße Salzsäure und Salpetersäure lösen ihn dagegen allmählich auf. Vor dem Lötrohr auf Kohle schmilzt Kylindrit leicht zur Kugel und gibt Schweflige Säure sowie einen Beschlag aus Bleioxid und Zinnoxid ab.[3]
Etymologie und Geschichte
Erstmals entdeckt wurde Kylindrit in der „Mina Santa Cruz“ (Grube Santa Cruz) nahe Poopó im bolivianischen Departamento Oruro und beschrieben 1893 durch Friedrich August Frenzel, der das Mineral aufgrund seiner charakteristischen zylindrischen bis walzenförmigen Gestalt nach dem altgriechischen Wort κυλίνδειν [kylíndein] für rollen oder wälzen benannte.
Klassifikation
Bereits in der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Kylindrit zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung der „Sulfide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : Schwefel, Selen, Tellur = 1 : 1“, wo er als Namensgeber die „Kylindrit-Gruppe“ mit der System-Nr. II/C.17 und den weiteren Mitgliedern Abramovit, Coirait, Franckeit, Herzenbergit, Incait, Lévyclaudit, Mohit, Potosíit, Stistait, Suredait und Teallit bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Kylindrit ebenfalls in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“, dort allerdings in die Abteilung der „Sulfosalze mit SnS als Vorbild“ ein. Diese Abteilung ist zudem weiter unterteilt nach den in der Verbindung vorherrschenden Metallen bzw. der Struktur, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit SnS- und PbS-Archetyp-Struktureinheiten“ zu finden ist, wo es nur noch zusammen mit Abramovit und Lévyclaudit die ebenfalls nach ihm benannte „Kylindrit-Gruppe“ mit der System-Nr. 2.HF.25a bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Kylindrit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfosalze“ ein. Hier ist er ebenfalls als Namensgeber der „Kylindritgruppe“ mit der System-Nr. 03.01.04 zusammen mit Franckeit, Incait, Potosíit, Abramovit und Coirait innerhalb der Unterabteilung der „Sulfosalze mit dem Verhältnis z/y > 4 und der Zusammensetzung (A+)i(A2+)j[ByCz], A = Metalle, B = Halbmetalle, C = Nichtmetalle“ zu finden.
Bildung und Fundorte
Kylindrit bildet sich hydrothermal in zinnhaltigen Gängen. Begleitminerale sind unter anderem Boulangerit, Franckeit, Galenit, Incait, Jamesonit, Kassiterit, Potosíit, Pyrit, Sphalerit, Stannit und Teallit.[2]
Als seltene Mineralbildung konnte Kylindrit bisher (Stand: 2011) nur an wenigen Fundorten nachgewiesen werden. Als bekannt gelten bisher rund 20 Fundpunkte.[4] Neben seiner Typlokalität „Grube Santa Cruz“ trat das Mineral in Bolivien noch in der ebenfalls bei Poopó gelegenen „Grube San Francisco“ sowie innerhalb der Provinz Poopó noch in der „Grube Trinacria“ auf. Diese Bergwerke sind auch durch ihre reichhaltigen Mineralfunde mit Kristallgrößen bis etwa 5 cm Länge bekannt.[5] Daneben fand sich Kylindrit noch in mehreren weiteren Bergwerken in dem Departamento Oruro und dem Departamento Potosí.
Weitere Fundorte ist unter anderem das Oploca-Ader-System der „Grube Oploca“ in der Pirquitas-Lagerstätte der argentinischen Provinz Jujuy, die Sukhoi Log Lagerstätte bei Bodaibo in der russischen Oblast Irkutsk (Ostsibirien) sowie die Nikitovka-Lagerstätte im Donezbecken nahe Donezk in der Ukraine.[4]
Kristallstruktur
Kylindrit kristallisiert triklin in der Raumgruppe P1 (Raumgruppen-Nr. 1) mit einer sehr komplexen Kristallstruktur, bestehend aus zwei triklinen Untergittern mit der gemeinsamen Ebene (100), der Achse a0 und den Gitterparametern:
- hC: a = 11,73 Å; b = 3,67 Å; c = 6,32 Å; α = 91°; β = 91° und γ = 91°[1]
Strukturell besteht Kylindrit aus gewellten Schichten, in denen sich die pseudotetragonal (tC) kristallisierende Verbindung MeS (Me= Pb, Sn, Ag, Fe) mit deformierter PbS-Struktur und die pseudohexagonal (hC) kristallisierende Verbindung SnS2 mit Sn in oktaedrischer Koordination abwechseln.[6]
Siehe auch
Literatur
- A. Frenzel: Ueber den Kylindrit. In: Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaontologie. Band 2 (1893), S. 125–128. (PDF 506,4 kB)
- Helmut Schröcke, Karl Ludwig Weiner: Minéralogie: Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen’sche Verlagshandlung, Berlin 1981, S. 215 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Weblinks
Einzelnachweise
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 132.
- John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols: Cylindrite. In: Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (PDF 64,3 kB)
- A. Frenzel: Ueber den Kylindrit. 1893.
- Mindat - Cylindrite
- Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie. Nebel Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 3-89555-076-0, S. 37 (Dörfler Natur).
- Helmut Schröcke, Karl Ludwig Weiner: Minéralogie: Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. 1981.