Kriegserklärung Deutschlands und Italiens an die Vereinigten Staaten
Die Kriegserklärung Deutschlands und Italiens an die Vereinigten Staaten fand am 11. Dezember 1941 während des Zweiten Weltkriegs statt.
Vorgeschichte
Bereits 1937 hatte sich der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt mit der Quarantäne-Rede gegen die Appeasement-Politik Großbritanniens und Frankreichs gegenüber Deutschland, Italien und Japan ausgesprochen. Das NS-Regime rechnete mit einem Eingreifen der USA in einen europäischen Krieg. Der Reichsfinanzminister Graf Schwerin von Krosigk schrieb in einem Brief vom 1. September 1938 an Adolf Hitler:
„In Amerika treffen augenblicklich zwei Tendenzen zusammen, eine jedes Mass ueberschreitende, im wesentlichen von juedischer Seite genaehrte Hasspropaganda gegen Deutschland und die Dauerkrise der Wirtschaft, der gegenueber alle Versuche Roosevelts versagen und aus der man eine Loesung zur Zeit nur in einem europaeischen Kriege erblickt. Die jetzt nur zu 25 % beschaeftigte amerikanische Industrie wuerde sofort in ganz anderem Umfang als 1914/1918 in eine Kriegsindustrie von unvorstellbarer Leistungsfaehigkeit umgewandelt werden.“[1]
Mit dem Zerstörer-für-Stützpunkte-Abkommen von September 1940 und dem Leih- und Pachtgesetz von Februar 1941 unterstützten die Vereinigten Staaten das Vereinigte Königreich militärisch und wirtschaftlich.
Wenige Tage vor der Kriegserklärung war Japan am 7. Dezember 1941 mit dem Angriff auf Pearl Harbor in den Krieg mit den Vereinigten Staaten getreten. Am 5. Dezember 1941 war die Rote Armee zur Gegenoffensive bei Moskau angetreten. Deutschland, Japan und Italien hatten zuvor den Dreimächtepakt abgeschlossen. Die Erklärung nimmt Bezug auf Vorfälle mit den amerikanischen Kriegsschiffen Greer, Kearny und Reuben James im Nordatlantik und Roosevelts allgemeinen „Shoot-on-sight“-Befehls gegen Schiffe der Achsenmächte, wie z. B. die Odenwald.
Hitler betrieb bis zum November 1941 gegenüber den USA eine weitgehend defensive Politik, indem er den japanischen Verbündeten zwar Angriffe auf britisches und sowjetisches Territorium nahelegte, jedoch keine Angriffe auf amerikanische Pazifikstützpunkte.[2] Hitler hatte bis zur sowjetischen Gegenoffensive am 5. Dezember 1941 vor Moskau gehofft, die USA aus dem europäischen Kriegsgeschehen herauszuhalten, um zuerst, wie geplant, das Unternehmen Barbarossa gegen die Sowjetunion zu beenden, sodass kein Zweifrontenkrieg entstehen würde.[2]
Gründe
Danach wechselte der Standpunkt Hitlers binnen weniger Wochen aus drei verschiedenen Gründen: das Scheitern des Blitzkrieges gegen die Sowjetunion, die Spannungen durch die offensichtliche US-amerikanische Unterstützung für Großbritannien und die Sowjetunion und die immer häufiger werdenden Maßnahmen der US-Navy gegen deutsche U-Boote im Nordatlantik. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Ernst von Weizsäcker notierte am 10. Dezember 1941:
„Man legt bei uns Wert darauf, daß die U.S.A. nicht uns, sondern wir ihnen den Kriegszustand erklären.“[3]
Für Bernd Wegner hat Hitler mit der Kriegserklärung „die Flucht nach vorn“ angetreten. Hitler konnte keinen Zweifel mehr daran hegen, dass Roosevelt mit allen Mitteln, notfalls auch mit einem offenen Kriegseintritt, gegen Deutschland zu kämpfen entschlossen war. Hitler wollte „lieber Initiator denn Adressat einer Kriegserklärung sein“ um seine Handlungsfreiheit und seine Bündnissolidarität mit Japan zu demonstrieren.[4]
Text
Am 11. Dezember 1941 überreichte Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop hierzu eine diplomatische Note an den Geschäftsträger der USA in Berlin, Leland Burnette Morris:
"Herr Geschäftsträger!
Nachdem die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika von Ausbruch des durch die englische Kriegserklärung an Deutschland vom 3. September 1939 heraufbeschworenen europäischen Krieges an alle Regeln der Neutralität in immer steigendem Maße zugunsten der Gegner Deutschlands auf das Flagranteste verletzt, sich fortgesetzt der schwersten Provokationen gegenüber Deutschland schuldig gemacht hat, ist sie schließlich zu offenen militärischen Angriffshandlungen übergegangen. Am 11. September 1941 hat der Herr Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika öffentlich erklärt, dass er der amerikanischen Flotte und Luftwaffe den Befehl gegeben habe, auf jedes deutsche Kriegsfahrzeug ohne weiteres zu schießen. In seiner Rede vom 27. Oktober ds. Js. hat er noch ausdrücklich bestätigt, dass dieser Befehl in Kraft sei. Gemäß diesem Befehl haben seit Anfang September ds. Js. amerikanische Kriegsfahrzeuge deutsche Seestreitkräfte systematisch angegriffen. So haben amerikanische Zerstörer, z. B. die "Greer", die "Kearny" und die "Reuben James", planmäßig das Feuer auf deutsche U-Boote eröffnet. Der Staatssekretär der amerikanischen Marine, Herr Knox. hat selber bestätigt, dass amerikanische Zerstörer deutsche U-Boote angegriffen haben. Ferner haben die Seestreitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika auf Befehl ihrer Regierung deutsche Handelsschiffe auf dem offenen Meere völkerrechtswidrig als feindliche Schiffe behandelt und gekapert. Die Reichsregierung stellt daher fest:
Obwohl sich Deutschland seinerseits gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika während des ganzen gegenwärtigen Krieges streng an die Regeln des Völkerrechts gehalten hat, ist die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika von anfänglichen Neutralitätsbrüchen endlich zu offenen Kriegshandlungen gegen Deutschland übergegangen. Sie hat damit praktisch den Kriegszustand geschaffen. Die Reichsregierung hebt deshalb die diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika auf und erklärt, dass sich unter diesen durch den Präsidenten Roosevelt veranlassten Umständen auch Deutschland von heute ab als im Kriegszustand mit den Vereinigten Staaten von Amerika befindlich betrachtet.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ribbentrop, 11. Dezember 1941"[5]
Folgen
Für die deutsche und die italienische Führung ergab sich somit ein erweiterter Zweifrontenkrieg, denn die Sowjetunion war nicht besiegt. Für die amerikanische Führung stellte sich die Frage, ob die US-amerikanischen Streitkräfte zunächst im Pazifikkrieg gegen Japan und erst dann in Europa eingreifen sollten. Roosevelt und der britische Premierminister Churchill beschlossen auf der Arcadia-Konferenz (22. Dezember 1941 bis 14. Januar 1942), den Fokus der britischen und US-amerikanischen Militäreinsätze auf den Kriegsschauplatz Europa bzw. Nordafrika zu richten, um zuerst das Deutsche Reich zur Kapitulation zu zwingen. Dies wurde mit dem Schlagwort „Germany first“ ausgedrückt.
Faktisch hatte die Involvierung der USA, in Bezug auf die Rüstungsleistung und den militärischen Ansatz der USA, einen erheblichen Anteil an der deutschen Kriegsniederlage. Historisch ähneln die Folgen und der Kriegsverlauf dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg 1917 mit dem damaligen Deutschen Reich.
Siehe auch
Literatur
- Klaus H. Schmider: Hitler's Fatal Miscalculation: Why Germany Declared War on the United States. Cambridge University Press, Cambridge und New York 2021, ISBN 978-1-108-83491-9. Kritische Rezension dazu
- Brendan Simms, Charlie Laderman: Hitler’s American Gamble: Pearl Harbor and Germany’s March to Global War. Basic, New York 2021, ISBN 978-1-5416-1909-8.
- Bernd Wegner: Hitlers Strategie zwischen Pearl Harbor und Stalingrad. In: Der Globale Krieg – Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wechsel der Initiative 1941–1943. (= Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 6). Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1990, ISBN 3-421-06233-1, S. 97–126.
- Gerhard L. Weinberg: Die deutsche Politik gegenüber den Vereinigten Staaten im Jahr 1941. In: Jürgen Rohwer, Eberhard Jäckel (Hrsg.): Kriegswende Dezember 1941. Bernard & Graefe Verlag, Koblenz 1984, ISBN 3-7637-5433-4, S. 73–80.
Einzelnachweise
- Internationales Militärtribunal Nürnberg: Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. Band 36, Nürnberg 1947, S. 492. Dokument EC-419.
- Bernd Wegner: Hitlers Strategie zwischen Pearl Harbor und Stalingrad. In: Der Globale Krieg – Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wechsel der Initiative 1941–1943. (= Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 6). Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1990, ISBN 3-421-06233-1, S. 98–99.
- Leonidas Hill (Hrsg.): Die Weizsäcker-Papiere 1933–1950. Frankfurt am Main/ Berlin/ Wien 1974, S. 280.
- Bernd Wegner: Dezember 1941: die Wende zum Weltkrieg als strategisches Problem der deutschen Führung. In: Bernd Wegner (Hrsg.): Zwei Wege nach Moskau. Serie Piper, o. O. o. J., S. 640 ff.
- Bundeszentrale für politische Bildung: Der Zweite Weltkrieg. Abgerufen am 30. August 2018.