Kochelseebahn
Die Kochelseebahn ist eine 35,47 Kilometer lange, eingleisige und durchgehend elektrifizierte Eisenbahnstrecke in Oberbayern. Sie zweigt in Tutzing von der Hauptbahn München–Garmisch-Partenkirchen ab und führt über Penzberg nach Kochel am namensgebenden Kochelsee.
Tutzing–Kochel | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Streckennummer (DB): | 5453 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Kursbuchstrecke (DB): | 961 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckenlänge: | 35,468 km | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1435 mm (Normalspur) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckenklasse: | Tutzing–Bichl: CE Bichl–Kochel: B2 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Stromsystem: | 15 kV 16,7 Hz ~ | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Minimaler Radius: | 440 m | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Höchstgeschwindigkeit: | 100 km/h | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Der Abschnitt von Tutzing bis Bichl ist als Hauptbahn klassifiziert, der Rest als Nebenbahn. Die Strecke wird seit 4. März 1925 elektrisch betrieben.
Geschichte
Auf Initiative der Städte Weilheim und Penzberg eröffneten die Königlich Bayerischen Staats-Eisenbahnen (K.Bay.Sts.B.) am 16. Oktober 1865 eine Bahnstrecke von Tutzing nach Penzberg. Einer der wichtigsten Gründe für den Bau der neuen Verbindung war der Transportbedarf des Penzberger Kohlenbergwerks, dessen jährliche Fördermenge durch die verbesserte Verkehrsverbindung innerhalb von zehn Jahren von rund 13.000 t auf über 50.000 t angestiegen war.
Ursprünglich war geplant, die Strecke am Penzberger Güterbahnhof anzuschließen. Die Ausfahrt Richtung Kochel hätte über eine Spitzkehre erfolgen müssen. Die Züge hätten nach Einfahrt aus Tutzing oder Kochel wenden müssen. Ebenso war geplant, vom Güterbahnhof aus direkt an der Bichler Straße entlang zu bauen. Man einigte sich auf die Abzweigstelle am Posten 10 westlich von Penzberg und im Südwesten auf einen neuen Bahnhof, so dass die Züge von Tutzing direkt nach Kochel und zurück fahren konnten. Die bisherige Station wurde nur noch für den Güterverkehr genutzt. Das Verbindungsgleis zwischen dem in Penzberg Gbf umbenannten alten und dem neuen Bahnhof wurde trotzdem gebaut und diente nur dem Güterverkehr. Somit hatte Penzberg ein Gleisdreieck. Der neue Bahnhof "Neu-Penzberg" bestand aus einer Holzbaracke bis zum Neubau eines Bahnhofsgebäude 1924. 1908 wurde der neue Bahnhof in Penzberg Pbf unbenannt.
Am 23. Mai 1898 wurde die Verlängerung der Strecke von Penzberg über Bichl nach Kochel in Betrieb genommen.
In Bichl bestand bis 31. Mai 1959 eine Verbindung zur Isartalbahn nach München, deren Abschnitt Bichl–Beuerberg ebenfalls am 23. Mai 1898 eröffnet wurde.
Die Elektrifizierung der gesamten Strecke einschließlich des Abzweigs nach Penzberg Gbf begann Anfang November 1922[5] und wurde am 4. März 1925 abgeschlossen. Die Arbeiten wurden durch die AEG durchgeführt.
Der Sommerfahrplan 1939 verzeichnete sechs Personenzugpaare im Durchlauf von München Hbf nach Kochel, sonntags kam ein Siebentes hinzu. Sie benötigten für die 35 Kilometer lange Strecke von Tutzing nach Kochel etwas weniger als eine Stunde, die Gesamtfahrzeit von München bis Kochel lag bei etwa einer Stunde und 40 Minuten.[6]
Nördlich des Penzberger Güterbahnhofs wurde 1942 mit dem Bau eines Bahnkraftwerks begonnen, das – nach einer kriegsbedingten Einstellung der Bauarbeiten zwischen 1944 und 1947 – am 30. Januar 1951 in Betrieb genommen wurde. Bis zur 1966 erfolgten Einstellung der Kohleförderung in Penzberg wurde es nahezu ausschließlich mit lokaler Steinkohle betrieben, anschließend wurden die Brennstoffe bis zur Stilllegung des Kraftwerks am 30. April 1971 aus dem Saarland und dem Ruhrgebiet angeliefert. Mit dem Wegfall von Kohlebergbau und Kraftwerk nahm auch die Bedeutung des Penzberger Güterbahnhofs ab. 1976 wurde die örtliche Güterabfertigung eingestellt. 1977 wurde am Güterbahnhof das Bahnhofsgebäude abgerissen. Er diente von 1865 bis 1898 als Personenbahnhof und hatte ab 1898 die Bezeichnung "Penzberg Gbf". 1986 wurde die Oberleitung am ehemaligen Güterbahnhof abgebaut und die Verbindung von der Abzweigstelle Posten 10 bis zum ehemaligen Güterbahnhof stillgelegt. Die Gleise vom ehemaligen Güterbahnhof dienten zuletzt als Abstellanlage für ausgemusterte Lokomotiven und Waggons. 1989 wurde das Gelände vom ehemaligen Güterbahnhof von der Stadt Penzberg erworben. Im selben Jahr wurde der Bahnhof "Penzberg Pbf" in "Penzberg" unbenannt. Auf dem ehemaligen Bahndamm vom Posten 10 zum ehemaligen Güterbahnhof wurde ein Geh- und Radweg gebaut.[7][8] Die Gleise wurden abgebaut und ein Anschlussgleis mit Ausweichstelle vom Bahnhof zum ehemaligen Kraftwerk blieb bis 2008 erhalten. Heute befindet sich auf dem Gelände ein Gewerbegebiet. Zwei Hinweisschilder und eine Straße "Am Alten Bahnhof" erinnern an den ehemaligen Güterbahnhof.
Bis Anfang 2008 wurde noch sporadisch ein mit Eisenbahnfahrzeugen und Schrott handelnder Verwertungsbetrieb auf dem Gelände des früheren Penzberger Bahnkraftwerks beliefert, ehe dessen Anschlussgleis im Mai 2008 abgebaut wurde. Im August 2008 wurde schließlich der alte Bahnübergang (Karlstraße / Seeshaupter Straße) und das alte nicht mehr betriebsfähige Schutzsignal abgebaut. Ein nicht elektrifiziertes Teilstück vom ehemaligen Anschlussgleis am Penzberger Bahnhof dient heute als Ausweichstelle und Abstellgleis für Bahndienstfahrzeuge. Der Schotter des ehemaligen Anschlussgleises auf der ehemaligen Trasse ist derzeit noch vorhanden.
Mit dem Rückgang des Güterverkehrs und zugleich sinkenden Fahrgastzahlen nahm die Wirtschaftlichkeit der Bahnstrecke ab. Die Deutsche Bundesbahn (DB), seit 1949 Betreiber und Eigentümer der Verbindung, erwog in den 1970er und 1980er Jahren mehrmals öffentlich deren Stilllegung, die auf Initiative des Freistaats Bayern jedoch nicht genehmigt wurde. Insbesondere seit der 1994 erfolgten Verbesserung des Fahrplanangebots durch die Einführung des Stundentakts wird auf der Kochelseebahn wieder ein steigendes Reisendenaufkommen verzeichnet.
Der nach dem Ende der Kohletransporte verbliebene Güterverkehr wurde hingegen in den 1990er Jahren weitgehend eingestellt.[7] Auf der gesamten Strecke der Kochelseebahn gibt es inzwischen für den Güterverkehr keine Anlagen mehr, sie wurden in fast allen Bahnhöfen abgebaut.
1976/77 wurden die Haltepunkte Schönmühl, Ried und Ort aufgelöst.
Im Laufe der 1980er Jahre wurden auf der Strecke regelmäßig touristische Sonderfahrten mit dem „Gläsernen Zug“ angeboten.
Im Sommer 1997 wurden an Wochenenden auf der Strecke Dampf-Nostalgiefahrten angeboten, im Sommer 1998 waren diese auf Sonntage beschränkt. Am 26. Juli 1998 wurde das 100-jährige Bestehen der Bahnlinie mit einem Dampfzug gefeiert. Heute finden keine Nostalgiefahrten mehr statt.
Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2002 wurde der Haltepunkt Staltach in Iffeldorf unbenannt. Es war ein Anliegen der Gemeinde Iffeldorf.
Wegen eines Brückenschadens war die Strecke ab Bichl seit Mai 2010 für lokomotivbespannte Züge gesperrt. Nach der Erneuerung mehrerer Brücken im Sommer 2017 gilt auf dem Abschnitt nun eine Beschränkung auf 18 Tonnen Achslast.[9] Im Jahr 2013 wurden alle Bahnhöfe der Kochelseebahn mit Ausnahme von Bernried barrierefrei ausgebaut, um mit der Inbetriebnahme am 15. Dezember 2013 der Werdenfelsbahn mit neuen, niederflurigen Fahrzeugen einen barrierefreien Einstieg in die Züge zu ermöglichen. Der Haltepunkt Bernried erhielt schließlich im August 2018 einen neuen Bahnsteig.[10]
Im Fahrplanjahr 2020 verkehrten täglich Regionalbahnzüge in der Relation München Hbf–Kochel im Stundentakt. Die Züge kreuzten in Bichl kurz vor der vollen Stunde zur üblichen Symmetrieminute. Im Berufsverkehr an Werktagen verdichteten einzelne weitere Züge zwischen Tutzing und Penzberg dieses Angebot zu einem Halbstundentakt. Diese Züge kreuzen in Seeshaupt zur Minute 13/43.
Streckenbeschreibung
Die Strecke beginnt westlich des Starnberger Sees am Bahnhof Tutzing und verläuft zunächst parallel zur Strecke nach Garmisch-Partenkirchen. Nach etwa 2,5 km schwenkt diese Strecke am 2013 in Betrieb genommenen umgebauten Abzweig Unterzeismering nach Westen ab, während die Strecke nach Kochel dem Ufer des Sees folgt. Zwischen Seeshaupt und Iffeldorf führt die Strecke entlang der Osterseen. Nachdem die Linie bis Bichl in südöstliche Richtung geführt hatte, ändert sie dort die Richtung und führt nach Süden. Außerdem führt die Strecke nun an den Bayerischen Voralpen mit der Benediktenwand entlang. Westlich der Kochelseebahn befindet sich nun die Loisach und die Loisach-Kochelsee-Moore. In Benediktbeuern führt die Bahnlinie direkt am dortigen Kloster vorbei. Nach 35,5 km erreicht die Strecke in Kochel ihren Endbahnhof.
An den Bahnhöfen Seeshaupt und Bichl waren bis 2018 noch mechanische Stellwerke und Formsignale vorhanden. Die Fahrdienstleiter stellten die Weichen und Formsignale per Handhebel und Seilzug. Während das Stellwerk Bichl in der Einheitsbauart errichtet wurde, stand in Seeshaupt seit 1903 ein mechanisches Stellwerk der Bauart Krauss mit Kurbelwerk. In Kochel sicherte ein elektromechanisches Stellwerk der Bauart E43/50 den Betrieb.[11] 2017/2018 wurde die Strecke auf ein modernes elektronisches Stellwerk (ESTW-R) umgerüstet, welches im November 2018 in Betrieb genommen wurde. Das ESTW-R steuert die Bahnhöfe Seeshaupt, Penzberg, Bichl und Kochel von Weilheim aus.[12]
Fahrzeugeinsatz
Bis 2002 bestanden Reisezüge meist aus einer elektrischen Lokomotive der DB-Baureihe 111, den n-Wagen („Silberling“) und einen Steuerwagen. Danach verkehrten elektrische Triebwagen der Baureihen 425 und 426.
Seit Dezember 2013 kommen Triebwagen der Baureihe 442 (Bombardier Talent 2) zum Einsatz.
Literatur
- Eisenbahnatlas Deutschland. Verlag Schweers + Wall, Köln 2007, ISBN 978-3-89494-136-9, S. 115.
Weblinks
Einzelnachweise
- Bahnhof Iffeldorf. Pro Bahn Werdenfels, abgerufen am 14. Mai 2013.
- DB Netz AG: Infrastrukturregister. In: geovdbn.deutschebahn.com, abgerufen am 30. August 2020.
- Streckenkarte der Eisenbahndirektion München, Stand März 1952. In: Karl Bürger: München – Mühldorf – Simbach. Glanz, Niedergang und Renaissance einer königlich bayerischen Eisenbahn. Bewegte Verkehrsgeschichte mit umwälzender Zukunft. Selbstverlag, Walpertskirchen 2017, ISBN 978-3-00-056474-1.
- Eisenbahnatlas Deutschland 2009/2010. 7. Auflage. Schweers + Wall, Aachen 2009, ISBN 978-3-89494-139-0.
- Elektrische Zugförderung der Reichsbahnen in Bayern. In: Elektrotechnische Zeitschrift. 43. Jahrgang, Heft 49. Berlin 7. Dezember 1922, S. 1460 (archive.org [abgerufen am 18. Januar 2021]).
- Sommerfahrplan 1939
- Stefan Bauer, Norbert Moy: Die Kochelseebahn. Geschichte und Perspektiven. Hrsg.: Pro Bahn. Pro Bahn Verlag und Reisen GmbH, München 1998, ISBN 3-9806387-0-7.
- Georg Reis: Bahnhof Penzberg. In: Das große Archiv der deutschen Bahnhöfe. GeraNova Zeitschriften-Verlag, ISSN 0949-2127 (Sammelwerk als Loseblattausgabe; 1997 ff.).
- Kochelseebahn. Pro Bahn Werdenfels, abgerufen am 14. Mai 2013.
- Bernhard Jepsen: Spatenstich mit Staatsministerin Ilse Aigner läutet barrierefreien Bahnsteigausbau ein. In: Kreisbote. 11. Juli 2018, abgerufen am 18. Oktober 2018.
- Liste Deutscher Stellwerke. stellwerke.de, abgerufen am 2. April 2014.
- 20 Millionen Euro für neue Bahn-Technik. In: Münchner Merkur. 30. Januar 2017 (Online [abgerufen am 12. April 2018]).