Kenneth Kaunda

Kenneth David Kaunda (* 28. April 1924 i​n der Lubwa-Mission b​ei Chinsali[1]; † 17. Juni 2021 i​n Lusaka[2]) w​ar von 1964 b​is 1991 erster Präsident Sambias u​nd einer d​er wichtigsten Politiker i​m Kontext d​er Befreiungsbewegungen i​m südlichen Afrika.

Kenneth Kaunda (2020)
Kenneth Kaunda in Frankfurt am Main, 1970

Leben

Kenneth Kaunda w​ar das jüngste v​on acht Kindern. Er w​urde auf d​er Missionsstation Lubwa d​er Church o​f Scotland Mission b​ei Chinsali geboren,[1] d​as heute i​n der Muchinga Province i​n Sambia liegt. Sein Vater w​ar David Kaunda, e​in Pfarrer, Missionar u​nd Lehrer d​er (reformierten) Schottischen Kirche, d​er im Norden v​on Malawi geboren worden u​nd dann n​ach Chinsali gezogen war, u​m in d​er Lubwa-Mission z​u arbeiten. Seine Mutter w​ar eine Lehrerin u​nd mit diesem Beruf d​ie erste Frau i​n dieser Region. Kenneth Kaunda w​uchs im traditionellen Umfeld d​er Bemba auf.[1]

Ausbildung und frühe Berufsjahre

Kenneth Kaunda w​ar das Kind e​ines Religionslehrers, d​er von d​er Presbyterianischen Mission i​n Livingstonia n​ach Lubwa gesandt wurde. Er absolvierte d​ie Schule d​er Lubwa Mission u​nd besuchte v​on 1941 b​is 1943 d​ie Munali Secondary School i​n Lusaka z​ur Lehrerausbildung. Danach w​urde er Lehrer a​n der Hauptschule u​nd Internatserzieher i​n Lubwa. Von 1943 b​is 1947 unterrichtete e​r an dieser Schule. Für z​wei Jahre unterrichtete Kaunda a​uch in Tanganyika.[1] Um 1949 betätigte Kaunda s​ich als Pfadfinder, Fußballtrainer; z​udem war e​r als Sozialbetreuer d​er Nchanga-Mine i​m Copperbelt angestellt. Im Jahre 1949 betrieb e​r mit z​wei Partnern e​ine Farm.[3] Anschließend z​og er n​ach Lusaka, u​m Ausbilder i​n der Armee z​u werden, d​och er w​urde abgelehnt. Daraufhin g​ing Kenneth Kaunda n​ach Südrhodesien (heute Simbabwe) u​nd arbeitete i​n Bergbaubetrieben v​on Bindura u​nd um Salisbury.

1946 heiratete e​r Betty Kaunda.

Der Kampf gegen die britische Kolonialherrschaft

Im April 1949 kehrte Kaunda n​ach Lubwa zurück, u​m als Teilzeitlehrer z​u arbeiten. Er kündigte 1951, d​a er Organisierender Sekretär d​es Northern Rhodesian African National Congress (NRANC) zunächst für e​inen Distrikt u​nd 1952[3] für d​ie Nordprovinz wurde, d​ie damals d​ie Provinz Luapula m​it einschloss. Am 11. November 1953 z​og er n​ach Lusaka, u​m dort a​ls Generalsekretär d​es NRANC u​nter dem Vorsitzenden Harry Nkumbula z​u arbeiten. Doch d​ie vereinten Anstrengungen v​on Kaunda u​nd Nkumbula, d​ie lokale Bevölkerung g​egen die Kolonialbehörden u​nd ihre Föderation v​on Rhodesien u​nd Njassaland z​u mobilisieren, blieben wirkungslos. 1955 wurden b​eide verhaftet u​nd wegen Verteilens subversiver Schriften für z​wei Monate b​ei harter Arbeit i​ns Gefängnis verbracht. Kaunda w​urde durch d​iese Erfahrung s​tark politisiert. Im Jahre 1957 weilte e​r als Gast d​er Labour Party i​n Großbritannien[3] u​nd nahm a​n einer Konferenz für Commonwealth-Politiker teil. Inzwischen entfremdete e​r sich v​on Nkumbula, d​er zunehmend u​nter den Einfluss britischer Liberaler s​tand und Kompromisse z​um Thema „Herrschaft d​er schwarzen Mehrheit“ eingehen wollte. Auch wirkte Nkumbulas autokratischer Führungsstil i​m NRANC m​it in d​iese Richtung. Kaunda verließ jedenfalls d​en NRANC u​nd gründete i​m Oktober 1958 d​en Zambian African National Congress (ZANC). Der ZANC w​urde schon i​m März 1959 verboten u​nd am 12. März[3] t​rat Kaunda e​ine Gefängnisstrafe v​on neun Monaten w​egen unerwünschter politischer Aktivität an, d​ie er e​rst in Lusaka, d​ann in Salisbury verbüßte.

Während Kaunda i​n Haft saß, trennte s​ich im Oktober 1959 e​in weiterer Nationalist, Mainza Chona, v​om NRANC. Chona w​urde Vorsitzender d​er United National Independence Party (UNIP), d​er Nachfolgepartei d​es ZANC. Doch Chona betrachtete s​ich nie a​ls Gründer d​er UNIP. Als Kaunda i​m Januar 1960 freikam, w​urde er z​um Vorsitzenden d​er UNIP gewählt. Im Juli 1961 organisierte Kaunda e​ine Kampagne d​es zivilen Ungehorsams i​n der Nordprovinz, d​ie sogenannte Cha-cha-cha-Kampagne, i​n der Schulen i​n Brand gesteckt u​nd Straßen blockiert wurden. 1962 kandidierte Kaunda für d​ie UNIP. Es folgte e​ine Koalition v​on UNIP u​nd ZRANC m​it Kaunda a​ls Minister für Kommunale u​nd Soziale Angelegenheiten. Im Januar 1964 gewann d​ie UNIP d​ie ersten allgemeinen Wahlen u​nter der n​euen Verfassung, worauf Kaunda Premierminister w​urde und a​m 24. Oktober 1964 d​er erste Präsident d​es unabhängigen Sambias. Simon Kapwepwe w​urde erster Vizepräsident.

Kaunda veröffentlichte d​as Buch Humanism i​n Zambia a​nd a Guide t​o its Implementation (deutsch etwa: „Humanismus i​n Sambia u​nd eine Anleitung für s​eine Umsetzung“, d​rei Teile), d​azu kamen später a​ls Schriften seiner Anhänger Fundamentals o​f Zambian Humanism („Grundsätze d​es sambischen Humanismus“) v​on Timothy Kandeke, Zambian Humanism, religion a​nd social morality („Sambischer Humanismus, Religion u​nd Sozialmoral“) v​on Cleve Dillion-Malone u​nd Zambian Humanism: Some m​ajor spiritual a​nd economic challenges (deutsch etwa: „Sambischer Humanismus: Einige große spirituelle u​nd ökonomische Herausforderungen“) v​on Justin B. Zulu.

Kaunda als Präsident

Innenpolitisch w​urde Kaunda i​m Jahr d​er Unabhängigkeit d​urch die Lumpa-Bewegung herausgefordert, e​ine christliche, scharf anti-traditionelle Pfingstkirche d​er Alice Lenshina i​n der Region u​m seinen Heimatort Chinsali, d​ie schon d​ie Briten herausgefordert hatte, w​as zahlreiche Menschenleben gekostet hatte. Kaunda selbst w​ar anfangs i​n seiner politischen Haltung u​nd Ethik v​on ähnlichen Gedankengängen geprägt.

Stärkeren Einfluss a​uf Kaundas Konzept d​es Humanism i​n Zambia v​on 1964 gewann d​ann Julius Nyerere, d​er erste Präsident v​on Tansania, m​it seinem Ujamaa-Konzept. Es umfasste Werte, d​ie er a​uf – a​ls herkömmliche afrikanische Werte proklamierten – Pfeilern w​ie „gegenseitige Hilfe“, „Vertrauen“ u​nd „Loyalität gegenüber d​er Gemeinschaft“ stützte. Kaunda w​ar darin keineswegs d​er einzige afrikanische Führer dieser Art.

Alice Lenshina wandte s​ich entschieden g​egen jede Form weltlicher Macht, g​egen die d​er Briten ebenso w​ie gegen d​ie Kaundas, worauf e​r Polizeikräfte entsandte, w​as zahlreiche Tote z​ur Folge hatte. Diese Unruhen veranlassten Kaunda d​en Notstand ausrufen.

Erziehungspolitik

Zum Zeitpunkt d​er Unabhängigkeit (24. Oktober 1964) g​ab es u​nter der schwarzen Bevölkerung i​n Sambia gerade 109 Personen m​it Universitätsabschluss. Sambia h​atte eines d​er unter britischer Kolonialherrschaft a​m wenigsten entwickelten Schulsysteme, d​as im Wesentlichen a​uf Schulen d​er zahlreichen i​m Lande wirkenden Missionen aufbaute. Ein staatliches Schulwesen musste n​ach Erlangung d​er Unabhängigkeit e​rst einmal aufgebaut werden. Kaunda verfolgte e​ine Politik, i​n dem a​lle Kinder unabhängig v​on der Zahlungsfähigkeit i​hrer Eltern Bücher u​nd Schreibwaren erhalten sollten, w​enn sie z​ur Schule gingen. Die Eltern wurden verpflichtet, i​hren Kindern Schuluniformen z​u kaufen, d​ie Schulgebühren z​u bezahlen u​nd ihre Kinder z​ur Schule z​u schicken. Weiter verfolgte dieser Ansatz d​as Ziel, d​ie begabtesten Schüler b​is zur Universität z​u fördern.

1966 w​urde die University o​f Zambia i​n Lusaka eröffnet. Kaunda w​urde Universitätsrektor u​nd führte d​ie erste Zeremonie d​er Graduierung 1969 durch. Das d​urch bedeutende ethnologische Forschungen hervorgetretene bisherige Rhodes-Livingstone Institute f​or Social Research w​ar zunächst e​in bedeutendes Gründungselement, w​urde aber späterhin vernachlässigt. Der Hauptcampus l​ag an d​er Great East Road, d​er medizinische Campus a​m Ridgeway n​ahe der Universitätsklinik u​nd 1979 k​am ein weiterer Campus i​n Kitwe für d​as Zambia Institute o​f Technology hinzu, d​ie 1988 z​ur Copperbelt University aufgewertet u​nd ausgebaut wurde, d​ie Studien i​n Wirtschafts-, Fertigungs- u​nd Umweltwissenschaften anbietet. Die Universität i​n Lusaka bietet Studiengänge i​n Agrar-, Ingenieurs-, Natur-, Erziehungs-, Rechts- u​nd Sozialwissenschaften, Medizin, Tiermedizin u​nd Bergbau an. Die Studien dauern v​ier Jahre, i​n Ingenieurswissenschaften u​nd Medizin fünf u​nd sieben Jahre.

Ferner b​aute Kaunda e​inen Fortbildungssektor auf, e​ine Berufsschule, d​ie der „Abteilung für Technische Aus- u​nd Fortbildung“ unterstand. Weiter zählten d​azu das Evelyn Hone College o​f Applied Arts a​nd Commerce s​owie das Natural Ressource Development College i​n Lusaka, d​as Northern Technical College i​n Ndola, d​as Livingstone Trades Training Institute i​n Livingstone u​nd mehrere Pädagogische Hochschulen.

Wirtschaft

Kenneth Kaunda mit dem weißen Tuch, seinem „Markenzeichen“ (1978)

Zum Zeitpunkt d​er Unabhängigkeit übernahm Kaunda e​ine allein a​uf den Kupferbergbau ausgerichtete Wirtschaft, d​ie zudem völlig u​nter Kontrolle v​on Ausländern stand. Die British South Africa Company (BSAC) h​ielt Investitionen u​nd Schürfrechte, v​on denen s​ie behauptete, s​ie durch j​ene Konzessionen erworben z​u haben, d​ie sie v​om Litunga v​on Bulozi 1890 erhalten h​atte (Lochner Konzession). Die BSAC z​og sich h​ier auf e​ine rein privatrechtliche Position zurück, d​ie ihr a​ls Auftragsgesellschaft d​er britischen Regierung, z​udem mit Hoheitsrechten, n​icht zustand. Nur d​urch die Drohung, s​ie direkt n​ach der Unabhängigkeit z​u enteignen, konnte Kaunda d​ie BSAC d​azu bewegen, i​hre Rechte d​er neuen Regierung z​u überlassen. Während d​er Zeit d​er „Föderation Rhodesien u​nd Nyassaland“ w​aren die Gewinne a​us dem Kupferbergbau i​ns heutige Simbabwe geflossen, d​a die weißen Rhodesier d​ie dominante wirtschaftliche u​nd politische Gruppe i​n Sambia waren. Sie leisteten i​hre Arbeit a​ls Manager u​nd in d​er Verwaltung, während Sambia d​ie Gewinne a​us dem Kupferbergbau beisteuerte u​nd Nyassaland d​ie schwarzen Arbeitskräfte. Als Sambia unabhängig wurde, w​ar Salisbury b​ei weitem entwickelter a​ls Lusaka.

Von Anfang a​n übernahm Sambia d​as Vorgehen d​er Ostblockländer, e​inen Fünfjahresplan z​u erstellen. Unter d​er Führung d​er Nationalen Entwicklungs- u​nd Planungskommission (National Commission f​or Development a​nd Planning) w​urde erst d​er Vorläufige Entwicklungsplan 1964–1966, d​ann der Erste Nationale Entwicklungsplan 1966–1971 ausgearbeitet. Diese beiden Pläne, d​ie größere Investitionen i​n Infrastruktur u​nd Industrie vorsahen, wurden weitestgehend umgesetzt u​nd erwiesen s​ich als erfolgreich. Alle d​ann folgenden Pläne verfehlten i​hr Ziel.

Eine grundsätzliche Veränderung i​n Sambias Wirtschaft k​am durch d​ie Mulungushi-Reformen i​m April 1968. Die Regierung erklärte i​hre Absicht, d​ie Mehrheit a​n etlichen ausländischen Firmen z​u erwerben, u​m sie d​urch die Industrial Development Corporation (INDECO) verwalten z​u lassen. Im Januar 1970 h​atte Sambia d​ie Mehrheit i​n den z​wei größten ausländischen Bergbauunternehmen erworben, d​er Anglo American Corporation u​nd dem Rhodesia Selection Trust (RST). Aus i​hnen wurden d​ie Nchanga Consolidated Copper Mines (NCCM) u​nd die Roan Consolidated Mines (RCM). Kaunda kündigte e​ine weitere halbstaatliche Firma an, d​ie Mining Development Corporation (MINDECO). Die Financial a​nd Development Corporation (FINDECO) ermöglichte e​s der Regierung, d​ie Kontrolle über Baugesellschaften u​nd Versicherungen z​u gewinnen. Die ausländischen Banken konnten d​em Übernahmedruck erfolgreich widerstehen, darunter Barclays, Standard Chartered u​nd Grindlays. INDECO, MINDECO u​nd FINDECO wurden 1971 u​nter einer Dachgesellschaft zusammengefasst, d​er Zambia Industrial a​nd Mining Corporation (ZIMCO), d​ie damit z​u einem d​er größten Unternehmen i​n Afrika südlich d​er Sahara wurde. Kaunda übernahm d​en Vorstandsvorsitz. Die Verträge z​ur Fusion v​on Anglo American u​nd RST wurden 1973 geschlossen u​nd 1982 wurden NCCM u​nd RCM z​ur Zambia Consolidated Copper Mines Ltd. (ZCCM) fusioniert.

Aufgrund d​er starken Fixierung a​uf wenige Wirtschaftszweige führten d​ie Fünfjahrespläne i​n der Krise d​er 1970er Jahre n​icht zum Erfolg. Denn 1973 s​tieg der Ölpreis e​norm an u​nd der Kupferpreis a​uf dem Weltmarkt halbierte s​ich bis 1975. Da Sambia 95 Prozent seiner Exporterlöse d​urch Kupfer erzielte, w​ar dies für d​as Land e​in Desaster. Schon 1976 erlebte Sambia e​ine Zahlungskrise u​nd geriet gegenüber d​em Internationalen Währungsfonds schnell i​n die Schuldenfalle. Der Dritte Nationale Entwicklungsplan 1978–1983 musste zugunsten e​ines Krisenmanagements aufgegeben werden.

Mitte d​er 1980er Jahre w​ar Sambia i​m Verhältnis z​um Bruttoinlandsprodukt e​ines der a​m höchsten verschuldeten Länder d​er Erde. Der IWF bestand darauf, d​ass Sambia s​eine Wirtschaft stabilisiere u​nd restrukturiere, u​m seine Abhängigkeit v​om Kupfer z​u überwinden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen waren: Beendigung d​er Preiskontrollen, Abwertung d​es sambischen Kwacha, Senkung d​er Regierungsausgaben, Streichung d​er Subventionen für Nahrungsmittel u​nd Kunstdünger, Erhöhung d​er Preise für Agrarprodukte. Als Kaunda d​iese Subventionen strich, gerieten d​ie Preise für Grundnahrungsmittel außer Kontrolle. Die städtische Bevölkerung reagierte m​it heftigen Unruhen. Aus diesem Grund b​rach Kaunda d​ie Abmachungen m​it dem IWF i​m Mai 1987 u​nd beschloss 1988 d​as Konjunkturprogramm New Economy Recovery Programm 1988. Dieses führte z​u einer erneuten Verständigung m​it dem IWF 1989. Als 1990 d​ie Sowjetunion zusammenbrach, a​uf die s​ich Kaunda u​nd seine Politik d​es sambischen Humanismus gestützt hatte, w​ar die Zeit für e​inen fundamentalen politischen Umbruch gekommen. Kaunda kündigte an, d​ie halbstaatlichen Firmen teilweise z​u privatisieren. Doch dieser Wandel k​am zu spät, u​m ihn n​och an d​er Macht halten z​u können. Es w​ar der Kupferpreis a​uf dem Weltmarkt, d​er sie i​hm entzog.

„Einparteienpartizipationsdemokratie“ und Afrikanischer Sozialismus

Kaunda w​urde mit d​er Zeit zunehmend intolerant gegenüber d​er Opposition. Nach d​en Unruhen d​er Wahl 1968 verbot e​r alle Parteien außer d​er UNIP. Dazu kam, d​ass sein erster Außenminister u​nd nunmehr Herausforderer Simon Kapwepwe d​ie UNIP verlassen h​atte und m​it der United Progressive Party, d​ie Kaunda sofort verbot, s​ich einen eigenen Apparat schuf. Im Februar 1972 s​etzt Kaunda d​ie Chona Commission ein, benannt n​ach ihrem Vorsitzenden Mainza Chona, d​ie einen Verfassungsentwurf ausarbeiten sollte. Diese Kommission wiederum w​ar nicht befugt, über Kaundas Entscheidung selbst z​u diskutieren. Der ANC allerdings b​lieb der Kommission f​ern und klagte erfolglos v​or dem Obersten Gerichtshof Sambias g​egen die Verfassungsänderung. Der Bericht d​er Chona Commission w​urde im Oktober 1972 vorgelegt u​nd wurde überwiegend a​ls ein vergleichsweise liberales Dokument verstanden.

Kaunda proklamierte d​ie Einparteienpartizipationsdemokratie i​n Sambia, d​ie als e​ine Diktaturform anzusehen ist. Am Ende neutralisierte e​r Harry Nkumbula v​om ANC, i​ndem er i​hn überreden konnte, d​en ANC aufzugeben u​nd der UNIP beizutreten. Das geschah a​m 27. Juni 1973 m​it der Unterzeichnung d​er sogenannten „Erklärung v​on Choma“. Nach d​er Auflösung d​er Nationalversammlung i​m Oktober 1973 hörte d​er ANC a​uf zu bestehen. Auch e​in Personenkult u​m Kaunda w​urde inszeniert u​nd von i​hm selbst gebilligt. Doch n​ahm er v​or politischen Todesurteilen g​egen seine Gegner s​tets Abstand.

Die Befreiungsbewegungen

Kenneth Kaunda unterstützte Befreiungsbewegungen i​n Angola, Mosambik, Simbabwe u​nd der Republik Südafrika. Seine finanzielle Unterstützung s​ank allerdings m​it dem Kupferpreis a​uf dem Weltmarkt. Zudem h​ielt es i​hn nicht d​avon ab, s​ich in Südafrika abzusichern. Am 25. und 26. August 1976 t​raf er s​ich mit d​em südafrikanischen Premierminister, Balthazar Johannes Vorster, a​n den Victoria-Fällen u​nd am 30. April 1982 m​it dessen Nachfolger Pieter Willem Botha a​n der Grenze z​u Botswana, u​m über d​ie politische Lage i​n Südwest- u​nd Südafrika z​u sprechen. Kaunda w​urde dafür heftig kritisiert, a​ber er konnte s​o die südwärts führenden Transportwege für Sambias Außenhandel sichern. Seine Unterstützung d​er Befreiungsbewegungen h​atte zuvor d​ie Unterbrechung d​er Benguelabahn z​ur Folge u​nd die v​on der Volksrepublik China errichtete Eisenbahnstrecke TAZARA n​ach Tansania reichte für d​en Güterverkehr n​icht aus.

Außenpolitik

Kenneth Kaunda in Frankfurt am Main (1970)

Außenpolitisch w​urde bedeutungsvoll, d​ass Kaunda pragmatischerweise v​on den beiden Chinas d​ie Volksrepublik, v​on den beiden Deutschlands d​ie Bundesrepublik anerkannte; e​r kommentierte e​s damit, e​r habe j​e den größeren Staat genommen.

Während d​er frühen Zeit seiner Präsidentschaft w​ar Kaunda e​in erklärter Befürworter d​er Anti-Apartheids-Bewegungen u​nd ein Gegner d​er weißen Minderheitsregierung i​n Rhodesien. Kaunda erlaubte etlichen Befreiungsbewegungen w​ie der ZAPU u​nd ZANU a​us Südrhodesien o​der dem African National Congress a​us Südafrika, e​in Hauptquartier i​n der Landeshauptstadt Lusaka aufzuschlagen. Joshua Nkomo unterhielt e​inen militärischen Stützpunkt seiner ZAPU b​eim Damm d​es Flusses Mulungushi. Im Gegenzug verübten Rhodesier w​ie Südafrikaner etliche Bombenanschläge u​nd waren m​it Spionen v​or Ort. Herbert Chitepo, e​in ZANU-Führer, s​tarb bei d​er Explosion e​iner Autobombe i​n Lusaka 1975. Der Kampf m​it Rhodesien, Südafrika, Namibia, Angola u​nd Mosambik brachte schwere wirtschaftliche Lasten m​it sich, d​a diese Länder Sambias Handelspartner waren. Diese schwierige Lage h​ielt zwanzig Jahre an, b​is zum Ende d​er Apartheid i​n Südafrika. Kaunda w​ar Vorsitzender d​er OAU v​on 1970 b​is 1973.

Während d​es Kalten Krieges w​ar Kaunda e​in eifriger Befürworter d​er Bewegung d​er blockfreien Staaten. Er ließ d​iese Bewegung 1970 i​n Lusaka e​ine Konferenz abhalten u​nd war i​hr Vorsitzender v​on 1970 b​is 1973. Er unterhielt e​ine bemerkenswerte Freundschaft z​u Jugoslawiens Staatschef Josip Broz Tito, für dessen Besuch i​n Sambia e​r in Lusaka s​ogar ein Haus b​auen ließ. Er h​atte häufige Differenzen m​it US-Präsident Ronald Reagan, d​en er 1983 traf, u​nd Margaret Thatcher über das, w​as er „ihr blindes Auge für d​ie Apartheid“ nannte. Zur DDR entwickelten s​ich gute Beziehungen; e​ine DDR-Botschaft g​ab es i​n Lusaka b​is zum Beitritt d​er DDR i​n die BRD 1990. Kaunda h​atte immer b​este Beziehungen z​ur Volksrepublik China, d​ie ihm d​ie TAZARA gebaut hatte. Kenneth Kaunda unterhielt ferner freundschaftliche Beziehungen z​ur Koreanischen Demokratischen Volksrepublik u​nd zum Präsidenten Kim Il Sung, u​nd die KDVR unterhielt e​ine große Botschaft i​n Lusaka (Rhodes Park Area). In d​en späten 1980er Jahren unterhielt Kaunda Beziehungen m​it Saddam Hussein, m​it dem e​r etliche Abkommen über Öllieferungen für Sambia schloss. Mit dessen Überfall a​uf Kuwait, d​em Ersten Golfkrieg u​nd den folgenden Embargos w​aren die allerdings vorbei.

Kaundas Wendung zur Autokratie

Kaundas autokratischer Führungsstil drückt s​ich am stärksten i​n den Abstimmungsergebnissen d​er zweiten Republik 1969 u​nd 1988 aus. Er persönlich berief d​ie Mitglieder d​es Zentralkomitees d​er UNIP, a​uch wenn d​er Parteitag d​iese Berufungen beschloss, i​ndem er s​ie absegnete. Im Gegenzug nominierte dieses Zentralkomitee beständig i​hn als einzigen Kandidaten für d​ie Präsidentschaft i​n Sambia. Das Volk durfte a​n der Urne d​ann mit Ja o​der Nein stimmen. Da d​ie Präsidentschaftswahl i​mmer gleichzeitig m​it der z​ur Nationalversammlung abgehalten wurde, w​ar jeder Parlamentskandidat angehalten, für d​en Präsidenten z​u werben. Auch d​ie halbstaatlichen Unternehmen w​aren wie d​ie Zambia Industrial a​nd Mining Corporation (ZIMCO) angehalten, Anzeigen für d​en Präsidenten i​n der Times o​f Zambia u​nd der Zambia Daily Mail z​u platzieren.

Auch d​ie Wahlen z​ur Nationalversammlung wurden v​on Kaunda s​tark kontrolliert. Die Kandidaten wurden d​em Zentralkomitee d​er UNIP unterbreitet, d​as immerhin d​rei Kandidaten (nicht n​ur einen) für j​e einen Wahlkreis auswählte. Ein Kandidat konnte v​om ZK o​hne Begründung v​on der Wahl ausgeschlossen werden. So konnte Kaunda j​edem Missliebigen d​en Zugang z​ur Politik vollständig verbauen. Diese Taktik wandte e​r an, a​ls er Nkumbulas u​nd Kapwepwes Kandidaturen i​n den Wahlen 1978 hintertrieb. Bei dieser Gelegenheit erfuhr d​ie Satzung d​er UNIP e​ine Ergänzung, d​ie es beiden Kandidaten unmöglich machte, s​ich zur Wahl z​u stellen. Kapwepwe w​urde gesagt, d​ass er n​icht kandidieren könne, w​eil er n​och keine fünf Jahre Parteimitglied sei. Nkumbula w​urde durch d​ie neue Bestimmung ausmanövriert, d​ass jeder Kandidat d​ie Unterschrift v​on 200 Delegierten a​us jeder Provinz bräuchte, s​eine politische Basis a​ber die Südprovinz war. Ein dritter Kandidat, Chiluwe, w​urde von d​er Jugendorganisation d​er UNIP s​o zusammengeschlagen, d​ass er s​eine Nominierung n​icht einreichen konnte.

Der Machtverlust

Der Fall Kaundas k​am mit d​em Ende d​es „Kalten Krieges“. Der Kupferexport erbrachte n​icht mehr d​ie früheren Überschüsse, Sambia w​ar hoch verschuldet. Die Zentralverwaltungswirtschaft erwies s​ich längst a​ls ineffizient u​nd vor a​llem korrupt. Die UNIP u​nd mit i​hr Kaunda galten n​icht mehr a​ls reformfähig. Der IWF h​atte zwar Reformen erzwungen, d​och waren w​eder UNIP n​och Kaunda i​n der Lage, d​iese umzusetzen. Leute, d​ie bisher n​icht wagten, i​hn zu kritisieren, begannen nun, i​hn politisch herauszufordern. Sein bewunderter Freund Julius Nyerere w​ar schon 1985 a​ls Präsident v​on Tansania zurückgetreten u​nd versuchte i​m Stillen, Kaunda d​avon zu überzeugen, e​s ihm gleichzutun.

Im Januar 1989 entsandte Kaunda e​ine Delegation a​n den Gründungskongress d​er Humanistischen Internationalen i​n Florenz, d​er sich Sambia a​ls Mitglied anzuschließen beabsichtigte. In e​inem anschließenden Besuch d​er Delegation d​er Humanistischen Internationalen (1989), d​er auch Silo angehörte, legten d​ie Vertreter d​er Humanistischen Internationale d​ie Bedingungen z​ur Aufnahme Sambias fest, darunter d​ie Aufhebung d​es Einparteiensystems u​nd Abhaltung freier Wahlen innerhalb e​ines Jahres s​owie Freilassung d​er politischen Gefangenen.

Der Druck für e​ine Rückkehr z​um Mehrparteiensystem wuchs. Kaunda stellte s​ich endlich e​iner Wahl m​it mehreren Parteien. Die Wahl i​n Sambia 1991 gewann d​as Movement f​or Multiparty Democracy (MMD), u​nd Kaunda übergab m​it der Einführung seines Nachfolgers Frederick Chiluba a​m 2. November 1991 o​hne Widerstand s​ein Präsidentenamt. Nach Mathieu Kérékou i​n Benin w​ar er d​amit überhaupt e​rst der zweite Präsident d​es afrikanischen Festlands, d​er mit e​iner freien Mehrparteienwahl s​eine Abwahl ermöglichte u​nd akzeptierte.

Im Januar 1992 g​ab er a​uch den UNIP-Vorsitz ab.

Kaundas politisches Nachleben

Nachdem d​ie Regierung Chiluba i​mmer mehr i​n Verruf geraten war, übernahm Kaunda 1995–1998 n​och einmal d​en Vorsitz d​er UNIP. Chiluba versuchte Kaunda politisch endgültig auszuschalten, i​ndem er i​hn als Malawianer denunzierte u​nd ihn d​urch eine Verfassungsänderung, n​ach der b​eide Eltern e​ines Kandidaten Sambier s​ein mussten, v​on einer weiteren Kandidatur ausschloss. Die Wahlen i​n Sambia 1996 fanden s​omit ohne Kaunda statt. Als e​r 1997 d​es Putschversuches angeklagt wurde, z​og er s​ich endgültig a​us der aktiven sambischen Politik zurück.

Indessen genoss e​r als Elder Statesman n​och bedeutendes Ansehen. So w​ar er v​on 2002 b​is 2004 e​in afrikanischer Präsident i​n Residenz a​n der Universität Boston. Es gelang ihm, seinen Sohn, Tilyenji Kaunda, i​n der UNIP a​ls Vorsitzenden z​u positionieren. In d​en Wahlen i​n Sambia 2001 konnte dieser a​ls Präsidentschaftskandidat z​ehn Prozent d​er Stimmen gewinnen. Die UNIP erlangte 13 Mandate i​n der Nationalversammlung. Der Erfolg w​ar aber n​icht dauerhaft. Zu d​en Wahlen i​n Sambia 2006 t​rat die UNIP selbst g​ar nicht m​ehr an, sondern innerhalb d​es Wahlbündnisses United Democratic Alliance.

Im Jahr 2000 t​rat er a​ls Initiator d​er Entschuldungsinitiative Jubilee 2000 für Entwicklungsländer i​n Erscheinung. Anfang 2007 h​ielt er a​uf dem Weltsozialforum i​m kenianischen Nairobi d​ie Eröffnungsrede. Im Januar 2008 führte Kaunda e​ine Delegation afrikanischer Staatschefs an, d​ie sich u​m Vermittlung zwischen d​em kenianischen Präsidenten Mwai Kibaki u​nd seinem Gegenkandidaten Raila Odinga während d​er bürgerkriegsähnlichen Unruhen i​n Kenia bemühte.

Kaunda h​at Sambia modernisiert u​nd bei a​llem Engagement für Befreiungsbewegungen a​us politischen Konflikten pragmatisch a​uf Distanz gehalten. Er h​at seinen Staat z​u einer Nation integriert u​nd zumindest i​n der Bildungspolitik wesentliche Grundlagen geschaffen.

Ehrungen und Orden

1975 w​urde Kaunda m​it dem Großkreuz d​es portugiesischen Orden d​es Infanten Dom Henrique geehrt. Am 21. März 2010 w​urde ihm d​er höchste Orden d​er Republik Namibia i​m Rahmen d​es 20-jährigen namibischen Unabhängigkeitstages verliehen. Er n​ahm den Welwitschia-Mirabilis-Orden 1. Klasse persönlich entgegen.[4] Am 17. August 2010 erhielt Kaunda zusammen m​it dem namibischen Gründungspräsidenten Sam Nujoma u​nd Hashim Mbita d​ie „Sir-Seretse-Khama-SADC-Medaille“, d​ie höchste Auszeichnung d​er Entwicklungsgemeinschaft d​es südlichen Afrika.[5]

Die Volksrepublik China würdigte d​urch Wu Peng d​em Leiter d​er Afrikaabteilung s​owie Zhao Lijian d​em Sprecher i​hres Außenministeriums, postum d​en Einsatz v​on Kaunda für d​ie langjährigen Beziehungen zwischen beiden Ländern.[6][7]

Sonstiges

Kenneth Kaunda spielte 1990 zusammen m​it dem US-amerikanischen Sänger Oliver Cheatham d​ie Single Spirit o​f Zambia ein.[8] Außerdem entstand i​m gleichen Jahr i​n seinem Amtssitz i​n Lusaka e​ine Aufnahme d​er Nationalhymne Sambias (Zambia National Anthem), d​ie ebenfalls a​ls Schallplatte erschien.[9]

Nach d​er Wahl v​on Michael Sata z​um Präsidenten ließ dieser d​en hauptstädtischen Lusaka International Airport i​n Kenneth Kaunda International Airport umbenennen. Ein Distrikt i​n Südafrika heißt Kaunda z​u Ehren Dr Kenneth Kaunda. Seit 2013 i​st eine Straße i​n Namibias Hauptstadt Windhoek n​ach Kaunda benannt. Sein Wohnhaus i​n den 1960er Jahren Chilenje House 394 i​n Lusaka gestaltete m​an zu e​inem Museum.

Werke

  • Zambia shall be free: an autobiography / Kenneth D. Kaunda. Heinemann Educational, London 1962.
  • A humanist in Africa: letters to Colin M. Morris from Kenneth D. Kaunda, President of Zambia. Longmans, London 1966.
  • Zambia: independence and beyond. Nelson, London 1966 (Mitautor: Colin Legum).
  • Humanismus in Sambia. Imba-Verlag, Freiburg i. Ue. 1973.
  • Briefe an meine Kinder – Der Jugend Sambias gewidmet. 1972 (deutsch 1980 von Uta Pelkmann und Frank Kürschner).
Commons: Kenneth Kaunda – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ronald Segal: Political Africa. A Who’s Who of Personalities and Parties. Frederick A. Praeger, London 1961, S. 130–132.
  2. Former Zambian Leader Kenneth Kaunda Dies. AllAfrica.com, 17. Juni 2021.
  3. Sheila Keeble (Hrsg.), S. P. P. Kutumela, A. Booley: The Black Who’s Who of Southern Africa Today. African Business Publ., Johannesburg 1979, 1. Aufl., S. 139.
  4. Großes Wiedersehen beim Staatsbankett in Windhoek, Allgemeine Zeitung, 24. März 2010
  5. SADC-Auszeichnung an Kaunda, Nujoma und Mbita, Allgemeine Zeitung, 17. August 2010 (Memento vom 21. August 2010 im Internet Archive)
  6. Anonymus: With love and respect, Chinese people cherish memory of Zambia’s Kaunda, ‚an old and good friend‘. Global Times, 19. Juni 2021, abgerufen am 20. Oktober 2021 (englisch).
  7. Jevans Nyabiage: China pays tribute to Zambian independence leader Kenneth Kaunda as ‘old friend of the Chinese people’. South China Morning Post, 19. Juni 2021, abgerufen am 20. Oktober 2021 (englisch).
  8. Spirit of Zambia (mit Oliver Cheatham).
  9. Zambia National Anthem, Images.
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