Michail Michailowitsch Kassjanow
Michail Michailowitsch Kassjanow (russisch Михаил Михайлович Касьянов; * 8. Dezember 1957 in Solnzewo, heute zu Moskau) ist ein russischer Politiker. Von Mai 2000 bis Februar 2004 war er Ministerpräsident von Russland.
Leben
Ausbildung und Laufbahn als Regierungsbeamter
Kassjanow schloss 1983 die Moskauer Technische Hochschule für Automobil- und Verkehrswesen (abgekürzt MADI, russ. Московский автомобильно-дорожный институт / МАДИ) und begann seine berufliche Laufbahn bereits Ende der 70er-Jahre als Techniker und später als Ingenieur beim Gosplan der Sowjetunion. Dort erhielt er auch eine Zusatzqualifikation im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich, so dass er 1990 in die staatliche Außenwirtschaftsbehörde wechselte. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und Neubildung des Wirtschaftsministeriums der Russischen Föderation wurde er dort Abteilungsleiter und spezialisierte sich vor allem im Bereich der Auslandsschulden des russischen Staates. Von 1995 bis 1999 war er erster stellvertretender Finanzminister der Russischen Föderation.
Ernennung zum Finanzminister
Nach dem Amtsantritt Sergei Stepaschins als Regierungschef im Mai 1999 wurde Kassjanow bei der Kabinettsneubildung russischer Finanzminister und behielt diesen Posten auch nach der Ablösung Stepaschins durch Wladimir Putin als Ministerpräsident.
Aufstieg zum Ministerpräsidenten
Nach der kommissarischen Übernahme des Präsidentenamtes durch Putin am 31. Dezember 1999 ernannte ihn dieser zum amtierenden Ministerpräsidenten. Am 17. Mai 2000, wenige Tage nach der Vereidigung Putins als Präsident, wurde Kassjanow offiziell zum russischen Ministerpräsidenten ernannt.
Die Politik Kassjanows als Regierungschef galt als relativ liberal. Sein Verhältnis zur Staatsmacht verschlechterte sich, nachdem er 2003 die Festnahme Platon Lebedews, der zusammen mit dem zuvor ebenfalls inhaftierten Michail Chodorkowski einer der Vorstandsmitglieder des Ölkonzerns Jukos war, als „überzogen“ kritisierte. Im Februar 2004, wenige Wochen vor den Präsidentschaftswahlen, wurde Kassjanow mitsamt seinem Kabinett auf Erlass Putins entlassen. Das Amt des Regierungschefs trat daraufhin Michail Fradkow an.
Tätigkeit als Oppositionspolitiker
Etwa ein Jahr nach seiner Entlassung machte Kassjanow in der russischen Öffentlichkeit durch mehrere Auftritte auf sich aufmerksam, in denen er Putins Politik als autoritär kritisierte sowie ankündigte, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen gegen Putin zu kandidieren. Im April 2006 übernahm er den Vorsitz einer liberalen politischen Organisation, die sich Volksdemokratische Union nannte. Im gleichen Jahr trat er der oppositionellen Bewegung Das andere Russland bei und wurde eine Zeit lang als deren möglicher Präsidentschaftskandidat gehandelt. Im Frühjahr 2007 nahm er neben Garri Kasparow am so genannten Marsch der Unzufriedenen in Moskau teil. Am Rande dieser Demonstration entging er einer Festnahme nur durch den Einsatz seiner Leibwächter.[1]
Im Juli 2007 verließ Kassjanow Das andere Russland und gründete eine neue Partei namens Das Volk für Demokratie und Gerechtigkeit (russ. Народ за демократию и справедливость).
Im Dezember 2007 wurde er als Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2008 aufgestellt.[2] Am 15. Januar 2008 gab Kassjanows Wahlkampfquartier in Moskau bekannt, dass 2,2 Millionen Unterschriften zur Präsidentschaftskandidatur vorhanden sind, somit weit mehr als notwendig.[3]
Die Zentrale Wahlkommission der Russischen Föderation gab am 27. Januar 2008 bekannt, dass 13,38 Prozent der Unterstützungsunterschriften für Kassjanow fehlerhaft seien. Das Wahlgesetz erlaube aber nur eine Fehlerquote von 5 Prozent. Daher erhalte er keine Zulassung zur Präsidentenwahl. Das Büro des Generalstaatsanwaltes leitete ein Betrugsverfahren gegen das Wahlkampfbüro Kassjanows ein. Er werde auf eine Klage verzichten, weil die russischen Gerichte nicht unabhängig seien. Kassjanow bezeichnete die russische Regierung als totalitär und rief zum Boykott der Präsidentschaftswahlen auf.[4]
Kassjanow war, als Vertreter für den von ihm geleiteten Russischen Volksdemokratischen Bund (RNDS), Mitgründer und -vorsitzender der mittlerweile nicht mehr bestehenden Partei der Volksfreiheit. Diese Partei diente als ein Sammelbecken vier unterschiedlicher oppositioneller Bewegungen (unter anderem Solidarnost) und plante an den Dumawahlen 2011 teilzunehmen, wozu es jedoch nicht kam.
In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit im März 2015 forderte Kasjanow den Westen auf, in der Ukraine-Krise gegenüber Präsident Putin hart zu bleiben und die Sanktionen gegen Russland aufrechtzuerhalten, ansonsten würde der Westen später einen viel höheren Preis bezahlen müssen.[5]
Wegen seiner strikten Anti-Putin-Haltung bekam Kassjanow direkte Anfeindungen vom tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow zu spüren. Im Februar 2016 zeigte Kadyrow Kassjanow zusammen mit Wladimir Kara-Mursa in einem auf seiner Instagram-Seite veröffentlichten Video im Fadenkreuz eines Gewehrs mit dem Text: „Wer es noch nicht gekriegt hat, kriegt es jetzt“. Kassjanow bezeichnete das Video als direkte Morddrohung. Nur wenige Tage später wurde er in einem Moskauer Restaurant mit hoher Wahrscheinlichkeit von Kadyrow-Anhängern angegriffen.[6]
Familiäres
Kassjanow ist verheiratet und hat zwei Töchter.
Weblinks
- Michail Michailowitsch Kassjanow: Das dritte Gesicht des Wladimir Putin. Russland-Wahl. In: Der Standard. 2. März 2012, abgerufen am 7. März 2012 (Kommentar zur Russischen Präsidentschaftswahl 2012).
Fußnoten
- “Das ist Gesetzlosigkeit” (tagesschau.de-Archiv)
- http://www.svobodanews.ru/Article/2007/12/08/20071208134417730.html
- http://www.koeln.de/aktuell/afp/newsticker/ticker/080115154143.v12h8nug.html@1@2Vorlage:Toter+Link/www.koeln.de (Seite+nicht+mehr+abrufbar,+Suche+in+Webarchiven) Datei:Pictogram+voting+info.svg Info:+Der+Link+wurde+automatisch+als+defekt+markiert.+Bitte+prüfe+den+Link+gemäß+Anleitung+und+entferne+dann+diesen+Hinweis.+
- heute – Kreml-Kritiker von Wahl ausgeschlossen (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (Zugriff vom 26. Januar 2008)
- Ihr habt Putin angestachelt DIE ZEIT vom 12. März 2015
- n-tv Nachrichten: Kadyrow – Putins Mann fürs Grobe. In: n-tv.de. (n-tv.de [abgerufen am 3. April 2018]).