Jannowitzbrücke
Die Jannowitzbrücke ist eine die Spree überspannende Brücke in Berlin-Mitte. Der Bau der ersten Jannowitzbrücke erfolgte 1822 mithilfe einer durch den Berliner Baumwollfabrikanten Christian August Jannowitz gegründeten Brückenbau-Aktiengesellschaft. Zwischen 1881 und 1930 stand an dieser Stelle eine Eisenfachwerkbrücke. Die neue Konstruktion wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. 1954 war die bestehende vierte Jannowitzbrücke fertiggestellt. Sie befindet sich direkt an der Berliner Stadtbahn und bildet die westliche Grenze des Areals des Investorenprojektes Mediaspree, das sich im Osten bis zur Elsenbrücke erstreckt.
Jannowitzbrücke | ||
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Nutzung | Straßenverkehr | |
Überführt | Brückenstraße | |
Unterführt | Spree | |
Ort | Berlin-Mitte | |
Bauwerknummer | 17004-0010 | |
Konstruktion | Mehrfachstahlträger mit einer Betondecke | |
Gesamtlänge | 73,5 m | |
Breite | 35,0 | |
Lichte Höhe | 4,0 m | |
Fahrzeuge pro Tag | 720 Lkw[1] 18.900 Kfz[2] | |
Baukosten | mehr als 2,1 Mio. Euro[3] | |
Baubeginn | 1952, (Reko) 1995 | |
Fertigstellung | 1954, (Reko) 1997 | |
Lage | ||
Koordinaten | 52° 30′ 51″ N, 13° 25′ 4″ O | |
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Höhe über dem Meeresspiegel | 37,2 m |
Brücke
Lage
Die Brücke verbindet die Stadtteile Luisenstadt und Stralauer Viertel im Ortsteil Mitte des gleichnamigen Bezirks. Sie verbindet die Brückenstraße am Südufer mit der Alexanderstraße am Nordufer. Die nächste Brücke spreeab in Richtung Osten ist die Michaelbrücke, in Richtung Westen die Mühlendammbrücke.[4] Vor ihrem Abriss 1950 verband spreeauf die Waisenbrücke als nächste die Littenstraße (vormals Friedrichstraße) mit dem Märkischen Platz (Am Köllnischen Park). Die U-Bahn-Linie 8 kreuzt unterhalb der Jannowitzbrücke die Spree. Westlich der Brücke unterquert ein ungenutzter U-Bahn-Verbindungstunnel zwischen U2 und U8 von der Littenstraße zur Brückenstraße die Spree. Die Kreuzung der Holzmarkt-/Alexanderstraße im Norden liegt bei 35,7 m ü. NHN, der Südrand der Brücke (Brückenstraße/ Märkisches Ufer) auf 37,2 m.
Geschichte
Nach vielen Diskussionen und Anregungen gründete der Baumwollfabrikant Christian August Jannowitz 1822 eine Aktiengesellschaft, die die Mittel für eine geplante Brücke über die Spree aufbrachte (28.000 Taler).[5] Bereits am 29. September des gleichen Jahres wurde die Brücke fertiggestellt. Jeder, der die Jochbrücke überqueren wollte, musste eine Maut von 6 Pfennig an den Fabrikanten bezahlen, sie war damit eine von mehreren namenlosen „Sechserbrücken“ in Berlin. Mit diesem Sechser bekam Jannowitz einen Teil seiner Investition wieder zurück. Den Namen „Jannowitzbrücke“ erhielt die Brücke erst am 8. Mai 1825. Im Jahr 1831 kaufte der preußische Staat die Brücke den Aktionären ab, die Maut wurde noch bis 1840 erhoben.
Da der Verkehr stetig zunahm und die Lebensdauer der Holzbrücke ihrem Ende zuging, legte die Stadt Berlin ein „Brückenbauprogramm“ auf. So entstand in den Jahren 1881 bis 1883 eine neue, 17 Meter breite und 83 Meter lange dreibogige Eisenfachwerkbrücke an der gleichen Stelle. Sie behielt den Namen Jannowitzbrücke. Neben zwei Fahrbahnen für Kutschen erhielt sie zwei Schienenpaare für die Pferdestraßenbahn. Die Pfeiler und Widerlager waren aus Klinkern gemauert und mit Harzer Granit verblendet. Auf die im gleichen Zeitraum gebaute, parallel zum Spreeufer verlaufende Stadtbahn musste die neue Brücke in Lage und Konstruktion abgestimmt werden.
Für den U-Bahn-Bau (heutige Linie U8) an der Jannowitzbrücke wurde ab 1927 die Brücke demontiert und verschrottet. Während der langwierigen Bauarbeiten dienten Behelfs- und Abfangkonstruktionen Fußgängern und Straßenfahrzeugen für die Überquerung der Spree. Als der U-Bahn-Tunnel fertig war, wurde zwischen 1930 und 1932 eine neue Fachwerkbogen-Brücke mit abgehängter Fahrbahn an der gleichen Stelle errichtet. Diese benötigte keine Zwischenpfeiler im Flussbett mehr, war 36,8 Meter breit, 72 Meter lang, bot dem Schiffsverkehr aber trotz der oberhalb der Fahrbahn liegenden Tragkonstruktion nur eine lichte Durchfahrtshöhe von vier Metern, was aus der Anpassung an die Höhenlage des Stadtbahnviadukts resultierte. Diese Höhe war das Mindestmaß aus den Anforderungen der Schifffahrt auf der Spree. Die Brücke wurde 1932 gemeinsam mit dem U-Bahnhof eröffnet. Auch diese Brücke erhielt einen gesonderten Straßenbahnschienenstrang. Die Brücke wurde wegen ihrer Überbreite in Relation zur Brückenstraße damals häufig kritisiert.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Brücke gegen Ende der Schlacht um Berlin gesprengt, um den Vormarsch der Roten Armee zu behindern. Die Trümmer der Fahrbahn stürzten in die Spree.
Die enorme Beschädigung verhinderte einen schnellen Wiederaufbau. Erste Aufräumarbeiten begannen im Oktober 1950, bis Ende 1951 wurden die noch vorhandenen Teile der Brücke demontiert und verschrottet. Die Ost-Berliner Verwaltung gab eine neue Stahlbalken-Deckbrücke in Auftrag. Diese sollte unter Nutzung der intakten Widerlager die Spree an der alten Stelle überspannen. Ein Strompfeiler musste neu errichtet werden, um den darunter verlaufenden U-Bahn-Tunnel lastfrei zu überbrücken. Außerdem war die 80 Meter lange Konstruktion sehr flach zu halten, um die lichte Durchfahrtshöhe von 4 m nicht zu unterschreiten. Von 1952 bis 1954 wurde die wichtige Verkehrsverbindung neu erbaut.
Zusätzlich zu den bisherigen Verkehrsströmen übernahm sie fortan die Aufgaben der wenige Meter flussabwärts liegenden Waisenbrücke, die nach ihrer kriegsbedingten Zerstörung nicht wieder aufgebaut wurde. Die östliche Gehbahn konnte bereits ab 1952 wieder benutzt werden, während die Freigabe für den Autoverkehr im Dezember 1954 und für den Straßenbahnverkehr im Oktober 1955 erfolgte. Die Jannowitzbrücke hat ungefähr die gleichen Ausmaße wie ihre Vorgängerbrücke. 1970 erfolgte die Stilllegung der über die Brücke verlaufenden Straßenbahnlinien. 1988/1989 wurde eine Grundinstandsetzung der Brücke durchgeführt.
Nach der Wiedervereinigung begannen im September 2005 Arbeiten zur umfassenden Sanierung der Brücke, die bis Ende September 2007 andauerten.[6] Dabei wurden Leitungen unter der Brücke neu verlegt, Schäden am Tragwerk, am Geländer und an den Widerlagern beseitigt. Gleichzeitig erfolgte eine Verkehrsaufteilung: Beidseitig gibt es nun 8,45 Meter breite Gehwege, daneben je zwei Richtungsfahrbahnen von 7,5 Meter Breite, und der Mittelstreifen konnte durch Entfernen der Straßenbahnschienen auf 3 Meter verengt werden.[3]
Radverkehr
An der Jannowitzbrücke befindet sich seit 2015 eine von 17 in Berlin fest installierten automatischen Radzählstellen. Unter allen mit einer Zählstelle versehenen Plätzen der Stadt, ist die Brücke der am zweitstärksten vom Radverkehr frequentierte Ort.[7]
Umgebung
U-Bahnhof
Am 6. April 1928 wurde die Strecke Schönleinstraße – Neanderstraße der damaligen U-Bahn-Linie D eröffnet. Die Jannowitzbrücke, unter der die U-Bahnstrecke weiterführen sollte, musste wegen ihres schlechten Zustandes durch einen Neubau ersetzt werden. In diesem Bereich wurden der Tunnel und der U-Bahnhof Jannowitzbrücke angelegt. Am 18. April 1930 eröffnete die BVG den Abschnitt Neanderstraße – Gesundbrunnen mit dem U-Bahnhof Jannowitzbrücke.
Durch die Sprengung im Zweiten Weltkrieg erlitt der Bahnhof kaum Schäden, er wurde jedoch von April 1945 bis zum 15. Juni 1945 geschlossen. Die damalige Linie D, heute U8, nahm als erste aller Berliner U-Bahn-Linien am 16. Juni den Linienverkehr in voller Länge und im Umlaufbetrieb wieder auf.
Als die DDR am 13. August 1961 die Berliner Mauer errichtete, schloss sie die Zugänge zum U-Bahnhof. Die Zugänge zur zwei Ebenen höher fahrenden S-Bahn wurden zugemauert. Die Station war ein „Geisterbahnhof“ geworden. Die Züge zwischen den West-Berliner U-Bahnhöfen Moritzplatz und Voltastraße durchfuhren den Bahnhof ohne Halt.
Im Herbst 1989 bekam der U-Bahnhof Jannowitzbrücke eine neue Bedeutung. Bereits zwei Tage nach dem Mauerfall, am 11. November, öffnete die DDR den U-Bahnhof als Grenzübergangsstelle, wofür sich das zwischen U-Bahn und S-Bahn befindliche Zwischengeschoss eignete. Die Ost-Berliner, die mit der S-Bahn angereist waren, erhielten mit der U-Bahn Zugang zum Nahverkehrssystem West-Berlins.
Im Jahr 2004 erfolgte eine Deckensanierung des Bahnhofes sowie eine Vervollständigung mit dem Fahrgastinformationssystem „Daisy“. Im Jahr 2009 hat die BVG umfangreiche Rekonstruktionsarbeiten des U-Bahnhofs Jannowitzbrücke begonnen, die Ende 2011 abgeschlossen wurden.
S-Bahnhof
Als 1881 bis 1883 die Jannowitzbrücke neu errichtet wurde,[8] entstand auch ein Vorortbahnhof (noch ohne Halle) auf dem Stadtbahnviadukt. Aufgrund von Fahrgastbeschwerden beschloss man 1885, eine Halle zwischen den Vorort- und Fernverkehrsgleisen zu bauen. Für das neue elektrische S-Bahnsystem, das ab 1928 auch auf der Stadtbahn fahren sollte, ließ die Reichsbahn den bestehenden Bahnhof komplett abreißen und durch einen Neubau nach Plänen von Hugo Röttcher in seiner heutigen Form bauen. Schließlich fuhren ab dem 11. Juni 1928 auch S-Bahnen in die neu errichtete Station ein.
Infolge der Kriegsereignisse war der S-Bahnhof zwischen April 1945 und dem 15. November 1945 außer Betrieb. Bei der Errichtung der Berliner Mauer am 13. August 1961 wurden sämtliche Verbindungen zur U-Bahn verbaut, der Bahnhof Jannowitzbrücke war nur noch eine einfache S-Bahn-Station, keine Umsteigestation mehr. Nur wenige Tage nach der Maueröffnung war es hier am 11. November 1989 wieder möglich, zwischen der S-Bahn und der U-Bahn umzusteigen. In den Jahren 1994 bis 1996 stand eine gründliche Sanierung der S-Bahn-Station an. Dazu fuhren die S-Bahnen auf den zeitweise stillgelegten Fernverkehrsgleisen an der S-Bahnhalle vorbei, die mit einem Aufzug und mehreren Rolltreppen modern ausgestattet wurde. In einigen zuvor zugemauerten Stadtbahnbögen, die in die Bahnhofshalle integriert werden konnten, fanden Handelseinrichtungen und Restaurants ihren Platz.
Jannowitz-Center
1997 wurde gegenüber dem S-Bahnhof am anderen Spreeufer das Jannowitz-Center nach Plänen der Architekten Hentrich-Petschnigg errichtet.[9] Das Gebäude mit einer Gesamtfläche von rund 30.000 m² wird durch Einzelhandelsgeschäfte und Büros genutzt.[10] Das Jannowitz-Center hat Konkurrenz durch große Bürobauten des in der Nähe liegenden Alexanderplatzes, durch das neue Einkaufszentrum Alexa in der Alexanderstraße (2007 eröffnet) und durch den ebenfalls nur eine S-Bahn-Station entfernt liegenden Ostbahnhof mit seinem großen Angebot an Geschäften.
Chinesische Botschaft
Der südlich der Spree über Eck stehende Gebäudekomplex wurde 1988 nach Plänen von Jens Ebert als Sitz des Bundesvorstandes des FDGB errichtet. Nach der Wende und der Abwicklung des Gewerkschaftsbundes wurde das Haus zu einem Kongresszentrum umgebaut, das jedoch bald aufgegeben wurde. Nach dem Hauptstadtbeschluss 1991 zog die chinesische Botschaft 1999 nach Berlin in dieses Gebäude und sanierte es in den folgenden Jahren. Seitdem schmücken eine neue, silberne Außenfassade, viele Bäume und ein chinesischer Löwe das Gebäude. Ein zusätzlicher Hochsicherheitszaun garantiert die Sicherheit für die diplomatische Vertretung der Volksrepublik China. Direkt neben dem Hauptgebäude wurde als Visa-Stelle ein zusätzliches Haus erbaut.[11]
Die Jannowitzbrücke in der Kunst
Adolph Menzel schuf 1859 das Gemälde Daniel Chodowiecki auf der Jannowitzbrücke. Menzel nahm sich darin die künstlerische Freiheit, den 1801 gestorbenen Kupferstecher Daniel Chodowiecki auf der 1822 aus Holz errichteten Jannowitzbrücke beim Zeichnen darzustellen. Menzels Botschaft lautete: „Chodowiecki lebt!“. Das großformatige Bild war sein Geschenk an den sich neu konstituierenden Verein Berliner Künstler.[12]
In einem Antiquariatskatalog ist ein Holzstich Die Jannowitzbrücke mit Ausflugsdampfer und Booten aus dem Jahr 1885 nach Wilhelm Geißler enthalten.[13]
In den Stadtbahnbögen 45 bis 50 unmittelbar an der Jannowitzbrücke befindet sich die Kunstgalerie „Univers“. Hier stellten anlässlich der Biennale 2001 die Künstler Carlos Amorales, Fiona Banner, David Claerbout, Kendell Geers, „Little Warsaw“ (András Gálik / Bálint Havas) und Henrik Håkansson ihre Werke aus.[14]
Literatur
- Norbert Schmidt: Berliner Verkehrsorte im Wandel der Zeit. Jannowitzbrücke. In: Verkehrsgeschichtliche Blätter. 31. Jahrgang, Hefte 5–6, 2004, S. 118–129 (Heft 5) bzw. 163–171 (Heft 6).
- Laurenz Demps: Mit Jannowitz über die Spree / Marginalien zur Entstehung der Jannowitzbrücke. In: Verkehrsgeschichtliche Blätter. 35. Jahrgang, Heft 2 (März/April 2008), 2008, S. 48–56.
- Eckhard Thiemann, Dieter Desczyk, Horstpeter Metzing: Berlin und seine Brücken. Jaron Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-89773-073-1, S. 42–44.
- Uwe Kieling, Günter Schneider: Stadt der Brücken, Berlin. Jaron Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-932202-13-9.
- Neue Berliner Illustrierte (Hrsg.): Brücken in Berlin. Infoseite. Heft 49, 1969, S. 38.
- Frank Eberhardt: Auf, über und unter der Erde. In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 7, 1998, ISSN 0944-5560 (luise-berlin.de).
Weblinks
Einzelnachweise
- Verkehrsmengen LKW 2014. (PDF) Straßenverkehrszählung 2014. 16. Oktober 2015, abgerufen am 16. Oktober 2015.
- Verkehrsstärkenkarte DTV 2014: Kfz in 24 Stunden
- Umbau und Sanierung Jannowitzbrücke Berlin-Mitte. (PDF; 99 kB) (Nicht mehr online verfügbar.) Krebs und Kiefer, archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 10. April 2009 (Detailangaben und Fotos zur Brückenrekonstruktion).
- Jannowitzbrücke FIS-Broker (Karte von Berlin 1:5000 (K5-Farbausgabe)) der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin
- Artikel in: Vossische Zeitung, 30. März 1881
- Sanierung der Jannowitzbrücke. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, abgerufen am 10. April 2009.
- Verkehrserhebung Radzähler für Berlin: Wie viele Radfahrer sind unterwegs? Abgerufen am 5. Februar 2019.
- Berliner Brücken: Geschichte im Gegenlicht. Die Jannowitzbrücke auf www.tagesspiegel.de; abgerufen am 16. November 2018.
- Büro- und Geschäftshaus Jannowitz-Center Brückenstraße 5, 5 A, 6
- Homepage zum Jannowitz-Center, erneut abgerufen am 16. November 2018
- Seite der chinesischen Botschaft
- Museum Georg Schäfer, Öl auf Leinwand, 197 × 113 cm; Bildbeschreibung in: Konrad Kaiser: Adolph Menzel. Der Maler. C. Bertelsmann, Gütersloh 1965, S. 90–92
- Katalog Nr. 105 – Antiquariats-Lagerkatalog Herbst 2006. (PDF; 7,7 MB) (Nicht mehr online verfügbar.) Peter Bierl Buch & Kunst Antiquariat, 2006, archiviert vom Original am 12. Juni 2009; abgerufen am 30. Oktober 2009.
- Info zur 2. Biennale 2001. Univers; abgerufen am 10. April 2009