Stubenrauchbrücke (Bezirk Treptow-Köpenick)
Die Stubenrauchbrücke verbindet die beiderseits der Spree gelegenen Berliner Ortsteile Oberschöneweide und Niederschöneweide im Bezirk Treptow-Köpenick. Es ist eine dreibogige Eisenfachwerkbrücke aus dem Jahr 1908. Genaugenommen sind es seit den 1990er Jahren zwei nebeneinander liegende Brücken, die den Fahrzeug- und den Fußgängerverkehr aufnehmen.
Stubenrauchbrücke | ||
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Nutzung | Straßenverkehr, Fußgänger | |
Überführt | Siemensstraße und Karlshorster Straße | |
Querung von | Spree | |
Ort | Bezirk Treptow-Köpenick Ortsteil Oberschöneweide | |
Konstruktion | dreibogige Stahl- bzw. Stahlbetonbrücke | |
Gesamtlänge | 123,5 m | |
Breite | 14,9 m | |
Längste Stützweite | 56,0 m | |
Höhe | Bogenhöhe ab Fahrbahn etwa 5,0 m | |
Tragfähigkeit | Brückenklasse 30/30 | |
Durchfahrtshöhe | im mittleren Bogen 5,20 m | |
Baukosten | 133.000 Mark[1] | |
Baubeginn | Juli 1907 | |
Fertigstellung | 20. Juni 1908 / Generalreparatur 1959 / Grundinstandsetzung 23. August 1999 | |
Planer | Bauingenieur Karl Bernhard (1908), Ingenieurgesellschaft Gregull + Spang (1999) | |
Lage | ||
Koordinaten | 52° 27′ 44″ N, 13° 30′ 23″ O | |
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Geschichte des Spreeübergangs
Die Entwicklung der Gemeinden Oberschöneweide und Niederschöneweide war am Ende des 19. Jahrhunderts eng an die rasche Expansion der Berliner Großindustrie gekoppelt. Eisenbahn- und Wasserstraßenanschluss boten günstige Bedingungen für Industrieansiedlungen. Zugleich wurden jedoch Wege- und Straßenbauten und deren Anbindung an das Chausseenetz des Kreises Teltow notwendig. Als erste ständige Verbindung zwischen den beiden Spreeufern wurde 1885 mit Mitteln des Kreises eine Kettenfähre eingerichtet.
Die Fährverbindung blieb bis 1891 bestehen und wurde in den Jahren 1890/1891 durch eine Holzbrücke ersetzt, über die auch die Gleise der Industriebahn Oberschöneweide (Bullenbahn) führten und siebzehn neu entstandene Fabriken in Oberschöneweide an die Bahnstrecke Berlin–Görlitz anschlossen. Die 121 Meter lange Brücke über die Spree war eine hölzerne Fachwerkkonstruktion über neun Öffnungen. Die drei mittleren dienten dem Schiffsdurchlass. Neben dieser Brücke entstanden etwa in der gleichen Zeit weitere Spreeübergänge wie der Kaisersteg (1898, Fußgängerbrücke) und die Treskowbrücke (1904), die gemeinsam zu einer Verkehrsentlastung in Schöneweide beitrugen. Die Holzkonstruktion der hier beschriebenen namenlosen Brücke war schnell baufällig geworden und erforderte nach nur zehn Jahren den dringenden Neubau einer festen Spreequerung. Die Landratsverwaltung entschied sich für eine aus drei ungleich langen Bögen konstruierte Stahlbrücke, die auch die Gleise der zu den Fabriken Oberschöneweide verlaufenden Industriebahn aufnehmen mussten. Die von den Berliner Ostbahnen betriebenen Straßenbahnlinien wurden mit dem Neubau ausschließlich über die benachbarte Treskowbrücke geleitet.[2] Die Brückenpläne stammen von dem Berliner Bauingenieur Karl Bernhard. Bei der Einweihung der neuen Brücke erhielt diese den Namen Stubenrauchbrücke nach dem ehemaligen Teltower Landrat Ernst von Stubenrauch.
Bogenbrücke als Stahlkonstruktion
Die realisierte Brücke mit den Stützweiten von 21,5 m, 60,0 m und 21,5 m wurde der Forderung der Spreeschifffahrt von einer Durchfahrtbreite von mindestens 50 m angepasst. Der mittlere große Bogen ist ein Eisen-Fachwerkbogen mit Zugband in der Mittelöffnung, die beiden Bogenteile sind in ihrem 7,90 m hohen Scheitelpunkt miteinander verbunden. Die Seitengewölbe wurden aus Stahlbeton errichtet, was einerseits eine gute Standfestigkeit gewährleistete, andererseits konnten diese gestalterisch dem filigranen Aussehen des Hauptbogens nachempfunden werden. Alle Brücken-Widerlager und Pfeiler erhielten eine Granitverblendung. In den 1920er Jahren rollten täglich bis zu vierzehn Züge der von der Berliner Straßenbahn betriebenen Privatanschlussbahn mit bis zu 130 Achsen über die Stubenrauchbrücke, was zu einer außergewöhnlichen konstruktiven Belastung führte.[3] Eine Dehnung des stählernen Zugbands im Mittelfeld führte am 6. Januar 1925 zur Verkehrssperrung. Nach Abbruch der Fahrbahn und dem Ausheben der Fachwerkbögen wurden von einem Untergerüst aus neue Zugbänder und eine neue Fahrbahn eingebaut.
Zerstörung und Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg
Bei Bombenangriffen am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Brücke durch Treffer in der mittleren und nördlichen Öffnung schwer beschädigt. Eine von sowjetischen Pionieren 1945 über dem nördlichen Feld errichtete Behelfsbrücke sowie Richtarbeiten an der Stahlkonstruktion ermöglichten die Weiternutzung der Brücke. Seit Kriegsende gab es wegen der Zerstörung der Treskowbrücke keine Straßenbahnverbindung zwischen Ober- und Niederschöneweide mehr. Deshalb wurde 1947 eine Straßenbahnstrecke über die Stubenrauchbrücke angelegt, die 1951 nach dem Wiederaufbau der Treskowbrücke wieder aufgegeben wurde.[4][5] Nach der Reparatur der Treskowbrücke erfolgte eine umfassende Wiederherstellung der Stubenrauchbrücke. Bis 1959 erhielt sie weitestgehend ihr altes Aussehen zurück. Der Betrieb der Industriebahn über die Brücke wurde zur gleichen Zeit eingestellt, sodass über die Stubenrauchbrücke nun allein der Autoverkehr geführt wurde.[6] Im Jahr 1969 wurde das Betriebsgleis der Straßenbahn aufgegeben. Da der Nord-Süd-Autoverkehr seit 1971 dauerhaft über die Stubenrauchbrücke umgeleitet wurde, nahm die Verkehrsbelastung hier innerhalb weniger Jahrzehnte weiter zu.
Neben der historischen und inzwischen unter Denkmalschutz gestellten Stubenrauchbrücke[7] ließ der Berliner Senat Anfang der 1990er Jahre 20 Meter spreeabwärts eine parallel verlaufende Stahlbeton-Balkenbrücke bauen, die als Behelfskonstruktion dem Verkehr zwischen Ober- und Niederschöneweide dient. Beide Brückenteile sind Einbahnstraßen. 1994 mussten die Brücken für den Lkw-Verkehr gesperrt werden. In den Jahren 1998 bis 1999 erfolgte mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung eine Grundinstandsetzung der Brücke, die insgesamt 12,5 Millionen Mark kostete.[8] Spezialisten der Ingenieurgesellschaft Gregull + Spang planten die Verstärkung der Metallkonstruktion durch Einbau einer orthotropen Fahrbahnplatte und die Erneuerung korrodierter Metallteile der Hauptöffnung.[9] Auf der Südseite wurde ein neuer, dem nördlichen Brückenbogen entsprechender Betonbogen nach alten Vorlagen eingebaut.[10] Auf dem mittleren Brückenabschnitt wurden mehrere historisierende Straßenleuchten angebracht. Entsprechend einer Kleinen Anfrage der Stiftung Naturschutz an das Berliner Abgeordnetenhaus im Juli 2007 ist ein Rückbau der Behelfsbrücke prinzipiell vorgesehen, es wurden damals aber keine Terminangaben gemacht.[11] Nach der Inbetriebnahme der Minna-Todenhagen-Brücke etwa 800 Meter spreeabwärts kann der Rückbau in Angriff genommen werden.[12]
Literatur
- Eckhard Thiemann, Dieter Deszyk, Horstpeter Metzing: Berlin und seine Brücken. Jaron Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-89773-073-1, S. 102–103.
- Heinze, Thiemann und Demps: Berlin und seine Brücken. VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1987, S. 212.
- Landesdenkmalamt (Hrsg.): Denkmale in Berlin. Ortsteile Nieder- und Oberschöneweide, Bezirk Treptow-Köpenick. Michael Imhof Verlag, 2003, ISBN 3-937251-10-3.
Weblinks
- Stubenrauchbrücke (Bezirk Treptow-Köpenick). In: Structurae
- Längsschnitt der Stubenrauchbrücke auf der Homepage der Fa. Lucke-Umpfenbach, die auch an der Sanierung der Brücke 1999 beteiligt war
Einzelnachweise
- kaufkraftbereinigt in heutiger Währung: rund 840.000 Euro
- Peter Bock et al.: Die Bullen von Oberschöneweide. Eine Industriebahn im Berliner Südosten. In: Verkehrsgeschichtliche Blätter. Heft 4, 2003, S. 89.
- Peter Bock et al.: Die Bullen von Oberschöneweide, S. 91.
- Neues von der BVG. In: Berliner Zeitung, 22. Juli 1947, S. 6.
- Neue Verkehrsverbindungen. In: Berliner Zeitung, 31. Juli 1951, S. 6.
- Peter Bock et al.: Die Bullen von Oberschöneweide, S. 95.
- Baudenkmal Stubenrauchbrücke (Schöneweide)
- Freie Fahrt über die Spree? In: Müggelheimer Bote, Ausgabe 09/99, abgerufen am 1. April 2009
- Homepage von Gregull + Spang mit Informationen zur Sanierung der Stubenrauchbrücke; abgerufen am 1. April 2009
- Stubenrauchbrücke wird gesperrt. Sanierung behindert Verkehr von Köpenick nach Treptow. In: Berliner Zeitung, 14. März 1998; abgerufen am 1. April 2009
- Anfrage vom Juli 2007 zum Rückbau der Behelfsbrücke neben der Treptower Stubenrauchbrücke (Memento vom 18. Oktober 2007 im Internet Archive); abgerufen am 1. April 2009
- Pressemitteilung. Bezirksamt Treptow-Köpenick, 26. August 2015