Helene Mayer
Helene Mayer, seit 1952 verheiratete Falkner von Sonnenburg (* 20. Dezember 1910 in Offenbach am Main; † 15. Oktober 1953 in Heidelberg), war eine deutsch-amerikanische Fechterin. Sie wurde sechsfache deutsche Einzelmeisterin, Weltmeisterin und Olympiasiegerin und gilt als eine der bedeutendsten Fechterinnen aller Zeiten.
Helene Mayer Medaillenspiegel | ||
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Helene Mayer (rechts) bei der Siegerehrung 1936 gemeinsam mit Ellen Preis (links) und Ilona Elek (Mitte) | ||
Deutsches Reich / Deutsches Reich / Vereinigte Staaten | ||
Olympische Spiele | ||
1928 Amsterdam | Florett | |
1936 Berlin | Florett | |
Internationale Meisterschaften | ||
Gold | 1929 Neapel | Florett |
Gold | 1931 Wien | Florett |
Weltmeisterschaften | ||
Gold | 1937 Paris | Florett |
Silber | 1937 Paris | Florett-Mannschaft |
Deutsche Meisterschaften | ||
Gold | 1925 | Florett |
Gold | 1926 | Florett |
Gold | 1927 | Florett |
Gold | 1928 | Florett |
Gold | 1929 | Florett |
Gold | 1930 | Florett |
US-amerikanische Meisterschaften | ||
Gold | 1934 | Florett |
Gold | 1935 | Florett |
Gold | 1937 | Florett |
Gold | 1938 | Florett |
Gold | 1939 | Florett |
Gold | 1941 | Florett |
Gold | 1942 | Florett |
Gold | 1946 | Florett |
Leben
Die Arzttochter erlernte das Fechten bei Arturo Gazzera[1] in Offenbach am Main, im Fechtclub Offenbach.[2] Mayer gewann 1925 die deutsche Meisterschaft im Florettfechten und errang bis 1930 sechs nationale Meistertitel. 1928 gewann die blonde Hee,[1] so ihr Spitzname, bei den Olympischen Spielen in Amsterdam die Goldmedaille[3] und siegte bei den Europameisterschaften 1929 in Neapel und 1931 in Wien. Seit 1929 studierte sie internationales Recht in Frankfurt am Main, in den Jahren 1930 bis 1931 an der Sorbonne in Paris. Später erhielt sie ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes für das kalifornische Scripps College und erreichte bei den Olympischen Spielen 1932 in Los Angeles einen fünften Platz, obwohl sie zuvor wenig trainiert hatte. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde der großen, blonden und blauäugigen Mayer das Stipendium aus „rassischen“ Gründen entzogen (sie war nach dem Reichsbürgergesetz „Halbjüdin“, da ihr Vater Jude war), und der Offenbacher Fechtclub wurde gedrängt, dass sie den Klub zu verlassen habe.[3]
Auf Drängen der amerikanischen Öffentlichkeit und auf Intervention des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) startete sie 1936 bei den Olympischen Spielen in Berlin für Deutschland und gewann hier die Silbermedaille im Florettfechten. Diese Entscheidung brachte Mayer, die zu dieser Zeit bereits in den USA lebte, auch Kritik ein. Thomas Mann und andere hatten an Mayer, die damals bereits seit Jahren in Übersee lebte, appelliert, nicht in den Dienst des NS-Regimes zu treten. Victor Klemperer notierte am 13. August 1936 in seinem Tagebuch: „ich weiß nicht, wo die größere Schamlosigkeit liegt, in ihrem Auftreten als Deutsche des Dritten Reichs oder darin, daß ihre Leistung für das Dritte Reich in Anspruch genommen wird“.[4]
In der Reichspressekonferenz wurde bei ihrer Rückkehr nach Deutschland verfügt, dass nur Zeitungen in Hamburg (wo sie ankam) und Offenbach über ihre Rückkehr berichten durften, da man wegen ihres Status als Halbjüdin ihren Start im Reich (im Gegensatz zum Ausland) nicht propagieren wollte.[5] Mayer betonte jedoch, es sei für sie eine Ehre, für Deutschland zu fechten. Mayer gewann die Silbermedaille und zeigte bei der Siegerehrung im Olympiastadion den Hitlergruß. Hitler soll sie bei einem Empfang in der Reichskanzlei anschließend als „beste und fairste Sportlerin der Welt“ bezeichnet haben. Als die Regisseurin Leni Riefenstahl 1938 zum Zwecke der Werbung für ihren Film Olympia durch die USA reiste, war Mayer dabei.[6]
1937 feierte Mayer in Paris den Sieg bei der ersten Fechtweltmeisterschaft. Unmittelbar danach siedelte sie in die USA über und erhielt 1940 die amerikanische Staatsbürgerschaft. In den Jahren 1934–1935, 1937–1939, 1941–1942, und 1946 wurde sie acht Mal US-Meisterin im Florett. 1947 war ihre einzige Teilnahme ohne Sieg, als sie Helena Mroczkowska Dow unterlag. Bereits 1933 gewann sie die Outdoor-Meisterschaft. In dieser Zeit war sie auch Dozentin für Deutsch, Französisch und Italienisch am Mills College in Oakland (Kalifornien). Dort gab sie auch Fechtunterricht, während sie sich auf ihr Diplom an der University of California in Berkeley vorbereitete. Anschließend lehrte sie politische Wissenschaft am City College von San Francisco. 1952 kehrte sie nach Deutschland zurück. In München heiratete sie den Flugingenieur Erwin Falkner von Sonnenburg und zog mit ihm nach Heidelberg.
Am 15. Oktober 1953 starb Helene Mayer an Brustkrebs. An ihrem Grab sagte Karl Ritter von Halt, Präsident des Nationalen Olympischen Komitee Deutschlands: „Wir danken Dir, liebe, gute Hee, was Du für den deutschen Sport getan hast.“ Sie wurde auf dem Münchener Waldfriedhof beigesetzt.
Ehrungen
- Die Deutsche Bundespost emittierte aus Anlass der Olympischen Sommerspiele von 1968 in Mexiko-Stadt im Rahmen einer Sonderserie eine 30 + 15 Pfennig-Sondermarke mit dem Porträt Mayers.
- Der Helene-Mayer-Ring im Olympischen Dorf in München wurde 1972 anlässlich der Olympischen Spiele zu ihren Ehren benannt.[3]
- In Offenbach wurde eine Nebenstraße zwischen Bahndamm und Isenburgring, wo Helene Mayers Verein, der Fechtclub Offenbach, lange sein Domizil hatte, nach ihr benannt.
- Mitglied der US Fencing Hall of Fame.
Literatur
- Arthur Lane remembers Helene Mayer 1936–1953. Oral history transcript / 1992, OCLC 214941770
- Jutta Braun: Helene Mayer. Eine jüdische Sportlerin in Deutschland, in: Theresia Bauer, Elisabeth Kraus, Christiane Kuller und Winfried Süß (Hrsg.): Gesichter der Zeitgeschichte. Deutsche Lebensläufe im 20. Jahrhundert, R. Oldenbourg Verlag München 2009, ISBN 978-3-4865-8991-7, S. 85–102.
- Arnd Krüger: Die Olympischen Spiele 1936 und die Weltmeinung. Ihre außenpolitische Bedeutung unter besonderer Berücksichtigung der USA. (Sportwissenschaftliche Arbeiten, Bd. 7) Bartels & Wernitz Berlin 1972, ISBN 978-3-8703-9925-2.
- Arnd Krüger, Swantje Scharenberg: Zeiten für Helden – Zeiten für Berühmtheiten im Sport, Lit Verlag, Münster 2014, ISBN 978-3-6431-2498-2, S. 14 f. (eingeschränkte Vorschau)
- Milly Mogulof: Foiled, Hitler’s Jewish olympian. The Helene Mayer story. RDR Books, Oakland (Kalifornien) 2002. ISBN 978-1-5714-3092-2.
- Janet Woolum: Outstanding Women Athletes. Who They are and how They Influenced Sports in America, Greenwood Publishing Group, Westport, CN, USA, 1998, S. 193.
- Robert Jütte: Die Frage an das Schicksal. In: Neue Zürcher Zeitung. 9. Januar 2018, S. 40.
- Gespräch mit Helene Mayer, der Olympiasiegerin. In: Neues Wiener Journal, 28. März 1929, S. 5 (online bei ANNO).
Film
- What If? (The Helena Mayer Story) in der Internet Movie Database (englisch), Dokumentarfilm, USA, 2008, 47:18 Min., Buch und Regie: Semyon Pinkhasov. (Ausschnitt)
Weblinks
- Andreas Schirmer: Mayer, Helene. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 16, Duncker & Humblot, Berlin 1990, ISBN 3-428-00197-4, S. 541 f. (Digitalisat).
- Helene Mayer im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
- Helene Mayer in der Datenbank von Olympedia.org (englisch)
- Anjali Pujari: Helene Mayer (1910–1953): Fechten war ihr Leben – Zum 100. Geburtstag der jüdischen Sportlerin (Memento vom 5. März 2016 im Internet Archive)
- Historie Fechtweltmeisterschaften (Damen-Florett) von sport-komplett.de
- Historie Deutsche Fechtmeisterschaften von sport-komplett.de
- Mayer, Helene, US Fencing Hall of Fame
- Mayer, Helene. Hessische Biografie. (Stand: 14. Februar 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Mayer, Helene im Frankfurter Personenlexikon
- Andrea Kath: Helene Mayer, Fechterin (Geburtstag 20.12.1910) In: ZeitZeichen auf WDR 5 vom 29. Dezember 2020, ARD Audiothek, abgerufen am 20. Juli 2021.
Einzelnachweise
- vgl. Kluge, Volker: 100 Olympische Highlights: Momentaufnahmen Athen 1896 – Atlanta 1996. Berlin: Sportverl., 1996, ISBN 3-328-00678-8.
- Geschichte des Fechtclub Offenbach. Fechtclub Offenbach von 1863 e.V., abgerufen am 16. Oktober 2013.
- Waldemar Krug: „… und ich bleibe für immer“. In: faz.net. 18. November 2010, abgerufen am 22. Juli 2021.
- Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933–1945. 10., neu durchgesehene Auflage. Aufbau, Berlin 1998, Band 2 (Tagebücher 1935–1936), S. 122–123.
- Arnd Krüger: The Ministry of Popular Enlightenment and Propaganda and the Nazi Olympics of 1936. In: R. K. Barney, K. B. Wamsley u. a. (Hrsg.): Global and Cultural Critique: Problematizing the Olympic Games (4th International Symposium for Olympic Research). London, Ont.: University of Western Ontario, 1998, S. 33–48 (PDF).
- Olympia 1936 – Der boykottierte Boykott. SPIEGEL ONLINE, 17. März 2008, abgerufen am 3. Februar 2015.
- Angelika Ohliger: Mit elegantem Florett. In: Frankfurter Rundschau. 1. November 2010, abgerufen am 14. März 2016.
- Anjala Pujari: Helene Mayer (1910 – 1953): Fechten war ihr Leben. (PDF; 9,5 MB) In: Landesarchiv Hessen. Oktober 2010, S. 41–42, abgerufen am 5. August 2016.
- Lothar R. Braun: Zur Emigration gedrängt. In: op-online.de. 31. Oktober 2010, abgerufen am 29. Juni 2021.