Gyula Andrássy
Gyula (Julius) Graf Andrássy von Csíkszentkirály[1] und Krasznahorka der Ältere [ˈɟulɒ ˈɒndraːʃi] (* 8. März 1823 in Kaschau, Komitat Abaúj; † 18. Februar 1890 in Volosca, Österreichisches Küstenland) war ein ungarischer Magnat, Aufständischer gegen Habsburg und führender Politiker in der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie.
Leben
Gyula Andrássy entstammte einer alten ungarischen Magnatenfamilie. Sein Vater Károly Andrássy (1792–1845), Großgrundbesitzer und Politiker war mit Etelka Szapáry (1798–1876) verheiratet. Nach beendetem Universitätsstudium und nach Reisen ins Ausland wurde er in den Pressburger Reichstag von 1847/48 gewählt und vom neuen ungarischen Ministerium zum Obergespan des Komitats Zemplén gewählt.
Als leidenschaftlicher Patriot nahm er 1848 aktiv an der ungarischen Revolution gegen die Habsburger unter Führung von Lajos Kossuth teil. Andrássy war Anführer des Zempléner Landsturms im Kampf gegen die kaiserlichen Truppen bei Schwechat sowie ungarischer Gesandter in Istanbul. Nach Niederschlagung der ungarischen Revolution 1850 wurde er in Abwesenheit zum Tode durch den Strang verurteilt. Er flüchtete nach Paris, wo er die Comtesse Katharina Kendeffy heiratete, und zog später nach London. In Paris ist er in die Freimaurerloge Le Mont Sinai aufgenommen worden.
Durch Verwendung seiner Mutter[2] durfte er 1860 wieder nach Ungarn zurückkehren. Während seiner Zeit im Exil veränderte sich Andrássys Einstellung zur ungarischen Frage: Angesichts des Panslawismus zweifelte er zunehmend an der Überlebensfähigkeit eines eigenständigen Ungarns und setzte sich für den Verbleib in der österreichischen Monarchie ein, allerdings mit erweiterten Rechten für den ungarischen Reichsteil. 1861 wurde Andrássy Abgeordneter im ungarischen Reichstag, wo er zusammen mit Ferenc Deák zum Meinungsführer für den Verbleib im Habsburgerreich wurde.
Bei der Reorganisation der Monarchie durch den österreichisch-ungarischen Ausgleich wurde Andrássy am 17. Februar 1867 zum ungarischen Ministerpräsidenten gewählt. In den folgenden Jahren betrieb er innerhalb des ungarischen Reichsteils eine entschiedene Magyarisierungspolitik, vor allem auf Kosten der kroatischen Minderheit. Er genoss das besondere Vertrauen des Kaiserpaares Franz Joseph und Elisabeth. Er begleitete beide zur Pariser Weltausstellung und zur Eröffnung des Sueskanals. Nach der Amtsenthebung Friedrich Ferdinand von Beusts wurde Andrássy am 14. November 1871 zum Minister des Äußeren und des kaiserlichen Hauses ernannt. Schon im Deutsch-Französischen Krieg 1870–1871 war Andrássy für die strikte Neutralität der Monarchie eingetreten. Die Aufrechterhaltung der guten Beziehungen zum Deutschen Reich blieb auch fortan das Hauptziel seiner Tätigkeit. Mit mehreren Initiativen versuchte er den russischen Einfluss auf dem Balkan einzudämmen.
1872 nahm er in Berlin am Dreikaisertreffen teil, 1874 begleitete er den Kaiser nach Sankt Petersburg, 1875 nach Venedig zum Treffen mit dem italienischen König Viktor Emanuel II., 1876 zum Treffen mit dem russischen Zaren in Reichstadt. Ein Aufstand in Bosnien und Herzegowina gab ihm 1876 den Anlass zu einer Note an die Hohe Pforte (die Regierung des Osmanischen Reiches) bezüglich der flüchtigen Christen.
Während der Balkankrise, d. h. der Kriege der Türkei mit Serbien und Montenegro und dann mit Russland, leitete er die österreichisch-ungarische Politik im Sinne der Neutralität. Der Vertrag von San Stefano 1878 trübte das Verhältnis zu Russland. Andrássy erhielt von den Delegationen einen Kredit von 60 Millionen Gulden und arbeitete nun dahin, dass der Friedensvertrag von San Stefano einem europäischen Kongress unterbreitet wurde, der im Juni 1878 in Berlin zusammentrat und an dem er als erster Bevollmächtigter teilnahm. Dort bewirkte er, dass Österreich von den Großmächten das Mandat zur Besetzung von Bosnien und der Herzegowina übertragen wurde. Am 8. Oktober 1879 trat er von seinem Ministerposten zurück, nachdem er seiner Tätigkeit durch den Zweibund mit dem Deutschen Kaiserreich einen je nach Ansicht glänzenden oder aber verhängnisvollen Abschluss gegeben hatte. Offiziell gab er gesundheitliche Gründe für diesen Schritt an. Eine Rolle dürfte auch gespielt haben, dass der russische Einfluss, den er jahrzehntelang bekämpft hatte, auch auf Ungarn überzugreifen begann.
Andrássy war Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Pest. Die Empfehlung zum Ehrenmitglied der Akademie war seinerzeit damit begründet worden, dass Andrássy zwar nicht Geschichte geschrieben, aber Geschichte gemacht habe. Er starb in der Villa Minach in Voloska an Krebs, den sein Arzt Dr. Antal mittels elektrischer Beleuchtung der Blase diagnostiziert hatte. Seine sterblichen Überreste wurden auf sein Herrschaftsgut nach Tőketerebes überführt und in einem (später) im Schlosspark errichteten Mausoleum bestattet.
Familie
Am 9. Juli 1856 heiratete Andrássy in Paris die Gräfin Katharina (Katalin) Kendeffy (* 1830, †1896). Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor:
- Theodor (Tivadar; * 10. Juli 1857 in Paris, † 13. Mai 1905 in Budapest) ∞ Eleonora Gräfin Zichy (* 1867, † 1945)[4]
- Ilona (* 1858, † 1952) ∞ Lajos Graf Batthyány (* 1860, † 1951)
- Gyula der Jüngere (* 1860, † 1929) ∞ (ab 1909) Eleonora Gräfin Zichy (* 1867, † 1945)[4]
Auch sein Sohn Gyula Andrássy der Jüngere war ein führender ungarischer Politiker und wurde vom letzten österreichischen Kaiser Karl I. wenige Tage vor dem Ende der Monarchie zum Außenminister ernannt.
Ehrung
- Gyula Andrássy ist Namensgeber der Budapester Prachtstraße Andrássy út sowie der deutschsprachigen Andrássy Universität in Budapest.
- Auf der Südseite des Budapester Parlamentsgebäudes wurde 1906 eine Andrássy-Reiterstatue aufgestellt. Sie war ein Werk des ungarischen Bildhauers György Zala (*1858, † 1937). 1945 wurde aus politisch-ideologischen Gründen die Statue abgetragen und eingeschmolzen. Das Material wurde für eine riesige Stalin-Statue verwendet, die im Budapester Stadtwäldchen aufgestellt wurde. Auf Beschluss der ungarischen Regierung wurde eine Rekonstruktion des demolierten Andrássy-Denkmals gefertigt, die 2016 auf der Stelle des alten Denkmals aufgestellt wurde.
Literatur
- Constantin von Wurzbach: Andrássy, Julius Graf. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 22. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1870, S. 464 (Digitalisat).
- Hermann Dechent: Andrássy: Graf Julius A. v. Csík-Szentkirály und Krasznahorka. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 46, Duncker & Humblot, Leipzig 1902, S. 1–10.
- Hellmuth Rössler: Andrassy, Julius Graf von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 274 f. (Digitalisat).
- Andrássy, Julius d. Ä. Graf. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 1, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1957, S. 20 f. (Direktlinks auf S. 20, S. 21).
- Friedrich Gottas: Andrássy, Gyula d. Ä. Graf, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. München 1974, S. 65–67
- Rainer F. Schmidt: Graf Julius Andrássy. Vom Revolutionär zum Außenminister. (=Persönlichkeit und Geschichte, Band 145/146) Muster-Schmidt, Göttingen 1995, ISBN 3-7881-0144-X.
Weblinks
- Literatur von und über Gyula Andrássy im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag zu Gyula Andrássy im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Nachruf auf Gyula Andrássy. In: Neue Freie Presse, 19. Februar 1890, S. 1 (online bei ANNO).
- Andrássy Denkmal neu errichtet (ungarisch)
- Aus einem Teil der ehem. Stalin-Statue entstand das neue Andrássy-Denkmal (ungarisch)
Einzelnachweise
- Der Name geht auf die Ortschaft Csíkszentkirályi in Siebenbürgen (Szeklerland) in der ehemaligen Gespanschaft Csík zurück. Gemäß Familienchronik haben die Andrássys hier ihre Wurzeln. Seit dem Vertrag von Trianon gehört die Ortschaft heute zu Rumänien und hat 2526 Einwohner (2011).
- Etelka Szapáry war Stiftsdame beim Sternkreuzorden und unterhielt gute Beziehungen zur Kaiserin Elisabeth.
- Das Mausoleum wurde auf Veranlassung seiner Witwe Katalin Kendeffy errichtet, die Bauarbeiten waren im Jahre 1893 abgeschlossen.
- Aus der Ehe mit Theodor Andrássy gingen vier Mädchen hervor: Ilona (* 1886, † 1967), Barbara (* 1890, † 1968), Katharina (* 1892, † 1985) und Klára (* 1898, † 1941). Katharina (ung. Katalin) wurde als die "die rote Gräfin" bezeichnet, da sie Mihály Károlyi (* 1875, † 1955) den Ministerpräsidenten der "Asternrevolution" heiratete. Eleonora Zichy heiratete nach dem Tode ihres ersten Mannes ihren Schwager Gyula Andrássy den Jüngeren.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Friedrich Ferdinand von Beust | k.u.k. Außenminister 14. Nov. 1871 – 2. Okt. 1879 | Heinrich Karl von Haymerle |
Menyhért Lónyay | k.u.k. Finanzminister (interim.) 14. Nov. 1871–15. Jän. 1872 | Ludwig von Holzgethan |
Ludwig von Holzgethan | k.u.k. Finanzminister (interim.) 12. Jun. 1876–14. Aug. 1876 | Leopold Friedrich von Hofmann |