Gaußsches Einheitensystem

Das gaußsche Einheitensystem, auch gaußsches CGS-System oder natürliches Einheitensystem genannt, ist ein physikalisches Einheitensystem, das auf dem CGS-System der Mechanik aufbaut und dieses um elektromagnetische Einheiten ergänzt. Von allen CGS-Systemen der Elektrodynamik ist das gaußsche System das gebräuchlichste. Es ist eine Kombination aus dem elektrostatischen Einheitensystem, das die elektrischen Größen ausgehend vom Coulomb’schen Kraftgesetz mit den mechanischen Größen verknüpft, und dem elektromagnetischen Einheitensystem, das auf dem Ampère’schen Kraftgesetz beruht.

Es sollte hier klar darauf hingewiesen werden, dass der Unterschied zwischen dem gaußschen System und dem Internationalen Einheitensystem (SI) nicht lediglich eine Frage der Einheiten ist, sondern dass die Größen in den beiden Systemen anders eingeführt und damit auch in anderen Einheiten gemessen werden. Streng genommen handelt es sich in den beiden Begriffssystemen also um unterschiedliche Größensysteme.

Verwendung

In der heutigen Praxis wird das gaußsche Einheitensystem kaum noch in Reinkultur angewandt, insbesondere die Einheiten Statvolt und Statcoulomb werden kaum mehr verwendet. Weit häufiger wird eine Mischung aus gaußschen und Einheiten des MKS-Systems benutzt, in der etwa die elektrische Feldstärke in Volt pro Zentimeter angegeben wird.

In der theoretischen Physik wird das gaußsche Einheitensystem gegenüber dem MKSA-System häufig bevorzugt, weil dadurch elektrisches und magnetisches Feld identische Einheiten erhalten, was logischer ist, da diese Felder nur verschiedene Komponenten des elektromagnetischen Feldstärketensors sind. Sie gehen durch Lorentztransformation auseinander hervor, sind also nur verschiedene „Ausprägungen“ des Elektromagnetismus allgemein und keine prinzipiell trennbaren Erscheinungen. Des Weiteren taucht in dieser Formulierung der Maxwell-Gleichungen die Lichtgeschwindigkeit als Faktor auf, was bei relativistischen Betrachtungen hilfreich ist.

Für manche Anwendungen werden gaußsche Einheiten, wie zum Beispiel Gauß für die magnetische Flussdichte, gegenüber den entsprechenden SI-Einheiten bevorzugt, weil dann die Zahlenwerte handlicher sind. Zum Beispiel ist das Erdmagnetfeld von der Größenordnung 1 Gauß.

Transformationsformeln

Im Folgenden sind die Formeln zur Transformation einer im Begriffssystem von Gauß (ohne Stern) gegebenen Formel in das Internationale Einheitensystem (mit Stern) aufgelistet. Man erkennt, dass es sich nicht nur um eine einfache Änderung der Einheiten handelt.

Im SI sind zwei Feldkonstanten – die elektrische und die magnetische Feldkonstante  – notwendig, die über die Lichtgeschwindigkeit miteinander verknüpft sind: . Im gaußschen System hingegen ist nur die eine Konstante erforderlich.

Es gelten die Zusammenhänge

elektrische Feldstärke magnetische Flussdichte
elektrische Flussdichte magnetische Feldstärke
Raumladungsdichte elektrische Stromdichte

Daraus ergeben sich u. a. die Umrechnungsformeln für die Materialgrößen elektrische Polarisation bzw. Magnetisierung

sowie leicht unterschiedliche Formen der Maxwell-Gleichungen[1] (→ siehe CGS-Einheitensystem#Formulierung der Maxwell-Gleichungen).

Vergleich mit anderen Systemen

Größe Einheit in Basiseinheiten
SI esE Gauß emE SI Gauß
Ladung Q 1 Coulomb (C) = A·s 3·109statC (Fr) 10−1abC A·sg1/2·cm3/2·s−1
Stromstärke I 1 Ampere (A) = C/s 3·109statA 10−1abA (Bi) Ag1/2·cm3/2·s−2
Spannung U 1 Volt (V) = W/A 13·10−2statV 108abV kg·m2·s−3·A−1g1/2·cm1/2·s−1
elektrische Feldstärke E 1 V/m = N/C 13·10−4statV/cm 106abV/cm kg·m·s−3·A−1g1/2·cm−1/2·s−1
elektrische Flussdichte D 1 C/m2 4π·3·105statC/cm2 4π·10−5abC/cm2 A·s·m−2g1/2·cm−1/2·s−1
Polarisation P 1 C/m2 3·105statC/cm2 10−5abC/cm2 A·s·m−2g1/2·cm−1/2·s−1
elektrisches Dipolmoment p 1 C·m 3·1011statC·cm    101abC·cm A·s·mg1/2·cm5/2·s−1
Widerstand R 1 Ohm (Ω) = V/A 19·10−11s/cm 109abΩ kg·m2·s−3·A−2cm−1·s
Elektrischer Leitwert G 1 Siemens (S) = 1/Ω 9·1011cm/s 10−9s/cm kg−1·m−2·s3·A2cm·s−1
spezifischer Widerstand ρ 1 Ω·m 19·10−9s 1011abΩ·cm kg·m3·s−3·A−2s
Kapazität C 1 Farad (F) = C/V 9·1011cm 10−9abF kg−1·m−2·s4·A2cm
Induktivität L 1 Henry (H) = Wb/A 19·10−11statH 109abH (cm) kg·m2·s−2·A−2cm−1·s2
magnetische Flussdichte B 1 Tesla (T) = Wb/m2 13·10−6statT 104G kg·s−2·A−1g1/2·cm−1/2·s−1
magnetischer Fluss Φ 1 Weber (Wb) = V·s 13·10−2statT·cm2 108G·cm2 (Mx) kg·m2·s−2·A−1g1/2·cm3/2·s−1
magnetische Feldstärke H 1 A/m 4π·3·107statA/cm 4π·10−3Oe A·m−1g1/2·cm−1/2·s−1
Magnetisierung M 1 A/m 3·107statA/cm 10−3Oe A·m−1g1/2·cm−1/2·s−1
magnetische Durchflutung Θ 1 A 4π·3·109statA 4π·10−1Oe·cm (Gb) Ag1/2·cm1/2·s−1
magnetisches Dipolmoment m 1 A·m2 = J/T 3·1013statA·cm2 103abA·cm2 (= erg/G) m2·Ag1/2·cm5/2·s−1

Die beim esE auftretenden Faktoren 3 und 9 (bzw. 13 und 19) ergeben sich aus dem Zahlenwert der Lichtgeschwindigkeit c in cm/s und sind gerundet. Vor der Revision des SI von 2019, als das Ampere noch über das ampèresche Kraftgesetz definiert war, betrug der Wert exakt 2,99792458 bzw. das Quadrat dieser Zahl. Die Zehnerpotenzen ergeben sich daraus, dass „Volt“ und „Ohm“ ursprünglich als 108 bzw. 109 emE-Einheiten definiert wurden.

Literatur

  • A. Lindner: Grundkurs Theoretische Physik. B.G. Teubner, Stuttgart 1994, S. 173 f.

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. Siehe z. B. U. Krey, A. Owen: Basic Theoretical Physics – A Concise Overview. Springer, Berlin 2007, Kapitel 16.1.
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