Gans’scher Adelshof
Der Gans’sche Adelshof war ein innerstädtischer Adelssitz im heutigen Groß-Umstadt, Landkreis Darmstadt-Dieburg, in Hessen. Er ist nach dem Adelsgeschlecht der Gans von Otzberg benannt, die zahlreichen Allodial- und Lehensbesitz in der Gegend besaßen und sich nach dem nahen Otzberg und seiner Veste, auf der sie Burgmannen waren, benannten.
Gans'scher Adelshof | ||
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Ostflügel des Herrenhauses auf einer alten Ansicht | ||
Alternativname(n) | Praunheim’scher Hof, Gans von Otzberg’scher Adelshof, Gans’scher Hof, Gans’sches Palais[1] | |
Staat | Deutschland (DE) | |
Ort | Groß-Umstadt | |
Entstehungszeit | ca. 13. Jh., urk. 1480 | |
Burgentyp | Stadtburg, Adelssitz | |
Erhaltungszustand | mehrfach umgebauter Adelshof | |
Ständische Stellung | niederer Adel | |
Geographische Lage | 49° 52′ N, 8° 56′ O | |
Höhenlage | 111 m ü. NN | |
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Lage
Der adelige Hof befand sich einst an der Südostecke der Stadtmauer des alten Umstadt. Er war einer der sieben Adelssitze der Stadt im Mittelalter, die innerhalb der Befestigung der Altstadt an markanten Punkten zur Sicherung der Stadt errichtet waren. Als einziger befand er sich im südöstlichen Teil der Altstadt, während alle anderen sechs Adelssitze bzw. Burgen sich vom nordwestlichen bis nordöstlichen Ende der Stadtmauer konzentrierten.
Geschichte
Seine Entstehung kann urkundlich erst seit dem Hochmittelalter dokumentiert werden. 1263 war der Adelssitz vermutlich im Besitz eines Konrad Klebitz, 1396 wird Henn, auch Clebiz von Nalsbach,[2] genannt, der 1452 starb und mit Margarethe von Frankenstein verheiratet war. 1463 heiratete die Tochter Margarethe Klebitz von Nalsbach in erster Ehe Contz von Habern. Einer von beiden brachte vermutlich das Anwesen in die Ehe ein. 1480 nach dem Tode Contz von Haberns heiratete sie in zweiter Ehe Philipp von Bommersheim-Praunheim.[3] Sein 1509 geborener Sohn Heylmann (auch Heilmann) von Praunheim-Bommersheim war mit Lucie Schad von Ostheim verheiratet. Er starb am 1. Oktober 1533 (oder 1531). Sein gut leserliches Epitaph befindet sich heute in der Stadtkirche von Umstadt. Sein Sohn Jacob von Praunheim ehelichte 1528 Anna von Gemmingen. Ab 1480 können nun Besitzverhältnisse urkundlich direkt ausgewiesen werden: Achtzig Jahre war das Adelsgeschlecht der von Praunheim-Bommersheim Eigentümer. Nach dem Tod Jacob von Praunheims am 22. September 1560 heiratet Anna in zweiter Ehe 1561 Melchior von Grorodt[4][5][6] Sie starb 1577. Annas Tochter aus erster Ehe und ihr Mann Heinrich von Obentraut scheinen kein Interesse am Besitz gehabt zu haben.
Urkundlich wird der Hof wieder am 1. Mai 1575 mit dem Verkauf an die Witwe (eine geborene Groschlag zu Dieburg) und Kinder des verstorbenen Heinrich Schelm von Bergen.
Von etwa um 1600 bis 1694 sind dann die Namenspatrone des Adelssitzes, die Gans von Otzberg, die weiteren Besitz am Marktplatz hatten, bis zu ihrem Aussterben Besitzer des Anwesens. Zwischen 1592 und 1604 erwarb dabei Adam Gans von Otzberg das Anwesen und vererbte es an seinen Sohn Johann Pleickard, letzter Adelssproß der Gans von Otzberg, der kinderlos am 25. Mai 1694 im stolzen Alter von 75 Jahren starb. Er fand seinen Platz unter dem Chor der Stadtkirche. Seinen Besitz erbte seine Witwe Maria Katharina Geyling von Altheim.
Diese veräußerte es am 31. Mai 1770 an Valentin Blum, Hofmann der von Curti, die als Amtmänner der Kurpfalz im nahen Curti-Schloss residierten.[7]
Nur zehn Jahre später, 1780, erwarb der bürgerliche Umstädter Zweig Ganß, in Gestalt des Brauereibesitzers Georg Bernhard Ganß, den Hof und erneuerte das Anwesen, in deren Besitz es bis in das Zwanzigste Jahrhundert hinein blieb. Bis 1913 wurde dann im ehemaligen Adelshof Bier für die Umstädter Schwanenbrauerei gebraut.
Baubeschreibung
Der ausgedehnte ehemalige Adelshof hat ein zweiflügliges Herrenhaus. Es hat die Form eines nach Osten mit der langen Seite und nach Norden mit der kurzen Seite ausgerichteten L's. Der Nord-Süd ausgerichtete Westflügel wird als der Ältere angesehen. Er ist zweigeschossig mit Satteldach. An seiner Stirnseite führt ein gewölbtes Portal in die geräumigen Keller. Er wird von einem Allianzwappen gekrönt. Ein Wappen ist fast total verwittert, wird aber der Familie von Gemmingen zugeordnet. Das andere Wappen zeigt die Familie Praunheim-Bommersheim. Der längere in West-Ost-Richtung ausgerichtete Ostflügel ist ein einfaches Rechteck. Das massive zweigeschossige Untergeschoss stammt aus dem 16. Jahrhundert und besitzt ein um 1780 vollständig erneuertes Obergeschoss aus verputztem Fachwerk. In Richtung Westflügel steht eine barocke rechteckige Eingangstür, die ebenfalls über dem Portalstein von einem Doppelwappen verziert ist, aber nicht in Zusammenhang damit steht. Das heraldisch rechte Wappen wird Hans Gans von Otzberg zu Habitzheim zugeordnet, das linke als redendes Wappen seiner Ehefrau, einer Wildentin von Heckendorf, eine Hecke oder Reisiggeflecht darstellend.
Die im Hof nach Osten versetzte und ebenfalls an die Stadtmauer anlehnende mächtige dreigeschossige Scheune, bestehend aus einem gemauerten Untergeschoss aus dem roten Odenwälder Sandstein und einem Fachwerkobergeschoss, stammt aus der Zeit des Umbaus des Ostflügels. Zwischen Scheune und Ostflügel des Herrenhauses befand sich der wohl zur Stadtmauer gehörende Schrannenturm bzw. Kleiner Blauer Hut genannte Turm. Es wird vermutet, dass er zur Lagerung von Vorräten diente. Der Turm, nach seiner Schieferbedeckung so benannt, wurde 1808 abgerissen. Zwei kleinere zusammenhängende Nebengebäude befanden sich angelehnt an die nördliche Hofummauerung zur heutigen Brunnengasse und waren wohl über die heute zugemauerte Sandsteinpforte von 1524 zu betreten.
- Eingangsportal und Umfassungsmauer des ehemaligen Adelshofes mit Blick entlang der heutigen Brunnengasse (im Bild links) Richtung Osten. Die vorbildlich als Wohnhaus restaurierte ehemalige Scheune (im Hintergrund) gehörte früher mit zum Anwesen.
- Eingangsportal und Herrenhaus, Blick von der Brunnengasse aus Richtung Markt nach Süden
- Blick in West-Ost Richtung von der ehemaligen Judengasse zum Westflügel des Herrenhauses, der an die südliche Stadtmauer angelehnt war und deren Verlauf hier noch zu sehen ist
Heutige Nutzung
Das Anwesen ist heute in Privatbesitz und kann nicht besichtigt werden.
Sonstiges
Bis in unsere Tage halten sich Geschichten, dass das Herrenhaus mit sich damals außerhalb der Stadtmauer befindlichen Gebäuden über einen unterirdischen Gang verbunden sei.
Literatur
- Rolf Müller (Hrsg.): Schlösser, Burgen, alte Mauern. Herausgegeben vom Hessendienst der Staatskanzlei, Wiesbaden 1990, ISBN 3-89214-017-0, S. 152 f.
- Wilhelm Sante Georg (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten Deutschlands – Hessen. 3. Auflage. Verlag Alfred Kröner, 1976, ISBN 3-520-27403-5.
- Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hessen II: Folkhard Cremer (Bearb.): Regierungsbezirk Darmstadt. 1. Auflage. Deutscher Kunstverlag, München/ Berlin 2008, ISBN 978-3-422-03117-3.
- Peter Schröck-Schmidt: Der Adelshof Gans von Otzberg. In: Magistrat der Stadt Groß-Umstadt (Hrsg.): 1250 Jahre Groß-Umstadt 743-1993. Geiger-Verlag, Horb am Neckar 1993, ISBN 3-89264-771-2, S. 190–192.
- G. Brenner – ein Umstädter und seine Stadt. Aufsätze zur Geschichte. (= Schriftenreihe Autmundisstat. Sonderband). 1. Ausgabe. Museums- und Geschichtsverein Groß-Umstadt, 2009, DNB 992693993.
- Georg Brenner: Der Gans’sche Adelshof zu Umstadt: Seine Geschichte durch 5 Jahrhunderte. Odenwald Verlag, 1963.
Weblinks
Einzelnachweise
- Ein Haus im Wandel der Zeiten – das Burgmannenhaus in Hering/Otzberg S. 11. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Die Klebitz (oder Clebiz) von Nalsbach sind ein Niederadelsgeschlecht aus dem nördlichen Odenwald gewesen, die sich vermutlich nach ihren Besitzungen zu Nalsbach benannten, einem Dorf, das nur wenige Hundert Meter nördlich des heutigen Groß-Umstädter Stadtteils Wiebelsbach lag, im Dreißigjährigen Krieg wüst fiel und Teil des Umstädter Kondominats war. Sie werden dem Odenwälder Bachegeschlecht zugeordnet, dass in vier Familien aufgespalten war (vgl. auch Bacheburg und Geschichte der Bach von Rosenbach ) und korrekt Bach von Nalsbach genannt Clebiz (Klebitz) hießen. 1246 mit Conradus Glebize, miles erstmals urkundlich, starb das Geschlecht am 5. März 1573 mit dem Tod von Conrad Clebitz in Großwallstadt aus.
- Teilweise auch Pfraunheim genannt. Gehörte zum Adelsgeschlecht der von Praunheim, sein Sohn übernahm aber das benachbarte nichtverwandte Bommersheimer Wappen und verschmolz es mit dem Frankfurter Adler.
- Vizedom in Aschaffenburg, verstorben 20. Juli 1578, 1882 Epitaph in der Stiftskirche Aschaffenburg, nach August Amrhein: Die Prälaten und Canoniker des ehemaligen Collegiatstifts St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg, Julius-Maximilians-Universität Würzburg 1882, S. 354; und Informationen des Archivdirektors des Stadt- und Stiftsarchivs Aschaffenburg, Dezember 2013.
- Der Name Grorodt taucht urkundlich in vielfältigen Abwandlungen auf: Graenrodt, Grärodt, Gränrodt, Gränroth, Grorodt; dadurch sind die Familienverwandtschaften bis heute nur ungenau fassbar.
- 1882 Bronzerelief in der Stiftskirche Aschaffenburg erwähnt, nach August Amrhein: Die Prälaten und Canoniker des ehemaligen Collegiatstifts St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg, Julius-Maximilians-Universität Würzburg 1882, S. 354; und Informationen des Archivdirektors des Stadt- und Stiftsarchivs Aschaffenburg, Dezember 2013; Bild des Reliefs
- G. Brenner - ein Umstädter und seine Stadt. Aufsätze zur Geschichte. (= Schriftenreihe Autmundisstat. Sonderband). Hrg. Museums- und Geschichtsverein Groß-Umstadt, 1. Ausgabe. 2009, S. 18.