Epitaph
Als Epitaph (altgriechisch ἐπιτάφιον ‚zum Grab gehörend‘ bzw. lateinisch epitaphium, von ἐπί epí ‚bei‘, ‚auf‘ und τάφος táphos ‚Grab‘; Plural Epitaphe; im Deutschen auch Epitaphium, Plural Epitaphien) wird eine Grabinschrift oder ein Grabdenkmal für einen Verstorbenen an einer Kirchenwand oder einem Pfeiler bezeichnet. Epitaphe können künstlerisch aufwendig gestaltet sein und befinden sich im Unterschied zum Grabmal nicht zwangsläufig am Bestattungsort, in diesem Fall handelt es sich um eine Unterart eines Kenotaphs.
Geschichtliche Entwicklung
Das Epitaph ging während des Spätmittelalters aus zwei unterschiedlichen Wurzeln hervor:
- Andachtsbilder, die für Verstorbene gestiftet wurden, erhielten durch entsprechende Inschriften zunehmend den Charakter von Gedenkbildern.
- Aufwändig gestaltete Grabplatten, vor allem in großen Kirchen, immer häufiger an Wänden und Pfeilern und getrennt von der Grabstelle.
In seiner einfachsten Form ist ein Epitaph eine mit Namen und meistens mit Lebensdaten beschriftete Tafel. Im 16. und 17. Jahrhundert führte das wachsende Repräsentationsbedürfnis des städtischen Bürgertums und des Adels zu einer schnellen Weiterentwicklung der Epitaphien. Besonders seit Einführung der Reformation kam es zu Umarbeitungen und Sekundärnutzungen von Epitaphien.[1] Vorbarocke Epitaphe sind oft nach dem Vorbild spätmittelalterlicher Grabplatten gestaltet, mit aufwendig gearbeiteten Reliefs der Verstorbenen. Im Barock wurde das formale Muster der Grabplatte zu einer Gestaltungsmöglichkeit unter vielen, neben Altären (oft mit Retabeln), Särgen und vielen anderen. Barocke Epitaphe sind meist architektonisch aufgebaut und plastisch aus Stein, Metall oder Holz gearbeitet, in der Regel farbig gefasst und oft teilvergoldet. Ein weiterer, verbreiteter Typus sind Gedenktafeln, die Öl- bzw. Temperagemälde tragen. Sie sind meistens ganz aus Holz gefertigt, als Bildträger wird aber auch Leinwand verwendet. Die Rahmen dieser Bildtafeln sind oft architektonisch aufgebaut und mit plastischem, manchmal aus Stein, Gips oder Metallen gearbeitetem Schmuck dekoriert, zum Beispiel Engelsköpfen oder Kapitellen und Konsolen.
Ikonografie
Die Motive der skulpturalen bzw. bildlichen Gestaltung von Epitaphen lassen sich in vier Bereiche gliedern:
- allgemeine Symbole der Vergänglichkeit alles Irdischen wie Totenschädel, (gekreuzte) Knochen, (geflügelte) Sanduhren, allegorische Darstellungen des Todes;
- biographische Elemente, zum Beispiel Darstellungen der Verstorbenen, Wappen und Insignien;
- christliche Elemente, wie die sogenannten vier letzten Dinge: Tod, Jüngstes Gericht, Himmel und Hölle und Symbole der Auferstehung
- jüdische Elemente, zum Beispiel Aaronitischer Segen, Pushke (jiddisch: Tzedaka Box).
Inschriften
Die Inschriften[2] stellen wie die künstlerische Gestaltung den gesellschaftlichen Rang der Verstorbenen dar. Ihre bereits genannte einfachste Form aus Name und Lebensdaten ist deshalb vergleichsweise selten zu finden; Personen, für die man überhaupt ein Epitaph stiftete, wurden doch meist ausführlicher geehrt. Die erste, schon aus der mittelalterlichen Grabmalepigraphik übernommene Erweiterung der Inschrift sind genealogische Angaben: bei verheirateten Personen wird mindestens der Ehepartner aufgeführt, oft aber auch die jeweiligen Herkunftsfamilien. Dazu geht seit der Renaissance verbreitet der sog. Leichentext in die Inschrift ein, in aller Regel das Bibel- oder Liedzitat, über das bei der Bestattung gepredigt wurde. Insbesondere im Barockzeitalter nehmen die Inschriften an Umfang stark zu, würdigen ausführlich den Lebenslauf der Verstorbenen und preisen ihren herausragenden und frommen Lebenswandel. Barocke Grab- oder Epitaphinschriften sprechen den Leser als Memento Mori unmittelbar an, je nach den lokalen und individuellen Voraussetzungen in der jeweiligen Landessprache oder auf Latein und häufig in Versform. Ein Beispiel:
„ET MORTVVS EST? / QUID MIRARIS NEC TAMEN RIMARIS / FLORIS ET RORIS VANITATEM? / NOS QVOQVE FLOREMVS; SED FLOS EST ILLE / CADVCVS FORVIT; AST DEFLORUIT / QVI FLORVM ATQVE HERBARVM INDAGITAVIT VIRTUTEM / FILIVS PARENTVM UNICVS / IOHANNES CHRISTIANVS HARNISCH / ARTIS MEDICAE LICENTIATUS ET PRACTICVS FELICISSIMUS / ANNUM AGENS 34TVM. / FLOS AETATIS AC AETAS FLORIS / ALIIS INSERVIENDO MARCVIT. / NON ARCVIT / HERBA IN HORTIS / VIM VIOLENTAM MORTIS / QUAE FOLIVM DE TRIFOLIO / DECERPSIT DIE 18. DECEMBRIS 1730 / EST COMMVNE MORI. / QVID HAESITAS LECTOR? / ET MORTVVS EST.“
„Auch er ist gestorben? Was wunderst du dich und erforschst nicht stattdessen die Vergänglichkeit der Blume und des Taues? Wir blühen zwar; aber jene Blume ist vergänglich. In Blüte stand er, aber verblühte, der die Kraft der Blumen und Kräuter erforschte, der einzige Sohn seiner Eltern: Johann Christian Harnisch, examinierter Mediziner und erfolgreich praktizierender Arzt, im 34. Lebensjahr. Ihn, der anderen diente, ermattete die Blüte des Alters und das Alter der Blüte. Das Kraut in den Gärten konnte die ungestüme Kraft des Todes nicht abwehren, der ein Blatt vom Kleeblatt pflückte am 18. Dezember 1730. Es ist unser gemeinsames Los, zu sterben. Was stockst du, Leser? Auch er ist gestorben.“[3]
Literatur
- Joseph Bergmann: Über den Werth von Grabdenkmalen und ihren Inschriften, wie auch über die Anlegung eines Corpus Epitaphiorum Vindobonensium. In: Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale. Band 2, Nr. 6, 1857, ZDB-ID 220003-X, S. 141–146, 180–185, (Digitalisat).
- Katarzyna Cieślak: Tod und Gedenken. Danziger Epitaphien vom 15. bis zum 20. Jahrhundert (= Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung. 14). Verlag Nordostdeutsches Kulturwerk, Lüneburg 1998, ISBN 3-922296-95-5.
- W. Franke: Gattungskonstanzen des englischen Vers-Epitaphs von Ben Johnson zu Alexander Pope. Philosophische Dissertation, Erlangen 1864.
- Anne-Dore Ketelsen-Volkhardt: Schleswig-Holsteinische Epitaphien des 16. und 17. Jahrhunderts (= Studien zur Schleswig-holsteinischen Kunstgeschichte. 15). Wachholtz, Neumünster 1989, ISBN 3-529-02515-1.
- Hans Körner: Grabmonumente des Mittelalters. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1997, ISBN 3-534-11233-4.
- Bruno Langner: Evangelische Gemäldeepitaphe in Franken. Ein Beitrag zum religiösen Bild in Renaissance und Barock (= Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums. 73). Fränkisches Freilandmuseum, Bad Windsheim 2015, ISBN 978-3-926834-92-8.
- Helmut Stefan Milletich, Helmuth Furch, Kaisersteinbrucher Epitaphe, in: VOLK UND HEIMAT, Magazin für Kultur und Bildung. Eisenstadt, 46. Jg. Nr.2/ 1991.
- Paul Schoenen: Epitaph. In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. Band 5: Email – Eselsritt. Druckenmüller, Stuttgart 1967, Spalte 872–922.
- Karin Tebbe: Epitaphien in der Grafschaft Schaumburg. Die Visualisierung der politischen Ordnung im Kirchenraum (Materialien zur Kunst- und Kulturgeschichte in Nord- und Westdeutschland, Band 18). Marburg 1996
- Helga Wäß: Form und Wahrnehmung mitteldeutscher Gedächtnisskulptur im 14. Jahrhundert. 2 Bände. Tenea, Bristol u. a. 2006, ISBN 3-86504-159-0 (Zugleich: Göttingen, Universität, Dissertation, 2001);
- Band 1: Ein Beitrag zu mittelalterlichen Grabmonumenten, Epitaphen und Kuriosa in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Nord-Hessen, Ost-Westfalen und Südniedersachsen.
- Band 2: Katalog ausgewählter Objekte vom Hohen Mittelalter bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- S. etwa das Beispiel der „Flemendorfer Sippentafel“, Burkhard Kunkel, Gerhard Weilandt: Die Sippentafel in Flemendorf. Ein Gemälde der Dürernachfolge in Vorpommern. In: Kunst-Chronik, 64. Jg., Heft 8, Nürnberg 2011, S. 435–440.
- Mit dem Begriff „Epitaph“ wird manchmal auch nur die Inschrift eines Grabmals oder eines Erinnerungsmals bezeichnet.
- Zitiert aus der Inschriften-Sammlung www.sepulcralia.de (Memento vom 22. April 2010 im Internet Archive). Die Inschrift befindet sich auf dem Alten Friedhof von Buttstädt.