Frauenachter
Der deutsche Frauenachter (int. Wettbewerbskürzel GER W8+) ist die Nationalauswahl des Deutschen Ruderverbandes im Achter der Frauen und das Pendant zum Deutschland-Achter. Der Frauenachter mit Steuerfrau trainiert seit 2018 in Potsdam. Die Marke „Team Frauenachter“ wurde ab 2006 parallel zum Deutschland-Achter entwickelt, nachdem der damalige Hauptsponsor Telekom als Förderer der olympischen Riemenruderer ausgestiegen war.[1]
Der Frauenachter gewann 1994 und 2003 den Weltmeistertitel und wurde 1964 Europameister. Die Achtermannschaft der DDR gewann drei olympische Goldmedaillen (1976, 1980 und 1988) und wurde dreimal Weltmeister (1974, 1975 und 1977). Nach zuletzt nicht so erfolgreichen Jahren wurde im Frühjahr 2019 mit einer Neuausrichtung des Frauen-Riemen-Teams begonnen.[2] Zum Team gehören neben dem Achter auch der Zweier-ohne und der Vierer-ohne der Frauen.
Frauenrudern
Das Frauenrudern und insbesondere das Riemenrudern der Frauen hatte mit lange anhaltenden Widerständen der Sportverbände zu kämpfen. Der Rudersport der Männer erlebte die olympische Premiere in Paris 1900 mit vier Bootsklassen, darunter auch mit dem Achter. Aber erst ab 1974 wurden Weltmeisterschaften und ab 1976 olympische Ruderwettbewerbe auch im Frauenrudern ausgetragen. Und bei Ruder-Europameisterschaften, die seit 1893 ausgetragen wurden, gingen Frauen zum ersten Mal 1954 an den Start, jeweils aber auch im Achter. Deutsche Meisterschaften wurden 1956 und 1957 noch als gesamtdeutsche Meisterschaften im Frauenachter ausgefahren und für die Ruder-Europameisterschaften bis 1964 Ausscheidungsrennen gefahren, bevor die Ruderverbände der BRD und DDR wie im internationalen Sport insgesamt eigenständig antraten.
Wie im Ruderleistungssport allgemein entwickeln sich die Bootsgemeinschaften dabei aus dem Vereinssport heraus über Renngemeinschaften (in der DDR auch Betriebssportgemeinschaften) und landesweite Stützpunkte mit Internatscharakter in die internationale Leistungsspitze.
Geschichte der deutschen Frauenachter
DDR
Das Pendant zu den Bundesstützpunkten Ratzeburg und Dortmund war der SC Berlin-Grünau. Aus den Anfängen aus Betriebssportgemeinschaften entwickelte sich durch Konzentration und Verlagerung der Wassersportverein mit den Sektionen Rudern, Kanu und Segeln an der Regattastrecke Berlin-Grünau im Südosten Berlins, die Austragungsort der Ruder- und Kanuwettbewerbe der Olympischen Spiele 1936 war.[3] Die Frauenachter der DDR gewannen die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1976, 1980 und 1988 und die Weltmeisterschaft 1974, 1975 und 1977 und ca. 25 weitere WM- und EM-Medaillen.
BRD
Strukturveränderungen im Rennrudern der Frauen wurde insbesondere durch die sich ab 1966 herausbildende Dominanz der Ruderinnen der DDR bewirkt und neue Trainingsmethoden an der Ruderakademie Ratzeburg entwickelt. Die Entwicklung im Riemenrudern wurde zunächst „verschlafen“. Der lange Vorrang des Skullruderns durch das vorher praktizierte Stilrudern wirkte noch lange nach. Deutsche Meisterschaften für den Riemenzweier und -vierer, oft Grundlage der Achterbildung, wurden erst ab 1970 ausgefahren. Die Dominanz des Ostblocks konnte bis zum Mauerfall nicht durchbrochen werden.[4]
Wiedervereinigtes Deutschland
Nach der Wende wurden die vorhandenen Kräfte aus Ost- und Westdeutschland gebündelt, so dass der Frauenachter zunächst recht erfolgreich international ruderte. Bei den Olympischen Sommerspielen 1992 gelang der Gewinn der Bronzemedaille hinter Kanada und Rumänien, wobei der größere Teil des Teams zuvor bereits im DDR-Achter ruderte. Die Mannschaft gewann 1993 bei den Weltmeisterschaften ebenfalls die Bronzemedaille, im Folgejahr 1994 gar den Weltmeistertitel in Indianapolis. Danach wurde der deutsche Frauenachter schwächer und belegte nur den achten und letzten Platz bei den Olympischen Sommerspielen 1996 in Atlanta. Im Olympiazyklus von 1997 bis 2000 konnten keine nennenswerten Erfolge verbucht werden, die Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele 2000 in Sydney wurde verpasst.
Ab 2001 betreute Ralf Holtmeyer das Team Frauenachter und führte es zurück in die Erfolgszone. Nach zwei Bronzemedaillen bei den Weltmeisterschaften 2001 und 2002 gewann das Team im Jahr 2003 erneut den WM-Titel in Mailand. Bei der Olympischen Ruderregatta 2004 gelang allerdings nur der fünfte Platz. Das Team Frauenachter konnte danach einige Medaillenerfolge bei den Ruder-Europameisterschaften und eine WM-Silbermedaille 2006 erringen. Für die Olympischen Spiele 2008 und 2012 gelang jeweils die Qualifikation erst im letzten Moment bei einer internationalen Regatta in Luzern um wenige verbleibende Startplätze. In beiden Fällen schied das Team Frauenachter im Hoffnungslauf aus, durfte also nicht mehr im olympischen Finale starten. Ralf Holtmeyer wechselte nach der Saison 2008 zurück in den Männerbereich, seitdem wurde die Trainingsleitung von verschiedenen Rudertrainern übernommen. Seit 2013 ist Thomas Affeldt Bundestrainer des Frauenachters.[5] Die Qualifikation des Achter für die Olympischen Sommerspiele 2016 wurde jedoch verpasst, einzig im Wettbewerb des Zweier-ohne startet eine Mannschaft aus dem Kader des Frauenachters. Kerstin Hartmann und Kathrin Marchand belegten in Rio de Janeiro den achten Platz.
Im November 2018 verlegte der Frauen-Riemen-Bereich seinen Bundesstützpunkt von Dortmund nach Potsdam. Im März 2019 übernahm der Australier Tom Morris das Amt des Trainers. Bei den Weltmeisterschaften in Linz verpassten die drei Riemenboote die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Ein Jahr nach dem Umzug stellte Bundestrainer Morris in Potsdam das „Projekt Riemen“ vor. Dessen langfristiges Ziel waren Medaillenplätze bei den Olympischen Spielen 2024. Für Tokio 2020 sollte der Fokus auf den Zweier ohne und Vierer ohne gelegt werden um sich in der Nachqualifikation Startplätze für die Olympischen Spiele zu sichern.[2] Bedingt durch die Covid-19-Pandemie waren die Ruder-Europameisterschaften 2020 die einzige internationale Regatta des Jahres. Dort gewann der Achter überraschend die Silbermedaille. Für den Achter war dies die erste Medaillenplatzierung seit den EM 2014. Damit war auch die Olympiaqualifikation des Achters wieder ein Thema.[6]
Sportliche Erfolge
Die Tabelle listet alle Teilnahmen deutscher Frauenachter an der Olympischen Ruderregatta und alle Medaillenerfolge deutscher Frauenachter bei Ruder-Europameisterschaften und Ruder-Weltmeisterschaften auf.
Stützpunkt
Im wiedervereinigten Deutschland trainierte der Frauenachter zunächst beim Ruderverein Saarbrücken auf der Saar.[7] Ab 2005 trainierte er zusammen mit dem Achter der Männer ebenfalls am Bundesleistungszentrum Rudern Dortmund auf dem Dortmund-Ems-Kanal. Im November 2018 folgte der Umzug des Frauen-Riemen-Bereichs zum Olympiastützpunkt Brandenburg in Potsdam. Auf dem Gelände an der Pirschheide befindet sich neben Kraft- und Ergometerräumen auch ein Rudermessbecken. Gerudert wird auf dem Templiner See.
Kader Saison 2021
Am Olympiastützpunkt in Potsdam bereiten sich die Kaderathletinnen jährlich beginnend im Herbst auf eine neue Saison vor. Eine Mannschaft für den Frauenachter wird dabei erst im Zeitraum April/Mai selektiert, nachdem verschiedene Testwettkämpfe unter anderem im Zweier ohne Steuerfrau und auf dem Ruderergometer absolviert worden sind. Zur internationalen Regattasaison, die im Mai mit dem Ruder-Weltcup und den Ruder-Europameisterschaften beginnt, wird die Mannschaft für den Achter bestimmt. Gleichzeitig werden Ruderinnen für den Zweier ohne und den Vierer ohne Steuerfrau aus demselben Kader ausgewählt.
Im Laufe der Saison können die Teams umbesetzt werden. Beim letzten internationalen Auftritt, der finalen Olympia-Qualifikation im Mai, saßen folgende Ruderinnen im Achter[8]:
- Tabea Schendekehl (Ruderclub Hansa von 1898)
- Marie-Cathérine Arnold (Hannoverscher Ruder-Club von 1880)
- Frauke Hundeling (Deutscher Ruder-Club von 1884)
- Alyssa Meyer (Ruder-Club Tegel 1886)
- Alexandra Höffgen (Neusser Ruderverein)
- Pia Greiten (Osnabrücker Ruder-Verein)
- Michaela Staelberg (Crefelder Ruder-Club 1883)
- Melanie Göldner (Ruder-Club Potsdam)
Darüber hinaus ist Larina Hillemann von der Lübecker Ruder-Gesellschaft v. 1885 als Steuerfrau Mitglied des Teams.
Aus demselben Kader treten ebenfalls an:
- Vierer ohne
- Katja Fuhrmann (Laubegaster Ruderverein Dresden)
- Sina Kühne (Dresdner Ruderverein)
- Janka Kirstein (Hannoverscher Ruder-Club von 1880)
- Isabelle Hübener (Ruder-Club Potsdam)
- Zweier ohne
- Sophie Oksche (Donau-Ruder-Club Ingolstadt)
- Anna Härtl (Ruder-Club Potsdam)
Als Ersatz war Christin Stöhner (Sportverein Energie Berlin) mit vor Ort. Ida Kruse (Ruderverein Münster von 1882) saß bei den Ruder-Europameisterschaften 2021 mit im Achter.
Trainer
- Peter Jost (bis 1988)
- Wolfgang Schell (1989–1994)
- Dieter Altenburg (1995)
- Jörg Landvoigt (1996)
- Eberhard Kaschen (1997–1998)
- Wolfgang Schell (1999–2000)
- Ralf Holtmeyer (2001–2008)
- Christian Viedt (2009)
- Bernd Lindner (2010)
- Christian Viedt (2011)
- Ralf Müller (2012)
- Thomas Affeldt (seit 2013)
- Sven Ueck (Herbst 2016 – Sommer 2019)[9]
- Tom Morris (seit Sommer 2019)[10]
Vermarktung
Seit 2010 liegt die Vermarktung des Frauenachters den Händen der „Deutschland-Achter GmbH“. Die Fördergesellschaft Rudern mbH hat dazu sämtliche Rechte an diese Gesellschaft übertragen. Von der Deutschland-Achter GmbH werden damit sowohl die Sportler des Team Deutschland-Achter als auch die Sportlerinnen aus dem Team Frauenachter vermarktet. Geschäftsführer der Vermarktungsgesellschaft ist Carsten Oberhagemann, der auch Pressesprecher des Team Frauenachter ist.[11] Derzeitiger Hauptsponsor ist die Firma WILO aus Dortmund.
Weblinks
- Offizielle Website des Bereichs Frauen-Riemenrudern des DRV
- Website (bis 2006) (Memento vom 14. Juni 2014 im Internet Archive)
- Bildersammlung und Platzierungen Frauenachter der DDR
- Bildersammlung und Platzierungen Frauenachter der BRD
Literatur
- Anne Hutmacher: Die Entwicklung des Frauenruderns in Deutschland. Dissertation. Köln 2010.
- Marc-Oliver Klages: Die Entwicklung von Trainingsmethoden im Rennrudern in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung der Ausdauermethoden während der Teilung Deutschland’s. Diplomarbeit. Köln 2005.
Einzelnachweise
- Frank Neumann: Telekom bootet den Achter aus. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. April 2005, abgerufen am 3. März 2015.
- Judith Garbe: Frauen-Riemen-Team in Potsdam vorgestellt. In: rudern.de. 7. November 2019, abgerufen am 28. April 2020.
- Vereinsgeschichte SC Berlin-Grünau. Abgerufen am 3. März 2015.
- Anne Hutmacher: Die Entwicklung des Frauenruderns in Deutschland (Dissertation, Köln 2010). (PDF) Abgerufen am 3. März 2015.
- Porträt Thomas Affeldt. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 2. April 2015; abgerufen am 3. März 2015.
- Jonas Schützeberg: Wie der Frauen-Achter nach einem langen Tief wieder auftaucht. In: rbb24.de. 6. November 2020, abgerufen am 29. Dezember 2020.
- Festakt 90 Jahre UNDINE und Einweihung des Ruderleistungszentrums Saarbrücken. In: srg-undine.de. 25. April 2015, abgerufen am 1. Januar 2021.
- Finale Olympia-Qualifikation. In: rudern.de. Abgerufen am 13. Mai 2021.
- Tobias Gutsche: Im Kader und mit geänderter Verantwortung. Tagesspiegel Potsdamer neueste Nachrichten, 23. Mai 2019, abgerufen am 10. Oktober 2020.
- Tobias Gutsche: Neuausrichtung Frauen Riemen in Postdam. Tagesspiegel Potsdamer neueste Nachrichten, 8. November 2019, abgerufen am 11. September 2020.
- Pressemitteilung „Vermarktung durch Deutschland-Achter“. 14. April 2010, abgerufen am 3. März 2015.