Frank Ulrich Montgomery
Frank Ulrich Montgomery (* 31. Mai 1952 in Hamburg) ist ein deutscher Radiologe. Von 1989 bis 2007 bekleidete er das Amt des Ersten Vorsitzenden des Bundesvorstandes der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, deren Ehrenvorsitzender er seit 2007 ist. Ebenfalls 2007 wurde er zum Vizepräsidenten der Bundesärztekammer berufen. Von 2011 bis 2019 war er deren Präsident.[1][2] Auf dem 122. Deutschen Ärztetag in Münster wurde er 2019 zum Ehrenpräsidenten der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages ernannt. Am 16. April 2015 hat der Rat des Weltärztebundes (World Medical Association, WMA) in seiner 200. Sitzung Montgomery zum stellvertretenden Ratsvorsitzenden gewählt.[3] Im Juli 2017 wurde er als Nachfolger von Hermann Stefan Keller Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Apotheker- und Ärztebank, dem er seit 2011 angehört. Montgomery wurde auf der 212. Sitzung des Rates des Weltärztebundes am 25. April 2019 in Santiago de Chile zum Ratsvorsitzenden („Chair of Council“) gewählt.[4] Im April 2021 wurde er für einen weiteren Zweijahreszeitraum wiedergewählt.[5] Montgomery ist auch seit 2019 Präsident des „Ständigen Ausschusses der europäischen Ärzte“ (CPME) in Brüssel, der die europäischen Ärztevereinigungen gegenüber den europäischen Institutionen in Brüssel und Straßburg vertritt.
Werdegang
Montgomerys Vater war ein britischer Offizier, der in der Folge des Zweiten Weltkrieges nach Deutschland gekommen war, seine Mutter eine deutsche Ärztin. Montgomery lebt in Hamburg. Er ist mit einer Ärztin verheiratet und Vater von zwei Kindern.
Nach dem Medizinstudium in Hamburg und Sydney erhielt er 1979 seine Approbation als Arzt und wurde im selben Jahr mit einer Dissertation zum Thema Stellenwert der Pankreasangiographie in der Diagnostik der Pankreaserkrankungen[6] an der Universität Hamburg promoviert. Seit 1986 ist er Facharzt für Radiologie.
Von 1983 bis 2016 war er Vorsitzender des Landesverbandes des Marburger Bundes in Hamburg. Von 1987 bis 2002 und von 2006 bis 2019 war er Mitglied des Vorstandes der Bundesärztekammer; davon als Präsident von 2011 bis 2019. Von 1994 bis 2002 sowie von 2006 bis 2018 war er Präsident der Ärztekammer Hamburg. Heute ist er Ehrenpräsident der Bundesärztekammer und der Ärztekammer Hamburg.
Montgomery arbeitete bis Ende 2018 als Oberarzt der Radiologischen Klinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.[7] Im Jahr 2012 bekam er vom Senat der Hansestadt Hamburg den Ehrentitel Professor verliehen. Damit soll sein Engagement im Bereich der Gesundheits- und Sozialpolitik, der Wissenschaft und der medizinischen Ethik gewürdigt werden.[8] 2013 wurde er mit dem Dr.-Günther-Buch-Preis für Medizin der Johanna-und-Fritz-Buch-Gedächtnis-Stiftung ausgezeichnet.[9]
Von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf hat Montgomery, der auch eine Verbindung zur israelischen Ärztekammer aufgebaut hat, 2019 für seinen Einsatz bei der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der deutschen Ärzteschaft die Josef-Neuberger-Medaille erhalten.[10]
Montgomery, der 1972 in die SPD eingetreten war,[11] verließ diese Ende 2014 wegen der Einführung des Tarifeinheitsgesetzes.[12]
Positionen
Als Vorsitzender des Marburger Bundes engagierte sich Montgomery für einen eigenständigen Tarifvertrag für angestellte Ärzte. Es gelang ihm 2005, einen von der Gewerkschaft Ver.di und den öffentlichen Arbeitgebern bekämpften eigenständigen Tarifvertrag durchzusetzen. Hierfür organisierte Montgomery zwischen 2004 und 2006 die größten Ärztestreiks der deutschen Geschichte. Montgomery war auch der erste Menschenrechtsbeauftragte der Bundesärztekammer. Er befürwortete 2001 das Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID).[13]
Montgomery sprach sich 2002 gegen den zwangsweisen Einsatz von Brechmitteln zur Beweissicherung aus, da es hierbei in Hamburg zu einem Todesfall unter ärztlicher Einwirkung gekommen war, und befürwortete stattdessen die Verabreichung von Abführmitteln.[14] Er hat eine obligatorische Masern-Impfung befürwortet.[15] Montgomery engagiert sich auch für ein Verbot der Euthanasie oder des ärztlich assistierten Selbstmords. An den Richtlinien zur Sterbebegleitung der Bundesärztekammer wirkte er als Vorsitzender des „Ausschusses Medizin-juristische Grundsatzfragen“ mit. Im Mai 2020 sprach er sich für eine obligatorische Corona-Impfung aus, sofern es eines Tages einen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 gebe.[16] Eine Äußerung in der Talkshow von Anne Will vom 7. November 2021 zum Thema Corona-Neuinfektionen auf Höchststand – braucht Deutschland eine Impfpflicht?[17] erhielt große Aufmerksamkeit:[18] „Momentan erleben wir ja wirklich eine Tyrannei der Ungeimpften, die über das zwei Drittel der Geimpften bestimmen und uns diese ganzen Maßnahmen aufoktroyieren“.[19] Am 27. November 2021 warnte er vor neuen Virusvarianten, die so schlimm sein könnten wie Ebola. Um weitere Varianten zu verhindern, werde es nötig sein, „die Welt noch jahrelang zu impfen“.[20]
In einem Interview mit der Zeitung Die Welt am 26. Dezember 2021 kritisierte Montgomery mit Blick auf die Aufhebung der 2G-Pflicht im Einzelhandel durch Einzelfallentscheidungen des OVG Niedersachsen, dass „kleine Richterlein“ es sich anmaßten, „etwas, das sich wissenschaftliche und politische Gremien mühsam abgerungen haben, mit Verweis auf die Verhältnismäßigkeit zu verwerfen“.[21][22] Die „Richter rügen Montgomery“,[23] die „Richter kritisieren Montgomery“ deswegen im Gegenzug „als in der Sache unqualifiziert und im Ton unangemessen“.[24] Montgomery erneuerte seine Kritik am 27. Dezember 2021. Das Präsidium der Bundesärztekammer distanzierte sich ausdrücklich von den Aussagen Montgomerys und wies darauf hin, „dass der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, von der deutschen Ärzteschaft nicht legitimiert sei, einzelne Regelungen der Länderparlamente, des Bundestages oder der Bundesregierung zu kommentieren. Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Gerichte seien konstitutive Kernelemente des Rechtsstaats.“[25] Montgomery verteidigte seine Aussagen am 30. Dezember 2021 im Deutschlandfunk und außerdem in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.[26][27][28] Anschließend warf auch der Präsident des zuständigen Lüneburger Oberverwaltungsgerichts Thomas Smollich Montgomery vor, die Gewaltenteilung in Deutschland infrage zu stellen.[29]
Kritik
Während der COVID-19-Pandemie hatte er geäußert, das Tragen von Schals oder Tüchern als Mund-Nasen-Schutz sei lächerlich.[30] Er betonte, der Staat könne nicht das Tragen selbstgefertigter Masken mit zweifelhaftem Schutz verlangen und Verstöße mit Bußgeldern belegen, wenn er zugleich nicht in der Lage ist, der Bevölkerung ausreichend qualifizierte Masken zur Verfügung zu stellen.
Der Arzt und Medizinjournalist des Magazins Stern Bernhard Albrecht warf Montgomery vor, er verstehe wenig „von der komplexen Maskenwissenschaft“ und habe „ein Heer von Wissenschaftlern gegen sich, die die Studienlage gesichtet und lange diskutiert haben“.[31] Inzwischen bezeichnete Montgomery in einem Interview seine frühere Einschätzung als wissenschaftlichen Irrtum und befürwortete Bußgelder bei bewusster Weigerung, eine Maske zu tragen.[32]
Weblinks
Anmerkungen
- Montgomery neuer Ärztepräsident. (Nicht mehr online verfügbar.) In: apotheke-adhoc.de. Archiviert vom Original am 18. Februar 2016; abgerufen am 2. Februar 2015.
- Pressemitteilung der Bundesärztekammer auf Bundesaerztekammer.de (Memento vom 30. Dezember 2013 im Internet Archive) (abgerufen am 2. Juni 2011).
- , Pressemitteilung World Medical Association, 19. April 2015. Abgerufen am 27. Dez. 2021.
- , Pressemitteilung World Medical Association, 29. April 2019. Abgerufen am 27. Dez. 2021.
- , Pressemitteilung World Medical Association, 23. April 2021. Abgerufen am 27. Dez. 2021.
- Nachweis der Dissertation im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek. Abgerufen am 8. Juni 2020.
- Uwe Groenewold: Tschüss, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery. In: uke.de. 30. Januar 2019, abgerufen am 21. Juni 2019.
- Ärzte Zeitung: Ehrentitel: Montgomery jetzt ‚Professor‘. In: aerztezeitung.de. 2. September 2012, abgerufen am 2. Februar 2015.
- Elke Bartholomäus: Namen und Nachrichten. In: Deutsches Ärzteblatt. Band 110, Nr. 18. Deutscher Ärzteverlag, 3. Mai 2013, S. A-891 / B-777 / C-773 (aerzteblatt.de).
- Elke Bartholomäus: Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery. In: Deutsches Ärzteblatt. Band 117, Nr. 1–2, 6. Januar 2020, S. B 33.
- Sandra Wilsdorf: Bekannt wie Dr. Brinkmann. In: Die Tageszeitung: taz. 7. Dezember 2002, ISSN 0931-9085, S. 32 (taz.de [abgerufen am 5. Dezember 2021]).
- Montgomery ist kein Sozialdemokrat mehr. In: Ärztezeitung. 26. Januar 2015, abgerufen am 5. Dezember 2021.
- Ulrich Montgomery: Krieg der Ärzte. Die Regierung plant eine ethische Revolution. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland, 22. Februar 2001.
- Sandra Wilsdorf: Die mildeste Folter. Die Tageszeitung, 10. Januar 2002, abgerufen am 24. Mai 2016.
- montgomery.de: Masernimpfpflicht ist ein wichtiger Schritt zur richtigen Zeit.
- Weltärztepräsident spricht sich für Corona-Impfpflicht aus. In: MSN, 20. Mai 2020, abgerufen am 20. Mai 2020.
- Christian Vock: Montgomery bei "Anne Will": "Wir erleben momentan eine Tyrannei der Ungeimpften". 8. November 2021, abgerufen am 29. November 2021.
- Fabian Busch: Kritik an Montgomery: "Ungeimpfte sind keine Tyrannen". 8. November 2021, abgerufen am 29. November 2021.
- Frank Menke, WDR: "Tyrannei der Ungeimpften": Der Umgangston eskaliert. 8. November 2021, abgerufen am 29. November 2021.
- WELT (dpa/AFP/Reuters/ott): Frank Ulrich Montgomery fordert bundesweites Verbot für Weihnachtsmärkte. In: Die Welt. 27. November 2021 (welt.de [abgerufen am 29. November 2021]).
- Quelle: Die Welt Online-Ausgabe vom 27. Dezember 2021. Thomas Vitzthum: „Stoße mich daran, dass kleine Richterlein sich hinstellen und 2G im Einzelhandel kippen.“
- Ärztezeitung: KBV distanziert sich von Montgomerys „kleine Richterlein“-Äußerung. Online-Ausgaben vom 26. und 27. Dezember 2021.
- dpa-Meldung. Quelle: Herforder Kreisblatt - Westfalen-Blatt. 177. Jahrgang, Nummer 302/2021, 28. Dezember 2021, S. 1.
- Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland, Nummer 302/2021, 28. Dezember 2021, S. 1 und 8 (Kommentar von Helene Bubrowski: „Respektlos“).
- Bundesärztekammer distanziert sich ausdrücklich von Montgomery. In: aerzteblatt.de. Deutsches Ärzteblatt, 29. Dezember 2021, abgerufen am 30. Dezember 2021.
- BÄK-Spitze geht Montgomery scharf an. Ärztezeitung, 30. Dezember 2021, abgerufen am 2. Januar 2022.
- Kim Björn Becker: Frank Ulrich Montgomery: Wer spricht für die Ärzte? In: FAZ.NET. 30. Dezember 2021, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 2. Januar 2022]).
- Christian Geyer: Montgomery. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland, Nummer 2/2022 vom 4. Januar 2022, S. 9.
- Stephan Klenner: Corona-Rechtsprechung: Lüneburger Richter wehrt sich gegen Montgomery. In: FAZ.NET. 4. Januar 2021, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 10. Januar 2022]).
- Lucia Schmidt: Masken tragen können nicht nur Medizinstudenten. In: FAZ online. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. April 2020, abgerufen am 26. April 2020.
- stern.de: Maskenpflicht – Warum jetzt eine Aufklärungskampagne nötig ist (Kommentar).
- Weltärztebund zur Corona-Pandemie – „Wir sind in einer Dauer-Welle“. Abgerufen am 6. August 2020 (deutsch).
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Jörg-Dietrich Hoppe | Präsident der Bundesärztekammer 2011–2019 | Klaus Reinhardt |